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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 28.02.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190102283
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19010228
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19010228
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1901
-
Monat
1901-02
- Tag 1901-02-28
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Monat
1901-02
-
Jahr
1901
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ung in völlig«! Auflösung, und der tapfere und kühne General mit einer kleinen Schaar aus der Flucht befinden; jedcnfall« wird e« bei dem starken Verluste an Geschützen, Gewehren und Muni tion Schwierigkeiten bieten, di» Truppe abermals widerstandS- sühig zu machen und größere Unternehmungen mit ihr zu »er suchen, Dagegen müssen noch andere Abiheilungen der Buren in größeren Massen in der Kolonie stehen, denn Lord Lilchener meldet selbst, daß noch etwa 5600 Mann vor der britischen Front stehen. Die Nachricht, daß Botha sich ergeben wolle, ist noch in keiner Weise bestätigt und wahrscheinlich dürfte die« nur eine der bekannten Situations-Meldungen der englischen Blätter sein. Eine spätere Meldung besagt demgegenüber, daß General Botha mit 2000 Buren dem ihn versolgcndcn General French in der Richtung aus Komatipoort entkommen ist. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 27. Februar. Am Montag Abend hielt die Gesellschaft .Union" hierstlbst nach langjähriger Pause ein DastnachtSvergnügen ab, welche« man al« wohlgclungen bezeichnen darf. In den schön dekorlrten Festräumen hatten sich zahlreiche Besucher eingefunden, um sich in dem .Löwenbräukeller in Mün chen", so war dar Fest gedacht, ein Stelldichein zu geben. Nicht nur eine flotte Militärmusik und der .echte" Trunk de« Löwen bräu erzeugten eine Münchnerischc Stimmung, nein, da« Leben in der „Union" war diesmal bedeutend vielgestaltiger al« in der schönen Jsarstadt, denn außer den vielfachen malerischen Trachten der Anwesenden wirkte auch die Mannigfaltigkeit der Darbiet ungen in günstigster Weise aus die allgemeine gute Stimmung ein. Außer den mancherlei Chorgcsängen und Soli« sand der Schuhplattler-Reigen die dankbarste Ausnahme, und man konnte sich nur freuen, wie schön und sicher derselbe zur Darstellung gelangte. Denjenigen aber, die sich um da« Gelingen des Abend« io vielfach bemüht und verdient gemacht haben, mag e« al« Ge- nugthuung dienen, den Mitgliedern der Gesellschaft ein selten schöne« Fest ermöglicht und bereitet zu haben. — Johanngeorgenstadt, 26. Febr. Gestern 'Nach mittag haben sämmtliche Handschuhmacher und Dresseure der Firma Wertheimer u. Co. wegen bedeutender Lohnreduktion ihre Kündigung cingereicht. Leider hält der ungünstige Geschäftsgang in der Handschuhmacherei, welche einem großen Theil unserer Bevölkerung da« Brot liefert, noch immer an und ist auch, so weit abzusehen, eine bessere Lage nicht zu erwarten. — Dresden, 24. Februar. DaS vorläufige Ergebniß der Volkszählung vom l. Dezember 1900 im Königreiche Sachsen ergicbt 4,199,758 Bewohner, wa« gegen 1895 einen Zuwachs von 412,070, das ist 10,»« pCt., bedeutet. — Leipzig, 26. Febr. Al« Mörder de» Laufburschen Otto wurden heute der 16jährige Laufbursche Thärigen und der I4jährigc Schulknabe Willy Krost verhaftet. Beide sind der That geständig. Ausschlaggebend für die Ermittelung undUeber- sührung der Mörder ist eine vom Polizeiamte am gestrigen Tage erlassene Bekanntmachung, betr. den bei dem Ermordeten vor gefundenen, ihm um den Hal« geschlungenen Leibriemen, gewesen. Durch diese Bekanntmachung wurde der Eigenthümer de» Leib riemens, der ihm vor Kurzem mit anderen Gegenständen gestohlen worden war, bekannt, worauf es gelang, heute Morgen den Dieb, den Schulknaben Krost, festzunehmea und in ihm den einen der Mörder zu ermitteln, namentlich aber ihn diesem Beweismittel gegenüber der That zu überführen, während der andere Mord bube, der Arbeitsbursche Thärigen, bereit» am gestrigen Tage al» der That verdächtig von der Polizei in Haft genommen worden war. Mit welch' enormen Schwierigkeiten die Polizei behörde bei der Aufdeckung dieser schändlichen Blutthat zu kämpfen gehabt hat, geht wohl am besten daraus hervor, daß allein gegen 100 Anzeigen bei dieser Behörde cingegangen sind, in denen ebcnsoviele verschiedene Personen al« vermeintliche Mörder be zeichnet oder verdächtig! worden sind. Alle diese Anzeigen muß ten auf da« Sorgfältigste von der Polizei geprüft werden. — Soeben ist auch der Hammer, mit dem die Mörder ihr Opfer erschlagen haben, in einem in der Nähe de« Thalorte« gelegenen Garten, wohin ihn die Mörder geworfen haben, von Polizeibc- amten ausgefunden worden. — Chemnitz, 25. Februar. Zwischen Altchemnitz und Erfenschlag sind heute früh von einem nach Burkhardtsdorf ab gelassenen, zur Abholung von Reisenden bestimmten leeren Per sonenwagenzug 8 Wagen entgleist. Die '/«5 Uhr nach Adorf und 8 Uhr nach Aue abzufertigenden Personenzüge mußten in folgedessen auSsallen. DaS Personal hat keine Verletzungen er litten, der Materialschaden ist unbedeutend. Die Entgleisung ist vermuthlich durch den hochliegenden Schnee und Bereisung der Schienen entstanden. — Plauen. Folgen eines Mißverständnisse«. Saßen da in einer Schankstube zwei ältere Herren miteinander, welche in einen Pferdehandel verlieft waren, wobei der eine die Acußerung gebrauchte: .Ja, die Luci ist c faul'» Luder und frißt viel." — Saum war da« Wort gefallen, al« eine gleichzeitig im Gastzim mer anwesende Frauensperson aufsprang, auf den Sprecher zu eilte und ihm mit den geflügelten Worten: „Sie alter Dingerich, «a» feilt Ihnen denn ei', iech kenn Sie doch gar net und Sie micch aa net!" eine furchtbare Schelle verabreichte. Der Ge troffene war im ersten Moment wie vom Donner gerührt und konnte sich dar Gebühren der rabiaten Person nicht erklären, al« der Wirth de« Lokale« hinzutrat und unter dem Lachen der Anwesenden — wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für Spott nicht zu sorgen, — dem unfreiwilligen Opfer eine« Miß verständnisse« die Eröffnung machte, daß die schlagfertige Ama zone den gleichen Namen Luci wie da« von ihm al» »faule« Luder" bezeichnete Pferd führe. — Annaberg, 25. Februar. Ein Sonderling, wie man ihn sich sonderlicher wohl kaum denken kann, ist, wie da« „ Annab. Wochenbl." schreibt, der schon seit vielen Jahren in dem an der Silberstraßc hier gelegenen Restaurant „Zum Sckwan" wohnhafte 58jährige Privatexpedient und Junggeselle Emil Sp. Er be wohnte in dem betreffenden Hause ein einfenstrige» Zimmer und hat die Schwelle desselben, wie man sich sagt, schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr überschritten. Seine Bedürfnisse an Speise und Trank hat er sich durch eine Aufwartung durch die Thüre, welche nur bi« auf eine kleine Spalte geöffnet wurde, reichen lasten. Niemand durfte seine Klause, in der e« übrigen» infolge Bekleben de» Fenster» mit Papier beständig finster war, betreten. Die Bilder, Spiegel und Wände waren ebenfalls mit Papier überklebt. In den letzten Tagen hatte der Einstedler, Vesten Haar in einer langen Mähne bi« auf ven Rücken herab hängt, gar nicht» mehr von sich hören lasten, wa» dem HauSwirthe ausfiel. Er machte am Sonnabend der Polizei davon Mitthetl- ung, welche da» Zimmer, da der Bewohner desselben keine Laute von sich gab, durch einen Schlosser öffnen lasten mußte. Den Linlretenden bot sich ein schauerlicher Anblick dar, indem sie den Sonderling in erstarrtem Zustande und völlig entblößt auf dem Fußboden fanden. E» wurden sofort Wiederbelebungsversuche »»gestellt, die schließlich auch von Erfolg waren E» handelte sich nur noch um einig» Minuten, dann wäre der Tod durch Erfrieren eingetreten. Der Krank» wurde mittel» Krankenwagen» dem Stadtkrankenhause zugeführt. Aber sein« Wiederbelebung ist nur vorübergehend gewesen, denn er ist heute früh um 6 Uhr, ohne da» Bewußtsein wieder erlangt zu haben, gestorben. — Wie von zuständiger Seite mitgelheilt wird, bezieht sich die auch von un« kürzlich gebrachte Notiz über die Neuerung in der Art der Einberufung der Mannschaften de» Beurlaubten st andc», nach welcher diese bereit« im Frie den von den BezirkSkommando» eine Mitthcilung — Krieg«beor- derung oder Paßnotiz — über ihre Verwendung im Falle einer Mobilmachung erhalten, einstweilen nur auf die Mannschaften de» XII. Armeekorps. Bei denen de» XIX. Armeekorps bleibt bi« aus Weitere« die frühere Art der Einberufung bestehen. — Ueber die Zahl der zur Zeit einjährig-freiwillig dienenden Lehrer macht die „Leipz. Lehrerztg." folgende Mit «Heilungen: „Die Annahme, daß nur verhältnißmäßig wenig Volksschullehrer al« Einjährig-Freiwillige in da« Heer eintreten würden, erweist sich anscheinend nicht al« zutreffend. In Bayern genügen gegenwärtig 132 Volk-schullehrcr ihrer militärischen Dienstpflicht, davon 93 al« Einjährig-Freiwillige und 39 al« Staat«einjährige. In Niederbayern und Schwaben sind sämml- liche Lehrer al« Einjährig-Freiwillige cingetrcten, in Unterfranken mit Ausnahme von Zweien. Bei der Auswahl derjenigen Ein jährig-Freiwilligen, welche den OsfizicrSaspiranten-Unterricht be suchen dürfen, wurden im 14. Jnsamerie-Rcgiment von 88 ande ren Einjährig Freiwilligen nur 28, von den 10 Lehrern aber 9 gugelasten. In Oesterreich besitzen eine erhebliche Anzahl von VclkSschullehrern da« Offizier-patent, von den Mitgliedern de« deutsch böhmischen Lande«lchrciverein« z. B. nicht weniger al« 95. Au« dem Königreich Sachien ist leivcr da« Gleiche wie au« Bayern nicht zu berichten. In Sachsen sind z. B. nur bei 6 Jnfanterieregimenlern Lehrer eingestellt. Un« stehen von den 3 Leipziger Regimentern die genauen Zahlen zur Verfügung. Bon den 72 eingestellten Lehrern dienen nur 7 al« Einjährig-Frei willige. Ein ganz ähnliche» Berhältniß herrscht nach eingezogenen Erkundigungen auch in den 3 übrigen Regimentern in Dre«den und Chemnitz. — Au« dem Vogtlande, 24. Febr. Am Sonnabend Nachmittag hatte der bei einem OelSnitzer Baumeister bedienstete Knecht Max Kegler, 30 Jahre alt, verheircnhet und Vater zweier Kinder, eine Ladung Bretter mittel« Lastschlitten« von Schöneck nach OelSnitz zu fahren. Kegler wählte hierzu den kürzeren, aber steilen, arg verschneiten Kommunikalion«weg; bei Werda schlug plötzlich der Schlitten um und drückte den nebenher gehen den Geschirrführer in den tiefen Schnee, woselbst Kegler erstickt ist. Irgendwelche Verletzung war an der Leiche, die etwa eine halbe Stunde nach dem Unfälle gefunden wurde, nicht bemerkbar. — In der in Sachsen bestehenden VolkSheilstättc für Lungenkranke „AlbcrtSberg" bei Auerbach i. V. können auch sächsische Militärinvalidcn, deren Lungen leiden in den ersten Anfängen steht und bei denen durch eine vielleicht achtwöchentliche Kurdauer eine Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, für Rechnung der Militärverwaltung unter den Aufnahmebeding ungen dieser Anstalt untergebracht werden. Vorbedingung in erster Linie ist, daß da« Leiden de« Betreffenden mit einer Dienst beschädigung im Zusammenhänge steht. Die Gesuche um Auf nahme sind bei dem zuständigen BezirkSkommando anzubringen und gelangen auf dem Dienstwege an da« Kriegiministerium, welche« mit der AnstaltSverwaltung da« Nölhige vereinbaren und ev. die erforderlichsten Anordnungen verfügen wird. Amtliche Wittheilungcn aus der 2. öffentlichen Sitzung des Stadtvcrordn-ten-Lollegimns zu Eibenstock. om 15 Februar I9U1, Abend« 8 Uhr im RatbhauSiaole. Vorsitzender: Herr Stadtverordnelen .Vorsteher Dierscb. Anwesend: 18 Stadtverordnete, entschuldigt fehlen 3. Der Rath ist vertreten durch Herrn Bürgermeister Hesse. 1) Kaufsache, das Mcichsner'sche Grundstück am Stern betr. Die Wittwe Meichsner hat darum gebeten, daß beim Kauf ihres Grundstücks am Stern" auf die Stadt übernommen und ihr für die stehen gebliebenen Mauertheile der Abzug der Brandschädenvergütung von 300 Mk. der- willigt wird. Nachdem man sich über den Punkt ausgesprochen hat, wird das Gesuch der Wittwe Meichsner einstimmig genehmigt. 2) Der Anlagensatz für 1901 wird wieder mit 3,^ festgesetzt. 3) Um den Rathhaussaal künftig ausschließlich als Sitzungssaal benutzen zu können, hat der Stadtrath auf Vorschlag des Bauausschusses be schlossen, die früher im Rathhaussaale untergebrachte Polizei - Tages- Wacbe in einem besonderen Anbau an die jetzige Nachtwache unterzubringen. Das Collegium tritt dem Rathsbeschlusse, den Saal künftig nur für Sitzungen rc zu benutzen, bei. Wegen Beschaffung von Räumlich keilen für die Polizei vertritt das Collegium die Meinung, daß man fü. letztere und ev. auch für die Sparkasse in nächster Nähe des Rath- bauseS eventuell im Hause der Firma Rud. Uhlmann Räumlichkeiten miethen müsse. Die weiteren Schritte in der Angelegenheit werden dem Rath übertragen. Hierauf nimmt man Kenntniß von der Abrechnung über die Her stellung des Rathhaussaales. Die über den Kostenanschlag hinaus, namentlich durch Aufstellung von Gasöfen und Veränderung von Gas leitungen rc., sowie durch Anbringung neuer Ponieren rc. entstandenen Mehrkosten werden verwilligt, nachdem Herr Bürgermeister Hesse die nöthigen Erläuterungen zur Sache gegeben batte. 4) Dem Erzgebirgs-Verein soll auch für das Jahr 1901 eine Beihilfe von 100 Mark gewährt werden. 5) Dem Collegium liegt sodann der Entwurf eines Schankregulativs vor. Da Herr Bürgermeister sein Interesse an sofortiger Genehmigung des Regulativs kundgiebt,^ so beschließt das Stadtverordneten Collegium, das Herren Stadtverordneten Flemmig, Manuel u. Schlegel gewählt, welche die Durchsicht des Regulativs umgehend erledigen bez. dem Stadtrathe Bericht erstatten wollen. 6) Die Abänderung der Strafvorschriften in der Polizeiverordnung, betr. den Arbeiterschutz auf Bauten findet Genehmigung. 7) Die Schulgeldrechnung für das Jahr 1899, welche von Herrn Stadt verordneten Tittel geprüft und für richtig befunden worden ist, spricht Gottesacker betr? 9) Postbausache. Man schließt sich dem Rathsbrschluß in allen Punkten an insbesondere darin, die unentgeltliche Abtretung von Areal zur Verbreiterung des SchulgäßchenS in Breite von 3 Meter zu fordern. 10) Von der Abrechnung über die von der verlängerten Südstraße nach dem Rehmerbache dergestellte Schleuse wird Kenntniß genommen und der Mehrbetrag für den Bau verwilligt. Zum Schluß verwilligt da- Collegium noch die Kosten für einen Schlauchreinigungsapparat. Sein schönster Maskenball. Humoreske von Julius Berger. . (Nachdruck Da« ganze Nest stand auf Stützen: der Herr AmiSgerichtS- rath, der dort seine Pension verzehrte und bei seinen alten Mütterchen »ohnte, Halle angeregt, in diesem Jahre einen Ma«- kenball zu entriren! In N. ging e« sonst nicht gerade sehr still zu. Klein wie »a« Städtchen war, so niedlich war e« auch. Und daß in eine« niedlichen Städtchen auch niedliche Mädchen waren, wird Nie manden Wunder nehmen. Dazu fanden sich hübsche Eommi«, Buchhalter, Postasstftenten, Lehrer usw. und schließlich der liebe gute Herr Amt«gericht«rath, ein Junggeselle in den Fünfzigern, der bei keinem Vergnügen fehlte, da« von den verschiedenen Ver einen im Saale de« einzige» Hotel« gefeiert wurde. So kam e«, daß an allerlei gesellschaftlicher Kurzweil kein Mangel war. Aber ein Maskenball! Nein, den hat e«, wie sich die älte sten Damen und Herren besinnen konnten, in N. noch nicht ge geben. Traun, kein anderer, al« der lebenslustige Herr Amt«- gericht«rath, konnte diesen so überaus originellen Gedanken ge habt haben! Also e« war unumstößliche Thatsache: in diesem Jahre der erste Maskenball. Wer so an die 3 bi« 4 Wochen vor diesem Maskenball nach N. kam, hätte vermeint, in einem verzauberten Orte sich zu be finden; die meisten Fenster waren verhangen, denn die Dämchen arbeiteten an ihren Maskenkostümen; verlangte man im Laden eine Cigarre, so erhielt man jedenfalls eine Schachtel Stiefel wichse, denn der Herr Commis dachte an den Maskenball und war in einer anderen Welt; selbst die Herren von der kaiserlich deutschen Post hatten Mühe, eine 3-Pfennig-Marke von der Papp kiste zu unterscheiden, die man aufgeben wollte; und im Hotel waren alle Gaststuben von „geschlossener Gesellschaft" besetzt, denn die einzelnen Vereine tagten in „außerordentlicher" Sitzung mit noch außerordentlicher«! TageSoidnung: die freiwillige Feuer wehr, der Turnverein, die Scatbrüder, der Kegelklub, und selbst das Damenkränzchen. In Anbetracht de« Verdienste« de» allzeit mit seinem Rath hilfsbereiten Herrn AmtSgerichlSrath«, de« liebenswürdigen alten Herrn, sollten ihm am Tage, respektive Abende de« ominösen Maskenball« >u seiner nicht geringen Ueberraschung die verschie denartigsten Ehrungen zu Theil werden: hier Ehrenmitglied mit gelbrother Schärpe, dort ein Geschenk, ein Diplom und — wissen Sie, wa« da« Damenkränzchcn beabsichtigte? Nein! Also muß ich e« Ihnen sagen, vorerst aber folgende«: dem Damen kränzchen gehörten im Ganzen nur .6" Damen der besten Gesellschaft in N. an, die jüngste von ihnen 45 Lenze, die anderen so succesive um einige Frühlinge reicher. Diese 6 Damen, deren Schooß sämmtliche WohlthätigkeitSveranstaltungen in N. ent quollen, haben gelegentlich einer Kaffeesitzung die Entdeckung ge macht, daß e« für Herrn AmISgerichtSralh doch eine Wohlthat wäre, wenn er eine Frau hätte. Lachen Sie nicht! Seine Mutter war schon sehr alt, und wenn, wa« Gott verhüten möge, sie stürbe, wa« dann? Allein zu sein und seine Grillen in sich fressen, da« würde er denn doch nicht fertig bringen. Im Gegentheil, verliebt — pst! — verliebt bi« hinter die Ohren war er, nur hatte er, — jeden falls wegen einer unglücklichen Liebe — den rechtzeitigen An schluß verpaßt. Jetzt müßte er al« alter, gesetzter Herr selbst redend mit einer „passenden" Partie in nicht zu jugendlichem Alter fürlicb nehmen. Herr Gott, und wer wäre geeigneter gewesen, diese Lücke im amtSgericht-räthlichen Leben auszufüllen, al« gerade eine der 6 Damen de» Kränzchen«? So philo- sophirten diese wackeren Matronen. Sie sprachen schließlich von falscher Scheu, Lebenslust, ja noch mehr, sie knobelten am Ende, wen da« Loo« treffen sollte, an der jungfräulichen Reserve heraus und am Abend de« Masken ball« mit einem großen Bouquet vor den lieben Herrn Rath hinzutreten, und in dem Strauß verborgen sollte ein Billelche» mit der offenen Liebeserklärung sich befinden ... ja, ja, die Liebe macht eben erfinderisch. E» wurde also geknobelt, und Fräulein Editha ward die Glückliche, fast ebenso alt wie der Herr AmlSgerichtSraih und jetzt purpurrolh vor Aufregung an den beseligenden Gedanken, noch glückliche Braut zu werden. E« war selbstverständlich, daß sie sich männiglich bemühte, auszuforschen, in welcher MaSke der Herr Rath erscheinen würde; vergeben«! Also kam der große Tag de« Maskenball« heran. E« war ein Leben im Saale, eine Stimmung, wie man sie sich fastnächtlicher kaum hätte verstellen können. Met der größten Spannung freilich erwartete man den Eintritt de» Herrn AmtSgerichlSrath», der immer erkannt worden wäre, gleichviel, welche MaSke anzulegen er beliebt hätte: sein runde«, wohlgenährte« Bäuchlein sprach ja eine Sprache für sich! Schon schlug die Saaluhr zwölf, schon gab man alle Hoff nung auf, schon prägte sich die Enttäuschung in aller Gebärden au» ... da ... da öffnete sich die Thür weit, weit, und in den Saal hüpfte ein reizender „Erlkönig" . . . großartig, ein allgemeine« „Ah"; die Musik schmetterte in rascher und danken«- werther Erfassung der Situation den Schubert'schen „Erlkönig"; Alle« summte ihn mit, derweil der „Erlkönig" majestätisch bald, bald übcrmüthig hüpfend, den Saal durchmaß, allenthalben durch Neigen der Markenhäupter begrüßt; 6 nette Meerjungsern aber sangen offen und ehrlich in da« Chao« de« Stimmengemengsel«: „Wer tänzelt so spät durch diesen Saal? E« ist Erlkönig, ein reizend Gemahl." Wie elektrisirt war die MaSkengesellschafl durch die so ori ginelle Anwesenheit de» lange erwarteten Herrn, und die frohe Laune wollte kein Ende nehmen, al« der wohlbeleibte Erlkönig die tollsten Sprünge über Tische und Stühle machte und sonst noch allerhand Allotria trieb. Bei Gott, wer hätte geglaubt, daß in dem pensionirtcn Herrn AmtSgerichlSrath noch solch ein Leben, solch ein Feuer steckte! „Wir gratuliren Ihnen, Fräulein Editha", raunten fünf Seejungfrauen der sechsten Meerjungfrau geheimnisvoll zu, welche einen riesigen Blumenstrauß mit sich spazieren führte, „wir gra tuliren Ihnen; e« ist doch wahr, daß der Mensch eigentlich nie altert, wenn er e« nur »ersteht, sein bi-chen Herz jung zu er halten!" Mit einem Male hielt die Musik inne ... die Ovationen begannen. Ein Mephisto trat vor den Erlkönig; großartig, Mephisto sprach im Namen der Feuerwehr! Er hielt eine „zündende" Rede und proklamirte den Herrn AmtSgerichlSrath zum Ehren- präse« der Wehr. Der Erlkönig verneigte sich. Nun nahte ein Athlet, ein Turner, und überreichte dem Herrn Rath ein silberne« Schreibzeug in Barrenform, dazu wieder eine Rede. Der Erlkönig verneigte sich. Hierauf kam ein leibhaftiger Herz-Wenzel: die Skatbrüder widmeten dem Herrn AmlSgerichtSraih ihr Bild, dazu wieder eine Rede. Der Erlkönig verneigte sich. So ging e« noch eine Weile weiter, bi« «ine Meerjungfrau erschien und im Namen der „jungen Damen" der Stadt ein riesige« Bouquet dem Herrn Rath überreichte. Wie heiß mußte da dem Herrn Rath geworden sein? Denn der Erlkönig riß sich die Marke vom schweißtriefen-
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