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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 27.07.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190107278
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19010727
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19010727
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1901
-
Monat
1901-07
- Tag 1901-07-27
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Monat
1901-07
-
Jahr
1901
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Schwindel hat sich ein Spitzbube autgesoi-.nen, »er sich anscheinend auf einer Tournee durch die sächsischen Mittelstädte mit ietnem Trick befindet. Hier bat der Betrüger, der sich den Namen Grimm zugelegt hat, eine ganze Reihe von Tischlerwerkstätten besucht. Er kommt zu den Tischlern, betrauert in leidenschaftlichem Schmerz den Tod seiner Schwiegermutter, die in dem ziemlich entfernt von der Stadt liegenden Gasthof »Zur Sonne", an der hohen Straße zwilchen Waldsachsen und Gablenz gelegen, ge storben sei, bestellt einen passenden Sarg und entdeckt, wenn e» an« Bezahlen geht, plötzlich, daß er sein Portemonnaie vergessen hat. In dieser Trauerstimmung appellirr er an die Gutmülhig- keit de« Meister«, und bittet ihn sür kurze Zeil um ein kleine« Darlehen, da er noch wichtige Besorgungen zweck« Bestattung der todten Schwiegermutter zu machen habe. Seither hatte der Gauner Glück und die geschädigten Sargliefcranten brauchten für den Spott nicht zu sorgen. Nicht weniger al« 8 Tischler wollten beim Somernwirth Särge für Grimm« Schwiegermutter ablicsern und mußten unter dem allgemeinen Gelächter wieder abzichcn. Der Betrüger soll zuweilen auf sein »ehrliche« Gesicht" und glaubhafte« Auftreten hin ansehnliche Beträge erhallen haben. Auch in Meerane soll der Gauner ähnlich mit Ersolg ausgetreten iein, wo er die Särge in den Gasthof nach Waldsachsen bestellte. Die Polizei ist eifrig auf der Suche nach dem Jndividium, welche« kleinen Schnurrbart, rothe« Gesicht, weiße Mütze und grüne« Jäckel tragen und 1,,s in groß sein soll. — Auerbach, 25. Juli. Unter den ungünstigen Zeit verhältnissen Hal auch unsere heimische Industrie schwer zu leiden und ist hier in verschiedenen Fabriken die Arbeitszeit nochmal« gekürzt worden. Die Lager sind übervoll, der Absatz unverhält- nißmäßig schwach. — Falkenstein, 25. Juli. Gestern Morgen 3 Uhr wurde der Besitzer der Holzschleifer« ,m Göltzschthal, Herr Ernst Siegel hier, telephonisch vom Schlafe geweckt. In Hintergrünbach war um diese Zeit ein Wolkenbruch niedergegangen und die Wasser massen schossen in Strömen zu Thale, alles mit sich fortreißend, was ihnen in den Weg kam. Die Umzäunung der Holzschleifern wurde mit fortgerissen, das Wasser drang in die unteren Räume der Schleiferei und setzte die Maschinen und Holzstoffvorräthe unter Wasser. Der Werkmeister vermochte nicht mehr durch die Hauslhür in« Freie zu gelangen, sondern nahm seinen Weg durch« Fenster. Die Göltzich schwoll rapid an und trat in ihrem unteren Lause vielfach aus den Uiern. — Wiescnburg, 2b. Juli. Gestern Abend in der 7. Stunde trug sich in der Familie des in der hiesigen Bezirksan- stalt angcsteUten Hausverwalter» Elsner ein höchst bedauerlicher Unglücks fall zu, indem ihr 16 Jahre alter Sohn, der Kaus- mannslehrling Theodor Oskar Elsner, von seinem 14 Jahre alten Bruder, dem Seminaristen Friedrich Moritz Elsner, durch unvor sichtige« Gebühren mit einem Teschinpistol um« Leben gebracht worden ist. Beide Söhne Elsner» waren in einem Expeditions zimmer mit Schreiben beschäftigt. Al» der eine derselben, der da« Schneeberger Seminar besucht, in dem Schreibpulic seine« Vater« nach einer Feder suchte, fiel ihm ein kleine» Pistol in die Hände, das er an sich nahm und damit herumspieltc. Aus einmal krachte ein Sckuß, der dem nicht weit davon sitzenden älteren Bruder in den Hal« drang. Unter lautem Aufschrei brach der Getroffene zusammen. Leider hatte die tödtlichc Waffe die Schlagader de» jungen blühenden Menschen getroffen und nach Verlauf von kaum 10 Minuten war er eine Leiche. Der Tod trat durch Verblut ung ein. Al» er bereit» im Sterben lag, rief er seinen be- klagenswerthen Eltern zu: »Fritz (sein Bruder) könne nicht« dafür, er sei unschuldig!" Da« Pistol lag nicht etwa frei umher, sondern befand sich in dem betreffenden Pulte eingeschlossen. Niemand hatte eine Ahnung davon, daß die Waffe, die vom Vater zur Abgabe von Schreckschüssen aus Krähen verwendet wurde, noch geladen war. Aelerat über die Hitzung des Gemeinderatha Schönheide vom 16. Juli 1901. I) MN der Wadi eine« aoderweNen Pachter« der Aalbhauswirtblchasl aut ung von Baudeürägen sich verpflichtet haben, wird beschlossen, für' den oberen Theil der sogen. Berggasse eine Beschleusungsanlage Herstellen zu lassen. nchnnguug ertbeilt. Da« vorliegende Anerbieten eines Wasserbautech- niters, diese Schürfungen auszusühren, Bezahlung aber dafür nur zu fk^rdern^ wenn und insoweit dte Herstellung einer Wasserleitung erfolgt. bezügliche Veröffentlichung deshalb als zur Zeit noch nicht geeignet von ihm erachtet worden sei, weil der Gemeinderath die Beschlußfassung über den erwähnten öiegenstand in der letzten Sitzung ausgesetzt und auf Zur Heffügelzucht. Eine zeitgemäße Mahnung von S. Eckel-dorf. Die Geflügelzucht ist eine Quelle der Einnahme, die nur Unkennlniß und Unverstand verachten lasten können. Mit dem rapiden Anwachsen der deutschen Bevölkerungszifser wächst der Eierbetarf. Die Produktion ist weit hinter dem Bedarf zurück geblieben und bedarf Jahre der Aufmunterung, ehe da» Angebot die 'Nachfrage zu decken vermag. Im Jahre 1900 hat Deutsch land über 100 Millionen Mark an da« Ausland verloren, allein sür den Import von Eiern. In der Zeit von 1894—1898 be trug in Deutschland der Ueberschuß der Einfuhr über die Aus- fuhr an lebendem Federvieh 107 Millionen Mark, an Eiern 368,600,000 Mark. Da« kleine Dänemark z. B. mit seinen ge schlossenen Genossenschaften exportirte im Jahre 1900 für mehr al« 20 Millionen Mark Eier und zeigte ein WachSthum an Einnabme aus dem Eierexport in der Zeil von 1870 bi« 1898 von 22,40t» Mark auf >2,224,000 Mark. Wenn Zahlen reden, müssen diese Zadlen kehr ernst und eindringlich und auch wobl vorwurfsvoll auf die deutsche Landwirthschaft einreden, daß sie im Groß und Kleinbetrieb die Gelbsthülfe in der Form der Geflügelzucht nicht gesucht hat und scheinbar noch nicht sucht au« dem Hang am alten Herkommen, da« ist ein Fehler, der sich um so mehr rächt, al« die Lage der deutschen Landwirt h- schäft die Ausnutzung jeglicher Erwerbsquelle erheischt, die inner halb de« Wirthschaft«betriebe» liegt. In Norddeutschland wird die Geflügelzucht nur in Einzelsällen rationell betrieben. Im großen Ganzen deckt sie nur den Selbstbedars. Und wo der Hausbedars an lebendem Geflügel und Eiern überschritten wird, bleibt der Verdienst im Zwischenhandel hängen. Man wartet auf den Aufkäufer und der zahlt so, daß der erste und letzte Groschen in seine Tasche fällt. Die Zettlage fordert den ge nossenschaftlichen Zusammenschluß in gleicher Richtung strebender Genossen. Die Landwirthe, große und kleine, sollten überall zu einem genossenschaftlichen Verband zusammen treten zum Zweck einer rationellen Geflügelzucht, und zum genossenschaftlichen Absatz de« Geflügel« und der Eier. In Dänemark besteht eine Eier verkauf« - GenossenschastScentale, die in 364 Kreisabtheilungen zerfällt und im Jahre 1897 schon 1800 Mitglieder zählte. Im Jahre 1899 wurden 2,496,000 Kilogramm Eier eingeliescrt und dafür an die Mitglieder mehr al« 2,200,000 Mark gezahlt. Die Zahlung geschieht natürlich nach Gewicht. Der Verkauf voll zieht sich meisten« direkt an die große englische Groß-Einkaufs genossenschaft. Ein solche« Beispiel muß Nachahmung wecken. Die Einführung mehrerer fremder Geflügelrassen stößt aus kli matische Hindernisse und artet leicht zu Liebhaberei und Spielerei au«. Da» ist nicht der rechte Weg. Unter dem gewöhnlichen Landgeflügel ist da» beste zur Zucht au«zuwählen, je nachdem es sich um Mästung oder Tierproduktion handelt. Die Kreuzung de» italienischen Huhn« mit dem guten deutschen Landhuhn hat die besten Eierlcger geliefert. Zu dem Zweck genügt die Anschaff ung italienischer Hähne. Aie Verstoßene. Novelle von WiIlbert Sahlmann. '8. Fortsetzung.) .Seltsam," meinte Jäme». »Nun zurück auf die tolle Alte. Al« sic mich nach Ihnen fragte, entgegnete ich lachend: „O, Miß Henny gehl» gut, — aber wissen Sie denn, daß ich von Avonshirc komme?" »Ich weiß gar Manche»," — kicherte das alte Weib, — »auch Manche«, wa« auf Avonshire passirte, wovon Ihr vielleicht selber keine Ahnung habt. — Sagt mir doch, spukt« noch im Schlosse?" »Ich hielt e« für gut, auf die Idee der Alten einzugehen und sagte: „Ja, gewiß spukt e« noch zu Zeiten." — »Hübt Ihr sie denn selber schon gesehen, die verstoßene Frau von Avonshire?" fragte jetzt Winnie und ihre Physiognomie nahm die lauernde Weise eine« Luchses an. »Gesehen habe ich sie nicht," entgegnete ich, »aber gehört; seufzend wandelt die Arme in finstern Sturmnächten durch die weiten Hallen." »Slurmnacht, — Sturmnacht," murmelte die Alte, »ja in einer solchen soll sie hinaus gejagt worden und verschwunden sein, das wilde Meer hat sie verschlungen und sie spukt im Schlosse, bis der männliche Stamm derer von Avonshire au-gestorben ist." »Kennt Ihr denn die Geschichte der spukenden Frau genau?" fragte ich, jetzt selber auf» höchste neugierig. »Die ist kurz erzählt; ich bitte Euch aber, bringt der schönen Hennv einen Gruß von der alten Winnie, erzählt ihr, was ich Euch erzählte und ich ließe sie warnen, Laß e» ihr nicht erginge, wie der jetzt spukenden Miß von Avonshire." Und die alte Hexe fuhr fort: »Bor vielen, vielen Jahren hat « einen jungen Squire von Avonshire gegeben, der ein gar wilder, wüster Geselle gewesen sein soll, der seiner Ahnen Reichthum verpraßte und durch die Welt tollt«. Von seinen Reisen brachte er dann ein bildhübsche« Frauenzimmer heim, mit dem er im Schloß verborgen leble. Der Dienerschaft tagte er, e» sei seine Frau, die er von Amerika mil gebracht habe, — er nannte sie Henny. Alle im Schloß liebten und verehrten sie bald, denn die junge Mistreß war nicht nur schön, sie war auch gut und lieb wie ein Engel. Einige Zeit ging Alle» gut, bald aber begann der Squire ein wüste-, wilde« Leben; er hielt dabei seine schöne Gattin wie eine Gefangene, — er tyranuisirtc, ja er mißhandelte sie und in einer schaurigen Sturmnacht trieb er sie hinaus au» Avonshire." Die Alte fuhr fort: »Wer wollte ihm wehren, wer ihn zur Rechenschaft ziehen, war der Squire von Avonshire Loch ein mäch tiger Herr, hielt er doch meilenweit im Umkrei» die OrtSobrigkeit jetbcr in Händen. Man sagt, die schöne Mistreß Henny fei in der Sturmnacht umgekommen, vielleicht von der Fluth er saßt und vom Meer verschlungen. Sie ist nie mehr gesehen worden, und mit ihr wurde ein zweite« Leben getödtet, da« sie unter dem Herzen trug." Die Alte sah mich mit ihren Katzenaugen an, al« habe sie Lust, mir mil ihren Nägeln in« Gesicht zu fahren. »Nun spukt sie — sie muß umgehen, bi» der letzte männliche Stamm derer von Avonshire au«gestorbcn ist, dann erst ist sic gerächt, denn ihr Mörder machte eine Andere zur Mistreß und die Sprossen Lieser Ehe kamen in Besitz von Schloß, Herrschaft und Güter." Henny hatte während der Erzählung ihr Auge auf James gerichtet, sie lauschte gleich dem Kinde, da« der alten Märchen erzählerin jede« Wort vom Mund abhorcht. — In dem Augen blick, al» der junge Mann schwieg, vernahm sie ein Geräusch — sie blickte durch den Zimmcrraum und mit einem Angstschrei fuhr sie empor, halb von den Portieren der Eingang»thür »er borgen bewegte sich eine Gestalt. Auch Lord Elifford erhob sich vom Stuhl, er wandte sich — und vor den beiden jungen Leuten stand der Squire von Avonshirc. Der Squire war ernst wie gewöhnlich, aber Jamc» glaubte eine auffallende Blässe an ihm zu bemerken, ja sogar eine Art Unsicherheit im Ton der Stimme, al» er sagte: »Jame«, Sie sollten für Miß Gilbert besser Sorge tragen, die Abendluft ist kalt, erlauben Sie mir, daß ich da« Fenster schließe." Mit diesen Worten trat der Squire hinzu und schloß den Fensterflügel, der weit geöffnet war. Lord Elifford mußte sich gestehen, e» war eine etwa» selt same Situation, in welcher ter Squire ihn mit dem schönen Mädchen überraschte. „Ich theilte Miß Gilbcit mit," sagte er rasch in seiner ge wohnten offenen Weise, »daß ich morgen abreisen würde, zugleich machte ich ihr aber auch eine Bestellung von ihrem Bruder und erzählte ihr meine Begegnung mit einer seltsamen Bewohnerin dc» Fischerdörfer am heutigen Vormittag." »Wenn Sie ihre Unterredung geendet haben," entgegnete der Squire, »so führen Sie Miß Gilbert in den Saal zurück, Edith Hal soeben aufgehört zu musiziren." Der Squire ging, die jungen Leute allein lastend, zurück zu seinen Gästen. Jame» bot dem schönen Mädchen seinen Arm und leise flüsterte er Henn» m» Ohr: „Ich wette, er hat un» belauscht, und gehört, wa» ich Ihnen erzählte." »Nun, Ihre Erzählung ist ja zu Ende," sagte Miß Gilbert. »Ich hatte Ihnen eigentlich noch mehr zu erzählen gehabt," lächelte Jame». »Bon der unglücklichen, spukenden Frau auf Avonshirc?" meinte nachdenkend Henny. »Nein, — von mir selber, aber kommen Sie, Miß Gilbert, ich werde Ihnen alle« Weitere später jagen." Jame» führte Henny in den Saal, in dem Augenblick, al» Beide einlraten, sah er, wie Edith« Auge aus ihn, auf seine Be gleiterin gerichtet war; Edith» Blick glich einem versengenden Blitz, e« war ein schrecklicher Blick, unter welchem jede» warme Gefühl zu ersterben drohte. Die hereinbrcchendc Nacht trennte die Gesellschaft, die Wagen fuhren vor, die Gäste nahmen Abschied und al« die alte Schloßthunnglocke die erste Stunde nach Mitternacht verkündete, war e« im Hause Avonshirc still wie immer. E« hatte, nachdem die Fremden fort waren, noch eine Be gegnung zwischen Lord Elifford und Edith stattgefundcn; die stolze Miß von Avonshire hatte nur wenige Worte gesprochen, aber sie genügten, um Jame» — tief bi» in da« Herz hinein zu verletzen, und ihn auch einen Blick in die Seele der Tochter de» Squire» thun zu lassen, der ihn sür immer von der schönen, reichen, kalten Erbin entfremdete. Jame» ging in sein Zimmer, aber er sand den Schlaf, die Ruhe nicht. Zwei Frauenbilder schwebten vor seinem geistigen Auge, die Tochter de» Squire» und die Tochter de» Fischer«. Aber noch andere Augen im Schlosse zu Avonshire wachten. Edith, die ihrem Vater so ganz ähnelnde Tochter, saß ange- kleidct in ihrem Schlafzimmer und starrte vor sich hin. Sie hatte ihrem Kammermädchen befohlen, zu Bett zu gehen, sie wollte schon allein fertig werden, Eigenheiten, welche bei der stolzen. Miß nicht ausfielen. Die weißen, schmalen Finger der schönen Miß krallten sich zusammen, mit geballten Händen saß sie da und in vibrirenden. Lauten hauchte e» von ihrem Munde: „Wer ist diese Fremde, die sich in da» Herz meine» Bater« zu stehlen versteht, die mir Jame» Herz stiehlt!" Sie hielt plötzlich inne, krampfhaft zitterten ihre Hände, ein Beben ging durch ihren ganzen Körper. »Jame« Herz" — fuhr sie phantasirend nach einer langen Pause fort. »War e» denn mein eigen, — schlug e» für mich? — Können denn diese blasirten jungen Männer noch lieben?" Sie schnellte empor, die Tochter de» Millionär», die einzige Erbin von Avonshire. — „Nein" — rief sie, — „meine Zuneigung zu ihm war keine Liebe, — Liebe wie sie ein Dichter schildert, wie eine Julie sie empfand, — o mein Gott, — o mein Goli," — sprach sie dann dumpf vor sich hin, — „ich glaube, wir Glücklichen dieser Erde sind verdammt, vergeben» nach wahrer Liebe zu schmachten, und sic doch niemals empfinden zu lernen." — Noch einer dritlen Person* im Schlosse floh der Schlaf — und diese dritte war der Squire selbst. — Im Gesellschaftssaal, in den Nebenkabinetten, aus Fluren und Treppen waren die Lichter gelöscht, die Dienerschaft hatte die Ruhe gesucht und gefunden. Den Squire von Avonshire können wir in demselben Zimmer finden, in welchem er an jenem Abend weilte, al» Henny in da« Schloß trat und dem vornehmen Herrn die Meldung brachte, daß im fernen Uferdors ihr Vater, ein armseliger Schiffer, auf den Tod erkrankt sei, aber ihn, den Squire, an sein Sterbebett be scheiden ließ; — c» war dasselbe Zimmer, in welchem vor einigen Stunden der Lord Elifford der Tochter desselben Manne«, dessen letzter Hauch an sein, de» Squire» Ohr tönte, da« Märchen von „der spukenden Frau auf Avonshire" erzählte, da- eine Verrückte ihm am selben Morgen erzählt hatte. Der Squire lag in einem Lehnstuhl gegenüber dem Kamin; sein linker Arm hing erschlafft nieder, die Finger seiner rechten Hand waren krampfhaft in die zerknitterte Busenspitze de» feinen Hemde» gekrallt, in welcher ein kostbarer Brillant in dem Zwie licht fast unheimlich funkelte und blitzte, gleichsam al» besäße er Leben, da» eingeengt, die Fesseln gewaltsam zu sprengen strebte. Au» dem gegen die Stuhllehne ruhenden Kopf de« Squire» starrten die Augen unbeweglich aus da« Bild über dem Kamin, da« eine Tropennacht auf dem unendlichen Meer vorstellte. Welch Gcdankenmeer mochte wohl durch da» Gehirn diese» Manne« fluchen? — Man glaubte eine au« Wach» gemodelte Statue vor sich zu sehen, so regung»lo« saß der Squire da. Welche Bilder der Vergangenheit zogen an ihm vorüber, oder sah er sich selber über da« unendliche Meer schiffen, weiter und immer weiter, bi» ihm Avonshire cntgegenblicktc; wa» dachte, wa» träumte der einsame Mann? Währenddessen hatte der Engel de« Frieden» die Augenlider de» armen Fischermädchen» im süßen Traum geküßt. Am nächsten Vormittag verabschiedete sich der junge Lord Jame« Elifford. Etwa« Frostige« lag in diesem Abschiednehmen, aber eine Verständigung zwischen den Hauptpersonen, welche in unserer Geschichte spielen, war nicht möglich, man hatte sich ja nicht veruneinigt, e« gab ja gegenseitig gar nicht« aufzuklären, man fühlte nur, daß e» heute ander» war wie früher, e« herrschte sozusagen die Schwüle eine« kommenden Gewitter«, da« sich später oder früher entladen mußte. Jame» hatte, wie am Abend vorher mit Edith, an dem Ab- schiedimorgen auch mit Henny eine kurze Begegnung gehabt. — Jetzt rollte der Reiscwagen durch da« Schloßthor den Kieselweg link« hinab zum Meere»slrande. — Während der Squire und seine Tochter in den Empfang»salon zurückkehrten, sehen wir Henny Gilbert im zweiten Stock in einem Erkerzimmer, da« ihr zum Schlasgemach angewiesen worden war, am Fenster sitzen und gedankenvoll dem Reisewagcn Nachsehen, der den jungen Lord in die Residenz trägt. Plötzlich wandte sie den schönen Kops, ein Seufzer entstieg ihrer Brust, sie trat an da» gegenseitige Fenster, da» einen Ausblick recht« ab weit über da« Meer hin gewährte. — Dort in grauer, nebliger Ferne wußte sie den Ort, wo sie geboren, und mit dem Seufzer zugleich brachen sich die Worte über ihre Rosenlippen: „O, mein armer Vater, warum mußtest Du sterben? allein sterben? — Hättest Du doch Deine Henny mitgenommen zu ihr, der Mutter, in den Himmel." 4. In Avonshire herrschte nach Jame» Abreise eine gedrückte Stimmung: Edith war fast nie mehr zu sehen, sie schützte Un wohlsein vor und zog sich in ihre Zimmer zurück. Still und öde war e» drinnen im Schlosse, grau und frostig begann e» draußen zu werden. Henny fühlte sich mit einem Male entsetzlich vereinsamt. — Der Squire war freundlich gegen sic wie vorher, aber sein ganze» gemessene», aristokratische» Naturell harmoniric so wenig mit der schlichten Einfachheit Henny«, daß sie trotz all der sicht-
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