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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 11.06.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190106117
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19010611
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19010611
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1901
-
Monat
1901-06
- Tag 1901-06-11
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Monat
1901-06
-
Jahr
1901
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der billigste und für den Tran»pori von Massengütern bei weitem »onheilhasteste; für Personen- und Postverkehr, sowie die Ver frachtung werthvoller Güter aber könne nach dem bisherigen Stande der sibirischen Bahn eine einheitlich geleitete Westlinie, wie die Ballin», Voriheile bieten. Air den deutschen Welthandel sei es von großer Bedeutung, wenn eine neue und zugleich die kürzeste Verkehrtstraße von Westeuropa nach Ostasien unter deutscher Führung erschlossen werde, — Frankreich, Gegenüber der auch in Deutschland ge legentlich hervortretenden optimistischen Auffassung der scheinbar Platz greifenden .Aussöhnung" der Franzosen mit den Siegern von 1870/71 verdient die weniger geräuschvolle, darum aber wohl um so wirksamere Thätigkeit der seit 1871 in Frankreich bestehen den Gesellschaft zur Unterstützung von Elsässern und Lothringern, die für Frankreich oplirt haben, hervorgehoben zu werden. Die Gesellschaft hat für die au» dem Reichslande Ausgewanderten drei Ansiedelungen in Algier geschaffen, sie unterhält ein Waisen- hau» sür Sinder verstorbener Elsaß-Lothringer und befördert auch heute noch die Auswanderung au« dem Reichrlande nach Frank reich, indem sie Naturalisalion«urlundcn unentgeltlich liefert. In der dieser Tage abgehaltenen Generalversammlung wurde mit- getheilt, daß im verflossenen Jahre 4000 Personen au» dem Reichslande nach der Republik übergesiedelt sind, eine Thatsache, die in der Pariser Presse mit besonderer Genuglhuung begrüßt wird. Neuerdings ist ein Heim für alte Frauen au» Elsaß- Lothringcn gegründet worden. Im vergangenen Jahre haben die Au»gaben 124,351 Franc» betragen. Der .Figaro" bemerkt zu dem Bericht über die Versammlung: .Diese» Werk feiert, wie man sehen kann, nicht, und da» Gute, da» es schafft, hat vollauf den Großen Preis verdient, der ihm auf der Ausstellung von 1900, ebenso wie auf jener von 1889 verliehen worden ist." E» ist für Jedermann klar, daß unter rem Deckmantel der Wobl- thätigkeit in Wirklichkeit dem Zwecke gedient werden soll, dem Rachegcdankcn gegen Deutschland stet» neue Nahrung zuzusühren. — England. Southampton, 8. Juni. Frau Louis Botha traf heute früh mit dem Dampfer.Dunvegan Eastle" hier ein. Sie lehnte e» ab, sich interviewen zu lassen. Der Sohn des früheren Staatssekretärs der OranjesreistaatS Fischer theilte dem Vertreter de» Reuter'schen Bureaus mit, Frau Botha begebe sich direkt nach London, von dort nach Holland und Belgien, der Termin der Abreise nach dem Kontinent stehe noch nicht fest. Er, Fischer, könne die Meldung, daß Frau Botha in einer Friedensmission nach Europa gekommen sei, weder be stätigen noch rementiren. Er sei auf Ehrenwort von den Eng ländern freigelassen worden, um Frau Botha nach Europa zu begleiten und seinen Vater Abram Fischer in Brüssel zu besuchen. Locaic und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 8. Juni. Bei dem Stadtrathe Hierselbst ist heute bereit» die IM. Radsahrkarte ausgestellt worden. — Eibenstock, 10. Juni. Am Sonnabend Abend hatten die Mitglieder der Gesellschaft .Union" einen außergewöhnlichen Genuß. Der Männergesangverein „Orpheus" au» Greiz, auf einer Sängerfahrt befindlich, hatte sich in liebenswürdiger Weise bereit erklärt, in genannter Gesellschaft ein Eoncert zu geben, welche» in einer Weise gefiel, daß der Wunsch wohl berechtigt erscheint, einen derartigen Kunstgenuß recht bald wieder haben zu können. Der Dirigent de» Greizer Verein», welcher ca. 50 Mit glieder stark hier erschienen war, verfügt nicht nur über einzahl reiche», sondern auch über ein vorzügliche» Stimm-Material, so daß e« eine wahrhafte Freude ist, den Tönen dieser Sänger zu lauschen, welche, wo sie auch austreten mögen, stet« den lebhafte sten Beifall finden werden. Da die Herren auch noch in un eigennützigster Weise auf jede Honorirung verzichteten, jo ist ein öffentlicher Dank an dieser Stelle besonder« angebracht. — Eibenstock. Nachstehend» veröffentlichen wir eine kürz lich ergangene Ministerialverordnung, welche sür die hiesigen Fabrikbesitzer von Bedeutung ist. Nach einer Mittheilung de» Herrn Reichskanzler» wird au» den Kreisen der Gewerbetreibenden Klage darüber geführt, daß die GewerbeaussichtSbeamten auf Grund der Vorschrift de» K 134 Abs. 3 der Gewerbeordnung, wonach in da» Lohnzahlungsbuch bei jeder Lohnzahlung der Betrag de» verdienten Lohne» einzutragen ist, mehrfach die Eintragung einer Berechnung fordern, worau« sich der Bruttolohnbetrag, die Ab züge für Versicherungsbeiträge und sür Strafen sowie den Netto lohnbetrag ergeben. Da die Lohnzahlung»bücher im Wesentlichen dem Zwecke dienen sollen, die Eltern von der Höhe de» in die Hände der Minderjährigen gelangten Lohn« in Kenntniß zu setzen, so hält e« der Herr Reichskanzler vorläufig und unbeschadet späterer abweichender Entschließungen für genügend, wenn in da» LohnzahlungSbuch der verdiente Lohn nur mit dem Nettobeträge, da« heißt der zur Auszahlung kommende Lohn, eingetragen wird. — Am 3. Juni sind an dem Kommunikationrwege Eiben stock-So sa 8 Stück Slraßenbäume, sowie an 26 Stück der gleichen die Baststricke mittels Beile« durchgehackt worden. Jetzt ist e« der Gendarmerie gelungen, die Verüber diese» Baumfrevel» in zwei dreizehnjährigen Schulknaben au« Sosa zu ermitteln und der Behörde zu übergeben. — Schönheide. Vergangenen Sonntag feierte der Materialienverwalter de« Eisenhüttenwerke» zu Schönheiderham- mer A. Pilz mit seiner Ehefrau die goldene Hochzeit. Herr Pastor Hartenstein segnete da« ehrwürdige Paar nochmal« ein, anknüpfend an die Worte: »Bis hierher hat der Herr geholfen." Im Namen de« Kirchenvorstandc« (Herr Pilz ist selbst Kirchen- vorstandSmitglied s überbrachte derselbe die herzlichsten Glückwünsche und überreichte eine Traubibel. Im Namen der Gemeinde be glückwünschte Herr Gemeindevorstand Haupt da« Jubelpaar. Ferner erschien eine Deputation de« Beamtcnpersonal» de« Hüt tenwerk» und verehrte demselben einen Ruhestuhl. Von Herrn Han« Edler von Querfurth, welcher durch Krankheit verbindert war. persönlich zu gratuliren, erhielt der Bräutigam einen pracht vollen Tafelaufsatz, die Braut aber durch dessen Gemahlin einen goldenen Kranz. Herr Horst Edler von Querfurth nebst Ge mahlin beschenkten dieselben mit ihren Photographien. An der Festfreude nahmen theil 7 Kinder, 50 Enkel und 9 Urenkel. Wünscden wir dem Jubelpaar, welche» noch ziemlich rüstig ist, einen heiteren Lebensabend. — In Oberstützengrün sind am Freitag die Häuser der Besitzer Bretschncider, Müller und Möckel durch Flammen zerstört worden. E» liegt Brandstiftung vor. — Dresden. Einen Einblick in da« schamlose Treiben der Wuchergeschäfte hat der Prozeß gegen Heinrich und Ge nossen gestattet. Wir entnehmen darüber Dresdner Blättern die folgenden Angaben: Die Angeklagten haben meist mit kleinen Leuten, die sich in augenblicklicher Geldverlegenheit befanden und da« Geld zur Miethe brauchten, gearbeitet und ihnen Darlehen von 40 bi» IM Mk., in einem Falle 3M Mark gewähr«. Da« den Leuten abgepfändete Mobiliar hatte in den meisten Fällen den dreifachen Werth al» die gewährten Darlehen. Die Zinsen beliefen sich nach den abgeschlossenen Verträgen auf 84 bi» 110 Prozent für da» Jahr. E» mußten die Leute die Zinsen für da« volle Darlehn auch dann weiterzahlen, wenn bereit» ein Theil de» Kapital» zurückerstatlet war. Fast alle Darlehns nehmer klagten über die rücksichtslose Strenge, womit die Ange klagten bei selbst geringer Verzögerung der Ztnsenzahlung gegen ihre Schuldner vorgingen. Eine Kaufmann»-Ehefrau au« Striesen hatte z. B. gegen 120 Prozent Zinsen ein Darlehn von IM Mk. aus ihr Mobiliar im Werihe von 6000 Mark ausgenommen und war mit den Zinsen einen Monat im Rückstand. Heinrich be hauptet zwar, daß ein großer Rest vorhanden gewesen sei, doch wird ihm die» durch seine eigenen Quittungen widerlegt. Plötz lich erschien H. in Begleitung zweier anderer, um einige Möbel abzuholen, der Wagen stand schon vor der Thüre bereit. Die Krau bat vergeblich um Nachsicht, mußte aber ihre letzten 20 Mark opfern, die H unter höhnischen Worten etnsteckte, obwohl er nur 15 Mark zu fordern hatte. Erst auf dringende« Bitten der Frau, ihr doch etwa« für Len Leben«u>ilerhalt zu belassen, bequemte sich H. zur Herausgabe von fünf Mark. Energischer war ein Lehrer, der 100 Mark geborgt hatte. Er stellte den Wucherern diesen Betrag mit einer tiprozentigen Verzinsung unter Abrechnung der gezahlten Wucherzinsen zur Verfügung unter der Alternative, im Falle der verweigerten Annahme garvicht» zu zahlen. Da« wirkte! Durch da» Urtheil erhielten wegen ge werbsmäßigen Wucher»: Heinrich I Jahr 6 Monate Gefängniß und 1500 Mark Geldstrafe, Große 9 Monate Gefängniß und 500 Mark Geldstrafe, Zippel 1 Jahr Gefängniß und 300 Mark Geldstrafe und Köhler I Jahr 3 Monate Gefängniß und 3M Mark Geldstrafe. Al» eventuelle Strafe für je 10 Mark Geld strafe ward 1 Tag Gefängniß festgesetzt; die bürgerlichen Ehren rechte wurden allen vier Angeklagten auf 5 Jahre aberkannt. — Meißen, 8. Juni. Ein gemeine» Verbrechen, über da« man bisher Stillschweigen beobachtete, um die Ermittelung de« Thäter« nicht zu hindern, scheint nun seine Sühne finden zu sollen. Am 19. Mai früh in der 5. Stunde ist hier in einem Hause am 'Neumarkt an einem 15jährigen Mädchen ein Sittlich keit-Verbrechen verübt oder doch versucht worden. Ein Mann in Schutzmannsuniform hatte da« mit dem AuSlragen von Back- waaren beschäftigte arglose Mädchen unter dem Vorwande einer dienstlichen Mittheilung in da« Hau« und schließlich in den Keller gelockt und ihm durch Handschlag da« Versprechen abge nommen, über den Vorgang nicht» zu sagen. In Verdacht, diese Thal begangen zu haben, kam der Oberschutzmann Fritzsche au« Trachau bei Dresden, der nun, wie der »Pirn. Anz." mittheilt, wegen schwerer Verdacht»gründe, sich der Verbrechen nach ZK 176 und 177 schuldig gemacht zu haben, verhaftet und der Staats anwaltschaft zugesübrt worden ist. Fritzsche war früher al« Schutz mann hier angestellt und ist an dem betreffenden Tage in Mei ßen gesehen worden. — Karlsbad, 6. Juni. Hier ist infolge der Ueber- schwcmmung am vorigen Sonntag da« den Gebhartschen Erben gehörige Hau» in der AndreaSgasse eingestürzt. E» ist niemand verletzt worden. Der liebe Hott zankt. Skizze von B. Rittweger au» der „Köln. Zig.". Pfingsten fällt spät in diesem Jahre. Wochenlang vorher Hal große Trockenheit geherrscht und dabei starke Hitze, die sich am dritten Feiertage zu unerträglicher Schwüle steigert. In der Porzellanfabrik arbeitet heute nur ein Theil, der solide Theil der Leute, die übrigen machen „blau". Eine ganze Reihe niedriger einstöckiger Arbeiterhäuser, je für nur eine Familie berechnet, ziehen sich an der Anhöhe hin, die von der Fabrik gekrönt wird. E« ist den Taz über heute un gewöhnlich still um diese Häuschen. Ein Theil der Bewohner ist au»wärt«, den dritten Festtag irgendwo zu feiern. Die Zu- rückgeblieben.n halten sich meist innerhalb ihrer vier Wände, der Hitze wegen aus. Erst gegen Abend wird« lebendiger. Die Frauen treten au« den HauSlhüren mit allerlei Arbeit, Kinder spielen umher. In unmittelbarer Nähe de» letzten Häuschen« in der Reihe ist ein reue« Fabrikgebäude im Entstehen. Der hohe Schornstein ist fast vollendet. Ein kunstvolle« Gerüst umgiebt ihn noch. Gearbeitet wird heute nicht an dem Bau. Jetzt tritt au» diesem letzten Hau« eine schlanke junge Frau mit krausem dunkelm Haar und braunen Augen, die trüb und finster blicken. Sie athmet schwer, wie von unsichtbarer Last be drückt, und setzt sich mit ihrer Flickarbeit auf die hölzerne Bank neben der HauSlhür. Zwei kleine Kinder, ein Bub von vier, ein Mädel von zwei Jahren, folgen ihr und beginnen, Steinchen auf dem am Zaun hinführenden Weg zu suchen. Sie kreischen dabei fröhlich aus und lachen und jubeln über jede« hübsche Kieselchtn, da« sie finden. Aber ihre Fröhlichkeit erweckt keinen Widerhall in der Mutter. Der Bub sieht ein paarmal vom Spiel auf zu ihr hin unb dann läuft er zu ihr, schmiegt sich an ihre Kniee und fragt: „Du, Mutter, iS heut Sonntag?" „Nein, warum?" „Weil der Vater gar net heimkommen i»." Die junge Frau lacht bitter auf. Ein Sonntag»zcichen, daß der Vater „gar net Heimkommen iS!" Nur an den Arbeits tagen, da kehrt er bei den Seinen ein, zum Essen und zum — Schimpfen! Die Sonntage, die verbringt er im WirthShau« oder gehl in die Stadt zum Vergnügen. Allein oder mit ähn lichen säubern Eumxanen, wenn nicht gar mit — nein, nur da» nicht! Nur da« soll nicht wahr sein, wa« die Nachbarinnen munkeln, baß er mit der Käthe geht! Heiße Tropfen drängen sich unter den Lidern der jungen Frau hervor bei dem Gedanken. Immer muß sic allein sitzen bei den Kindern, und wenn sie ein mal schüchtern bittet, er soll sic mitnchmen oder auch zu Hause bleiben bei ihr, dann heißt'»: „Die Weiber haben nix draußen zu suchen, soll daheim bleiben bei ihren Bälgen. Der Mann braucht seine Eiholung." Da» ist» aber gar nicht. Um die Kinder sorgt er sonst auch nicht. Er will sie eben nicht dabei haben, er hat sie nicht mehr lieb. Sic fühlt e», e» ist vorbei. Nur ein Rausch ist'» gewesen, daß er sic begehrt, die man da» hübscheste Mädchen im Dorf nannte. Die junge Frau schlägt die Hände vor« Gesicht und schluchzt zum Herzzerbrechen. Dann raffte sie sich gewaltsam auf. Wie dumm ist sie, sich so zu härmen. Warum nimmt sie da« alle» so schwer, warum macht sie'» nicht auch, wie so manche andere Frau, deren Mann auf schlechten Wegen wandelt? Da ist drüben die Bollerten, die geht allsonntäzlich mit einem jungen Burschen zum Tanz und fragt nicht« mehr nach Mann und Kindern und ge nießt ihr Leben. Und kriegt sie Prügel von ihrem Manne, wenn er betrunken heimkommt, so weiß sie doch wofür. Wozu ist sie jung und schön, warum soll ihr da» Leden nur Mühsal und Jammer bieten? Ach nein, sie kann « nicht. Sie muß au»hal- ten bi» sie zugrunde geht. Wie da» schwül ist! Unruhig geht sie hin und der an der Seite de« Häuschen«, wo man sie vckn den Nachbarn au« nicht sehen kann. Sie ist nicht aufgelegt, mit ihnen zu plaudern, ihre Anspielungen auf den Hanne» und die Käthe zu hören. Die Kinder spielen auf der andern Seite noch immer mit ihren Steinchen, ihr Jauchzen dringt häufig an» Ohr der Mutter. Ein junger kräftiger Mann geht vorüber, er erblickte die wieder müde am Zaun Lehnende und tritt zögernd näher. „Guten Abend, Martha, nun so allein, hm, freilich ..." „Freilich, hast recht, Konrad. Wer sollt bei mir sein. Er..." Und hastig abbrechend fragte sie: „Kommst von der Arbeit?" „Ja, hab' eben Feierabend gemacht. Warm net alle da heut. Deiner auch net . . .' „Nein, meiner auch net." Sie seufzt. „Du, Martha, Du dauerst mich. Ich seh'« nun schon lang so mit an. Da« nimmt kein gute« End mit dem Hanne»." „Nein, da« nimmt kein gute» End." „Guck, Martha, heulen könnt ich, wenn ich an Alle» denkl Weißt ja, wie gern ich Dich gehabt hab, immer, schon in der Schul! Und hätt'st nur noch die zwei Jahr' gewarl't, bi« ich ausgedient halt', da wärst jetzt besser dran. Aber freilich, Dir steckt' eben damals schon der Hanne» im Kopf. Der schöne Hannes! Ich mach' Dir ja kein Vorwurf drau«, gewiß nicht. Und ich hab' Dir ja auch niemal» wa« gesagt von meiner gro ßen Lieb! Hab' eben gemeint, Du müßtest '« von selbst wissen und thälst auf mich warten. Da« ist nun nicht zu ändern. Aber wa« ist zu ändern, Martha. Brauchst gar net immer so allein und verlassen zuhaus' zu sitzen. Guck, in Hildhausen ist jetzt der berühmte Circu» Blumenfeld, heut Abend ist die letzte Vorstellung. Um acht Uhr geht« an. In einer halben Stund sind wir drinnen in der Stadt. Geh, mach dich zurecht und begleit mich." Der schlanke Mensch drängte sich ganz nah an den Zaun und sieht Martha bittend an mit seinen feurigen blauen Augen. Wa« sür ein hübscher Mensch er ist! Sie hat ihn immer gut leiden mögen, den Konrad, und jetzt begreift sie gar nicht, wo sic früher ihre Augen gehabt, daß ihr der Hanne» besser ge fallen. Damals ja, aber heute? Der Hanne« ein Trinker, verwüstet von allen Leidenschaften sein Antlitz! Sie hat plötz lich da« Gefühl, al« sei die Liebe zu ihm völlig ausgelöscht. Mit dem Konrad, da wär sie besser gefahren. Aber da» ist nun zu spät. Doch da« kann sie nicht hindern, daß e« ihr eigenthümlich wohl zu Muth wird unter den bittenden Blicken de» Manne«, der c« so gut mit ihr meint, trotzdem sie einst seine stumme Liebe nicht verstanden, der sorgen möchte, daß sie auch etwa« vom Leben haben soll. Doch e» geht nicht. E» schickt sich nicht. Und die Kinder! „Meinst'» gut, Konrad," erwidert sic, nachdem solche Ge danken sie blitzgleich durchzuckt haben, „aber ich muß schön dan ken. Kann die Kinder net allein lassen." „Nu, da» wär auch wa« recht»! Die legst in» Bett und schließt die Thür zu. Da sind sie gut aufgehoben!" Die junge Frau schwankt. „Und wenn er heimkommt und mich nicht find'!, ich thät mich todt fürchten!" „Der Hanne«? Da kannst ruhig sein, Marthel — Mar thel, wie hübsch da» klingt, wie zärtlich — der Hanne« ist mit der Käthe nach Eiscnfcld zum Volksfest. Der kommt net so bald heim, net vorm frühen Morgen. Um halb zwölf bist Du wieder daheim, lang vorm Hanne«. Arm« Ding, der ist « weiß Gott net werth, daß Du wa» nach ihm fragst, der . . ." Martha» dunkle Augen glühen. Der Hanne» ist mit der Käthe zum Volksfest nach Eisenfeld! Da» brennt und schmerzt. Wie hat sie ihn gebeten im vorigen Jahr, er soll einmal mit ihr dahin in die kleine Nachbarstadl, wo alljährlich am dritten Pfingsttag ein Fest statlfindet mit Umzügen und Tanz und allerlei Kurzweil — er hat ihr» abgeschlagen, natürlich! Aber mit der Käthe, da kann er, die führt er hin! Ihre letzten Be denken schwinden. Sie dehnt und reckt sich unwillkürlich. „Gut, ich geh mit. In einer halben Stund bin ich soweit. Adieu bi» dahin!" Hastig heißt sie die Kinder in» Hau» gehen, zieht sie au» und legt sie in» Bett. Nun schnell die Haare ge glättet, dann in» Sonntagskleid geschlüpft, c» ist ärmlich genug, anschaffen kann sie sich schon lange nicht» mehr. (Schluß folgt.) Unsichtbare Jaden. Original-Roman von Reinhold Ortmann. <22. Fortsetzung.) In diesem Augenblick kam der Kellner mit der Erklärung wieder, daß auch der Wirth zu seinem Bedauern den Schein nicht in Zahlung nehmen könne. Der Fremde beglich nun ohne ein Wort der Entgegnung seine geringfügige Zeche mit deutsche« Gelde, und der Kellner zog sich unter höflicher Entschuldigung zurück. Walther, der sich durch die leicht hingeworfenen Worte de» Manne» eigenthümlich beunruhigt fühlte, halte die Absicht gehabt, noch einige weitere Fragen bezüglich de« falschen Gelde« an ihn zu richten. Da aber fing er zufällig einen sonderbar lauernden und forschenden Blick de» Unbekannten aus, und eine starke Reg ung de» Mißtrauen» wurde in seinem Herzen wach. Das Ge bühren de« Menschen erschien ihm mit einem Male höchst ver dächtig, und er hielt e« sür besser, die flüchtige Bekanntschaft kurz abzubrcchen. Mi! leichtem Gruß stand er auf, nahm Hut und Ueberrock vom Kleiderhaken und verließ, ohne weiter ein Wort zu sprechen, da» Lokal. Kaum fünfzig Schritte hatte er draußen auf der Straße zurückgelegt, al« er sich leicht an der Schulter berührt fühlte und, sich umwendend, zu seinem Erstaunen wieder in da« Gesicht de» Lischgenossen blickte. „Verzeihen Sic, Herr Doktor, aber ich möchte noch ein paar Worte im Vertrauen mit Ihnen sprechen." „Wie? Sie wissen also wer ich bin?" „Herr Doktor Waller Eichrodt, nicht wahr?" „Allerdings! Und darf ich fragen, mit wem ich da» Ver gnügen habe?" „Ich heiße Hcinitz und bin meine« Zeichen« Privatdetektiv — ein Beruf, der Ihnen, wie ich hoffe, mein bisherige« Be nehmen und meine Bitte um einige Minuten freundlichen Ge höre« erklären wird." Die Haltung de» jungen Lehrer» wurde noch reservirtcr, und e» klang sehr kühl, da er erwiderte: „Keineswegs! Ich möchte Sie vielmehr dringend um eine solche Erklärung bitten." „Da ich mit einem Ehrenmann zu Ihun habe, setze ich Vor au«, daß ich mich Ihrer Ditkretion versichert halten darf, umso mehr, al« ich im Begriff bin, Ihnen einen vielleicht sehr wesent lichen Dienst zu leisten. Der Schein, den Sie bei dem Ban- quier Seefeld in der Heiligegeiststraße eingewechselt haben, war gefälscht, und wenn auch jeder Verdacht gegm Ihre eigene Person vollständig au«geschlossen ist, so könnten Ihnen daran» doch leicht Umstände und Weitläufigkeiten erwachsen, die sie gewiß gern vermeiden werden." „Die Szene, die Sie da drinnen im Restaurant ausgesührt haben, war also eine wohlbercchnete Komödie?" „Ich kann e« nicht in Abrede stellen, und ich gebe zu, daß ich besser gethan hätte, mich Ihnen von vornherein offen zu er-
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