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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 31.01.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190101315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19010131
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19010131
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1901
-
Monat
1901-01
- Tag 1901-01-31
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Monat
1901-01
-
Jahr
1901
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dende phantastischeSoireede« Salon-Magiker« und Zauber künstler« Herrn Alono Gaßner. Der Künstler Hal die halbe civillsirte Well bereist und überall Bewunderung gesunden. Er schneidet sich, nach Mitlheilung eine» Münchener Blatte«, in einem Friseurladen den Kops ab — stirbt, wird wieder lebendig! und geht vergnügt zur Thür hinau«. In einem Hotel in Wien wurde der Kellner saft geiste«veiwirrl, al« Gaßner den eben auf- getragenen Fisch in einen lebendigen Hasen und hierauf den Blumenstrauß auf der Tafel in einen eleganten Vogelkäfig um wandelte >c. Herr Gaßner wird auch hier soviel Ungewöhnliche« und Gehcimnißvolle» bieten, daß ein Besuch der Vorstellung sicher zu den angenehmen Erinnerungen zählen wird. — Johanngeorgenstadt, 29. Januar. Der Geschäft«- gang in der Handichuhwacherei ist ein äußerst flauer. Nachdem bereit» die Arbeit«zcit verkürzt und Arbeiter entlasten wurden, wurde in den letzten Tagen wiederum an den Verein der Hand schuhmacher die Frage gerichtet, ob er sich sür weitere Entlastung von 50 Arbeitern oder allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit entscheide. Eine einberufcne Versammlung entschied nun sür da« Letztere, trotzdem die Aibeit-zeit bisher täglich nur wenige Stun den betrug. Die Arbeiter leiden unter den obwaltenden Um ständen schwer. — Dresden, 28. Januar. Se. Königl. Hoheit der Prinz Georg ist an Influenza erkrankt und genöthigt, da« Bett zu hüten. — Dresden, 29. Januar. In dem Befinden de« an der Influenza erkrankten Prinzen Georg «rat bisher keine Besserung ein. Der hohe Patient fühlt sich sehr matt; die Nahrungsaufnahme ist äußerst gering. Anlaß zu Besorgnissen ist jedoch nicht vorhanden. — Dresden, 29. Januar. Wegen Erkrankung Sr. Königl. Hoheit de« Prinzen Georg wird sich Se. Königl. Hoheit der Prinz Johann Georg in Vertretung Sr. Maj. de« Königs zu de» BcisetzungSfeierlichkeiten nach England begeben. — Dresden, 27. Januar. Gegenüber einer Mittheilung dcS konservativen .Valerl", daß bereit« dem nächsten Landtag eine Vorlage über eine bOproz. Erhöhung der staatlichen E i n k o m m e i. st c u e r zugehcn soll, stellen die ,Dre«d. Nachr." nach Information an wohlunterrichteter Stelle fest, daß die Jn- auSsichtnahme eine« Zuschlag« in der erwähnten Höhe durchaus nicht den Thalfachen entspricht. Im Uebrigen sei »ach wie vor eine Steuerreform Vorlage im Sinne der Resolution, welche die Zweite Kammer am Schluffe de» letzten Landtage« fast einstim mig angenommen hat, mit Sicherheit zu erwarten. — Dre-den, 28. Januar. Nachdem bereit« am Sonn tag der Sturm an den au« Anlaß de« Kaisertage« gehißten Fahnen arge Verwüstungen angerichtet und hier und da wohl auch einen Fahnenmast abgebrochen hatte, steigerte er sich in der Nacht zum Montag zum fürchterlichen Orkan, der den Aufenthalt im Freien fast unmöglich machte. Da« Barometer erreichte mit 72V einen Tiefstand, wie er sehr selten beobachtet worden ist. Die ungerichteten Verwüstungen in den Straßen der Stadt waren ziemlich umfangreich. Essenköpfe, Dachfenster, thcilweise sogar Theile de« Dachstuhle» und zahlreiche Dach bedeckungen wurden vom Sturme fortgcrissen und aus die Stra ßen und Höfe geschleudert. An verschiedenen Stellen, wie z. B. am Ständehause, in der Frauen- und in der Schlössergasse, auf der Werderslraße u. s. w. war die Passage gefährlich und zum Theil gesperrt. Arg mitgenommen sind auch wiederum die Te- lephonleitungen, sodaß der lokale sowohl al» auch der Fern sprechverkehr während de« Montag« wegen der Gefahr der Be rührung der Telephondrähte mit den Starkstromleitungen der elektrischen Bahnen vollständig eingestellt werden mußte. Auf dem Postplatze hingen in den Vormittagsstunden die Telephon drähte vielfach loSgcrissen herunter, und wenn sie mit anderen zusammenlrafen, gab e« starke elektrische Entladungen, die Ab- sperrungSmaßregeln nothwendig machten. Der Straßenbahn verkehr litt erheblich, und noch am Mittwoch wurde an der Herstellung der unterirdischen Stromzuführung auf der König- Johannstraße gearbeitet. In den Vormittagsstunden hielt ein große« Stück Wellblechbedachung über dem Zuschauerraume de« Königl. Hosopernhause« der Gewalt de« Sturme« nicht mehr Stand und wurde herabgeschleudert. Feuerwehrleute sperrten zur Verhütung von UnglückSsällen den Theaterplatz mit Leinen ab, bis jede Gefahr beseitigt war. Infolge der erheblichen Dach- beschäoigungen mußten die Vorstellungen vorläufig eingestellt werten. Auch am Dache de« Schauspielhauses sind Beschädig ungen entstanden. Dieselben sind jedoch nicht derart erheblich, daß ei» Einstellen de« Thealerbetrieb« nölhig wäre. Im Königl. Großen Garten ist so mancher alte Baumriese arg mitgenommen worden, und au» vielen Orten im Elbthale und aus den Höhen um Dresden werten große Verwüstungen an Häusern und Pflanzen gemeldet. Gegen Mittag nahm die Gewalt de« Stur me« ab, doch begann ein starke» Schneetreiben. — Lei zig, 27. Januar. Bei dem Einbruch im „Naun dörfchen" hier bei der Willwe Grünewald fielen den Dieben bekanntlich Werihpapiere in Höhe von IVO.VVV Mark in die Hände, die jedoch, nachdem man die Einbrecher gefaßt und hinter Schloß und Riegel gebracht, wieder in den Besitz der Bestohle nen kamen ; nur die Talon« und Coupon« zu 17,000 M. Werth papieren blieben verschwunden. Den unablässigen Bemühungen unserer Kriminalpolizei ist c« nun in den letzten Tagen gelungen, auch Liese Werihpapiere herbeizuschaffen; sie befanden sich in den Händen der in Schandau lebenden Verwandten eine« der Theilnehmer. — Plauen i. V., 28. Januar. Heute früh ist der 4 Uhr 39 Min. von Hof nach Leipzig verkehrende Schnellzug zwi schen Reuth und Schönberg auf einen durch den jetzt herrschenden Sturm umgestürzten Baumstamm gefahren, wodurch die Maschine derart beschädigt wurde, daß sie den genannten Schnellzug nur noch bi« Plauen i. V. befördern konnte. — Roßwein, 28. Januar. Lin orkanartiger Sturm, wie man ihn hier seit dielen Jahren nicht erlebte, wüthete in der gestrigen Nacht im Muldcnthale und steigerte sich noch heute Vormittag. In fast allen Straßen wurden die Dächer ter Häuser beschädigt. In der Wagenachsenfabrik der Herren Kartner u. Eo. wurde von der Dampsesse ein Stück von 10 Meter Länge umgeworfen. Die große Masse von Bausteinen fiel mit heftiger Gewalt auf La» Kesselhaus und die angrenzen den Baulichkeiten der Fabrik und durchschlug deren Bedachungen vollständig. Ein Theil der armdicken Tranlmissionen wurde zerstört, al» wären sie au« leichtem Draht hergestellt, und auch die Dampfmaschine durch sehr erhebliche Beschädigungen einst weilen unbrauchbar gemacht. Leider sind auch 3 Arbeiter dabei verletzt worden. Im benachbarten Ger «darf warf der Sturm die Esse der Brennerei aus da» Kesselhaus, dessen Bedachung durchschlagen wurde. Hier wurde jedoch nur ter Manometer verstört. Am Vormittag waren die Telephon-Verbindungen Roßwein-Ncffen und Roßwein Chemnitz zerstört. — Wilsdruff, 28. Januar. Heute früh 8 Uhr k> Min. sind vom Gütcrzuge Nr. 6231, ter 7 Uhr 28 Min. von Wils druff nach Potschappel verkehrt, auf der B, licke bei Station 6 unterhalb Kesseldors durch den Sturm 5 Güterwagen und der Zugsührerwagen umgeworfen und zum TheU in die Thalmulde geschleudert worden. Personal ist glücklicher weise nicht verletzt worden. — Schneeberg, 27. Januar. Nachdem sich auch in Lauter bei Schwarzenberg ein ErzgebirgS-Zweigverein mit 40 Mitgliedern gebildet hat, zähl« der Erzgebirgsverein gegenwärtig bb Zweigvereine mit etwa 7000 Mitgliedern. — Aucrbach, 28. Jan. Zwischen dem hiesigen Bürger meister einerseits und den Hinterlassenen de« ehemaligen Stadt- kasstrer» Stark andererseits ist e« wegen de» vorhandenen Defizit» in der Stadtkasse zu ösfentlichenAu«- einandersetzungen gekommen. Nachdem Bürgermeister Kretzschmar in einer öffentlichen Erklärung Anfang Dezember vorigen Jahre» den verstorbenen Stadtkassirer Stark der Unehr lichkeit, der Unterschlagung beschuldigt hatte, bringen die August Statischen Erben in einer der letzten Nummern der .Aucrbacher Zcitu»-" eine Erwiderung. In derselben wird gesagt, daß bi» zum Amtsantritt de« Bürgermeisters die Starksche Buch und Kasscnführung in vollster Ordnung sich befand und sich diese Be hauptung aus ein Gutachten de» verpflichteten Revisor« Göhre stütz'. Auch habe Kretzschmar dem Starkschcn Schwiegersöhne c.r. drei Jahre nach dem Tode Stark», und zwar nach mehrfachen Revisionen, freiwillig erklärt, daß die Bücher in vollster Ordnung seien. Dann heißt e» in der Erklärung: Wenn Privatschuldcn ein genügender Anlaß zur Verdächtigung eine« Beaune» wären, so müßte Kretzschmar die letztere in erster Linie sich gcsallen lassen, denn er har nicht bestritten, daß er (nicht aber unser Vater) circa 30,000 Mk. Schulden halte, von denen 16,000 M. eingeklagt, also recht dringlich waren. Wir sind weit entfernt — so heißt e« zum Schluß in der Entgegnung — hieraus den Sck-luß zu ziehen, daß Herr Kretzschmar durch einen Griff in die Sladtkasse sich zu helfen gesucht habe, aber wir wollen auch Nie manden denselben Schluß vezüglich unsere« Vater« gestatten. Aufruf für die Hpfer des Burenkrieges! Uebcr eine Diertelmillion Mark sind dem Alldeutschen Ver bände sür die Opfer de« BurenkriegeS zugeflossen; ein Theil derselben wurde für eine Ambulanz, die den Buren werth volle Hilfe leistete und von der allein noch eine Anzahl von Mitgliedern im Felde steht, verwendet, die Gefangenen in Kapland, St. Helena und Ceylon wurden mit dem Nöthig- sten versehen, die Angehörigen der kämpfenden Buren und Deutschen, sowie ihre Hinterbliebenen wur den unterstützt. Dergleichen haben wir den in so brutaler Weise, trotz der Versprechungen de» Lord Robert« und trotz Ein haltung de« Neutralitätreide«, auSgcwiesenen Deutschen über die er st-Zeit der Noth hinweggeholfen. Aber der Krieg schafft täglich neue Opfer! E« ist un« gelungen, Mittel und Wege zu finden, um denselben Hilfe zu bringen, aber wenn wir alle Bitten berücksichtigen wür den, die an un« herantretcn, so würden unsere Mittel bald er schöpft sein. Auch für die nicht geringe Zahl de« AuSgewie- senen, die in Deutschland keine Arbeit finden kann, wollen wir sorgen und ihnen durch kleine Beihilfen die Ansiedel ung in den Süd st aalen Brasilien« ermöglichen, wo sic zur Stärkung de» dortigen Deutschthum» beitragen werden. Für diese Zwecke treten wir nicht nur an unsere engeren Gesinnungsgenossen, sondern an die überwältigende Mehrheit de« deutschen Volke«, mit dem wir un« in der Burensache eine« Sinne« wissen, neuerlich mit der Bitte um Spenden heran. Es gilt die Linderung der durch den Krieg heraufbeschworcnenNoth, e« gilt die Erhaltung oer künftigen Burengeneration. Den tapferen Männern, die unstet ihre Heimath durchstreifen, entschlossen, bi« zum Aeußerstcn ihre Freiheit und Unabhängig keit zu vertheidigcn, können wir keine Hilfe bringen, aber die bange Sorge können wir von ihnen nehmen, daß ihre Frauen und Kinder dem Elend und der Noth unterliegen, dem eine barbarische Kriegsführung sie preikgegeben hat. Daß der Zustand dieser Frauen und Kinder ein tief bc- dauernSwertber ist, und auch die Krankenpflege, wenn überhaupt vorhanden, sehr mangelhaft und völlig unzureichend, wird durch folgenden Auszug aus der angesehenen holländischen Zeitung „Xieuvv Uvttvrckuinscke Oourunt" erschütternd bekundet: .Ein sürafrikanischer Prediger schreibt über die Behandlung der Buren frauen uni, Kinder, die bei Port Elisabeth gefangen sind, in auSgcsprochenem Gegensatz zu dem jüngst wieder von englischer Seite verbreiteten Gerücht, daß eine Kommission holländisch-afri kanischer Damen der englischen Behandlung der Gefangenen ihren unbedingten Beifall gezollt habe, Folgende«: E» wird für Viele von Interesse sein, etwa» von jenen Frauen zu hören. Gestern (Sonntag) habe ich mit Erlaubniß de« militärischen Kommandanten sür die gefangenen Frauen Gottesdienst im Lager abgehalten; dieses befindet sich bei der Rennbahn, ungefähr zwei Meilen von der Stadt. Vorigen Sonnabend sind ihrer wieder etwa 200 angckommen, unter denen sich einige alte, kranke Frauen, sowie auch Säuglinge befanden. Jetzt befinden sich zwischen 300 und 400 Frauen au» JagerSsontein und Fauresmith im Lager; 200 au« Kroonstad sollen noch ankommen, wie mir der Bürgermeister mittheilte. Wa« die Behandlung der Unglücklichen betrifft, so läßt diese viel zu wünschen übrig; einige sind in kleinen Wellblechhlltten untergebracht, die größte Anzahl ist aber in jammervoller Weise in Zelten zusammengepfercht. Unter den Kindern herrschen stark die Masern, und e» giebt beinahe keine Hütte, in der nicht eine Kranke wäre. Um etwa» für die Kranken aufzuwärmen, dürfen keine Spiritus- oder Parafinlampen gebraucht werden, mit Rücksicht auf die Feuergefährlichkeit; e» muß aus einer Kerze gewärmt werden. Seit Sonnabend hat e« beinah, ununterbrochen geregnet, der Boden ist durchnäßt und der kalte Wind pfeift frei durch die Zelte. In einem Zelt liegt eine Mutter an der Schwindsucht darnieder und neben ihr leidet ihr kleiner Sohn am Sumpffieber ; die Kinder der F-.au de« Prediger» au« JagerSsontein haben auch alle die Masern. Ich freute mich, ihre Ruhe und Geduld unter so traurigen Verhältnissen zu beobachten. Eine Frau, die zwei kranke Kinder hat, fragte in meiner Gegenwart eine» Offizier: .Wie lange muß ich noch hier bleiben?" .Bi» alle Buren die Waffen niedergelegt haben". .Gut", war die Antwort, .dann werde ich mich frei beten". Biele fragten mich nach ihren Männern und Söhnen und nach deren Aufenthalt". So der Bericht de« Geistlichen. Es bedarf keiner besonderen Einbildungskraft, um sich »orzuslellen, welche Summe von Kummer und Elend sich hinter jener Darstellung verbirgt; diesen unglücklichen Frauen und armen Kindern einige Hilfe und Trost zu bringen, ist da» Ziel der Sammlung. Möge sich die Sympathie, die da» deutsche Volk in diesen Tagen, al« der greise Führer de« Burenvolke« die Thüren de« amtlichen Deutschland »erschlaffen fand, in so überwältigender Weise Ausdruck gab, nicht nur in Worten, sondern auch in Thal en werkthäNger Liebe äußern. Iker Athenische Merlsnh. Spenden nimmt die Geschäftsstelle de» Alldeutschen Verbände«, Berlin VV. 3b, Lützowstr. 8b b. entgegen. Mächte der Jinsterniß. Roman von Helmut« Wols Hardt, tll. Fortsetzung.) 8. Mit Tosen und Brausen kündete der Lenz sein Nahen an. Wilder und ungebärdiger waren die Aequinoktiatstürme kaum ze- mal» vom Meer her über da» flache Land dahingesegt al» in diesem Jahre. E« war al» solle noch einmal wie zur Zeit der großen Sintfluth dem tobenden Gewässer die Herrschaft einge räumt werden über da« feste Land, denn die Schleusen der Him mel« waren nicht nur Tag und Nacht geöffnet, sondern auch die gewaltigen Schneemassen in den Gebirgen kamen so Plötzlich in« Schmelzen, daß die Flüsse, die von den Bergen herab dem Meere zuströmlcn, in ihren altgewohnten Betten kaum noch Raum ge nug hatten für ihre reißenden Wasserflächen. Die Bewohner von Rothhaive machten in diesen Tagen ernste Gesichter, denn der WarnungSrus, welcher den ganzen Küstenstrich durchhallt hatte, war für sie von einer besonderen mahnenden Bedeutung. Die älteren unter ihnen erinnerten sich noch deutlich genug und mit geheimem Grauen der furchtbaren WasserSnoth, welche dereinst einen erheblichen Theil ihrer Stadt in Trümmern gelegt und alle« urbare Land in weitem Umkreise auf Jahre hinau» in unfruchtbare Sanbwüsten verwandel« hatte. Auch damals hatte man sich vor dem Eintritt de» elementaren Ereignisse« vollkommen sicher gewähnt hinter hohen Dämmen und stark befestigten Deichen, bi» plötzlich schäumende Wogen die Dämme hinweggespült und die Deiche durchbrochen hatten, um sich meilenweit hinein zu wälzen in da» unglückliche Land, er barmungslos mit sich forlrcißend, waS al» Hemmniß auf ihrem Wege stand. Obgleich also die Schutzbauten an den Ufern de» breiten Stromes überall scheinbar im besten Zustande waren, fühlte man sich doch angesichts der ungewöhnlichen Regengüsse und der be drohlichen Gerüchte au» den höher gelegenen Gegenden, in denen ein Wolkenbruch auf den andern folgte, keineswegs außer aller Gefahr, und an denjenigen Stellen, die einen etwaigen Durch bruch des Wasser« am ehesten befürchten ließen, war eine große Anzahl von Männern unausgesetzt mit der Befestigung und Ver stärkung der Deiche beschäftigt. Die dadurch bethätigte Vorsicht schien in Wahrheit dringend geboten; denn der Spiegel de« Flusses, der seine gelben, schlammigen Wogen mit ungestümer Schnelligkeit Lahinwälzte, war fortwährend im Steigen, und da« im Gegensatz dazu immer tiefer sinkende Barometer kündete eine Fortdauer der so gefürchteten stürmischen und regnerischen Witter ung an. In den späten Abendstunden eines dieser bangen Tage war e«, al« durchnäßt und vom Winde zerzaust ein halbwüchsiger Junge da« Herrenhaus von Sandhofen betrat. Er wünschte den GuiSherrn selbst zu sprechen, und al« er zu Rooewaid geführt wurde, meldete er, daß er von der Aufwärterin de» Herrn Milow, den man noch immer allgemein nur den Packmeister nannte, geschickt worden sei. ES ginge demselben heule sehr schlecht, und er hätte wiederholt den Wunsch zu erkennen gegeben, Herrn Rode wald zu sprechen. Wenn e» möglich wäre, möchte dieser doch so gleich kommen, denn nach der Meinung der Auswärterin werde der Packmeister die Nacht kaum überleben. Rodewald war ohnedies fertig zum AuSgehen gekleidet, denn e» war seine Absicht gewesen, sich zur Anfeuerung der Arbeiter auf den Deich zu begeben. So konnte er der unerwarteten Aus forderung, welche da an ihn erging, ohne Zögern Folge leisten. Daß ihn dieselbe in hohem Grade überraschte, war nach der Art der Beziehungen, welche bisher zwischen ihm und dem ehemaligen Packmeister Milow bestanden, natürlich genug. Früher war er mit dem Manne öfter in eine ganz oberflächliche Berührung ge kommen, und etwa« 'Nähere» über ihn hatte er eigentlich nur an jenem Abend erfahren, al» man sich im Wartezimmer de« Bahn hof» zu Rolhhaide über den entlassenen Beamten, seine unglück selige Leidewchaft und seinen gemeingefährlichen Charakter unter hielt. Dann hatte er ihn gänzlich au« den Augen verloren, und und erst durch Elisabeth» Verlobung mit dem Sohne war c« ihm bekannt geworben, daß Milow immer noch am Leben sei und in seinem einsamen Häu-chen ein jammervolles, sieche« Dasein von Taz zu Tag mühselig weiter schleppe. Nach der Heimkehr von der bedeutungsvollen Sommerreise war er in Elisabeth» Be gleilung zu dem Kranken gegangen, um ihm die künftige Schwieger tochter selbst vorzustcllen; aber er hatte den ehemaligen Packmeisler in einer Verfassung gefunden, die selbst die schlimmsten Erwar tungen noch sehr weit hinter sich ließ. Ein hohläugiger, vom Fieber geschüttelter und zum Gerippe abgemagertcr Greis war e«, der da — kläglich in sich zusammenzesunkcn — in dem Lehn stuhl am Fenster saß und wenn auch die Aufwärterin ausdrück lich versicherte, daß er bei vollem Verstände sei, so war sein Be nehmen doch ganz danach angethan, die« ernstlich bezweifeln zu lassen. Milow war durch Bernhard« Briese, welche ihm der Arzt vorgelesen halte,, vollkommen von dem Geschehenen unterrichtet, aber wa« er bei dem Anblick der Braut seine« Sohne» und ihres Adoptivvater« bekundete, war viel eher Entsetzen al» Freude. Sn allen Gliedern zitternd, versuchte er zwar, sich wie zu höflicher Begrüßung ein wenig von seinem Sitz zu erheben, doch über seine Lippen kamen nur stammelnde, unverständliche, abgerissene Worte, und al« ihm Rodewald seine Hand enlgcgenstreckte, war e«, al« ob er vor der Berührung derselben wie vor etwa» Schreck lichem zurückbebe. Während der ganzen Dauer de« kurzen Be suche« starrte er den Gutsbesitzer mit weit aufgeriffencn, angst vollen Augen an, und etwa« andere« al« eine hastige, bejahende oder verneinende Bewegung de« Kopfe« war überhaupt nicht au« ihm herau»zubringen. Elisabeth war durch die Begegnung mit dem unglücklichen Vater ihre« Verlobten auf da» Tiefste erschüttert worden und auch Rodewald hatte den peinlichen Eindruck derselben nur schwer überwinden können. Aber e» war ihnen erspart geblieben, sich ö'teren Wiederholungen solcher bedrückenden Austritte zu unter werfen. Der Sani'ätSrath, der noch immer die Behandlung de« Leidenden führte, hatte dem Gutsbesitzer einen Besuch gemacht und ihn in taktvoller Form gebeten, von einem weiteren Verkehr mit dem ehemaligen Packmeisler abzuschen. Der Mann sei zwar im Allgemeinen leidlich bei Vernunft, aber scheine doch an ge wissen fixen Ideen zu leiden, und eine von diesen sei unzweifel haft eine große Adneigung oder vielmehr Furcht vor Rodewald. Gleich nach jener kurzen Begrüßung-szene habe sein Zustand eine Verschlimmerung erfahren, welche im Wieberholung«sall da« Aeußersle besorgen lasse und er habe nur immer wieder flehent lich gebeten, ihm jene Besucher nicht wieder vor die Augen zu bringen.
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