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gen Messungen für das Kettelcr-Dcnkmal. Auf dem Platz Mich vom deutsche» GesandtschaslSgcbäude werden die Vorarbeiten für den Bau einer Kaserne für die deutschen Truppen begonnen, die spcker »ie Gesandtschaft-wache bilden sollen. — Güdasrika. Kapstadt, 26. Ian. Die Buren haben einen Bahnübergang in der Nähe von Fourteenstream« in die Lust gesprengt und einen MiliiarlranSportzug genommen. — Kimberley, 26. Ian. Ein Gülerzug mit AriegSvor- rälhcn für die nordwärts von hier stehenden Truppen ist heute früh von den Buren weggcnommen worden. Diese hatten den kleinen Posten der Dubliner Füsilire gefangen genommen, und dann den im Hinterhalt liegenden Zug genommen. Dem Führer eine« zweiten Zuge« gelang c«, mit seinem Zuge unbeschädigt nach hier zurückzulehren. Zur Verfolgung des weggenommenen Zuge« wurde alsbald ein gepanzerter Zug mit 200 Mann In fanterie abgefandt. itkocalr und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 28. Januar. Wie in den Vorjahren, so wurde auch der gestrige Geburtstag Sr. Maj. de« Kaiser« durch Zapfenstreich und Weckruf seitcn« der hiesigen Stadikapelle eingeleitet. Am Nachmittag sand im neurenovirten Rathhau«saale ein Festessen stall und am Abend beging die Ge sellschaft Union den Tag durch eine Feier mit entsprechendem Pro log. Der Militär-Verein gedachte de« Geburtstage« de« obersten Kriegsherrn bei seiner Generalversammlung am Nachmittage. Die Latein, Handel«- und Industrieschule hielten am heutigen Vormittag einen gemeinsamen Festakt»« im Zeichensaale de« In- dustrieschulgebäudeS ab. — Eibenstock, 28. Januar. Zu Ehren de« Geburtstage« Sr. Majestät Kaiser Wilhelm« veranstaltete die hiesige Bürger schule gestern Nachmittag von 5—6 Uhr eine musikalische Märchen-Ausführung. Dieselbe begann mit dem Gesänge de« schönen Engelterzell« au« dem Elia«: »Hebe Deine Augen aus!" v. Mendel«sohn. Hierauf brachten ein Mädchen und ein Knabe durch Vortrag zweier Gedichte Glückwünsche für den Kai ser zum Ausdrucke, die mit einem kräftigen Hoch au« begeistertem Herzen und jugendfrischcr Kehle schlossen. Nun gelangte da« Abt'sche Chorwerk .Aschenbrödel" zum Gehör, ein Cyclu« von neun durch Deklamationen verbundenen Gesängen, gedichtet nach Grimm« Märchen von Hermann Franckc. Fesselte da« reizende Märchen ja an sich schon die Erschienenen, so erhöhte sich da« Interesse daran ganz besonder« durch die schöne, gefällige Musik. Die Kinder waren vortrefflich geschult, zeigten sich der immerhin schweren Ausgabe vollkommen gewachsen und waren eifrig bemüht, alle Kräfte einzusetzen zum schönen Gelingen. Tapfer und wacker zeigten sich die Solisten, deren Partien durchaus nicht leickt waren, aber sicher und ohne Beklemmung bewältigt wurden. Die Dekla matoren wetteiferten gleichfalls mit den Sängern und wußten die Aufmerksamkeit der Anwesenden bi« zum Schlüsse nicht nur wach zu erhallen, sondern auch fortgesetzt zu steigern. Die köst lichen, melodiösen Chöre gelangen durchweg vorzüglich. Mit großer Freude lauschten Alle den prächtigen Gesängen au« fröh lichem Kindermunde. Auch eine klingende Einnahme erwuchs hierbei der Schule, die Aufführung erbrachte einen Reingewinn von ca. 50 M. — Eibenstock, 28. Ian. Der gestrige Abend brachte un« gegen 9 Uhr da« erste diesjährige Gewitter, dem ein noch heule anhaltender Schneefall folgte, sodaß c» den Anschein hat, al» ob wir wieder auf eine flotte Schlittenbahn rechnen könnten. — Dresden, 25. Jan. Sc. Majestät der König hat an läßlich de« Ableben« Ihrer Maj. der Königin Victoria von Groß britannien und Irland an Se. Majestät den König Edward VII. ein Beileidstelegramm gerichtet, da« von Letzterem in herzlicher Weise erwidert worden ist. — Im Aufträge Sr. Majestät de« König« wird sich Se. Königs. Hoheit Prinz Georg zu den BeisetzungSseierlichkeiten nach England begeben. — Dresden, 25. Januar. Ein in Löbtau wohnender Werkstättenaibeiter litt an heftigem Zahnweh. Al« der Schmerz nicht aufhören wollte, befolgte er den guten Rath einer Haus bewohnerin und nahm eiskalte« Wasser in den Mund, welche« sofort den Schmerz stillen sollte. Da« Zahnfleisch schwoll jedoch in bedenklicher Weise an, und in einigen Stunden sah dasselbe vollständig blau au«. Da« Schlingen fiel dem Patienten schwer, und daraushin wurde der Arzt zu Rathc gezogen. Leider aber zu spät, denn eine Verhärtung trat ein, welche die Uebersührung des Mannes in eine Dresdener Klinik nothwendig machte, wo selbst der Patient dermaßen krank darnietcrliegt, daß an seinem Auslommen gezweifelt wird. — Dresden, 26. Januar. In einer der letzten Nächte ist die Krone de» au» Sandstein gefertigten sächsischen Wappens, welche» sich auf dem vierten Pfeiler der hiesigen AugustuSbrücke befindet, von unbekannter Hand gewaltsam abgewuchtet und dann auf der Plattform de» Pfeiler» zerschlagen worden. Die Re cherchen nach dem Thäter sind im Gange. — Freiberg, 26. Januar. Hier starb kürzlich die Frau de« Viehhändler» S. Dieselbe hatte ein erkrankte» Pferd ein gerieben und bald darauf schwollen ihr Hand und Arm schnell an. Der Arzt stellte Blutvergiftung fest. Nachgewicsen wurde, daß da» Gift durch eine winzige Hautwunde in» Blut getreten war. Nachdem bereit» der Arm fast geheilt war, ent stand Lungenentzündung, die in wenigen Tagen den Tod der Frau herbeiführte. — Plauen, 25. Januar. Einem hiesigen Arzte ist e« vor wenigen Tagen geglückt, einem 26 Jahre alten Mädchen, da« sehr häufig an Schwindelanfällcn litt, au« dem Gehörgange eine durchlöcherte Perle in der Größe einer Erbse, au« Knochen her gestellt, zu entfernen. Die Perle war fest eingeklemmt. 22 Jahre lang hatte sic sich in dem Kopse de« Mädchen» befunden, ohne daß diese« etwa« davon gewußt hat. — Falkenstein. In einer hiesigen Gardinensabrik ist in der Nacht zum Freitag der Lhlinder der Dampfmaschine ge borsten, sodaß der Betrieb eingestellt werden mußte. Hlnfere Aimmerkuft. Von l)r. wsck. R. Nossen. Alle« wa« lebt, da« athmet. Ohne Luft ist kein Leben, ohne reine Lust keine Gesundheit möglich. Alle« organische Leben wird durch Sauerstoff angeregt und unterhalten, daher man ihn auch Oxhgen oder Leben«erreger nennt. Der Sauerstoff bewegt den Stoffwechsel de» Leben», er verbindet sich mit den Elementen, di« ihm begegnen, indem er besspiel»weise den Stickstoff im mensch lichen Organi«mu» zu Harnsäure, den Wasserstoff zu Wasser und den Kohlenstoff zu Kohlensäure oxidtrt. Au« diesen genannten vier Elementen: Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Wasser- stoss bestehen all« organischen Körper, Thiere wie Pflanzen. Um g«sund zu sein bedarf e« eine» organischen Stoffwechsel» und um diesen zu erreichen, muß der Organtlmu» die oxydtrten Stoffe entfernen, au»scheiden, und dazu bedarf er derjenigen höheren Temperatur, welche man LebenSwärme nennt. Die Quelle dieser LebenSwärme aber ist da» Athmen, und wo sich dasselbe au» irgend einem Grunde verlangsamt, da sinkt die LebenSwärme, da vermindert sich »er Stoffwechsel, wo da« Athmen aber beschleunigt wird, da steigt »ie Wärme, da hebt sich der Stoffwechsel und mit ihm die Gesundheit, «a» Wohlbefinden. Gute Nahrung mit entsprechender Körperbewegung in frischer Luit sind die Universalmittel gegen jede Krankheit, sind da» wahre Elixir zu einem langen Leben. Freilich, wie wenige sind heutzutage in der glücklichen Lage, beide« vereinen zu können. Ader sesselt un» auch Berus oder Pflicht allzu oft und gar zu lange im Hause, so sollen wir doch nach Kräften dafür sorgen, daß in unseren Wohn- und Schlaf zimmern eine reine, eine unverdorbene Luft sich befindet. Viele Krankheiten nehmen ohne Zweifel ihren Ursprung au« der Entziehung freier Luslathmung durch sitzende Lebens weise oder au« dem andauernden Einatbmen von verdorbener Lust, wie sie leider meist in überfüllten Arbeitträumen, Schulen, Wirthshäusern usw. vorkommt. Ob eine Lust gut oder schlecht ist, erkennen wir meisten« durch »en Geruchssinn, wenigsten« gleich beim Betreten de« Raume«. Leider gewöhnt sich die Nase gar zu leicht auch an schlechte Gerüche, man merkt e« ost gar nicht, daß man sich in schlechter Luft befindet, aber ein Gang in die frische Luft ändert da« gleich wieder, giebt dem GcruchSorgan da» Unterscheidungsvermögen wieder. Wa« die Lust in über füllten oder mangeldaft gelüfteten Räumen verschlechtert, da» ist nicht nur die von den Menschen auSgeathmetc Kohlensäure, nein, c« ist auch ein giftiger Stoff, der sortwährcnd mit der Ath- mung«lust au« den Lungen mit entfernt wird, e« ist ein organ ische« Alkaloid au« der Reihe der gefährlichsten Leichengifte. Man sieht, wie wichtig eine gute Ventilation, die Herbeisübrung von stet« reiner Luft für unsere Gesundheit ist. Zum Glück be findet sich in unseren Wohnzimmern stet« ein guter Lustver besserer, da» ist der Ofen, und je besser er zieht und brennt, desto mehr verbessert er zugleich die Lust. Vielen ist e« schon ausgefallen, daß die Lust im Zimmer sich merklich verbessert, wenn Feuer angemacht wird, auch ohne daß ein Fenster geöffnet wurde. Der brennende Ofen führt die verdorbene Luft de« Zimmer« ab durch den Schornstein, während die Fenster und Thürcn durch ihre Ritzen immer kalte und frische Lust ein dringen lassen. E« ist daher höchst gesundheitsschädlich, diese Ritzen im Winter ängstlich zu verstopfen. E« ist viel gesunder, der Luft diesen langsamen und unvermerklichen Zutritt zu ge statten und etwa« mehr Brennmaterial zu opfern, wenn e« nicht genügend warm im Zimmer jein sollte. Aber Feuerung schonen und seine Gesundheit gefährden, da» ist verwerflich, traurig, wenn die Noth zu solchem Vorgehen zwingt. Eine Zimmer temperatur von 14—15 Grad Röaumur ist die angemessenste. Selbst im Winter öffne man von Zeit zu Zeil die Fenster; im Sommer aber lasse man dieselben, wenn eben möglich, den ganzen Tag offen stehen. Räume, in denen sich viele Personen dauernd aushalten, be dürfen der künstlichen Lüftung ; zum Glück leistet die moderne Technik in dieser Beziehung Vorzügliche«. Da« beste und billigste Mittel aber, um gute Luft im Zimmer zu haben, ist und bleibt da« einfache Lüften. Alle Räuchermittel und wohlriechende Essenzen, mögen sie Wachholder oder Koniferengeist oder Blumendust heißen, machen die Luft nicht reiner, sie verdecken höchsten« den schlechten Geruch, aber sic zerstören niemals die schädlichen Stoffe. Da» beachte man ganz besonder« in Krankenzimmern und zu Zeiten, wo Epi demien herrschen. Man hat auch Instrumente erfunden, welche die Schädlich, keit der Lust anzcigen sollen. Leider haben sic nicht großen Werth, denn die vorerwähnte Art von Leichengift zeigen sie nicht an, den Kohlensäure-Gehalt der Luft nur ungenau. Am besten zeigen sie den Feuchtigkeitsgehalt der Luft an, der aber ist für den gesunden Menschen nicht von Bedeutung, denn die freie, frische Luft ändert täglich bi» stündlich ihren Gehalt an Feuch tigkeit. Ist die Stubenluft so schlecht und trocken, daß stc be lästigt, so öffne man sofort ein Fenster. Für kranke Personen ist e« dagegen ost von großer Wichtigkeit, daß sie den richtigen Feuchtigkeitsgehalt in der Stubcnlust haben, und sie mögen dann die Zuflucht zu einem FeuchtigkeitSprüser nehmen, davon e» eine große Anzahl giebt. Die Auswahl kann der Arzt oder der Ver käufer bestimmen. Schon vor Jahrhunderten hat e» die Gelehrtenwel» beschäf tigt, den Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu erforschen, daher sind Feuchtigkeit-prüfer in der Wetterkunde al« Hygrometer und Hygroskope viel im Gebrauch. Schon in den ältesten Zeiten führte die Beobachtung, daß gewisse Körper in feuchter Luft schwerer, in trockener leichter werden, auf die Idee, diese Gewichts änderung al» Feuchtigkeitsmesser zu verwerthcn. Man hängte den wasserzichenden, hygroskopischen Körper an einen Wagebalken auf und auf der anderen Seile de« Balken« gab ein Zeichen den Feuchtigkeitsgrad an. Sehr beliebt waren die Darmseilen al« Messer. Die Zunahme der Feuchtigkeit in der Lust bewirkte ein Aufdrehen der Darmseite und damit ein Drehen de« daran be festigten Zeiger«, oder eine« anderen damit in Verbindung stehen den Gegenstände«. Darauf beruht die Einrichtung der bekannten Wetterhäu«chen, wo die Figuren bei feuchtem Wetter verschwin den, um bei trockenem wieder zu erscheinen. Eine für» Hau» brauchbare, wenn auch nicht genaue Vor richtung, die sich Jedermann anferligcn kann, ist da« Farben hygroskop. Weiße« Papier oder weiße« Baumwollenzeug, mit einer Ehlorkobaltlösung leicht überstrichen oder übergossen, wird in trockener Lust blau, in feuchter rosenrolh, bei normaler Luft violett. Bei den Wetterdildern und Welterdlumen ist Ehlorko- balt gleichfalls die wirksame Substanz. Die Macht der Konsumenten. Bon Vr. Wilhelm Bode. Den vorstehenden Titel trägt ein kleine« Schriftcken, welche« sehr be- achtenswerthe Anregungen enthält. Wir folgen dem Wunsche eine« Freun des unsere« Blatte«, indem wir die Stellen au« der erwähnten Schrift hier wiedergeben. ES heißt darin: ES soll zufriedene Leute geben, denen die Welt gerade so, wie sie jetzt ist, recht gut und schön erscheint; für sie ist diese« Blatt nicht bestimmt; die Andern aber, die im eigenen Innern edler werden, die auch ihre Um gebung reinigen und verschönern und vielen Mitmenschen Wohlthun möchten, bitte ich, meine Zellen zu lesen, sodann vielleicht einige Sätze, die wahr und richtig erscheinen, anzustreichen und da« Schriftchen weiterzugeben. Die Macht der Konsumenten — darüber haben wir w o h l Alle noch zu wenig nachgedacht. Die Macht de- Staate«, die Macht der Arbeitgeber, die Macht der Grundbesitzer, die Macht der Presse, die Macht der Polizei, die Macht der Börse, da« sind un« vertraute Begriffe und die Sozialdemokraten singen einander zu: „Rann der Arbeit, aufge- wacht! Auf! erkenne deine Macht! Alle Räder steben still. Wenn dein starker Arm e« will!" Daß wir Konsumenten noch stärker find, al- diese Gruppen, daran denkt man nie, und doch leuchtet e- ohne Weitere- ein: wir haben die allergrößte Zahl, denn Konsument ist Jeder, und wir haben eigentlich alle- Geld, denn da- Geld hat ja nur insoweit Werth, al- e« den Konsumenten zum Kaufen der bearhrten Maaren dient. Solche ungeheure Macht legt eine ebenso große Aufgabe auf un-; wir müssen diese Macht benutzen, und zwar mit Borsicht, Ueberlegung, Kenntniß und Wohlwollen. Wir stehen al- Käufer und Verbraucher beständig vor der Wahl: Weltver besserer oder Welwerschlechterer zu sein. Und diesem Entweder-oder können wir uns nicht entziehen, wir können nicht durch da« Leben gehen, ohne zu wirken und Spuren zu hinterlassen: wir thun Nützliche» oder versäumen e« zu thun, wir thun Schädliche« oder hüten un«, e« zu thun. Blicken wir nun hinein in da« bunte Leben! E« sind Sommerferien gewesen; eine gutherzige Dame wird auf ein blasse« Schulkind aufmerksam und sie frägt: warum war da« Kind nicht mit in die Ferienkolonie? Die Antwort ist: weil die Eltern nicht alle Kleidungsstücke hatten, die da vor geschrieben waren. „Sind denn die Leute so arm? Ist der Mann etwa nicht ordentlich?" — „Sehr ordentlich! Aber er ist Schuhmacher, und die Schuster haben ein kärglich Brod; was aber da« Schlimmste ist, sie müssen oft gar so lange warten, ehe die Rechnungen eingehen, bei manchen Herr schaften ein ganze« Jahr, oder noch länger!" — Unserer Dame steigt das Blut inS Gesicht, sie frägt nach dem Namen de- Vater- - e- ist ihr eigener Schuhmacher, und sie, die bei allen Wohlthätigkeitsvereinen dabei ist, schul det ihm schon manchen Monat über 30 Mark. Sie hat bloß die Rechnung verlegt und nicht wieder daran gedacht! Nun gehen wir einmal auf unsere beliebteste Promenade; da ist es wie im Theater. „Die Damen geben sich und ihren Putz zum Beste»» und spielen ohne Gage mit", und auch Herren sehen wir in Menge, die ihrer Emballage gleichfalls die peinlichste Sorgfalt gewidmet haben. Neben uns auf der Bank sitzt ein alter Geschäftsmann, der alle die Gräfinnen, Schau spielerinnen, Leutnants, RegierungSräthe zu nennen weiß. „Ja," seufzte er, „wenn die Hälfte aller dieser schönen Kleider, Hüte, Stiefel, dieser feinen steifen Wäsche, dieser Handschuhe und deS anderen TandS auch schor» bezahlt wäre! Dann könnten die Geschäftsleute wohl lachen!" Und er erzählt uns dann eine traurige Geschichte von einer jungen Putzmacherin, die Bankerott machen mußte, und, weil sie zu ehrgeizig war und diese Schande nicht über- leben wollte, ins Wasser ging. Hier aber sehen wir gewiß manche feine Kundin von ihr, die erst der Konkursverwalter endlich zum Bezahlen be wegen konnte. Sie gehen vorbei, die Damen und Herren; die Damen lä cheln so fein, die Herren grüßen so elegant, sie sind alle so sorgfältig, so vornehm, so auserlesen; warun» haben sie keine Gedanken für die Hand Werker und Geschäftsleute, denen sie so viel von ihrem aristokratischen Aeußern verdanken? Ich sehe da Damen, die, so wie sie sind, nur existiren können, wenn sechs andere Personen beständig für sie arbeiten; könnten sie nicht auf die sittlichen Pflichten gegen ihre fleißigen Diener so viel Obacht haben, wie auf den Hut, den sie beute Abend tragen werden? Ich gehe in ein Caf6 und nehme mir ein paar Witzblätter her, um die dumme Putzmacherin zu vergessen, die in diese Welt des Pumpes und Scheins sich nicht finden wollte. Im ersten Witzblatt ist ein Schneider karikirt, der seine Arbeit von einem feinen Herrn bezahlt haben möchte; ich lege das Blatt weg. Im zweiten Witzblatt ist wieder so ein Schneider, im dritten wieder einer. Ja, soll dem» das witzig sein, wenn wir die Leute auch noch verhöhnen, die wir um den Lohn ihrer Arbeit monatelang betrügen, von denen wir uns Waare und Geld vorschießen ließen? O du tiefes deutsches Gemüth, von dem in den Büchern geschrieben steht, bist du so grob u. roh, daß du solche Ungerechtigkeit mit Vergnügen und Scherz behandelt siehst ? Wir Deutsche sind doch so gebildet, w»r wissen Bescheid über die Enden der Welt; wissen wir denn nicht, wieviel Elend aus dieser ganz überflüssigen Sitte des Anschreib en lassens her rührt? Die Macht der Konsuinenten . . . hier zeigt sie sich bösartig: wir Kon sumenten bringen über viele Tausende unserer Handwerker und Lieferanten Kopfschmerzen und Sorgen, Angst und Noth, weil wir nicht sofort zu be zahlen uns angewöhnt haben. Wir verdienen Entschuldigung, wenn uns Niemand zu dieser Konsumenten-Moral erzogen hat, aber wir handeln wis- sentlich böse, wenn wir auf den Uebelstand aufmerksam gemacht worden sind. „Es hat ja keine Eile", betheuern uns freilich unsere Lieferanten, wenn wir bezahlen wollen, sie glauben so reden zu müssen, um unsere Kundschaft zu behalten , meinen thun sie ganz etwas Anderes. Wir Konsumenten sind die wahren Arbeitgeber: diejenigen, die so heißen, sind nur unsere Vermittler und Vertreter. Nicht bloß jener Ladenbesitzer läßt die ärmsten Frauen zu sündhaft niedrigen Löh nen arbeiten, sondern wir, seine Kunden, sind auch dabei. Wir wollen die Taschentücher oder Röcke oder Mäntel so billig haben ; wir drücken am Preise, so niedrig er uns selbst vorkommt, wir triumphiren gegen unsere Bekannten, wenn wir ein Stück extra billig gekauft zu haben glauben! Ja, schlau muß man sein! wir bilden uns vielleicht ein, wir seien einem geriebenen Geschäftsmanns überlegen gewesen, in Wahrheit ha be»» wir ihn nur ermuntert, noch mehr den Schund zu pflegen, der einer soliden Waare nur ähnlich sieht, oder die Löhne seiner Arbeiter oder Arbei terinnen noch mehr zu drücken. Wenn er ungeschickt ist, sagt er vielleicht den Mädchen, die von solcher Bezahlung nicht leben können: „Haltet euch doch einen Liebhaber!" Und dieses döse Wort ist nichts als eine Ueber- setzung unseres unehrlichen Ausrufes: „Das ist ja viel zu theuer!" Vorhin war von billigen Waarenpreisen und ihren sittlichen Gefahren die Rede. Man kann es den Armen nicht verübeln, daß sie stets nach dem Billigsten fragen; wohlhabende Leute aber sollten, wenn sie es mit ihren Mitmenschen gut meinen, dem Billigsten geradezu aus dem Wege gehen. Denn fast immer haftet unbezahlte oder schlecht bezahlte Arbeit daran, und daS bedeutet schlecht ernährte Kinder, Versuchung zu unrechten» Erwerb, Untergrabung des Familienlebens, Verbitterung des Gemüthes u. dergl Wen,» »nan ein Mittagessen von 15 oder 25 Pfennige begehrt und man bekommt es von wohlthätigen Vereine»» auch wirklich ge liefert, so bedeutet das, daß diese Vereine als Preis- und Lohndrücker wir ken gegen die Privatleute, die aus der Lieferung von Speisen einen ehrlichen Erwerb machen möchten. Wen»» wir einen Vortrag hören, ohne ihn direkt oder indirekt zu bezahlen, so erschweren wir jenen Rednern die Existenz, die nicht gratis arbeiten können, und damit sind wir der Aufklärung und der Bildung des Volkes im Wege. Wenn wir Schriften und Flugblätter zu den allerbilligsten Preisen, die es nur giebt, verlangen, so bedeutet das, daß wir Schundpapier, geschmacklose Ausführung des Satzes und Lehrlingsausnütz ung haben und geistige Arbeit nicht bezahlen wollen. Unser geistiges Leben in Deutschland leidet schwer darunter, daß Bücher und Aufsätze in der Regel ungenügend honorirt werden; der Stand der Schriftsteller und freien Ge lehrten wird dadurch herabgedrückt, die Sorgfalt und Aufrichtigkeit ihrer Arbeiten wird vermindert. An ihrer schlechten Bezahlung sind aber Jene schuld, die, weil sie eS sich leisten können, ihre Arbeit verschenken, und Jene, die den Preis guter Arbeit nicht zahlen wollen. Und auch auf anderen Gebieten gilt der Satz: zuerst seid gute Bezahler der Arbeit, die ihr begehrt, sonst ist all euer Wohlthun und Reformiren» Wollen e»ne unreine Sache, und ihr gehört zu den allzu vielen phi lanthropischen Pfuschern, die Armuth lindernd Armuth schaffen oder sonst zur Förderung des Guten BöseS thun. Mächte der Jinsterniß. Roman »on Helmut» Wols Hardt. (10. Fortsetzung.) »Ja!" sagte Bernhard, unfähig, sich ganz zu beherrschen »Ohne daß Sie, Elisabeth, nur da« geringste ahnten, waren Sie der Schutzgcist und der gute Stern meine« Leben«. Wie ich nach dem Eisenbahnunglück von Ragosewo die Kraft gesunden hatte, mit todlmüden Füßen eine ganze Nacht hindurch zu mar- schircn, nur weil mich der Wunsch erfüllte, Ihnen so schnell al« möglich Beistand zu verschaffen, so fand ich auch die Kraft, meinen mühseligen Studicnwcg zurückzulegen, weil — doch ich bitte um Verzeihung, daß ich Sie fortwährend von Dingen unter halte, die kaum ein wirkliche» Interesse sür Stc haben werden." »Warum vermuthen Sie da«? — Und warum sind Sie so fest davon überzeugt, daß ich Sie in acht Jahren unserer Trenn ung ganz vergessen habe? Ich denke, wir hätten un» damals das Verspreche» gegeben, gute Freunde zu bleiben?" »Ein Versprechen, an da« Sic sicherlich nicht gebunden waren, Fräulein Elisabeth! Sie lebten im Schooße de« Rcich- thum« und gehörten einem Gesellschast»kreisc an, der auch noch heute kaum der meinige ist. Neue und glänzendere Bekannt schaften, die Sie inzwischen unzweifelhaft gemacht haben, mußten Sie meiner unbedeutenden Persönlichkeit nur noch al« derjenigen eine« armen, unwissenden und unreifen Knaben gedenken lassen! Wäre e« da nicht sehr närrisch gewesen, wenn ich auf ein Ver sprechen gebaut hätte, daß Sie vielleicht in kindischer Unkenntniß de« Leben« gegeben?" Je deutlicher die tiefe Bewegung seine» Herzen« in dem Nu«druck seiner Worte offenbar wurde, desto mehr wichen ihre Befangenheit und ihr« Verwirrung einer lieblichen, sonnigen Heiterkeit. .E» ist eigentlich nicht« weniger al» ein Kompliment, da« Sie mir da machen," sagt» sie, .und ich müßte Ihnen böse sein, wenn ich »ie Gewißheit hätte, daß «1 Ihnen wirklich so ganz ernst damit ist. Uber, offen gestanden, ich glaube nicht recht daran, daß Sie eine so geringe Meinung von mir haben. Sie