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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 12.01.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190101129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19010112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19010112
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1901
-
Monat
1901-01
- Tag 1901-01-12
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Monat
1901-01
-
Jahr
1901
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außergewöhnliche Ereignisse dazwischen ireten, im Spätsommer diese» Jahre» durch da» königliche Ministerium de» Innern zur Aurschreibung gelangen. Bi» zur Stunde macht sich die Neu wahl von 29 Abgeordneten nothwendig. Zu den betheiligten Wahlkreisen gehören auch der 20. städtische Krei» (Aue mit Zelle, Eibenstock, Johanngeorgenstadt, Neustädte!, Schneeberg, Schwarzen berg); birheriger Abgeordneter: Baumeister Bochmann Aueskons.); und der 42. ländliche Kreit (Schwarzenberg, Johanngeorgenstadt, Eibenstock); autscheidender Abg. Hüttenweikrbesitzcr v. Querfurth- Schönheikerhammer (kons,) E« wählen im ganzen 13 städtische und 16 ländliche Wahlkreise. In Erledigung kommen 14 Sitze der konservativen, 9 Sitze der nationollibcralen, 2 Sitze der sort- schrittlichen und 4 Sitze der sozialdemokratischen Partei. — Eibenstock. Der seit Donnerstag im Feldschlöß chen hierselbst anwesende kleinste Kellner der Welt, Paul Näf au» Jttenlhal, bedient daselbst nur noch kurze Zeit. Der kleine knirp» von kaum Sluhlhöhe rüst durch seine witzigen Bemerk ungen und gravitätischen Bewegungen schallende Heiterkeit hervor, und sollte Niemand, der Sinn für Humor hat, versäumen, den drolligen Kauz einmal zu besuchen. — Dresden, 10. Jan. Uebcr da» Befinden Sr. König!. Hoheit de« Prinzen Friedrich August ist ersreulicherweise zu berichten, daß der hohe Patient bei andauernd gutem Be- finden und sorlschreitender Genesung heute erstmalig da« Bett wieder verlassen hat und auch weiterhin den größten Theil de« Tage» außer Bett zubringcn wird. — Dre «den, 10. Januar. Prinz Georg wird sich in Vertretung Sr. Majestät de« König« am 18. ds«. Mt«. nach Berlin zur Theilnahmc an den Festlichkeiten begeben. — Leipzig, 9. Januar. Aus dem kleinen Umweg über China ist ein Leipziger Sladlpostbricf jetzt endlich in die Hände de« Adressaten gelangt. Ein hiesiger Großkausmann hatte ihn am 12. September v. I. an eine Leipziger Firma gesandt, die ihn aber nicht erhielt. Vor einigen Tagen nun tras bei dem Absender ein Feldpostbrief au« China, dalirt au« dem Fort II von Shanhai-Kwan ein, aufgegeben von dem Hauptmann v. Schoenberg vom 2. Bataillon de« 2. cstasiatischen Regiment«, einem der Offiziere der Leipziger Garnison, welche al« Freiwillige zum Expeditionskorps übertraten. In dem von der 4. Feldpost station am 14. November abgestempelten Couvert lag der Leip ziger Sladtpostbrief. Er war nach Mitthcilungen v. Schoenberg'« in eine sür einen deutschen Chinakämpfer b stimmte Kieuzband- sendung gerathen und hatte so al« blinder Passagier im Po'lbcu- tel die weite Reise nach China mitgewacht. Um von der Grim- maischen Straße in Leipzig nach der Zeitzer Straße zu gelangen, hat er gerate — hunderlsechzehn Tage gebraucht. — Chemnitz, 9. Januar. Von amtlicher Seile erhält da« »Chemn. Tgbl." die Mitihcilung, daß der in ter Groß milkauer Mordasfaire wider den Stuhlbauer Karl August Stirl au« Köthen«dors schon früher aufgetauchte Ver dacht der Thäterschaft sich neuerding« durch weitere Erhebungen in einer Weise verstärkt hat, daß die König!. Staatsanwaltschaft beim König!. Landgericht Chemnitz den Antrag auf Eröffnung der gerichtlichen Voruntersuchung wider Stirl gestellt, der Unter- suchungSrichtcr beim König!. Landgericht auch heute bereit« den Stirl in Untersuchungshaft genommen hat. — Meerane. In »Härtel« Hotel" ist der Webereifaktor Schalter au» ConradSreuth i. B. an Steinkohlenga« erstickt. Die Untersuchung ergab, daß au« dem Gasofen, dessen Zulcilung«- hahn offen stand, da» Ga« entwichen war. Al« der Reisende sich Nacht« gegen 1 Uhr zur Ruhe begab, war der LeitungShahn geschlossen worden, sodaß e« unaufgeklärt ist, ob Schalter den Hebel zur Leitung aufgedreht hat, oder ob durch irgend einen andern Umstand sich der Hebel gedreht hat. — Auerbach, 10. Januar. Kürzlich haben vor dem hie sigen Königlichen Amtsgericht Vernehmungen de« Stadlralh« Petzold und des Verleger« der »Nachrichten sür Auerbach" über die Veröffentlichungen in Sachen de« Konflikt« mit dem Bürgermeister Aretzichmar stattgesunren. Darnach scheint e«, al« ob die OrtSbehörde der Sache nähertrelcn will, wenn auch noch nicht ersichtlich ist, gegen wen sich da« Vorgehen der Behörden lichten wird. — Stadlralh Petzold, der Führer ter Opposition, ist zum Vizebürgermeister gewählt worden. — In Rodewisch ist am Dienstag die 21 Jahre alte Plätterin Anna Marie Lauer von dort unter dem Verdachte der Lindeölöblung verhaftet worden. Sie wird beschuldigt, ihr heim lich geborene« Kind in eine Abortgrube geworfen zu haben. Am vergangenen Donnerstag fand im Beisein eine« Vertreter« der Königlichen Staatsanwaltschaft zu Plauen die Sektion der Leiche statt. — Au« dem Vogtlande, 8. Januar. Die Frage: Wo her nehmen wir mit der Zeil die Rohstoffe zur Papie Erzeugung? wird immer brennender. Der Bedarf an Papier ist in« Unge heure gewachsen; die Zahl der Menschen, welche lesen und schrei ben, vermehrt sich jede» Jahr um Millionen und ebenso wächst der Geschäftsverkehr. Hunderte von Schnellpressen werden mit wachsender Geschwindigkeit jährlich neu ausgestellt. Die deutsche Papierverwerthung«- und Druck Industrie beschäftigt jetzt schon fast doppelt so viel Leute wie die Papiererzeugung und wächst durch fortwährend austauchende neue Verwendungsarten de« Pa pier« in erstaunlichem Maße. Da e« aber scheint, daß die Wälder auf die Dauer nicht viel mehr liefern können al« in den letzten Jahren — und diese Thatsache bezieht sich nicht nur aus da« Holz, welche« die erzgcbirgischen und vogtländischen Wälder liefern, sondern auch auf da» au« Schweden, Norwegen und Finland importirte Holz —, so wird man zur Beschaffung de« Mehrbedarf« auf die älteren Rohstoffe: Stroh u. ESparto- Gra«, zurückgreisen müssen. Holzschliff und Stroh al« Rohstoff sür die Papiercrzcugung ist bekannt, weniger ist die« hinsichtlich de« ESparto-Grase« der Fall. Die binsenartige Pflanze wurde zuerst au» Spanien nach England gebracht; nachdem die Ver wendbarkeit de« Grase« nachgewiesen war, luchte und sand man dasselbe in großen Mengen auch auf den Hochebenen von Algier, Tunis und Tripoli», wo e« wild und ohne jede Pflege nach dem Abernten immer wieder nachwächsl. Der gewonnene Faser stoff ist von baumwollartiger Beschaffenheit und zeichnet sich durch ansehnliche Festigkeit au«. Nachdem der HolzsLliffsioff rar und Iheurer geworden und in dem Verfahren der Bearbeitung von Stroh und E-parto-Gra» mittel« Natron große Fortschritte gemacht worden sind, wenden die Papierfabrikanten ihre Auf merksamkeit wieder mehr diesen Rohstoffen zu. Da« ESparto- Gra» wächst in jedem Klima ohne kostspielige Kultur, und man ist im östlichen Vogtland«, wie auch im Erzgebirge bereit« der Frage nähergetreten, für den Feldbau nicht nutzbar zu machende steinige Abhänge, Reuthen und Waldblößcn mit E«parto-Gra« anzuläen. Wenn e« mit der Zeit gelänge, Kulturen desselben lm Inland« anzulcgkn, so wäre ein Ersatz d«» kostspieligen Holz zellstoffe« gefunden und auch die Qualität de» in Zukunft zu erzeugrnden Papier« würde gewinnen. 2. Zieh»»« 1. Akeste 1»». Ainigl. Seichs, /.«»e»-L»tt«ri« gezogen am 8. Januar 1901. 20,000 Mar« aus Ar. 230». 10,000 Mar« aus Rr. 8»878. 8000 Mar« -ul Rr. 8223». 2000 «ar« aus Ar. 8381» 88«t7. 1000 Mark aus Rr. 8888 II0I8 18480 40188 78782 87048 8777«. so« Mar« aus Rr. »848 8828 7088 I3I80 14208 17488 2087« 22088 24888 27284 8828« »8888 »7288 44870 4848t 48788 48882 »7777 88821 88044 88488 87828 88187 78212 78818 77278 888»» 81728 8888». 200 Mar« aus Rr. I7S- »888 8»I» 778» 8S07 8848 8484 8878 8884 8884 12, 88 18282 14842 17208 20014 21807 222W 2888» 24817 28887 28180 28811 28884 28284 80828 81828 »8044 8»178 40180 40841 4I8I7 42878 44800 44880 48282 48827 47248 47888 48818 48884 »1828 82482 84287 84808 84772 88888 88081 87488 87888 80788 81024 82887 88870 84628 88888 87428 87887 67886 67878 8807» 68888 70701 7I8I8 72044 728S2 7S088 7»884 78774 78118 78784 78700 78888 80808 8148» 81826 82726 83208 87381 88871 88870 80884 80868 81718 82»28 88727 88088 87»>8 88868. DK' Wnesen als Köche. Bon 8. Ioh »ston. Die Grausamkeit der Chinesen ist sprichwörtlich. Der Chi nese ist nicht nur grausam in seinen Strafen oder im Kampfe mit dem Feinde, er ist e» auch in der Küche. Man hat die Chinesen ein Volk von Spielern genannt, man könnte sie eben so gut ein Volk von Köchen nennen. Die »Kunst de« Kochen«" steht bei ihnen in höchstem Ansehen. E« giedt nur wenige Chi nesen, welche nicht die Lust oder die Leidenschaft haben zu kochen, gut zu kochen. Selbst der ärmste Chinese, dem al« tägliche Nahrung nur Rei« zur Verfügung steht, sucht diesrm an sich säten Nahrungsmittel durch die Kochkunst Mannigfaltigkeit abzu gewinnen. So gicbt c« gekochten, gebackenen, gewürzten uno ge mischten Rei«. So wie dem Rei«, so suchen die Chinesen allen Nahrungsmitteln den höchsten Reiz abzugewinnen. In diesem Bestreben gehen sie bi« zur den'bar größten Grausamkeit. Soll beispielsweise dem Grflügel der höchste Grad der Schmackhaftig keit reiliehen weiden, so geht der Koch auf folgende Weise vor. Er nimmt eine Taube, ein Huhn, eine Ente oder Gan« und hält sie lebend über eine mit heißem Fett versehene Pfanne, daß die Füße da« heiße Fett eben berühren. Die große Hitze läßt die Füße de« armen Opfer« anschwellen und da« Blut au« dem Körper dorthin strömen. Nach kurzer Zeit taucht man die ge- schwcllenen Füße in ein Gemisch von Gewürzen und dann wie der in da« brodelnde Fett. Die so zubcreitcten Füße gelten al« eine große Delikatesse und werden selbst dem Brustfleisch vor gezogen. Die ost zolldick angeschwollenen Füße sind ein Ge richt für sich. Aus gleiche Weise bereitet man auch . H u n d e p f o t en So wird e« dem Europäer erklärlich, wenn man in China sür Hübner-, Hunde- und Katzenpfoten al« größten Leckerbissen schwärmt. Da« Lammfleisch spielt in allen Volksschichten al« Nahrungsmittel eine große Rolle. Reichere Leule suchen diesem Fleisch aus döchst grausame Weise einen würzigen Geschack bci- zubringen. Man setzt da« lrbende Thier in eine Art von Backofen und heizt dann denselben. Die Hitze verursacht dem armen Opfer gewaltigen Durst. Man gicbt nun dem Thiere gewürzte« Wasser oder gar gewürzten Wein in beliebiger Menge zu trinken. So geht e« stundenlang fort. Um die Qual de« Opfer« kümmert sich der Chinese nicht, er deukt nur an da« schön gewürzte Fleisch, da« ihm nach stundenlanger Qual da« Thier bringen soll. Durch seine Ucbervölkerung ist China dahin gekommen, daß seine Bewohner alle« essen, wa« nur eben genießbar ist. Die Chinesen lassen nicht« umkommen, nicht« verderben, wa« eben genießbar ist. Was un« ein Greuel ist, da« halten sie für Lecker bissen. Ratten und Mäuse verspeist man in China ohne Wahl. Wie man bei un« in gewissen Städten oder Dörfern getrocknete Fische oder Früchte in der freien Lust hängen sieht, so düngen in China Ratten und Mäuse an den Schwänzen befestigt von den Hau«- düchern herab. E« in freilich nur die Speise oe« armen Man ne«, adrr auch die Reichen haben sich, der Noch gehorchend, an sonderbare Leckerbissen gewöhnt. Die vornelnne chinesische Küche kennt Gerüchte au« Schlangen, Schmetterlingen und sonstigen Insekten. Die Larven der Seidenwürmer ergeben eine Deli katesse von großem Weiche. Die sogenannten »indischen Vogel nester" sind ja weltbekannt. Man verzehrt diese Gerichte mit einer dickliche» und gewürzten Sauce. Für die beliebte Schw al- bennesters uppe lautet die chinesische ZubereilungSwciie fol gendermaßen: Man nimmt möglichst viele Schwalbennester, rei nigt !ic von etwaigen Fevern und fügt sie in kochende« Wasser. Man kocht so lange, b:S eine dickliche Masse entstanden ist. Diese beiße Masse gießt man über eine Anzahl hartgekochter Eier und feingcwürztcr Wurstschnitte. — Diese Suppe wird meist nur bei festlichen Gelegenheiten aufgctragen. Bei solchen Gelegenheiten mach« c« der Chinese genau so, wie der Europäer, er läßt mög lichst viele Gänze austragen. Ein großer Unterschied bei solchen Festesten besteht nur Larin, daß der Chinese frühesten« nach dem fünften Gang eine Rede hält, während der Europäer mög lichst schon nach dem ersten Gang reden muß. Im Gegensatz zum Europäer sieht der Chinese e« al« Zeichen der Bildung und Höflichkeit an, wenn er beim Esten sich mög lichst geräuschvoll benimmt, wenn er recht deutlich zeigt, wie gut e« ihm schmeckt. So wird da« Kauen und Schlucken mit lau tem Geräusch au»gcübt, die Lippen werden mit viel Behagen be leckt. Dabei fehlt e« an übertriebenen und schwülstigen LobeS- e> Hebungen nicht. N.ben den Fleischgerichten spielen auch die Fischspeisen eine große Rolle. Durch Natur und Kunst hat China viele Wasser straßen. Seine Flüsse und Kanäle bergen großen Fischrcichthum. E» genügt ober dem Chinesen nicht, seine Fische einfach zu kochen, auch diese Gerichte wüsten möglichst pikant hergerichtet werden. Oie Fische werden möglichst stark mit Gewürz cingerieben und dann in Oel gebacken. In kleineren engen Straßen riecht e« daher meist unangenehm nach Oel und Fett und zu gewissen Tageizeiten sind ganze Straßen in China in einen unangenehmen Küchennebel gehüllt. In einem Lande, wo der Ackerbau so in hohen Ehren steht, wie in China, ist e« natürlich, daß die Backkunst der Koch kunst nicht nachsteht. Die Bäckereien und Conditoreien China« liefern daher auch ncnnen«werthe Sachen. Die Zuckerbäckerei steht auf einem hohen Standvunktr. Da» ist nicht auffallend in einem Reiche, da« den Rohrzucker schon längst kannte, al» die europäilchen Völker noch mit Honig süßten und von Zucker keine Ahnung halten. So kann e« auch nicht Wunder nehmen, wenn man in China kandirle, in Zucker eingemachte Früchte vorgesetzt bekommt, wie sie in Europa so schön nicht gesunden werden. Sonderbar ist e«, daß der Chinese den Genuß de« Sasfee- Trinken» nicht kennt. Wa» un« der Kaffee, da» ist dem Chi nesen der Thee. Der Schluß eine« jeden größeren Esten« bildet in China stet« eine Taffe Thee. Diese Taffe ist zwar meist sehr klein, vergleichbar mit einer Mocco -Schale, aber sein In- ball ist dafür auch sehr kostbar; da» Aroma dieser kleinen Taste Thee hat selbst für den Europäer etwa« köstliche». Die chinesischen Thee» sind ja auch bei un» berühmt, aber e< scheint, al» ver lören die Theesorten einen großen Theil ihre» Aroma» durch die weile Reise, denn >« Lande selbst trinkt man vst einen schwarzen oder grünen The«, s» schön und gewürzhaft, wle man e« in Europa niemal« kann. Mächte der Jinsterniß. Roman oon Helmuttz Wolstzardt. <8. Fortsetzung.) Mit zuckendem Antlitz und weit geöffneten Augen ging er weiter. Zwei Männer, die durch ihre Uniformen al» ein Offizier und ein höherer Bahnbeamter gekennzeichnet wurden, kamen ihm entgegen, und mit der Entschlossenheit eine« verzweifelten vertrat ihnen Rodewald den Weg. »Seien Sie barmherzig, meine Herren," stammelte er. »Mein einzige« Kind, meine Tochter befand sich in diesem Zuge, und ich weiß nicht, ob sie verunglückt oder gerettet ist. Kam denn kei- ner von allen Passagieren mit dem Leben davon?" Die beiden Herren sahen einander an. In der Stimme de» Fragenden und in dem Ausdruck seiner Worte lag etwa«, da« ihnen tief in die Seele schnitt. Aber kie hatten in diesen Nachtstunden de« Herzzerreißenden schon sehr viel erlebt und e« war ja auch ihre Pflicht, ihm der Wahrheit gemäß Antwort zu geben. »Unter denjenigen, die ganz unverletzt geblieben sind, be findet sich meine« Wissen« allerdings kein weibliche« Wesen," sagte der Beamte, »aber ein Theil der vorgekommenen Verwundungen ist ohne Zweifel nur leichter Natur. Hoffentlich, mein Herr, trifft diese« auch bei Ihrer Tochter zu." »Und wo — wo kann ich die Verwundeten finden?" fragte Rodewald. »Ich selbst werde Sic zu ihnen führen," anworlctc der Be amte. »Wir haben au« den Wagen de« Hilfszuge«, so gut c» sich lhun ließ, ein Lazareth gemacht." Wenige Minuten später hatten sie den Zug erreicht. Rode- wald wellte den ersten der an die Lckowotive angehängten Ge päckwagen besteigen; aber sein Begleiter hielt ihn zurück. »Nicht dort hinein!" sagte er. »Lassen Sie un« hoffen, daß Ihre Tochter sich nicht da befinde." Der Gutsbesitzer verstand den Sinn dieser Worte; aber in dem er sich schaud-rnd von dem unheimlichen Wagen abwandle, fiel sein Blick auf vier langsam näher kommende Gestalten, deren jede eine kleine Blendlaterne auf der Brust trug, und die auf ihren Schultern einen langgestreckten, dunklen Gegenstand brach ten. Und e» war, als ob sein Fuß am Boden festgewurzelt sei. Er wollte dem Beamten folge»; aber er war außer Stande, seine Augen von den vier Männern hinweg zu wenden, die nicht mit einander sprachen, deren Schritte auf dem weichen Boden nicht vernehmlich waren und die um dieser Lautlosigkeit Willen nut ihrer schauerlichen Last wahrhaft gespenstisch erschienen. Al« sie an dem ersten Wagen angekommen waren, ertönte ein mit gedämpfter Stimme gesprochene« Kommandowort, uno sie hoben die Bahre von ihren Schultern. Ein schmaler Licht streifen au» der Laterne de« Einen fiel über den darauf liegen den Körper hin. Rodewald sah nicht» weiter al« eine reiche, aufgelöst herabfallende Welle goldig schimmernden Blondhaares, aber trotz ter Geringfügigkeit diese« Erkennungszeichen« stürzte er mir einem dumpfen Aufschrei aus die Bahre zu. Rodewald» schreckliche Vermuthung halte ihn nicht betrogen. Auch ohne den Hellen La'erncnschein würde er jetzt, wo er sich über den leblosen Körper hinab geneigt, sein unglückliche« Kind erkannt haben. Insofern wenigsten« hatte sich da« grausame Geschick barmherzig erwiesen, daß e« da» Antlitz der Todien weder durck irgend eine gräßliche Verletzung noch durch einen Au«druck re« Kampfe« entstellt hatte. Da« schmale, marmorweiße Gesicht der etwa sesszehnjährigen jungen Dame war so ruhig und fried lich, al« hätten sich ihre Augen nur zu sanftem Schlummer ge schlossen. Da« schreckliche Ereignlß mußte jo unerwartet über sie dereingcbrcchen und ihr junge« Leben, da« wohl ohnedies nur mit schwachem Flammchen gebrannt hatte, jo plötzlich erloschen sein, daß Entsetzen und Todesangst sich ihrer nicht erst hatten bemächtigen können. E» war begreiflich genug, wenn der bc- jammern«werthc Vater trotz der Eiseskälte der schmalen Hano, welche er in die (einige nahm und der bleichen Lippen, die er mit seinen Küssen bedeckte, bei diesem friedvollen Anblick noch nicht an das Acnßersle, Furchtbarste zu glauben vermochte. »Sie ist nicht todt — Ihr seht doch, daß sie nicht todt ist!" wiederholte er einmal über das andere, und erst als einer der herbeigerufenen Acrzte in sanften, schonenden Worten die traurige Thatsache bestätigte und den an der Bahre seine« Kinde« knien den Vater bat, sich mit männlicher Fassung in da« Unabänder liche zu fügen, sank der hoffnungsvolle Zweifel de« armen Man ne« in Trümmer. E« schien fast, al« sei ihm zugleich mit der Gewißheit auch der Muth gekommen, sic zu tragen. Er richtete sich aus und sagte zu den Männern, die ihn umstanden, in einem rauhen, befehlen den Tone: »Die« ist meine Tochter, und ich werde nicht dulden, daß man sie dort in den Wagen zu den Andern legt: Seiner soll wagen, sie mir zu entreißen." Verlegen sahen sich die Leute an. Niemand hatte den Muth, zu diesem unglücklichen Vater von der Unerfüllbarkeit seine« Ver langen« zu sprechen. Da kam raschen Schritte« noch ein anderer heran, dessen Erscheinen sie dieser traurigen Nothwendigkeit überhob. ,O Herr, so ist e« also doch geschehen!" rief der alt- Kut scher, al« er seinen Gebieter mit starrem, schmerzdurchsurchtem Gesicht neben der Leiche stehen sah. Er hielt die Mütze in den gesaltetcn Händen, und seine Lippen bewegten sich, al« sprächen sie für da» Seelenheil der Todten ein lautlose« Gebet. Rode wald aber machte einen Schritt auf ihn zu und ergriff ihn am Arme. »Wir müssen sie Heimbringen, Christian, sie darf hier nicht länger bleiben. Hilf mir, sie zum Wagen zu tragen, denn Nie mand soll sie berühren, al« Du und ich!" Mit trauriger Miene schüttelte der treue Diener den Kopf. »E« geht nicht, Herr. In dieser Nacht wenigsten« geht e« nicht mehr. Die Braunen sind vollständig abgetrieben — nicht eine Viertelstunde weit würben wir mit ihnen kommen. Der Peter lahmt so arg, daß ich den Wagen mitten im Feldwege stehen lassen mußte, weil er nicht mehr weiter zu bringen war." Die einfache Erklärung au« dem Munde seine« Kutscher« wirkte überzeugender aus Rodewald ein, al« -« alle Vorstellungen der Fremden vermocht hätten, und er fuhr nicht mehr zornig auf, al« der Beamt», «elchrr ihn vorhin geführt hatte, in freund lich überredendem Tone sagte: »Wir erkennen die Berechtigung Ihrer Wünsche vollkommen an, mein Herr, aber Sie sehen selbst, daß e« für den Augenblick unmöglich ist, denselben Erfüllung zu verschaffen. Ich erwart« indessen in jedem Augenblick« da« Eintreffen eine« zweiten Son-
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