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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 23.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189912232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18991223
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18991223
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-12
- Tag 1899-12-23
-
Monat
1899-12
-
Jahr
1899
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I«I- t« da- livneii «nie» ügsn 6s« papioroa, atverdio >. mr Vsr- 4°/., st". ilötzchtN" ^lül. Leipzig" zebenst eiir rm. icert r« Pfg- l«i». 1QQ- !«G una des ufikali- erde. o tr» ßeibe. !Ils. «an«, «ind- Isr. len « m ppe» « >odn. lfeier- ,t die t am n 28. bl. Arad Beilage zu Nr. 151 des „Amts- und Anzeigeblattes". Eibenstock, den 23. Dezember 1899. Hdek sei der Mensch, hilfreich und gut. Von Emil Steinweg. Was ist Tugend? — Für Biele ein bloßer Name, dem sie keinen Begriff unter zu legen wissen; für die Meisten, die sie üben, eine GewiffenSpflicht; bei Wenigen nur ein köstliche« Gut, da« sie besitzen, ohne e« zu ahnen, und wovon sie absichl«loi mit vollen Händen auithcilen, wie die Blume sich selbst unbe wußt, ihren Duft in die Lüfte streut. Die wahre Tugend ist eine Werberin, und wer eine Gabe von ihr empfängt, erhält zugleich auch ein Stück von ihrem eigenen Selbst. Wer, der Etwa« übrig hat, gäbe nicht zu Weihnachten für die Armen? Man sammelt und arbeitet für sie; der reiche Mann, die vornehme Dame giebt und giebt reichlich, aber — sie scheuen die Berührung mit dem Elend; sie erfüllen ein Ge- bot ihrer Religion, indem sie einen Theil von dem Ihrigen für die Nothleidenden hergeben, aber die eigene Freude zu opfern, um die Enterbten zu erfreuen; unbewußt einem innerlichen Drange folgend da« Unglück selbst aufzusuchen und selbst zu lindern — wie viele wohl mögen e« al« ein HerzenSbedürsniß empfinden? Abenddämmerung liegt auf der Stadt. Spärliche in der leicht bewegte» Luft treibende weiße Flöckchen geben den Dächern und dem Straßenpflaster nach und nach da« von der Schneeball werfenden Jugend so heiß ersehnte Aussehen, die weiße Farbe, die da« Nahen de« Christfeste« verkündet. Wer könnte e« sich auch vorstellen ohne die weiße Decke, unter welcher die Natur schlummernd Kräfte sammelt und sich vorbereitet für ihr Auf- erstehung«sest? Jedem Feste gebührt seine eigene Farbe, »weiße Weihnachten — grüne Ostern." So spricht die Hoffnung. Zum Glan, de« strahlenden Christbaume« gehört Schneegestöber, und darum hat c« auch endlich angesangcn zu schneien; denn heut ist Weihnacht«Heiligabend. «Die meisten Häuser der Straße sind dunkel, au« dem statt lichsten jedoch von ihnen allen senden zwei erleuchtete Fenster de« hohen Erdgeschosse« ihren Schimmer über die Straße, der in dem Halbdunkel einen weithin sichtbaren Hellen Fleck bildet. Darüber huscht zuweilen ein Schatten: Drinnen, in der Stube, wo der bren nende Christbaum steht, trippelt ein Mann aus und ab, um die Ge schenke zu ordnen, die auf dem Tische auögebrcitet liegen. Ein glückliche« Lächeln, der Widerschein tief innerlicher Bewegung, verklärt sein sympathische« Gesicht. ,Die«mal wird sie sich gewiß freuen! — Ja, wenn sie da« sieht!" Wie pocht ihm da» Herz! Er muß an sich halten, um nicht laut aufzujubeln. O Strahl au« dem Paradiese! schönster Beweis von der Göttlichkeit unserer Seele: Die Freude an anderer Freude. Beinahe zitternd vor Aufregung klopfte er an die Thür de« Nebenzimmer« und rief: »Johanna!" — e« vergingen einige Minuten, während deren er ungeduldig, voll heißer Unruhe, den Tisch umkreiste, bi« die Thür sich langsam öffnete und in ihrem Rahmen die Erwartete erschien: seine Frau. Ein edel geformte«, blasse« Gesicht, dessen schöne« Weiß blendend abstach von dem dunkeln Haar und dem schwarzen Seidenkleide, wie ein Bild werk au« Alabaster von dem schwarzen Sammetkissen, auf dem e« ruht, sich leuchtend abhebt. Wa« dieser Erfcheinung aber ihren höchsten Reiz verlieh da» waren die großen, etwa» schwer- müthig blickenden Augen von jenem liefen Braun, dessen sammet artiger Glanz sie in Wahrheit schwarz erscheinen läßt, Augen, wie man sie sonst nur in den südlicheren Gegenden Europa'« und auch dort nur ziemlich selten antrifft, sehnsüchtige und sehnsucht weckende Augen. Sic ließ die Blicke fast gleichgültig über den strahlenden Baum und die reichen Geschenke schweifen, während feine Augen mit gespannter Erwartung auf ihr Gesicht gerichtet waren und dort nach einer Spur von der Wirkung dieser glän zenden Ueberraschung forschten. Sie trat jetzt an den Tisch und ihm die Hand reichend, sagte sie freundlich ; .Wie reich Du mich wieder beschenkst, lieber Karl! Ich danke Dir von ganzem Herzen!" — Dann betrachtete und prüfte sie die einzelnen Ge schenke, aber kein Au«ruf der Freude entfuhr ihr, kein Lächeln de« Glückes erhellte die feinen, traurigen Züge. Mißmuthig warf er sich in einen Lehnstuhl. — Ich habe kein Glück bei Dir! murrte er. Nie treffe ich Deinen Geschmack. ,O doch!" ent gegnete sie. .Da» ist Alle« ja so reizend I Nur erwarte keinen lauten Ausbruch der Freude von mir. Da» Weihnachtsfest stimmt mich immer traurig, weil c« so recht eigentlich ein Fest für die Kinderwelt ist, und wir" — — Keine Kinder haben, fiel er ein. Immer da« alte Lied! Al» ob ich dafür könnte! — Im höchsten Grace verstimmt, sprang er auf, lief in» Neben gemach, öffnete ein Fenster und legte sich hinaus, unbekümmert um die kalte Luft, die ihm über cen Scheitel strich und die Schneeflocken, die ihm in» Gesicht flogen unv an seinem Barte haften blieben. Sein Blick fiel auf zwei kleine Mädchen, die mitten aus der Straße stehend und die Hände unter den Schürzchen, mit neugierigen und bewundernden Augen den im Lichtgtanz strahlenden Weihnachtsbaum betrachteten. Obgleich sie von oben bi« unten beschneit waren, sodaß sie Schnecmännchen glichen, war doch unschwer zu erkennen, daß sie jener Klaffe von Kindern angehörlcn, an deren Thür da« Christkind immer vorbcigeht. Arme kleine Wesen! Sie erhalten von der Weih nacht«dcscheerung nur Len Abglanz, wenn'« hoch kommt, einen Brocken, der vom Tische der Glücklicheren sällt. — Die junge Frau drinnen hatte die Musterung der Geschenke beendet und trat nun in die Thür de« Nebenzimmer«. .Aber Karl", rief sie mit weicher, melodischer Stimme, .sei mir doch nicht böse! Ich freue mich ja!" — Er schloß da« Fenster und näherte sich ihr. Sie schlang die Arme um seinen Hal« und barg ihr Ge sicht an seiner Schulter. — »Kinder brauchst Du zu Deiner Weihnachtsfreude?" fragte er. .Kinder giebt» genug. Draußen stehen zwei, die würden sich gewiß freuen, wenn sie sich unfern Baum ganz in der Nähe defehn dürften." — Sic hob rasch den Kopf. »Wo?" fragte sie lebhaft. Draußen auf der Straße? Ach, hole sie herein, Karl!" Er lief hinau» und trat al«bald mit den Kindern an der Hand in die Stube. .So", sagte er, .nun seht Euch mal den Weihnachlsbaum ordentlich an!" Johanna beobachtete lächelnd die Kleinen, wie sie ängstlich an einander gedrängt, mit weit aufgcrissenen Augen da» Wunder anstarrten. In dem Maße jedoch, al« die wohl- lhuende Wärme ihre Glieder durchzog, verloren sie ihre Schüch ternheit, bi« da« Jüngste, ein Mädchen von etwa vier Jahren, verlangend mit der Hand aus eine» der bunten Sächelchen deu tete, die blinkend und blitzend an den grünen Zweigen schaukelten. »Möchtest Du da« haben Kleine?" fragte die Dame, hockte vor dem Kinde nieder und streichelte ihm die Wangen. .Ach, wie kalt die Bäckchen sind! und die Händchen! die armen Kleinen!" Sie nahm de« Kinde« Hände zwischen den ihren und hauchte sie an, um sie zu erwärmen, dann nahm sie da» kleine Mädchen auf den Arm und trug e« an den Baum. .Such Dir Etwa« au-, mein Herzchen! Du darfst nehmen, wa« Du willst." Ihr Gemahl hatte sich gesetzt und jah ihr mit zufriedener, lächelnder Miene zu, wie sie die Kinder hätschelte und beschenkte. »Wie sic sich freut!" dachte er. Da« war ja Alle«, wa« er bezweckte. »Habt Ihr denn zu Hause keinen Chrislbaum?" fragte sie endlich die Kinder. Diese schüttelten den Kopf. »Wa« ist denn Euer Vater? .Baier muß sitzen," antwortete die Aeltcre. »Er sitzt?! — O Gott! Karl! Zu Weihnachten im Ge- fängniß! — Oh, wa« giebt e« doch für unglückliche Familien! — Und wo ist Eure Mutier? — »Mutter ist zu Hause." .Wo wohnt Ihr?" Da« Kind bezeichnete ein Hau« in derselben Straße ganz in der Nähe. ,O Karl! lieber Karl! sagte die junge Frau, die thränenumflorten Blicke auf ihren Mann richtend und bittend die Hände fallend. »Jetzt könntest Du mir eine große WeihnachtSfreude bereiten, wenn Du mir eine Bitte er füllen wolltest." »Gern!" antwortete er. .Was wünschest Du?" — »Wir wollen den Weihnachtsbaum den armen Kindern schenken und ihnen zu Hause eine kleine Beschecrung ausbaucn. Der Kutscher wird ihn gewiß die paar Schritte tragen können, und ich nehme den Korb mit den Sachen. Ach bitte, bitte, thuc e» doch! Wer soll den Unglücklichen beschecrcn, wenn der Vater im Gcsängniß sitzt? O, wa» für ein schreckliches Weihnacht-fest für die Armen!" Schöne Blume de» Mitleid»! Du erblühst am liebsten au« einer weiblichen Brust. — Ihr Gemahl lächelte und begann die Lichter auSzublasen. — .So packe Deinen Korb!" sagte er. .Ich kann da» Bäumchen schon allein tragen. Wir brauchen keinen Zeugen bei diesem Gange." Unter Führung der Kinder gelangte der sonderbare Zug bald an da» Hau». Sie mußten einen dunkeln Hausflur, dann den Hofraum durchschreiten; denn die Wohnung der Leute lag im Hinterhause, vorn die Küche, dahinter da« Stübchen, dessen Fenster nach hinten hinauSgingen. Al» die Kinder, roth vor Aufregung, hercingeslürzt kamen, saß die Mutter am Tisch und flickte beim Scheine eine» Petrolcumlämpchen», dessen trübe« Licht ihren, schon vom Weinen gerölhelen Augen wehe that. Ader wenn sie auch schmerzten, die armen Augen, sie durfte sie nicht schonen, sie konnte die Abendstunden nicht unbenützt lassen in diesen kurzen Muttertagen. »Wo bleibt Ihr so lange?" fuhr sie die Kinder zornig an, verstummte aber alsbald und blickte mit steigender Verwunderung auf die Fremden. »Schellen Sie die Kinder nicht, liebe Frau!" sagte Johanna mit ihrer ein schmeichelnden Stimme. .Sie waren bei un», um sich den Weihnachlsbaum anzuschauen, und nun bringen wir ihn her, damit sie sich noch länger daran erfreuen können." Bei diesen Worten leerte sie mit ihrem herzgewinnenden Lächeln den mitge- brachlen Korb auf den Tisch au». Dann ließ sie ihre Blicke durch da« kahle, kalte Zimmer schweife», da» überall die bitterste Armuth verrieth. Zum ersten Male in ihrem Leben stand sie so nahe dem Elend gegenüber, zum ersten Male kam ihr seine schauerliche Heiligkeit so unmittelbar zum Bewußtsein. Hatte sic auch niemals gekargt mit ihren Gaben für wohlthätige Zwecke, so war sie doch nie selber in direkte Berührung mit der Armuth gekommen, jetzt aber kam e» ihr auf einmal wie eine Offen barung. Da« ist erst die wahre Barmherzigkeit, die selbst hin- adsteigt in die Hütten de« Unglück« und ihm selbst die kühlende Hand auf die brennende Stirn legt. Auch die Armuth hat ein fühlende« Herz. Ein freundlicher Blick, ein liebevolle« Wort berühren um so wohlthuender, je seltener sie empfangen werden, und verleihen der Gabe erst ihren wahren Werth. »Ist e« wahr", fragte sie nun die Frau, die sprachlos mit gefalteten Händen dastand, »ist e» wahr, daß Ihr Mann im — Gefängniß ist?" — .Ja", antwortete die Frau mit niedergeschlagenen Augen und beschämter Miene; »er hat einen Streit gehabt und sollte 20 Mark Strafe zahlen, aber wo sollten wir da» Geld her nehmen, da mein Mann schon so lange keine Arbeit mehr hat?" — Sie wischte sich die Augen mit dem Schürzenzipfel und fügte schluchzend hinzu: »Nun muß er'» adsitzen". »Wann kommt er frei?" fragte Johanna thcinehmend. »Sobald noch nicht," erwiderte sie. »Vorgestern hat ihn der Geiichl-diener ja erst geholt." — Die junge Frau sah ihren Mann mit leuchtenden Augen an. »Karl!" sagte sie und drückte ihm die Hand. Er nickte verständnißvoll — Sie wandte sich zum Gehen. »Gute Nacht, liebe Frau! Gute Nacht, Ihr Kin derchen! Zündet Euch den Baum an! Der gehört nun Euch: Wenn die Lichte abgebrannt sind, dürft ihr ihn plündern." Die arme Frau war so überrascht, daß sie kein Wort de« Danke» hervorzubringen vermochte. Erst al« die Frcmccn hin au» waren, kam sie zu sich, riß die Stubentbür aus und stammelte: .Tausendmal Dank — .Aber sie waren schon fort." — .Mutter", fragte da» älteste Mädchen, .Mutter, war da» da« Chrislkindchen?" — »Nein, mein Kind", sagte die Mutter und schloß sie in ihre Arme. Jetzt war der Bann, unter dem sie bisher gestanden, gebrochen, und nun flössen ihre Thränen reichlich und tropften herab auf die blonden Zöpfe ihre« Töchter chen. .Da» war ein Weihnacht»engcl, den un« der liebe Gott geschickt hat." — Draußen aus der Straße schmiegte sich Jo hanna an ihren Gemahl und fragte: .Wa» willst Du thun?" .Zum Richter gehen", antwortete er, .und ihn bitten, den Ge fangenen noch heute frcizulassen. Ich werde für die Schuld de« Manne« auskommen." In einer Zelle de» GerichtSgcfängniffe» saß, ohne Licht, die Ellenbogen auf die Knie, den Kopf in die Hände gestützt, auf dem Rand seine» Bette» ein ärmlich gekleideter Mann und starrte in die Finfterniß. .Schöner Weihnacht«heiligabend!" murmelte er. .Arme Kinder! Euch baut heut Keiner aus!" Da hörte er Schritte aus dem Gange draußen. — In da» Schloß seiner Zellen! hür wurde der Schlüssel gesteckt und kreischend umgedrcht, die Thür öffnete sich unv der Ge- sängnißwärler erschien aus der Schwelle, eine Laterne in der Hand. Verftändnißlo« blickte der Gefangene ihn an. Wa« wollte er noch bei ihm? Seine Abendsuppe hatte er ja schon gegessen. .Nun Kramer", rief ihm der Beamte zu, .stehen Sie aus und kommen Sie mit mir! Sie werden entlasten." Jäh sprang der Mann auf. .Entlasten?" stammelte er. »Heute schon? Sie wollen sich wohl «inen Spaß mit mir machen?" »Nein, nein", sagte lachend der Andre, '« ist mein voller Ernst. Kommen Sic nur!" Damit drehte er sich um und ging den Flur hinunter. Kramer griff nach seiner Mütze und eilte hinter dem Aufseher her. Da» Herz schlug ihm zum Zerspringen vor Freude und Aufregung, und je weniger ei den Zusammenhang begriff, desto, wunderbarer erschien ihm seine Befreiung. Unten auf der Straße stand er einen Augenblick still und lauschte auf de» Klang der WeihnachiSglocken, der voll und feierlich von der Kirche herübcrtönte. Er holte tief Aihcm und sandte einen dankbaren Blick gen Himmel. Ein Gefühl, wie er c« bisher noch nie gekannt, eine fromme Rührung zog ihm wärmend durch- Herz: Weihnachten! Ja, '« ist Weih nachten! Und Du gehst diesmal nicht leer au»! Dir Hal da» Christkind deine Freiheit bescheert. — Dann aber rannte er spornstreichs nach Hause, um die gewaltige Sehnsucht zu be friedigen, die ihn plötzlich nach seiner Familie ergriff. Er stürmte durch die dunkle Küche und riß die Slubenthür auf. Kinder, da bin ich! wollte er schreien, aber da» Wort erstarb ihm im Munde. Geblendet und wie versteinert stand er da; denn eine Fluth von Licht wallte ihm entgegen. War da» Christkind wirklich hier und strömte von ihm dieser Glanz au«? Aber nein! er sah ja deutlich einzelne Flammen, die vor seinen geblende ten Augen auf und nieder tanzten. Nun erkannte er auch einen herr lich geschmückten Baum, der mitten in der Stube stand. Ein wonniger und zugleich abergläubischer Schauer durchrieselte ihn. ES erfaßte ihn wie Schwindel, sodaß er sich, ganz schwach geworden, an den Thürpfosten lehnen mußte. Verdutzt, fast bestürzt schauten ihn die Seinen an, den so unerwartet Zurückgekehrten, der urplötzlich, wie ein Geist in der Thür stand. Der aber faltete die Hände und sagte nur: »Ach Golt! — Mehr brachte er nicht heran». Da jubelten ihm die Kinder zu: »Vater, der WeihnachtSengcl ist hier gewesen!" und dann warf sein Weib sich schluchzend an seine Brust. In dem andern Hause aber saß auf dem Sopha vor dem Tische, auf welchem unbeachtet die Geschenke lagen, ein glückliche» Pärchen und malte sich, seelig lächelnd und zärtlich flüsternd, die Scene au», die sich jetzt wohl in dem ärmlichen Stübchen abspielen mochte. Vermischte Machrichten. — Wie man sich bei geistiger Arbeit ernähren soll, lehrt un» ein Mitarbeiter de« .Sanitary Record". Der Mann, so heißt c» dort ungefähr, der den ganzen Tag im Freien arbeitet und sich durch körperliche Thätigkeit ermüdet, Hai va» Zeug, tüchtige Mahlzeiten zu sich zu nehmen und richtig zu ver bauen. Bei dem Menschen mit vorwiegend sitzender Lebensweise und geistiger Thätigkeit liegen die Dinge dagegen ander«. Auch er soll sich gewiß gut nähren, eher noch besser al» der körperlich Thätige, denn da« Gehirn soll reichlich mit gutem Blute versorgt sein, um gut arbeiten zu können. Aber bei der sitzenden Lebens weise leidet da« Verdauung-Vermögen de» Meirichen insoweit, daß er nicht drei große Mahlzeiten täglich vertragen kann. Seine Natur gestattet die» nicht, und die chemischen Vorgänge der Verdauung vollziehen sich nur unvollkommen. Deshalb sollte ein solcher Mensch häufiger, aber weniger essen. Da drei kleine Mahlzeiten zur Ernährung nicht genügen, so müßte dec Geistes arbeiter vielleicht sechsmal am Tage essen, jeveSmal nur ein bis zwei Nahrungsmittel, und zwar mit der nöthigen Abwechselung und Mischung der Kost. Die Portionen müssen sehr klein sein, und sobald die Eßlust befriedigt ist, muß man auch zu essen aus hören. Häufige Blähungen sind der sicherste Beweis, daß die einzelnen Mahlzeiten noch zu reichlich sind oder zu rasch ausein- andersolgen. Ohne Zweifel steckt in diesem Rath ein Stück Wahrheit und er mag daher von all' denen angenommen werben, die in der glücklichen Lage sind, über ihre Hausordnung verfügen zu können. — Vom deutschen Stromer in Kiautschou schreibt der »Ostasial. Lloyd": Mit der Erwerbung von Kiautschou ist auch in Ostasicn ungebeten ein neuer Gast erschienen: der deutsche HandwerkSbursche. E« sind naturgemäß nur die geriebensten Kunden, die bi» hierher sich durchgesochten haben. Ihr Haupt quartier befindet sich in Hongkong; von hier au« werden die kleinen Küstenplätze regelmäßig abgeklopft. Eln angeblicher Oeslerreicher Namens Pracht verkauft den 'Neuankömmlingen die Liste, in der alle» WissenSwerthe über die einzelnen Orte zusammengefaßt ist, namentlich sind darin die Adressen verschiedener freigebiger Per sonen, die Höhe der von ihnen zu erwartenden Unterstützung und wie sie .bearbeitet" werden müssen, angegeben. In einem süd chinesischen Küstenplatze kam dieser Tage ein Kunde an, der im Besitz eine» für den Schreiber Kamps au«gestellten Reisepasses war; demselben gelang c» dort k>0 Doll, zusammen zu bringen. Da er kürzlich au» einem anderen Orte denselben Betrag herau»- gcklopft hatte, konnte er auf die Bank gehe» uno lOO Doll, nach Hause schicken. Von jenem Platze au« gedachte er nach Shang hai zu gehen, die Aanktsehäfen milzunehmen und dann Korea zu besuchen. Da« Blatt warnt seine Leser vor diesem Indivi duum und hält pekuniäre Hilfe in derartigen Fällen nicht für angebracht. — Er trinkt nur Milch. So häufig findet man, na mentlich im Jnnlandc, den Glauben vertreten, daß Seeleute be sonder» geneigt seien, dem Genuß geistiger Getränke zu huldigen und dabei, sagt man, sollen sie nicht die allerleichtesten wählen, sondern vor Allem dem stcisen Grog den Vorzug cinräumen. Selbstverständlich giebt e» auch solche, aber wie wenig diese An schauung für die Allgemeinheit giltig ist, dürste die kleine folgende Erzählung beweisen. Auf der Kaiserlichen Werft in Kiel war in den 70er Jahren ein alter Bootsmann al« wohlbestallter Be amter und Werftboot»mann angestellt. Schön war er nicht, da« hatte er bei seiner Stellung auch nicht nöihig zu sei», dafür hatte er aber ein dicke» rothe» Gesicht und in demselben eine etwa« kupfern strahlende Nase. Der Ches der Admiralität inspizirle eine« Tage« die Werst, wobei die Bestände rcvidirl un» auch die, dieselben verwaltenden Beamten bezüglich ihrer Dicnsloerrich- tunge» eingehend geprüft wurden. Auch unser Werfibootemann mußte heran und den Bewei« seiner Tüchtigkeit liefern Alle» verlief gut, sein Reffort war in schönster Ordnung. Plötzlich sah der hohe Vorgesetzte den alten Boot»mann mit strenger Miene an und sagte in vorwurf»vollem Ton: »Ich habe gehört, daß Sie trinken!" Schnell gab der Alte im ächten Danziger Dialekt die Antwort: .Jawohl Axccllenz, aber nur Melk." — Da» Gcgentheii. S,e: »Männchen, warum bist denn Du so traurig? Weil Du so viele Schulden hast ?" — Er: .Nein, im Gegentheil, weil ich keine mehr machen kann."
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