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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 14.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189909146
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18990914
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18990914
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-14
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Monat
1899-09
-
Jahr
1899
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wenn der Wolkenbruch in seiner ganzen Gewalt die friedlichen Dörfer betroffen hätte. Da wäre wohl so manches Anwesen vom Erdboden verschwunden. Weiteren Nachrichten zufolge haben auch Obercrinitz, Wolser»grün, Lauterhofen von der Hochfluth schwer zu leiden gehabt. Hier sollen namentlich die Straßen hark mitgenommen sein, sodaß sie theilweise für den Fährverkehr ge sperrt sind. Emer au» Obercrinitz zugegangenen Korrespondenz vom 8. ds». entnimmt da» obengenannte Blatt folgende»: »Der heutige Tag war für unseren Ort ein Tag de« Schrecken«. Die größte Verwüstung war ein Werk de» Augenblicke». Mittag» ent lud sich in hiesiger Gegend ein schwere» Gewitter unter heftigen Donncrschliigen und andauerndem, wolkenbruchartigem Regen. In wenigen Minuten glich unser sonst so friedlicher Dorsbach einem wilden Strome. Eine ungeheuere Fluth wälzte sich in gewaltiger Breite ihalabwärt», Umfriedigungen, Brücken, ja sogar Theilc von Gebäuden mit sich sortreißend. Viele Einwohner waren auf» Aergste bedroht, sodaß mehrere Anwesen verlassen werden mußten. Außer dem großen Schaden, der durch Beschädigung der Gebäude entstanden ist, läßt er sich an verwüsteten Fluren, Straßen, Brücken usw. vorläufig nicht bemessen." — Am Dienstag wurde der Personenverkehr auf der durch Hochwasser beschädigten Strecke Wilkau - Wilzschhau« wieder ausgenommen. Bei SauperSdors muß vorläufig noch um gestiegen werden. — Annaberg, 12. Septbr. Sc. Mas. der König hat infolge de» schlechten Wetter», die Absicht, heute den Manövern beizuwohnen, aufgegeben und hat sich mittelst Extrazugc» nach Bahnstation EoSwig begeben, von wo er zu Wagen nach dem Kgl. Schlosse Moritzburg fuhr. Der Umzug der Militärvereinc, die Parade derselben und die am Abend gebrachte Serenade sind programmmäßig verlaufen. E» wird darüber berichtet: Der Himmel, welcher während de« gestrigen Tage» wiederholt recht reichliches Naß gespendet, hatte am Abend ein Einsehen und be günstigte die Sr. Mas. dem König zugedachten Ovationen durch trockene» Wetter. Die Häuser de» Marktplatzes waren glänzend illuminirt und am Rathhau» prangten in Flammenlinicn da» königliche Wappen und zu dessen beiden Seiten, umgeben von einer grllnweißen Lichtdekoration, die Initialbuchstaben -1. und I!. Kurz vor 9 Uhr marschirtcn die Turner und Zöglinge der höheren Lehranstalten mit den Gesangvereinen nach dem Marktplatz und während die ersteren, weißgrünc, tulpenartig geformte Lampions tragend, den Spiegel desselben einsäumten, nahmen die Sänger unter Len Fenstern der Wohngcmächer Sr. Majestät Aufstellung. Punkt 9 Uhr marschirtcn die Militärvereinc der AmtShauptmann- schafl Annaberg, 42 an der Zahl, mit 1250 Mann und 40 Fahnen, auf und nahmen auf dem durch die Lampionträger ein gesäumten Marktplatze Aufstellung. Die städtische Kapelle leitete den HuldigungSakt mit dem Krönungsmarsch au« der Oper „Die Folkunger" ein. Die Sänger sangen hierauf den kraftvollen Männerchor „Hoch da« Hau» Wettin", die „Hymne an die Nacht!" und da» herrliche Lied „Wie könnt ich dein vergessen". Se. Majestät stand am geöffneten Fenster, beim Erscheinen mit Hoch rufen begrüßt, und verfolgte den Gesang, den ihm vorher über reichten Text der Lieder nachlesend, mit sichtbarem Interesse. Nach der Serenade verließ der Monarch, begleitet von dem Ge folge desselben, da« Zimmer, um sich zu den Militärvereinc» zu begeben. Seine alten Soldaten huldvollst begrüßend und einige mit besonderen Ehrenauszeichnungen geschmückte alte Veteranen durch Ansprachen ehrend, schritt der König zunächst die Fronten ab. Hieraus nahm Se. Majestät den Parademarsch ab, welcher tadellos verlief. Mit Freuden waren die alten Soldaten dem ehrenden Rufe de» BczirkSvorsteher», vor ihrem allerhöchsten Herrn Ausstellung zu nehmen, gefolgt. Unter ihnen befanden sich auch 49cr Kampfgenossen, sowie ehemalige Soldaten, welche, auf dem Felde der Ehre verunglückt, sich nur an Stöcken und Krücken fortzubewegcn vermochten. Se. Majestät gab seiner Er griffenheit darüber Ausdruck durch die Worte: „Auch diese." Er ließ sich von Herrn Bezirksvorsteher Stöhr jeden der vor seinem prüfenden Auge vorllbermarschircnden Vereine namhaft machen und reichte am Schluß der Parade Herrn Stöhr die Hand, für die ihm dargebrachtc Huldigung huldvoll dankend. Se. Majestät bat noch, den Kameraden Höchstseine Anerkennung mitzuthcilen, indem er äußerte: „Sagen Sic Ihren Kameraden, ich hätte gern mit jedem Einzelnen gesprochen." — Flöha, II. Septbr. Wegen der schon erwähnten Sitt- lichkcitSvergchen sind 4 Männer verhaftet worden, und zwar ein unverheiratheter Lehrer, ein vcrheiratheter Schlossergehilfc, sowie ein verheiratheter und ein unverheiratheter Handarbeiter. Un richtig ist, daß ein verheiratheter, 61 Jahre alter Fabrikfeuermann au« Anlaß dieser Afsaire den Tod in der Flöha gesucht hat. Dieser hat sich dem Königl. Amtsgericht Augustusburg freiwillig gestellt, ist aber auf freiem Fuß belassen worden. Das 1886 geborene Schulmädchen Louise Antonie K. ist am II. September zwangsweise in die Besserungsanstalt BräunSdorf bei Freiberg überführt worden. Alle übrigen 'Nachrichten und Gerüchte sind aus der Luft gegriffen. * — Falk en stein, 10. Septbr. Ein höchst bedauerlicher schwerer Unfall ereignete sich gestern Nachmittag in einer hiesigen Schiffchenstickerei. Ein daselbst beschäftigtes 16 jähriges Mädchen, namens Müller, welches die Maschine, während die Transmission noch im Betriebe war, putzen wollte, wurde mit dem offenen Haarzopf in da» Betriebe geleiert und ihr die Kopfhaut vom Genicke bi» zur Stirn vollständig abgezogen. Auch das eine Ohr wurde zum Theil abgerissen. Die Verunglückte wurde Abend» dem Krankensliste Zwickau zugeführt. — Kirchberg, 10. Septbr. Kommerzicnrath Hermann Kramer hier hat auf seine Kosten bereits aus dem SchießhauS- berg und auf dem Borberg bei Kirchberg AuSsichtSihürme er richten lassen und jetzt wiederum einen mächtigen, praktischen AuS- sichtSthurm auf dem GeyerSberg. 1. Ziehung 3. Klaffe 136. Königl. Sachs. Landes-Lotterie gezogen am II. September 1899. 40,000 Mark aus Nr. 48852. 5000 Mark aus Nr. «717 «4»« 83465 84444 84727. 3000 Mark aus Nr. 13158 87241 82852 90559 9582«. 1000 Mark auf Nr. 2848 II888 18120 13780 18085 19815 23280 81898 45708 «9887 49878 5091» 59517 84420 84881 74835 74888 80177 88158 98782. 500 Mart auf Nr. 8740 471» 8800 7049 7879 10459 11935 1SI88 17228 18448 22SI3 28023 28248 84188 35888 38188 37121 87352 39914 41999 42125 55284 55597 55985 57281 58151 84498 70873 7551« 78888 81748 88215 920II 98502. ZOO Mart aus Nr. 888 552 721 3281 3852 3889 7488 10412 II43I 12519 I342I I8I37 18503 19289 20280 20S58 21071 21095 2I8I8 21592 21729 21889 22385 23022 23237 28498 24094 25I8I 25814 25998 28830 30182 32221 83785 34147 85888 88377 40445 43891 44347 48780 48945 50508 50905 51385 51433 52875 584»0 53870 55240 55881 58078 59895 80189 80878 80887 8I8I9 83531 88884 84571 8553« 88940 89020 70828 70945 73025 73251 78127 78588 78787 77517 79570 80825 83252 85193 85514 88818 88798 87448 87879 88870 93483 95299 95544 95947 99999. Frankreichs Krieqsministcr, Marquis de Gallifet. Von Edgar von Droden. Wohl gebaut und kräftig, mit großen feurigen Augen und martialischem Schnurrbart, 67 Jahre alt, aber immer, al» wäre er au« dem Sattel gesprungen, der sich im dichtesten Kugelregen mit der gleichen Noblesse zu bewegen versteht, wie im feinsten Salon — so ist der General, der Marquis de Galliset, der Kriegs minister, der .Mann der Stunde" in Frankreich, und einer der merkwürdigsten Charaktere diese« Jahrhundert» beschaffen. Er war eine der prägnantesten Gestalten de» zweiten Kaiser reich» und einer der berühmtesten Führer in der dritten Republik. Alexander Duma»' Sohn sagte zu ihm: „Mein Vater hätte in Ihrem Leben Stoff genug für 10 fesselnde Novellen gefunden, General! Sie sind der einzig übrig gebliebene „Musketier" die se» platten Jahrhundert»!" So hat der größte Romancier Frankreich« den Mann, dessen Vergangenheit lhatsächlich der eine» D'Arlagnan fast aus ein Haar gleicht, mit wenigen Worten auf» treffendste charakterisirt. ES sei un« gestattet, zur Bewahrheitung diese» Ausspruch« Duma»', einige» Interessante, aber vielleicht nicht allgemein Be kannte, au« dem Leben Gallifet» anzusühren. Eine» Abend» überstieg der Leutnant Gallifet die hohen Mauern seiner Kaserne, um al» Romeo einer Julia seiner Gar nisonstadt einen Besuch abzustalten. Die obligate Veranda befand sich im dritten Stock, doch ließ sich Romeo-Gallifet dadurch nicht abschreckcn. Mit Hilfe eine» Weinstackel», zweier Gesimse und seine» Blitzableiter« erstieg er diese Veranda, um Julia, seine Angebetete, in den Armen — seine« Hauptmann» Lourdeh zu sehen. Heftig protcstirle der junge Leutnant gegen ein solche« Gebühren. „Herr Leutnant!" herrschte Lourdey ihn an. „Sie haben ihren Posten gegen die Instruktion verlassen! Ich befehle Ihnen, sich sofort bei dem Wachthabenden der Kaserne zu melden und ihm zu sagen, daß er sie bi« auf Weitere« in Haft behalte!" Unter dem Gelächter de« Liebespaare» mußte Gallifet den halsbrecherischen Abstieg vornehmen und wurde acht Tage in Arrest gehalten. Nach Verbüßung seiner Strafe forderte er Lourdey, der ihn höhnisch abwie« mit den Worten: „Herr Leutnant, Sic vergessen, daß ich Ihr Vorgesetzter bin! Vorgesetzte aber schlagen sich nicht mit Untergebenen!" „Herr Kapitän!" erwiderte Gallifet bleich vor Zorn. „Ich bin ein Marquis! Sie werden mir diesen Affront ebenfalls bezahlen!" Aus'» Neue wurde Gallifet in Haft genommen. Dann aber gelang c» ihm, seine Julia dem Kapitän abspenstig zu machen, worauf Lieser sich mit ihm in einen Zweikampf einließ. Da» Duell wurde mit Kaoalleriesäbeln auSgefochlen. Galli- fct wurde fast in Stücke gehauen. Man führte ihn vom Kampf plätze mit einer tiefen Armwunde, die bi» aus den Knochen ging, mit einem furchtbaren Hieb über die ganze Brust und einem solchen in die rechte Seite. Aber er hatte seine Rache gekühlt; er hatte Lourdey den Schädel gespalten. — Im mexikanischen Kriege erhielt er bei Puebla durch eine explodirende Granate eine furchtbare Bauchwunde, welche einen Theil-seiner Eingeweide bloßlegte; Gallifet sammelte die herauS- quellenden Därme in seinem Käppi, welche» er damit auf die Wunde preßte, und ging zum nächsten Verbandsplätze, um sich verbinden zu lassen. Kaiserin Eugenik, welche den tapfern Offizier bewunderte, saß gerade bei einem kühlenden Shcrbet, al» die Nachricht von der gräßlichen Verwundung ihre« Liebling» die Tuilerieen durch eilte. Sie erfuhr, daß Gallifet'» Kameraden mit eigener Lebens gefahr durch die mexikanischen Linien sich in« Gebirge schlichen, um Schnee zur Kühlung der furchtbaren Wunde herbeizuschaffen. Da setzte sie ihr Ela« Sherbet auf den Tisch und ries: „Mir werden nicht eher diese» kühlenden Tranke» genießen, al» bis der Marquis de Gallifet außer Gefahr ist!" Dieser Ausruf seiner Kaiserin wurde dem Verwundeten überbracht und er beschwor seine Aerzte, ihn, e« koste wa« e» wolle, wieder auf die Beine zu bringen, damit seine Kaiserin nicht durch ihn ihrer gewohnten Erfrischung lange beraubt zu sein brauchte. Seine Herstellung gelang. Man deckte die offene Stelle am Unterleibe mit einer silbernen Platte zu und er konnte lebend seiner Kaiserin die Hand küssen. Von da ab — e» sind saft 35 Jahre her — bi» auf den heutigen Tag trägt der Marquis diese silberne Platte mit sich herum und seine bisherige physische Existenz ist sozusagen ein Kunstwerk. Er kehrte wieder nach Mexiko zurück und empfing bei einem Scharmützel zwei allerdings matte Schüsse auf die Silberplatte. „Um mich zu lödten", scherzte er zu seiner Umgebung, „muß man von jetzt ab Panzergranaten gebrauchen, meine Herren!" und lachte laut! — Ein Jahr später saß er an der kaiserlichen Tafel in Pari». Napoleon, im Verlaufe de» Tischgesprächs, bemerkte zu seiner Umgebung, daß die Silberpreise dauernd im Fallen wären, wo raus Gallifet scherzend auSrief: „Ah, Sire! Darum mag auch unser Premierminister so traurig dasitzcn! Neulich lieh er mir eine Summe Gelde» und er weiß, daß die einzige Sicherheit, die sich ihm bot, meine Sil berplatte ist!" Napoleon mußte lachen und — bezahlte Gallifet'« Schulden.— In der Schlacht bei Sedan ries Ducrot in Heller Verzweif lung, al» er sah, daß sich der Ring um die Festung geschlossen halte: „Wir sind verloren, Gallifet! Machen Sie eine letzte An strengung zur Rettung unserer Waffcnehrc!" „Wie Sie wünschen, General!" entgegnete dieser ruhig, wischte die blutige Klinge am Acrmel ab, sprengte an die Spitze seiner Reiterei und ritt eine der glänzendsten Attaquen de» gan zen Kriege«, welche auch Moltke Bewunderung abnöthizte. Im Getümmel verlor Gallifet sein Käppi. Al» er mit dem blutenden Rest seiner Reiter zurückgaloppirte, sah er ein Generals käppi am Boden liegen, hob e« mit der Spitze seine» Degen» empor, setzte c» aus« Haupt und rief Ducrot zu, al» er zu ihm heranritt: „Ich verdiene diese» Käppi, nicht wahr, General?" Ducrot mußte lachen und schwieg. Galliset trug sein „er oberte»" Käppi weiter. Ein paar Tage darauf verlangte er eine Audienz bei dem gefangenen Kaiser und unterschrieb sein Gesuch: „General de Gallifet." Napoleon schrieb an den Rand diese« Gesuche» „Ge währt!" und — Gallifet war General geworden. Mittlerweile aber war die Republik proklamirt und Gallifet mußte sich den erworbenen Rang zum zweiten Male erkämpfen. Die Deutschen batten Pari» den Händen der Franzosen entrissen; jetzt mußten Franzosen ihre Hauptstadt nach dem Frieden den Händen der Commune entreißen. Die blutigste sozialistische Revolution de» Jahrhundert» war au-gebrochen und e» war vor der Hand nicht abzusehen, wie dieselbe enden sollte. Da gab Thier» eine» Tage» folgenden Befehl: „Nehmen Sie vier Schwadronen nach der Pont de Bergerie«, General; Sic werden 400 Nationalgarden ausheben können, die keines so frühen Angriff» gewärtig sind!" AI» Gallifet sich der bezeichneten Brücke näherte, fand er stall vierhunderl Nationalgarden deren ungefähr viertausend ver sammelt und ihn mit den Waffen in der Hand erwartend. An ein Umkehren und Weichen war bei dieser kolossalen Uebermacht nicht zu denken. Gallifet war in Verlegenheit. Seinen Schnurrbart kauend, murmelte er: „Alle Teufel! Da sind wir so gut wie begraben!" Dennoch rückie er weiter vor. Da kam ihm ein rettender Gedanke. Er ließ seine Truppen halten und winkte seinem Ad jutanten, Leutnant D'Harcourt, ihm zu folgen. Al« er sich in Sprecknvcite dem Hausen der Rebellen ge nähert hatte, rief ibn der Kommandeur desselben an: „Was wollt Ihr in unserer Nähe?" „Ah, mein Herr!" rief Gallifet, sein Pferd einzügelnd. „Bi« jetzt hat Pari» und Versailles noch keinen Schuß gewechselt! Wenn Sie sich ergeben wollen, soll Alle» vergessen sein! Wenn Sie e« vorziehen, zu kämpfen, so sind wir bereit! Aus Pardon aber haben Sic dann nicht zu rechnen! — Wählen Sie! — Ich werde Ihre Antwort dem Präsidenten überbringen!" Ein Gemurmel erhob sich in der Masse. Gallifet legte die Zügel auf den Hal» seine» Pferde», kreuzte die Arme und war tete mit trotziger Miene. D'Harcourt zündete sich eine Cigarette an und rauchte gemüthlich. Endlich ritt der Kommandeur der Rebellen heran, hielt und rief: „Sagen Sie dem Monsieur Thier«, daß wir Ihr Anerbieten ausschlagen!" „Sehr wohl, mein Herr!" entgegnete Gallifet, salutirte höf lichst und ritt mit seinem Adjutanten davon. Unterwegs wollte da» Pferd D'Harcourt'» in Galopp fallen. Da rief Gallifet zornig: „Zum Teufel! Zügeln Sie ihren Gaul, Herr Adjutant! Die Kerle denken, wir hätten Furcht!" Zu den Truppen zurückgekchrt, ließ Gallifet Kehrt machen und führte die vier Schwadronen, von denen man schon gefürchtet hatte, auch nicht einen Mann wiederzuschen, wohlbehalten nach Versailles zurück. Al- die RegicrungStruppen die Rebellen schließlich bezwun gen hatten, gab e» auch keinen Pardon, wie Gallifet vorauSge- sagt batte. Tagau« tagein wurden, al» die Truppen siegreich immer weiter vordrangen, ganze Hausen Gefangener vor Galliset gebracht. Er musterte dieselben mit blitzenden Augen winkte mit der Hand und ries: „Bringt die Schurken au» meinen Augen! Bringt sic hin weg! — Sie werden ohne Pardon erschossen! Fort, fort mit ihnen!" Man gehorchte und, da so oft Gefangene zu ihm geführt wurden, musterte er sie schweigend, sagte kein Wort, sondern winkte mit der Hand und eine Salve folgte, welche die Rebellen haufenweise zu Boden streckte. Diese« Handwinken war also gleichbedeutend mit einem Ver hör und TodeSurtheil. Kamen ihm irgendwo Zweifelhafte vor die Augen, so pflegte er dem Anführer der Eskorte in höflichstem Tone den Befehl zu geben: „Ach bitte! Lassen Sie die Herren einmal ihre Hände auf heben!" E» geschah. Gallifet besah die inneren Handflächen der Gefangenen. Waren sie schwarz oder sonst schmutzig, so sagte er nur: „Danke Ihnen! — Meine Herren Gefangenen, Ihre werthen Greiforgane sind von Pulver geschwärzt!" Achselzuckend setzte er hinzu: „Bedaure sehr—" Ein Wink mit der Hand und fünf Minuten später wälzten sie sich in ihrem Blute. Eines Tage» aber bekam er den Kommandeur, mit dem er damals parlamentirt halte, zu Gesichte. Er musterte ihn und sagte: „Lassen Sie ihn laufen. Der Mann ist zu alt!" Da» war die einzige Begnadigung, die Gallifet je ertheilte. Thränenüberströmten Angesicht» wankte der alte Communard davon. — Line» Abend» war Gallifet mit 25 anderen Berühmten zu Madame Adam zum Diner geladen. Er verspätete sich und er schien erst zum Dessert und die schöne Gastgeberin tadelte ihn deshalb. Gallifet entschuldigte sich höflichst und sagte, indem er die dckolletirte Dame mit entzückten Augen betrachtete: „O Madame! Wie schön find Sie!" Mit diesen Worten beugte er sich über sie und küßte sie flüchtig aus die volle Schulter. Ein leichter Schlag mit dem Fächer auf die Wange de» Schuldigen war die beredte Strafe für sein Vergehen. „O Madame!" rief Gallifet mit unbeschreiblicher Galanterie. „Jetzt, da ich den Preis kenne, bin ich sicher, daß ich noch einen wagen darf!" Damit preßte er seine Lippen aus die andere Schulter, hielt die andere Wange hin und erhielt lachend auch auf diese einen Fächerschlag. — Man hielt Gallifet für einen ausgesprochenen Günstling der Kaiserin Eugenie und mit Recht. Hat doch gerade diese schöne Frau, wie so viele andere, gerade da« kecke, furchtlose und dabei unnachahmlich kavaliermäßige Benehmen de» Marquis und seinen Heldenmuth zu schätzen gewußt. Gallifet heirathele die Tochter de» Banquier» Lafitte. Die Ehe war nicht glücklich, wie e» sich auch wohl vorauSsehen ließ. Noch heute spricht der Gatte von seiner von ihm getrennt leben den Frau nicht ander«, al» von einem „petit coclion"!" Im Jahre 1895 war er verabschiedet worden und fühlte diese Zurücksetzung sehr tief. Fast brach er zusammen. „Da« Heer war meine Familie!" ries er damals schmerzlich au». „ES war mein Werk, meine einzige Freude! Nun möchte ich je eher, je lieber sterben l" Er dachte, da« Ende seiner Laufbahn sei gekommen; er wußte nicht, daß sie in gewissem Sinne erst -ngefangen habe. Heute müssen auch seine bittersten Feinde anerkennen, daß da« Portefeuille de» KricgSmintster« in die rechten Hände gekom men ist. Wäre Gallifet an der Spitze der Armee gewesen am Anfänge der DreyfuS-Affaire, sie würde längst abgemacht gewesen sein, ohne der Welt einen solch wahrhaft ekelerregenden Einblick in die Korruption de» französischen Offizierkorp» gestaltet zu haben. Der Aotizei verfassen. Erzählung von Philipp Aalen, Verlass» des „Irren von St. James", „Fritz Stilling" -c. Ich führe meine Leser in den Juni de» Jahre» 1835, eine Zeit zurück, wo ich noch Zögling de« für die preußische Armee so segensreichen königlichen Friedrich-Wilhelm Institut» (unter dem
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