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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 08.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189908083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18990808
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18990808
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1899
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Monat
1899-08
- Tag 1899-08-08
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Monat
1899-08
-
Jahr
1899
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Heilstätte zu AlbertSberg Genesung suchenden Herren. In der Nähe de« Grundstein« waren die Büsten unsere« allkerehrlen KönigSpaare« aufgestellt. Recht« und link« wehten den mit Guirlanden umrahmten Masten Flaggen in den sächsischen Wandel farben. Fichtenbäumchen bildeten den Hintergrund. Zu Beginn der Feier sang die Persammlung unter Musikbegleitung: .Der Herr ist meine Zuversicht, mein einziger Trost im Leben." Dann ergriff der Vorstand de« Verein«, Herr Commerzienrath Georgi, da» Wort, hinweisend auf die Bedeutung de« Tage«, bezeichnete er denselben al« einen wichtigen Abschnitt de« Verein«. An dem großen Kampfe gegen den tückischen Feind der Menschheit, die Lungentuberkulose, betheiligt sich auch genannter Verein unter dem hohen Protektorate unsere» allgeliebten Landesherrn durch Gründung von Bottshellstätten. Zu denselben sollen auch Minder bemittelte Zutritt haben und Heilung finden. Mit AlbertSberg hat man ein erfreuliche» Ergebniß erzielt. Aber noch ist ein Mangel vorhanden, die Fürsorge erstreckt sich nicht auf weibliche Kranke. Mit dem heutigen Tage ist der Verein, wo der Grundstein zu Carolagrün, genannt nach der hohen Protcktorin, gelegt wird, da glücklich angelangt, daß die Segnungen solcher Heilstätten in Jahresfrist auch weiblichen Lungenkranken zu Theil werden. E« sollen daselbst 120—130 Betten ausgestellt werden. Daraus er folgte die Vorlesung der Urkunde durch Herrn Architekt Kunze au« Leipzig, desgleichen auch eine solche von den RekonvaleScenten zu AlbertSberg. Daran schlossen sich die üblichen Hammerschläge seitens des Vorsitzenden, Herrn Geheimen Commerzienrath« Georgi, welcher die Anstalt zu einer Stätte des Friedens, des Trostes und der Heilung weihte, ferner die Segenswünsche der Herren Baumeister Unger hier und de« Architekten Kunze au« Leipzig. Die erhebende Feier endete mit dem Gesänge: „In deine Hände befehl ich mich, mein Wohlsein und mein Leben" und einem von Herrn Superintendent Kober gesprochenen Dankgebet. An Se. Mas. den König und Ihre Mas. die Königin wurden Telegramme folgenden Wortlauts abgesandt: Eurer Majestät, dem erhabenen Protektor des Heilstättenvereins, melden die soeben vollzogene Grundsteinlegung der Bolksheilftätte Carola- grün ehrfurchtsvoll der Vereinsvorstand. Georgi. Unter Darlegung ehrfurchtsvoller und innigster Glückwünsche melden wir Euerer Majestät die soeben erfolgte Grundsteinlegung zur Frauenheil stätte Carolagrün. Möge die Wahl des heutigen Tages zum Beginn dieses Werkes segenverheißend sein für seinen Fortgang. Der Vereinsvorstand. Georgi. Sodann unternahmen die Herren einen Rundgang und be sichtigten die ganze Anlage. Mit höchster Befriedigung nahm man da« geförderte Werk in Augenschein. Wenn man bedenkt, daß noch vor Monatsfrist dunkler Fichtenwald die Stätte bedeckte, jetzt aber sich schon die Mauern erheben, so muß man den Herren Baumeistern und Bauleitern nur Anerkennung zollen. — Von Carolagrün begaben sich die Herren nach AlbertSberg, wo für die dortigen Insassen ein Sommersest arrangirt war. — Rothenkirchen. Am Freitag schlug der Blitz in dar dem Oekvnom Albert gehörige Gut, welche« in der Nähe de» Gasthauses »Zum kühlen Morgen" liegt. Da« Gebäude stand sofort in Flammen, sodaß nur wenig gerettet werden konnte. Da« Vieh wurde in Sicherheit gebracht. Der Brandkalamitose hat versickert. — Johanngeorgenstadt, 6. August. Am vergangenen Freitag früh h,2 Uhr entstand hier Feuerlärm. ES brannte da« am 'Nordeingange hiesiger Stadt gelegene, in den Jahren 1806—1812 erbaute Bergmagazin. Eine mächtige Flamme, genährt durch da» starke Gebälk und durch Vorrälhe an Holz, Fellen u. s. w., schlug gen Himmel und erleuchtete die Umgebung tageshell. In wenig Stunden war da« große Gebäude völlig ausgebrannt und alle Rohmaterialien, welche darin aufbcwahrt waren, fielen dem verheerenden Elemente zum Opfer. Da« Ge bäude diente schon lange nicht mehr dem ursprünglichen Zwecke, nämlich zur Aufbewahrung von Getreide, welche« dann an die Bergleute verthcilt wurde. Bi« Anfang« der 80er Jahre wurde e« zu Fabrikzwecken benutz», seit dieser Zeit zur Ablagerung von verschiedenen Rohmaterialien, die in den großen Sälen bequem untergebracht werden konnten. Ein hiesiger Kaufmann, der nicht versichert hatte, soll bedeutenden Schaden erlitten haben. Mit dem Magazine schwindet ein lebhafte« Erinnerungszeichen an den ehemals so blühenden Bergbau in hiesiger Gegend. — Johanngeorgenstadt. Vom I. Mai 1900 ab sollen die Eiscnbahnzüge auf der Linie Schwarzenberg-Johanngeorgen stadt mit einer größeren Fahrgeschwindigkeit wie seither verkehren. — Adorf, 4. August. Der hiesigen König!. Grenzober- kontrole wurden am Donnerstag früh wieder vier starke Ochsen übergeben, die Tags vorher an der böhmischen Grenze contreband gemacht worden waren. Die Pascher glaubten, die Sache be sonder« schlau angcdreht zu haben, indem sie zwei Ochsen an einen Wagen spannten und zwei nebenher führten. Die Grenz wache weiß aber recht wohl, welche Wagen in entgegengesetzter Richtung die Grenze passirt haben, und so vermochten auch die Besitzer der vier Ochsen nicht nachzuweisen, Laß dieselben sächsischer Herkunft seien. Beim Herannahen der Grenzjäger ergriffen die Schmuggler da« Hasenpanier und die stattlichen Zugthiere fielen der Zollbehörde zum Opfer. — Kirchberg, 4. August. Bei dem heute Nachmittag '/,3 Uhr auftretenden starken Gewitter entzündete ein Blitz da« am Ouirlsberge oberhalb der Garküche stehende, Frau verw. Friederike Weller gehörige Hau«, welche«, da e« nach alter Bauart ist, niederbrannte. — CunerSdorf, 4. August. Heute Vormittag in der 2. Stunde ertönte in der M. A. Popp'schcn Fabrik die Noth- pseise. Durch Selbstentzündung von Wolle brannte der in einem Theile der Fabrik befindliche Wollboden vollständig au«. Da« Feuer konnte Dank der Thäiigkeit der Feuerwehren aus seinen Herd beschränkt werden. Der Schaden ist bedeutend, doch wird morgen zum Theil der Betrieb wieder ausgenommen werden können. Da» Gebäude war mit Holzcementdach versehen, die den oberen Theil, in dem da« Feuer au«brach, von dem unteren, in dem Krempeln standen, trennende Decke bestand au« Stampf beton, welche Umstände wesentlichen Schutz für die übrige An lage boten. tt. ll. Der Vorstand de« FabrikantenvereinS der Stickerei und Spitzen- industrie zu Plauen hatte Ende Mai d. I. der Handels- und Gewerbekammer zur Erwägung und Vertretung an maßgebender Stelle u. A. einige Wünsche bezüglich der deutschen Giltervcrfrachtung vorgetragen, dabei über die „Um ständlichkeit und Unzuverlässigkeit" des gewöhnlichen Stückgutverkehrs Klage geführt und insbesondere daraus hingewiesen, wie wenig entwickelt der Güter verkehr auf den deutschen Bahnen im Vergleiche zu demjenigen auf englischen Bahnen zur Zeit noch sei. Auch di« Schweiz sei durch bestimmte mit den französischen Bahnen abgeschlossene Kontrakte den deutschen Bahnen, was Schnelligkeit der Frachtgutbesörderung anlange, weil voraus: so bestehe z. B. für Frachtgut von St. Gallen nach Havre eine feste Lieferzeit von nur 4 Tagen und es zeige sich der Vortheil, den die Schweizer Stickerei und Spitzemndustrie damit vor der sächsischen vorauShabe, darin, daß er'ahrung«- mäßzg die amerikanische Kundschaft Nachbestellungen auf Modeartikel nicht selten anstatt in Deutschland lediglich deshalb in der Schweiz bewirkt, weil sie au« dem bezeichneten Grunde gewiß ist, die Waare von der Schweiz schneller als von Plauen aus zu erhalten. Demgegenüber eröffnete die Kgl. Generaldirektion der sächsischen Staatseiscnbahnen der Handels- und Ge werbekammer Plauen am l. August l8Sü, daß die in der Beschwerde des Vorstandes des Fabrikantenvereins der Stickerei- und Spitzenindustrie zu Plauen enthalten« Behauptung, sür Frachtgut von St. Gallen nach Havre bestehe eine seste Lieferfrist von 4 Tagen, nach den angestellten Erörterungen nicht zutreffend sei. Vielmehr betrage für mit direktem Frachtbrief in St. Gallen nach Havre zWii üm) aufgegebenes Frachtgut die Lieferfrist 10 Tage. Dabei sei ober nicht ausgeschlossen, daß einzelne Spediteure, die sich mit dem Sammelladungsverkehr Basel Havre befassen, besondere Lieferfristen von len Gülerzugsverbindungen St. Gallen-Basel C. B. 'und Basel I. S.-Delle- Havre eine solche BesörderungSdauer ermöglichen. Hierdurch würden indeß die Einrichtungen und Leistungen hinsichtlich der von sächsischen Stationen nach Bremen und Hamburg bestimmten AuSsuhrgüter keineswegs übertroffen: der fünftägigen tarifmäßi gen Lieferfrist stehe hier in der Regel eine ungefähr zweitägige Beförderungs dauer gegenüber: die Beförderung der deutschen Ausfuhrgüter erfolge zu er mäßiglen Frachtsätzen und eine Vermittelung der Spediteure sei nicht er forderlich. Die Königliche Generaldirektion hob des Weiteren unter Hinweis auf die eingangs erwähnte Beschwerde hervor, bereits seit längerer Zeit sei inan eingehend mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise zur Bewältigung des fortgesetzt steigenden Güterverkehrs, besonders des Stückgutverkehrs, zweck mäßig vorzugehen sei, und wie die vorhandenen Einrichtungen zu diesem Zwecke ausgestaltet und verbessert werden könnten. Die Durchführung hierzu geeignet erscheinender Maßnahmen erfordere aber nicht nur bedeutende Geld mittel, sondern auch Zeit. Insbesondere könne die für den Stückgulverkehr erforderliche Vermehrung der Umladehallcn erst nach und nach erfolgen. Die Generaldirektion erklärte schließlich, sie würde daher dankbar fein, wenn die Handels- und Gewerbekammer Plauen die Interessenten hierauf sowohl, als auch auf die Absichten der Generaldirektion in Bezug auf eine Beschleunig ung der Güterbeförderung aufmerksam machen wollte. — Asch, 3. August. Hier sind gestern Abend neuerding« ernste Unruhen ausgebrochen. Im Garten de« Hotel „Jäger haus" und vor demselben hatte sich gegen 9 Uhr Abend« eine unabsehbare Menschenmenge cingesundcn. In der Masse war eine hochgradige Aufregung nicht zu verkennen. Der Führer der hiesigen Deutschnationalen, Herr Tin«, hielt eine Rede gegen die Zuckersteuerverordnung und gegen die Art der Anwendung de« 8 14. Plötzlich erscholl au« der dichtgedrängten Menschenmenge mehrfach der Rus „Aus!" Ein Zug von Tausenden setzte sich in Bewegung. ES wurde die „Wacht am Rhein" gesungen und verschiedene Protestrufe gegen die Regierung wurden laut. An der Spitze des Zuges wurde auf einer Stange ein großer Zucker hut mit der Aufschrift „Nieder mit dem 8 14" getragen. Vor dem AmtSgcbäude machte plötzlich eine Gendarmerieabtheilung mit gefälltem Bajonett einen Ausfall gegen die Demonstranten, welche sich zum großen Theile au« Ascher Bürgern zufammenjetzten. Die Leute wurden einen Augenblick stutzig; aber nur einen Augen blick. Im nächsten Momente entstand eine ungeheure Erregung, ein unbeschreiblicher Tumult entstand,— die Gendarmen mußten weichen! Sie zogen sich in« Innere' deS AmtSgebäudeS zurück. Bei dem Vorgehen der Gendarmen wurden ein Demonstrant und 2 Gendarmen verwundet. Die Menge hielt nun die Straße vor dem Regierungsgebäude besetzt; vor dem Thore wurde die Stange mit dem Zuckerhut ausgestellt u. abwechselnd mit stürmischen, gegen den 8 14 gerichteten Rufen wurden deutsche Lieder, darunter „Deutschland, Deutschland über alle«" und die „Wacht am Rhein" gesungen. Mehrere hundert Theilnehmer der Kundgebung mar- schirten inzwischen vor das Gendarmericgebäude, rissen die dort angebrachte große zweisprachige Holztafel herab und schlugen sie in Trümmer. Die Regierungsbehörde war nach einem zweiten mißglückten Versuche, wirkungsvoll einzuschreitcn — die Gendar men mußten sich auch diesmal, kaum daß sie au« dem Thore ge treten waren, wieder zurückziehcn — machtlos und setzte sich telephonisch mit der Statthalterci in Prag in Verbindung. Gegen >1 Uhr Nachts war der Marktplatz von mehreren tausend Men schen besetzt. Da hielt Schriftleiter Tin« eine zweite Ansprache, durch welche er die erbitterte Menge zu beruhigen suchte und zum Auseinandergehen auffordcrte. Dieser Aufforderung wurde auch Folge geleistet. Während der Nacht herrschte dann Ruhe. Weshalb ist kräftige Phosporsaurcdüngung nöthigf Die Erkenntniß wird immer allgemeiner, daß bei alleiniger Verwendung des in der Wirthsckafl produzirten Stallmistes die Düngung immer nur eine unvollkommene ist, daß dabei der Bo den an mineralisckcn Pflanzennährstoffcn von Jahr zu Jahr immer mehr verarmen und endlich eine gänzliche Erschöpfung de« Bodens eintreten muß. Unter den mineralischen Pflanzen nährstoffen nimmt nun aber die Pho«phorsäure die erste Stelle ein, weil sie im Leben der Pflanzen, abgesehen auch von ihrer Wichtigkeit al» Nährstoff, noch sonst eine Reihe bochwichtiger Funktionen bewirkt. Diese Wichtigkeit tritt deshalb noch um so stärker hervor, al» die meisten Böden schon von Natur au» arm an PhoSphorjäure sind, und ferner, weil der Stallmist gerade an diesem Nährstoff prozentisck die geringsten Mengen enthält. Tie physiologische Bedeutung der PhoSphorsäurc im Pflanzen leven läßt sich in folgenden Punkten zusammensassen: Beförder ung de« kräftigen WachSthum« der Pflanzen im ersten Jugend stadium; Anregung der perenircnden Futterselver und Wiesen zu neuem Antrieb nach dem jedesmaligen Schnitt; günstiger Ein fluß auf die Bildung de« grünen Pflanzcnsardstoffc», diesem eigentlichen Baumeister aller organischen Masse, und damit zusammenhängend, kräftige Förderung de« Zuwachse« an Pflanzen menge; Erzeugung einer normal verlaufenden Blüthe; reichlicher Ansatz und volle Ausbildung der Samen; endlich rechtzeitiger Eintritt der Reife. Berücksichtigt man alle diese Wirkungen, und zugleich, daß nicht nur unsere Aecker, vielmehr auch der Stallmist arm an PhoSphorsäurc sind, so erhellt zur Genüge, daß eine reichliche Düngung mit diesem Nährstoff zur Erzielung voller Ernten ein unbedingte« Erforterniß ist, und zwar in gleicher Weise auf Acker, wie Wiese und Weide. Wilder aus dem Erzgebirge. Die Eisenbahn WilzschhanS - «arlsfeld. E. Ott in Falkenstein. Von Sommerfrischlern und GebirgSfreunden werden sie jetzt durchstreift die waldgekrönten Höhen de« Erzgebirge«, die wiesen reichen Thälcr, die felsigen Schluchten. Dort an der östlichen Grenze de« Vogtlanve«, wo e» sich mit dem Erzgebirge die Hand reicht, wo die vom Kranichsee kommende Wilzsch ihr klare« Ge wässer in die Mulde ergießt, liegt Wilzschhau». Der Fürsorge deS Staate«, auch die entlegensten Theile de« Landes mit Eisenbahnen zu bedenken, ist e« zu danken, daß hier, wo vor 25 Jahren ein einzelne« Häuschen stand, da» „untere Wiesenhau«", bewohnt vom Wiesenwärter Leh oder Schädlich, jetzt rege« Leben herrscht. Da pfeift und dampft und rauscht e« an diesem einst weltweg gelegenen Thalwinkel. Ein Eisen bahnknotenpunkt ist hier entstanden der Ltnim Chemnitz- Aue-Adorf, Wilkau-Kirchberg. Wilzschhau» und der Fortsetzung derselben nach Carlsfeld. Nach dem „sächsischen Sibirien"? — Jawohl. Wer hätte sich die« »räumen lassen! War denn die Bahn nothwendig? Wir werden« sehen. Bei Wilzschhau« treffen da« Mulden- und Wilzschthal zu sammen ; da» Thal ist ziemlich breit, mit herrlich saftigen Wiesen bedeckt. Dieselben gehören dem Staate und werden von dazu angestellten Männern in Stand gehalten und bewässert. Stunden- weit kommen Bewohner von Schönheide, Rautenkranz, sogar Sachsenberg, um sich Parzellen zu erstehen. Bon den ringsherum liegenden felsigen Höhen blickt kräftiger Fichtenwald zu Thal, da» im Herbste wiederhallt vom Schrei der Hirsche. Rudel dieser schmucken Waldbewohner sind hier nicht selten. Oftmals werden Vorüberfahrende erfreut durch den An blick solcher, die auf dem Berge äsen. Ich möchte diese Gegend eine Wildkammer nennen. — Die neue Bahn nach Carlsfeld, schmalspurig, führt zunächst über eine Brücke von 14 m Länge, erbaut über die Zwickauer Mulde. Sie zieht sich dann läng» der fiskalischen Straße hin, die Wilzsch aufwärts. Dreimal wird die Straße von der Bahn gekreuzt. Nach und nach wird da« Thal enger, immer näher rücken die Berge zusammen. Oberhalb vom „oberen Wiesenhau«", einem Gast- und Forsthausc, hören die Wiesen auf und Hochwald von seltener Frische und Kraft tritt dicht an die Bahn heran. Besonder» bemerkenSwerth sind die Steigungs-Verhältnisse dieser Bahnstrecke. Sie sind bedeutend, vielleicht einzig dastehend in Sachsen: Bahnhof Wilzschhau« 595 m über dem Meere; die Haltestelle Wilzschmühle 680 in, bei Blechhammer 738 in und der Bahnhof Carlsfeld 816 m. Der erste Tract der Bahn be ginnt mit einer Steigung von 1:40; während bei Blechhammer zu ersehen ist, daß die Bahn auf eine längere Strecke sogar 1:20 zu überwinden hat. Etwaige großartige Kunstbauten, wie Brücken oder Tunnel«, sind nicht zu finden, und doch sind sür einen aufmerksamen Be obachter auch die kleineren Anlagen von Interesse, zeigen sie doch vielfach von Neuerungen und Fortschritten im Bauwesen. Die 2 Brücken und die Wölbschleußen sind nicht etwa au« Stein oder Ziegeln oder Eisen hcrgestellt, sondern au« Stampfbeton. Zunächst wurde ein Brückengerüst au« Holzverschalung errichtet; dann mit Beton auSgesüllt. Nachdem die Masse getrocknet war, ward da« Holzgerüstc wieder weggenommen. Ferner sind zwei sogenannte Monierbrücken zu sehen. Ueber diese wird gesagt: „Die Widerlager dieser Brücken sind gleichfalls au« Stampfbeton hcrgestellt, da« Gewölbe aber besteht au« einem Gitter von Drahtstäben, welche» beiderseitig in Cement- mörtel eingebettet liegt. Der Vortheil solcher Brückenbauten noch dem System Monier ist darin zu erblicken, daß sic bei ge ringer ConftructionShöhc viel Tragkraft erhalten. Beispielsweise beträgt an einer dieser Brücken, die eine Sichtweite von 8 in hat, die Stärke de« Gewölbes im Scheitel nur 22 cm. —" Warum diese Bahn erbaut wurde? — Nun, der Personen verkehr wird nicht bedeutend sein; e« kommt dafür nur der Ort Carlsseld in Betracht. — Wer aber jemals im „oberen Wiesen hau«" gesessen hat, wird gestaunt haben über die zahlreichen Ge schirre, die, schwerbeladcn mit Langholz, Klötzen, Brettern, GlaS- waaren thalabwärt« führen; über die Fubrwerke, welche aufwärts mit Kohlen und Rohmaterialien für die Glasfabriken von Carls seld und Weilersglashütte beladen waren. Bei Brctterladungcn waren häufig zwei Wagen aneinander gehangen und nur 1 Pferd davor gespannt, da die Straße bi« Wilzschhau» ununterbrochen Fall hat. Der Industrie soll demnach diese Bahn in erster Reihe dienen. Die Papier- und Glasfabrikation, sowie die Forst verwaltung kommen vor Allem in Betracht. Holzschleifereien und Brettmühlcn liegen an der Bahn. Gerade in der Verwendung de« Wasser« und der Anlage von Kunstwiesen haben die Bewohner de« Gebirge« viel Geschick gezeigt. Steinerne und hölzerne Wehre stauen die Flüsse und Bäche, leiten da« Wasser auf den Bergseiten hin, von denen e« dann gewaltig herabstürzt, um Papierfabriken, Holzschleifereien und Mühlen zu treiben und den weiten Wicsenplan zu bewässern. Auch diese» Thal zeigt un« da« Bild. Dazu kommt noch der ungeheure Reichthum der dortigen Forsten. Zur Abfuhr der Hölzer sind deshalb 3 Holzladeplätze an ter Bahn errichtet: In Carlsfeld, Wilzschmühle und Wilzschhau«. Petitionen der Gemeinde Carlsfeld, der Forstverwaltung und der Mühlen haben die hohe Regierung zum Bau der Bahn be wogen. Der Ort Carlsfeld, der eine große Hohlglasfabrik ha», und die Stunde davon gelegene TaselglaSfabrik in WciterS- glaShülte geben einem großen Theile der Bevölkerung Beschäftig ung. Diese Fabriken waren jedoch durch die Konkurrenz in ihrem Bestehen bedroht (die in WeilerSglaShütte hatte deshalb schon 6 Jahre den Betrieb eingestellt), weil die Anfuhr von Roh materialien und Abfuhr der fertigen Maaren nach dem ca. I'/, Stunden entfernten Bahnhof Wilzschhau» hohe Frachtkosten ver ursachte. Vom Bahnhof Carlsfeld führt jetzt ein Zweiggelei« in den Hof der CartSselder Glashütte. Die Wagen, welcke die zur Herstellung erforderlichen Materialien bringen, al« Quarzsand, Pottasche, Soda und Marmorstaub, Kohlen werden hier entleert, um die fertigen Artikel verschiedenster Art mit fortzunehmen. Wir besuchten da- Innere der Glashütte, schauten den geschickten Arbeitern zu und betrachteten mit Bewunderung die glänzende Reihe der fertigen Sachen, die zur Reise in die weite Welt be reitet werden: Die weltbekannten Odolflaschcn, Medizinflaschcn und Gläser jeglicher Art, Flacon« für Parfümerien, Preßglas, Au«stellung«gläser u. Maschinensclbstöler, Batterie- u. Elementen aläser, Kugeln und Glocken für elektrische« Bogenlicht, Cylinder, Tintenfässer in allen Formen und Größen, Röhren usw. Bei der Einweihung der Bahn im Juni 1897 flimmerte und blitzte die Ehrenpforte in allen möglichen Gla«verzierungcn. Wie stark die Leistungsfähigkeit und der Betrieb dieser Fa brik ist, davon sei nach den Angaben eine« Eingeweihten berichtet: Von den Parfümerieflacon«, einer Specialität der Earlsfelder Fabrik, sind über 6000 Muster vorhanden. Die Jahresproduk tion beträgt 25 Millionen Stück. An etwa 220 Arbeiter wird ein jährlicher Arbeitslohn von rund 160,000 Mark auSgezahl:. Carlsfeld ist noch jetzt — leider! — in manchen Lehrbüchern al« „Säcksische« Sibirien" bezeichnet; diese Bezeichnung ist jedoch übertrieben. Freilich gedeihen hier, wie ich bereit« einmal in einem Artikel über den „Kranichsee" geschrieben habe, keine Apfel sinen, sondern Fichtenzapfen, und nur einige Streifen Felder sind mit Kartoffeln und etwa« Getreide bebaut zu finden, aber trotz alledem ist Carl«seld infolge der reinen Höhenluft schon seil Jahren zu einem Aufenthaltsorte für Ferienkolonisten und Sommerfrischler geworden. Da« Kirchdorf (Marktflecken) liegt in einem geöffneten Thale, in dem reinliche Häuser hier auf grünen Wiesen der Thalsohle, dort aus gra«reichen Abhängen vereinzelt liegen. Au« der Mitte ragt die zierliche, nette, 8 eckige Kirche hervor, erbaut im Jahre 1688 durch Han« Beit Schnorr von Karol«feld nach den Plänen italienischer Meister im Stile der Petrikirche in Rom. Vor der Kirche steht ein Denkmal mit dem Bildnisse de« Prinzen Johann und der Jahre«zahl 1826. Bi» vor einigen Jahren befand sich noch ein Stein daselbst zur Erinnerung daran, daß ein Förfterbursche Otto an dieser Stelle sein« Geliebte ermordet. In Schwarzenberg büßte er seine Thal aus dem Sckaffot. Eine große Zahl der Bewohner findet, wie wir gehört haben, Beschäftigung in der Glasfabrik, ein anderer Theil arbeitet al« Holzmacher in den ausgedehnten Waldungen.
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