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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 15.02.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190002157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19000215
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19000215
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1900
-
Monat
1900-02
- Tag 1900-02-15
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Monat
1900-02
-
Jahr
1900
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Da c» bei einem so regen Jndustriebezirk wie Eibenstock und Umgegend er ist, wohl al» selbstverständlich gellen kann, daß mancher der jungen Leute den Musterzeichnerberuf erwählen wird, so mögen hierdurch die betr. Ellern vor allem aus die Vor theile aufmerksam gemacht sein, welche gerade dieicm Berufrzweige die hier errichtete Zweigabtheilung der Königl. Industrieschule zu Plauen bietet. Die Anforderungen an den Zeichner sind gestiegen von Jahr zu Jahr, und werden noch Weiler steigen, solange sich der Ge schmack de« großen kaufenden Publikum» hebt; nur mit Einsetzung der ganzen Kraft, und aurgerüstet mit einer festen und soliden Grundlage seine« Wissen» und Können», kann heute ein Zeichner seinen Platz in der Welt aurfüllen. Dank der Opscrwilligkeit unserer hohen Staairregierung, wird c» nun den betr. Eltern durch ein sehr geringer Schulgeld ermöglicht, ihren Kindern all die Vortheile zukommen zu lassen, die denselben in hiesiger In dustrieschule durch einen systematischen Unterricht, welcher alle die Fächer umfaßt, die zu einer gründlichen Vorbildung eine« Muster zeichner» gehören, geboten werden. Aber nicht allein für Zeichner, sondern auch für andere Kunsthandwerker, al« Maler, Lithographen re. werden die ertheilten Unterricht»sächer von größtem Vortheil sein. Die Herren Ches» werden jedenfalls gern die wenigen Stun den ihren Lehrlingen freigeben, kommt c» doch den Ersteren eben falls zu Gute, wenn von feiten der Anstalt mit vorgearbeitet wird, tüchtige Kräfte zu erziehen, welche dereinst dem Zeichnerstande Ehre machen werden. — Schönheiderhammer. Montag Abend '/.IO Uhr entstand in der Schlosserei de» hiesigen Eisenhüttenwerk« ein Brand, welcher sich aus die Modelltischlerei und Graugießerei auSdehnte. Viele Modelle sind vernichtet. Ein gewaltiger Com- plex ist niedergebrannt, der Schaden ist enorm. Herr Han» Edler v. Querfurth war zur Zeit in Dresden. Die Besitzer haben versichert. Die Feuerwehren von hier und auswärts ar beiteten mit der größten Anstrengung. Ein große» Glück ist e» zu nennen, daß die beiden Kupolöfen in der Mitte der Grau gießerei stehen geblieben sind. Im Interesse der Arbeiter ist die» von großer Wichtigkeit. Dieselben werden vorläufig auf irgend eine Art beschäftigt. Der jetzige Kupolofen war der ehemalige Hohofcn, welcher ein Alter von 300 Jahren hat. Die Modellir- und Ciselirwerkstätten sind völlig zerstört. Viele Werkzeuge, Hobel bänke und eine Masse Rohmaterialien sind verbrannt. — Dresden, 10. Februar. Da» Schöffengericht verur- theiltc den Tuchhändler Hesse wegen unlauteren Wettbe werb» zu 1000 Mark Geldstrafe, eventuell acht Wochen Gefäng- niß. Der Angeklagte kündigte im vorigen Jahre durch Zeitungs anzeigen einen „reellen Ausverkauf" wegen Aufgabe des Ge schäfts an, obgleich er an die Geschäftsaufgabe nicht dachte, sondern nur Kunden durch scheinbar billige Preise anlocken wollte. Den Ausverkauf setzte Hesse fort, trotzdem er durch neue Einkäufe sein Lager immer wieder vervollständigte. — Dresden, ll. Februar. Prinz Friedrich August nimmt Ende des Monats in Südtirol Aufenthalt. — Zwickau, 13. Februar. Heute Vormittag 10 Uhr tagte im „Feldschlößchen" in Pöhlau abermals eine Bergarbeiter- Versammlung, welche für Mittwoch früh den Ausstand be schlossen hat. — Hohndorf bei Lichtenstein, 13. Februar. In dem hie sigen Kohlenreviere - Helenenschacht und Vereinigtseld — sind von ca. 1730 Bergarbeitern seit gestern 940 in den Streik ein getreten. Ferner befindet sich seit heute Nachmittag ein großer Thcil der Belegschaft des Merkur- und Pluto-Schachtes und der Schachtes „Kaisergrube" in dem benachbarten GerSvorf ebenfalls im Ausstande. Die Streikenden verhalten sich ruhig. — Auerbach, 13. Februar. Jnsolgc Kohlenmangels muß ten heute die hiesigen Volksschulen bi» aus Weitere» ge schlossen werden. Kohlen auch nur in kleinen Quantitäten auszutreiben, ist fast eine Unmöglichkeit, und so müssen viele Leute thatsächlich frieren. Die hiesigen Fabriken sind zumeist noch auf einige Zeit versorgt; hoffentlich werden nicht auch sie noch zur Betriebseinstellung gezwungen. — Treuen, 12. Februar. Gestern Nacht sind in der Pfarrstraße drei Wohnhäuser und eine Scheune vollständig nieder gebrannt. Alle Gebäude waren sehr alt. Ausgebrochen ist da» Feuer in dem Wohnhause de« Stadtkassircr» Wolf in einer Dach kammer und hat sich aus die daneben stehenden Häuser de« Flaschen- bicrhändler» Schneider und der Wittwe Büttner ausgedehnt. Von den die Wohnhäuser bewohnenden 7 Parteien hat nur eine nicht versichert. Die Entstehungrursache de» Feuer« ist noch unbekannt. Böswillige Brandstiftung scheint nicht ausgeschlossen. — Ehrenfriedersdorf, 12. Februar. Infolge Kohlen mangels muß an hiesiger Bürgerschule der Unterricht einstweilen ausgesetzt werden. — Se. Maj. der König hat bestimmt, daß die Landwehr- Jnfanterie-Regimenter mit Helmen auSgerüftct werden, soweit solche von den Grenadier- und Infanterie-Regimentern aus Ueberschüsjen hergegeben werden können. Die übrige Land wehr-Infanterie behält die Wachstuchmütze bei. Al» Abzeichen ist am Helmzierat das Landwchrkreuz anzubringen. Vor hundert Jahre«. ir>. AeSruar. Räuberbanden vor 100 Jahren. Die Unsicherheit auf den Land- strahen, den Dörfern und selbst in den Städten war ja vor hundert Jahren belanntlich recht groß, aber in der Zeit von 1800 bi« etwa >808 must sie ganz furchtbar gewesen fein. Vollständige organisirte Banden, wie man deren in Märchenbüchern findet, zogen mit Kind und Kegel im Lande umher; na mentlich am Rhein und Main wurden die Bewohner schmählich gebrandschaht. Wie es scheint waren die Kriege nicht ohne Einfluß aus diesen Dauerzustand de« Raubgesindels; wie denn auch die meisten Lebensbeschreibungen der schließlich von I8>0—>812 eingesangenen und verurtheilten Räuber besagen, daß die Räuber nach ihrer Entlassung vom Militär, oder nach Desertion zu ihrem Handwerk gekommen. Die Schandthaten, die den Banditen zur Last gelegt werden, sind Legion. Daß ein Bandit 40—SO Einbrüche, Dieb stähle, Straßenraub und daneben einen oder mehrere Morde aus dem Ge wissen hat und eingesteht, ist nichts Seltene». Vor hundert Jahren ging man durchaus nicht energisch gegen die Bande» vor, erst zehn Jahre später. lti. Aeörtiar. Die Herbergen find sür die reisenden Handwerker da. So decreiirt die Behörde. Es wird ausdrücklich gewarnt, außer Arbeit befindliche Tisch- lergesellen, die ihren AusenthaliSort in der Tischlcrherberge haben müssen, ohne die Einwilligung des HerbergswirtheS „aufzunehmen". Noch mehr: 2 Thlr. Strafe kostet eS, wenn Jemand, der mit Erlaubniß de« HerbergS- wirthes einen Gesellen ausgenommen hoi, diesem Wirthe leine Anzeige macht, wenn der Geselle das Logis wieder verläßt. — Solche Verordnung wäre unseren Wirthen auch manchmal nicht unangenehm. Schlemmerei der tzyinesen. Von A. von Bergen. Da» Trinken von Spltiiuoscn kennt der Chinese kaum, er ist darin muslergltig enthaltsam, dagegen geht ihm das Essen über Alle»; er in in dem Punkte nach Kräften unenthaltsam. Wenn er e« haben kann, schlemmt er, und „gut kochen" ist bei ihm die erhabenste und wichtigste Wissenschaft. Alle Chinesen, ob männlich oder weiblich, haben eine ausgesprochene Neigung und Geschicklichkeit zum Kochen, Backen und Braten. Freilich bei den meisten Millionen von den 400 Millionen Söhnen de» Reiche» der Mitte entspricht da» Können nicht dem Wollen. Für die große Klaffe der Enterbten ist und bleibt der Rei» die Haupt nahrung. Aber auch dieser an sich geschmacklosen Nahrung weiß der Chinese Wohlgeschmack und Abwechslung abzugewinnen; da giebt e« gekochten, gebackenen, gemischten und gewürzten Rei». Die mittleren Klassen essen auch Fleisch ; am meisten Schweine fleisch, dann folgt Hammelfleisch. Auch Fische werden viele ver zehrt, denn die Flüsse und Seen de» Reiche» der Mitte sind sehr fischreich. Viel mannigfaltiger dagegen sind die Speisen der Vornehmen und Reichen. Hier artet die Lust am Essen, die man richtig mit Schlemmerei bezeichnen kann, zu den sonderbarsten Gelüsten au». In China wird alle« verzehrt, wa» nur eben eßbar ist. Bei den Vornehmen geschieht e» au» Uedersättigung, bei den Geringeren au» Armuth. Die Armen essen Hunde, Katzen, Ral len und Mäuse. Alle diese Thiere bilden geschlachtet einen we sentlichen Handelsartikel. Besonder» sind die Hakka«, ein kräf tige» Gebirg»volk, Hunde-, Katzen- und Ratteneffer. Die Pfoten de« Hunde» halten sie für einen großen Leckerbissen. Unter den Katzen giebt man den schwarzen den Vorzug, bunte und weiße verachtet man. Bei den lieblichen Ratten macht man keinen Unterschied. Feld-, Hau»- und Wasserratten erfreuen sich al» Nahrungsmittel gleicher Werthschätzung. Da» Auffallendste, wa» ein Fremder in einer kleinen chinesischen Stadt oder in einem Dorfe erblickt, sind Hunderte von geschlachteten Ratten, welche, die Schwänze nach oben, an langen Schnüren zum Trocknen von den HauSdächern oder gar quer, wie eine Guirlande, über die Straße herabhängen. Die Reichen essen außer dem Fleisch der HauSthiere auch noch Frösche, Schlangen, Schmetterlinge, Insekten, selbst die kost baren Seidcnrauben, deren Larven und vor Allem Schwalben nester. Natürlich spielt bei all diesen merkwürdigen Sachen die Zubereitung die Hauptsache. Seidenraupen und deren Larven so wie die Schwalbennester gelten al» hochberühmte und viel ge suchte Delikatesten und werden oft mit Silber ausgewogen. Die Seidenraupe ist bekanntlich in China seit Jahrtausenden einheimisch. Die kostbaren Schwalbennester rühren von der ost indischen Schwalbe her, die man auch „Salangane" nennt. Diese Schwalbe ist etwa» kleiner al« unsere HauSschwalbe und baut ihr Nest an Klippen und Felsen aus einem, gummiartigen, zähen, weißlichen Schleim, der durch zwei große Speicheldrüsen abgesondert wird. Die Nester bilden die Form eines kleinen Napfe», etwa wie die Höhlung eine» mittleren Bowlenlöffel«. Sie sehen au«, al» wären sie au« Brotteig geknetet und fühlen sich auch an wie harter, ungebackener Brottcig. Will man sie genießen, so werden sie 24 Stunden vorher in warmem Wasser eingcweicht, dann in Läng«fasern zerzupft, wobei die kleinen, eingeklebten Federchen beseitigt werden. Dann werden die Fasern so lange in Fleisch brühe gekocht, bi» eine dicke Gelatine-Masse entstanden ist. Diese berühmte Schwalbensuppe schmeckt dem Europäer sehr fade. Dem Chinesen aber ist sic ein Hochgenuß und ein Kraftmiticl sonder gleichen. Viele gießen den dicklichen Brei über hartgesottene Taubencicr und fügen Wurstschnitte hinzu, die auf der Suppe schwimmen. Je mehr Schwalbennester eine solche Suppe ent hält, desto werthvoller und heilbringender ist sie in den Augen der Chinesen. In Wirklichkeit ist sie ohne jeden größeren Rährwerth. Die Schwalbennester kleben an den Felsen reihenweise an einander, von der Spitze bi» 150 Meter tief. Wenn die jungen Schwalben flügge sind, sammelt man die kostbaren Nester ein, drei bi» vier mal im Jahre. Diese» Sammeln ist mühselig u. gefährlich, dafür aber auch sehr gewinnbringend. Keine Nation ist raffinirter und grausamer in der Kochkunst al» der bezopfte Sohn de» Reiches der Mitte. Der Name rührt daher, weil der Chinese glaubt, sein Reich liege im Mittelpunkt der Welt. Um sich eine un» unbegreifliche Delikatesse zu bereiten, ver fährt der chinesische Koch folgendermaßen; Ec setzt Butter in einer Pfanne auf da» Feuer, dann nimmt er da» noch lebende und zu bratende Geflügel, sei e» Huhn, Ente oder Gan» und hält oa« Thier lebendig über die Pfanne, so daß die Beine de» ThiercS anschwellen. Das Blut strömt völlig in die Extremitä ten, die nun abgeschnitten und al» Leckerbissen verzehrt werden. Den noch zuckenden Körper wirft der Koch weg oder überläßt ihi? den Dienern. Nach der grausamen chinesischen Kochmethode muß ein Lamm auch lebendig gebraten werden, während man ihm womöglich noch Wein oder Essig eintrichtert. E» mag genug sein an solchen Grausamkeiten, die nur eine krankhafte Gier nach Besonderem ersinnen kann, und deren der Chinese roch sehr viele kennt. Entsprechend der Schlemmerei bei Tische ist auch da» Be nehmen der Chinesen, wohl gemerkt, in den besten Kreisen. Da genügt e» nicht mehr durch starke» Essen zu zeigen, daß e» einem schmeckt, denn der Chinese ist au» Gewohnheit ein Vielesser ge worden, nein, da müssen ganz andere Zeichen angebcn, wie sehr c» einem mundet. Da» Kauen, da» Schlucken und da» Belecken der Lippen kann nicht geräuschvoll genug geschehen, selbst da« — Ausstößen wird al« ein Zeichen höchster Zufriedenheit und de» Lobe« angesehen. Der Wirch muß seine Gäste unablässig zum Essen nöthigen. Selbst nach dem fünften oder sechsten Gang kann man folgende» Gespräch vernehmen; „Ader mein lieber Gast, Sic haben ja kaum eine der Speisen berührt!" Der Gast antwortet: „Mein Leib gleicht bereit» einer Tonne! Noch niemals in meinem Leben habe ich so kostbare Speisen vor gesetzt bekommen!" „Ich weiß," sagt der Wirth darauf, „daß meine Tafel da» miserabelste Zeug trägt, welche» je ein Mensch gegessen hat, aber ich besitze nicht» Bessere». Gieb von Herzen, sagt der Weise, dann senden die Götter Gedeihen! Verschmähen Sie deshalb nicht da» vorgesetzte Mahl!" „Ihre Speisen schmecken himmlisch," meint dann der Gall. „Und obwohl ich schon zum Platzen voll bin, w ll ich doch fort- sahrcn, Ihrem Tische die ihm gebührende Ehre zu erweisen." In diesem Tone geht die Unterhaltung fort. Der Gastgeber hört nicht auf zu nöthigen, die Gäste essen di» zur Bewußtlosig keit. Den Schluß einer solchen Schlemmerei bildet stet» der unvermeidliche Thee, der sehr stark in sehr Keinen Tassen ser- virt wird. Im Weich der Höne. Novelle von A. v. d. Osten. flv. Fortsetzung.) „Du willst auSgehen, Vater?" fragte Wilhelm, eine Zigarre anbrennend, „einen Besuch machen?" „Ja, mein Sohn," antwortete der Graf würdevoll und väterlich, „einen sehr wichtigen Besuch, entscheidend sür Dein Glück!" Er grüßte mit der Hand und ging rasch ab, ohne auf Wil helm» erstaunt fragenden Blick weiter zu antworten. Beim Ein tritt in Wanda» Hau» gewahrte er mit Verwunderung eine große Unruhe in demselben: e» schien zum Theil geräumt worden zu sein; die Dienerschaft lief durcheinander, al» müsse sie an allen Orten zugleich sein. Im Vorzimmer traf er Tante Resi sehr geschäftig bet halbgepackten Koffern und blieb bestürzt stehen. „Die gnädige Frau?" — stotterte er fragend. „Im Boudoir, Herr Graf, gehen Sie nur hinein. Karl, melden Sie doch den Herrn Grafen." Auch Tante Resi schien durchaus keine Zeit zu haben, um sich viel um einen Gast zu kümmern. Wanva erhob sich bei seinem Eintritt von ihrem Schreibtisch. Gottlob, sie wenigsten» schien heut gefaßt und ruhig zu sein! .Wa» heißt die», gnädige Friu?" rief er ihr entgegen. „Sic wollen schon wieder verreisen?" Wanva lächelte ernst. „Nicht verreisen, Herr Graf, sondern abreisen. Ich siedle nach Berlin über, — und ich würde auch noch Abschied von Ihnen genommen haben," fügte sic etwa« herz licher hinzu. Der Graf stand wie vom Donner gerührt. .Und werden Sie sür immer von hier fortgehen?" .Da» weiß ich noch nicht; e» hängt von meiner Ausbild ung und meinen Erfolgen ab, Herr Graf." .Ah!" er Holle tief Athem. .Da» Projekt ist also auch jetzt noch nicht aufgegeben, gnädige Frau?" .Was heißt jetzt noch nicht?" fragte Wanda stolz. .E» ist meine Zukunft, Herr Graf." Nesselrott dachte einige Sekunden mit gesenktem Kopf nach und sprach dann, von der Furcht endgültig zu scheitern, wirklich erreg«, weiter: »Sie haben einen schweren Verlust erlitten, und Niemand fühlt das inniger mit, al» ich, der Ihnen im Herzen so nahe steht. O streiten Sie nicht dawider, e» ist ja doch wahr! Sie glauben jetzt mit dem Tode Ihre« Freunde« den Inhalt Ihre» Leben» verloren zu haben und keinen Ersatz dafür finden zu können, al» indem Sie sich der Kunst widmen. E» entspricht ja da« Ihrer ganzen idealen Anschauungsweise. Haben Sie aber auch bedacht, was man ihnen nachsagen wird? Wenn eine Frau, jung, reich, vielbegehrt, sich einem so extravaganten Loose wie da« der fahrenden Künstlerin in die Arme wirft, so könne da» nur geschehen, weil sie den Mann nicht vergessen könne, der ihr im Leben nahe gestanden habe " .Herr Graf," unterbrach Wanda ihn abwehrend, .Sie haben mir schon einmal ähnliche» gesagt, und ich habe Ihnen geantwortet. Sie sowohl wie „man" irren sich! Ich werde nicht Künstlerin um eine» Manne» willen, der mir so nahe ge standen, wie Sic mir oktroyircn möchten, und den ich nicht ver gessen kann ; nein, ich werde e», weil von innen heraus der un widerstehliche Ruf dazu an mich ergeh«, weil ich e« werden muß. Ich räume dabei aber gern und offen ein, daß der Verlust meine» Freundes ein sehr, sehr schwerer ist." „Und Sic glauben nicht an einen Ersatz?" fragte der Gras bebend vor Aufregung. .Nennen Sie mir einen, wenn ich bitten darf." »Nun, die Ehe mit einem geliebten Gatten ist doch wohl einer!" Wanda sah verwundert auf und lächelte verächtlich. „Kann man nach Ihrer Meinung so oft lieben? Und wenn ich da» thäte, mein Herr Graf, wissen Sie, wa« man al»dann über mich reden würde? — Nun, sie hat sich rasch mit einem andern ge tröstet, würde man sagen; da sieht man ja, daß e» ihr um die Musik überhaupt nicht zu thun gewesen ist, sondern — um einen Mann." Wanda richtete sich stolzer auf und fuhr fort: .Nicht wahr, da« hatte ich nicht nöihig, Herr Graf? und ich wiederhole Ihnen hier, daß ich das Geklatsche der Welt nicht nur verachte, sondern e» auch widerlegen werde. Damit, denke ich, dürfen auch Sie trotz Ihrer hi» zum Jota erfüllten Verpflichtung zufrieden sein." Nur mühsam hielt der Graf an sich, al» er Zug um Zug da» Spiel verlor. Jetzt hatte er nur noch eine Karte in der Hand, und die mußte gewinnen, oder er hatte sich nur unsterb lich lächerlich gemacht, sondern auch jede Aussicht auf eine bessere Zukunft war dahin. Er verneigte sich ein wenig mit der Miene gekränkter Unschuld gegen Wanva und sagte: .sie hatten von jeher eine etwa» herbe Art, mit Ihren Freunden umzugehen, gnädige Frau, am herbsten mit Ihren er gebensten. Ich will Ihnen keine Vorwürfe darüber machen, aber ich bekenne, e» thut weh — um so weher, als ich nicht um meinetwillen, sondern au» reiner Selbstverleugnung für einen andern zu Ihnen gekommen bin. Sie müssen cs wissen — aber vielleicht leugnen Sie auch da»? — daß mein Sohn seit lange eine innige, unbezwingliche Neigung zu Ihnen hegt." — Wanva zuckle ein wenig zusammen und erröthete unter dem Blicke de« Grafen. »Hat Graf Wilhelm Sie geschickt?" fragte sie schmerzlich berührt. »Nein, meine Gnädigste, da» hat er nicht gethan, vcr arme Junge ist zu bescheiden. Aber er ist hier, und da ich gleich sah, daß der alte Wurm ihm noch immer am Herzen frißt, die leidige Liebe zu einer harten Frau, so dachte ich ihm väterlich den Weg zu bahnen, ihm ein wenig Hoffnung zu holen, damit ich ihn wieder froh und glücklich sähe." Er hielt inne und forschte in Wanda» Gesicht. Sie war sichtlich bewegt; ein tiefe» Sinnen breitete sich über ihre Züge. Schon wollte er innerlich frohlocken, da sah sie ihn gerade und offen an und sagte: »Herr Gras, wa« Sie mir gesagt haben, betrübt mich sehr, denn ich schätze Ihren Sohn hoch, aber ich liebe ihn nicht, und nur ein Mann, den ich liebe, wird mein Gatte. Ich sagte Ihnen zudem, daß ich nicht daran dächte, mich zu verheirathen, und e» freut mich, daß Gras Wilhelm von dieser Unterredung nicht» weiß. Lassen Sie c» ihm auch allezeit verborgen bleiben." Unfähig, sich länger zu beherrschen, rief der Graf heftig au«: .Und so, mit diesem Bescheide denken Sie mich fortzuschicken? Sie wollen mir den Schimpf anthun, da» au»zuschlagcn, wa» ich Ihnen zweimal bot, eine Grafenkronc, und dazu die Liebe meine« Sohne«, und Sie glauben, daß ich mir da» gefallen lassen werde?" .Ich habe weder da» eine, noch da» andere verlangt," ant wortete Wanda bebend vor Entrüstung; .haben Sie die Güte mich jetzt zu verlassen, Herr Graf —" Sie stockte, denn die nur angclehnte Thür de« Musikzimmer» wurde aufgestoßen, und Wilhelm Nesselrott erschien auf der Schwelle. Die Augen brannten in dem aschbleichen, jugendlichen Gesicht; sein schlanker Körper flog, wie vom Winde bewegt, at er einige unsichere Schritte vorwärt» machte. .Wa« ist da», Vater?" ries er mit einer'Stimme, die wie der Schrei eine» verwundeten Hirsche» klang. .Wa» hast Du gethan, o mein Gott!" Er schlug vie Hände vor» Gesicht, um die brennend aussteigende Schamröthe zu verbergen.
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