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Wochenblatt .für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -es Königlichen Verichtsamtes und des Stadtrathes zu Kischofowerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch» und Sonnabend», und kostet vierteljährlich 12j Rgr. Inserate werden nur bi« Dienttag und Freitag früh 8 Uhr angenommen. 11. l Mittwoch, den « Februar. j 1867. Blicke auf Frankreich. Die StaatSzimmerleute können von Ihm in Paris nunmehr lernen, wie man das StaatSgebäute „krönt" oder hebt oder richtet. Sechzehn Jahre hindurch hätte demnach das französische Staatshaus ohne Dachstuhl bestanden! Allem Anscheine nach würde es wohl noch lange nicht gehoben worden sein, wenn nicht die Witterung deS vorigen und heurigen JahreS gar zu viele und große Blößen deS Baues bewirkt und zu Tage auSgelegt hätte. Preußen hat ungeheuere Erfolge errungen, den Italienern ist Venedig auf dem Präsentir-Teller geschenkt worden, Frankreich aber hier wie dort leer ausgegangen. In Mexico ist die Niederlage der napoleonischen Slaatskunst noch handgreiflicher. Dazu kommt noch der gewaltige Steuerdruck bei Theuerung und NahrungSlostgkeit, die rollende Lawine der Staatsschuld, die Maßregelung der Presse, die nicht sagen darf, waS ste will, aber sagen muß, waS daS französische Volk nicht mag und nicht glaubt. Die schweren Aussichten auf die neue Armee- Reorganisation und ihre furchtbaren Lasten drücken daS Volk noch mehr nieder, und die zahlreichen, angesehenen Anhänger der weltlichen Papstherrschaft im Senate (1. K.) rüsteten sich, wegen der römischen Frage Front gegen den Kaiser zu machen, während 30—40 Abgeordnete in der 2. Kammer in geschloffener Colonne die kaiserliche StaatSkunst im Sturme anzugreisen entschlossen waren. ES mußte etwas geschehen, um die steigende Mißstimmung zu heben, va die Eröffnung des Landtags auf den 14. Februar, mithin nahe bevorsteht und zu befürchten war, daß das Wehgefchrei, wenn auch nur weniger Abgeord neter, ein millionenfach verstärkte- Echo in ganz Frank reich finden werde. Darum wurde da» StaatSgebäude gekrönt! Wie aber? die giftigsten Reden waren bei der Verhandlung über die Antwort der 2. Kammer auf die Thronrede (Adreß-Debatte) zu erwarten, deshalb wurden die ersten Dachbalken auf die Sprachwerkzeuge der Abgeordneten gelegt, d. h. die Adresse fällt künftig weg. Der Abge ordnete, welchem etwa Merico, Rom, Preußen oder Italien, die Steuerlast ic. daö Herz abdrücken will, darf die Minister interpelliren, d. h. um Auskunft ersuchen. Die Minister sind auch schuldig und verbunden, diese gewünschte Auskunft zu geben, aber erst, wenn im Se- Sweiundzwanzigster Jahrgang. nate zwei und in der 2. Kammer vier Deputationen dies genehmigen. Nun sitzen in der 2. Kammer kaum 40 Abgeordnete, die nicht mit den Ministern durch Dick und Dünn gingen, die Kammer-Deputattonen find fast ausschließlich aus ihnen zusammengesetzt, und eS müßten Zeichen und Wunder geschehen, wenn die Inter pellation oder das Auskunftsgesuch eine» neu- oder wiß begierigen Abgeordneten auch nur von einer Deputation befürwortet würde, wie noch weit weniger von vier De putationen, die doch übereinstimmen müssen. Also die Adreß-Debatte ist glücklich wegqeschafft, und die Fran zosen können mit Hiob sagen: Der Herr hat fie gegeben und der Herr bat fie wieder genommen. Da» dafür geschenkte JnterpellationS-Recht sieht freisinnig und lebens kräftig aus, wird aber in den Kämmerchen der Depu tationen so erbärmlich verkümmern, daß e» an der Aus zehrung sterben muß, und wenn eS eine Iltis-Natur hätte. ES wird gehen, wir bisher. Der Kaiser sagt Ja und in rührender Einmüthigkeit antworten Senatoren und Abgeordnete Ja. Der Kaiser intonirt Nein und da» Chor respondirt pflichtschuldigst: Nein! Aber die Presse hat doch mehr Freiheit gewonnen. Die Polizei soll nicht mehr daS Recht haben, sie zu maßregeln, sondern die Gerichte sollen über sie entscheiden. DaS wäre sschon eine etwas würdigere Stellung; allein nach wie vor hängt die Erlaubniß, ein Blatt herausgeben zu dürfen, ganz von der Gnade der Regierung ab, und diese kann durch ihre stempelfreien, folglich weit billigeren Blätter jeve andere Concurrenz todt machen oder wenig stens überwinden. Wer ein neues Zeitungsblatt gründen will, zahlt 100,000 Francs Caulion, in Paris da» Doppelte. DaS Vereinsrecht soll ferner geregelt, für alle Versammlungen die sich nicht mit Politik befassen, ausgedehnt werden. Die sich nicht mit Politik befassen! Hier kommen wir zusammen. In Summa: Die Krönung deS Gebäude» scheint unS in hochklsngenden, wunder hübsch gedrechselten Redensarten, worin Er ohne Zweifel eine Meisterschaft besitzt, zu bestehen, aber der Satz gegen den Schluß de» kaiserlichen Schreibens: „Ich er schüttere nicht den Boden, welchen 15 Jahre der Ruhe und LeS Gedeihens befestigt haben," sagt ganz einfach: „ES bleibt Alles beim Alten. Ich selber regiere allein, thatsächlich, wie bisher." Und so wird e» sein und bleiben, so lange ein Napoleon Kaiser der