Suche löschen...
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 10.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189901107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18990110
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18990110
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-10
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
„Haben Sie irgend ein Anliegen, mein Fräulein, kann ich Ihnen dienlich sein?" fragte er freundlich. „Mein Name ist Irma Burger, Frau von Török hatte die Güte, mich al« Gouvernante für die Kinder zu berufen," lautete ihre höfliche Erwiderung. .Leider har sich meine Ankunft um einen Tag verzögert. Vergeben« sehe ich mich nach einem Diener um, damit die Dame von meinem Hiersein benachrichtigt werden könnte." „Frau v. Török erwartet Sie mit Ungeduld, mein Fräu lein," sagte er, rasch vom Pferde steigend und e« dem herbeieilen den Reitknecht übergebend, „Jano«, führe Sandor etwa« aus und ab!" befahl er kurz. „Kommen Sie, mein Fräulein, ich werde Sic hinauf be gleiten," sagte er mit einer artigen Verbeugung. Mit ritterlicher Galanterie ließ er sie voranschreiten. Sein Blick streifte mir unverhohlener Bewunderung ihre herrliche Erscheinung. Von wahrhaft klassischer Feinheit waren diese noch kindlich reinen, anmulhigen Züge. Große mandel- sörmig geschnittene, von schöngezeichncten Brauen überschattete Augen leuchteten au« dem marmorwcißen, vom zartesten Roth überhauchten, edelgebildclen Antlitz. Die schwarzen Wimpern und Brauen bildeten einen eigenthümlichen Gegensatz zu dem satten Goldton de« Haare«. Wie gebannt hingen die Augen de« jungen Manne« an der reizvollen Gestalt. Frau v. Török hatte, al« die Beiden ihre Gemächer be traten, bereit« da« Reisekleid mit einer eleganten HauSrobc ver tauscht und lag, eine brennende Zigarrctte zwischen den rochen Lippen wiegend, in einem Schaukelstuhl. „Hier bringe ich Dir einen Gast, Etelka," sagte der junge Mann mit sröhlichem Lachen, „ich sand da« Fräulein zwischen Thür und Angel, und wollte es sicher unter Deiner gastlichen Schwelle geborgen wissen " Ein forschender Seitenblick streifte den Erregten und in mißbilligendem Tone kam e« von ihren Lippen: „Du bist wirklich allzubesorgt, mein Freund, — waren keine Diener in der Nähe?" Ihre seinen Mundwinkel umspielte ein herbe« Spottlächcln, sie wollte verletzen und dem jungen Mädchen die künftige Stell ung im Hause klar legen. Mit einer nachlässigen Bewegung bot sie Irma einen Stuhl an ihrer Seite. „Ich erwartete Sie schon gestern und liebe es nicht, gleich anfangs aus Unzuverlässigkeiten zu stoßen," herrschte Frau von Török Irma an. „Meine Kinder sind lange ohne Aufsicht ge wesen und bedürfen einer geregelten Erziehung. Sie sind mir durch die Vorsteherin de« E schen Institut« und durch da« Zeug- niß Ihrer letzten Stellung gut empfohlen und ich hoffe, daß Sie dieser Empfehlung Ehre machen. Für heute mögen Sic der Ruhe pflegen, morgen bitte ich Sie an Ihrem Platz zu sein." „Soweit c« in meinen Kräften liegt, werde ich suchen, Len an mich gestellten Anforderungen gerecht zu werden," erwiderte Irma mit gelassener Ruhe. Ein Frösteln durchlief ihren Körper, al« sie in die funkeln den schwarzen Augen der Dame blickte, welche mit hochmüthigem Ausdruck auf sie gerichtet waren. „Wenn Sie etwas wünschen, bitte ich der Glocke sich zu bedienen." Irma erhob sich, machte der Dame eine tiefe Verbeugung und ließ sich von der dazu befohlenen Dienerin auf ihr Zimmer führen. Karoly Gervay hatte sich unlerdeß weit über die Fenftcrbrüstung gelegt und sein Auge an der reichen, buntschimmernden Natur erfreut, doch war ihm kein Wort der Unterredung entgangen und seine Züge drückten entschieden Mißbilligung über da« schroffe Benehmen Frau von Török« aus. „Das junge Mädchen wird von Deinem Willkommensgruß nicht sehr erbaut sein, Etelka," sagte er bedauernd, „einigermaßen liebenswürdiger hättest Du sie wohl ausnehmen können." „Ueberlasse das ganz meinem Ermessen, bester Karoly," er widerte sie ungeduldig, „soll ich die neue Gouvernante meiner Kinder in die Arme schließen?" „Das wäre ein übertriebener Gefühlsausdruck," meinte er lächelnd, „allein sic ist Dir aus guten Häusern empfohlen, hat Heimath und Familie verlassen, um sich Dir nützlich zu machen und kommt nun in einen Kreis licbcleerer Menschen; Geza und Jllona werden ihr das Leben schwer genug machen." „Dafür erhält sie Bezahlung!" war Etelka« eisige Antwort. „Ich bitte Dich, mich nicht in meinen häuslichen Angelegenheiten zu bevormunden, hier ist die Grenze, wo ich nur schwer einen Widerspruch vertrage." „Etelka!" Flammenden Auges stand er ihr gegenüber, „be sinne Dich! Wann wäre ich Dir je Vormund gewesen! Einmal gelobtest Du mir Treue und ich gab Dich frei; Du folgtest einem alternden Manne zum Altar, der Deine Familie vom Untergang rettete. In treuer Pflichterfüllung, in Arbeit, fand ich Vergessenheit. Da, nach Jahren, wurdest Du wieder frei und ungebunden und botest mir aufs neue Deine Liebe. Sollte ich bereuen müssen, Dir Gehör geschenkt zu haben? Noch sind wir Beide frei!" „Karoly!" — in leidenschaftlichem, wilden, ungestümen Flehen schlug der Name an sein Ohr — „wie magst Du mich quälen mit der Erinnerung, gelobtest Du mir nicht Vergebung?" „E« liegt an Dir, mir die« Versprechen leicht zu machen." In grollender Mißstimmung gingen sie auseinander. In tiefe« Sinnen verloren ritt Karoly Gervay durch da« wogende, schimmernde Achrenmeer seiner Besitzung zu. So weit sein Auge reichte, all' da« blühende Land, all' die prächtigen Ge höfte waren sein und Frau von Török« Eigenthum. Und Karoly Gervay war der Mann, diese Besitzungen nach ihrem vollen Werth zu schätzen. Als zweiter Sohn seiner erbeingescssenen Familie wäre er mit einer bestimmten Summe abgefundcn wor den, während seinem älteren Bruder die alte, angestammte Be sitzung zuficl. Sein günstiger Stern hatte e« ander« bestimmt. Karoly« ältester Bruder Oedow hatte in Wien ein tolle« Leben geführt und war in einem Duell geblieben. Karoly, dadurch Erbe der Güter geworden, steuerte mit kräftiger Hand dem Ver fall derselben und hatte nach einigen Jahren angestrengtester Thätigkeit und weiser Sparsamkeit die Genugthuung, die Güter zu ihrer früheren reichen Ertrag«sähigkeit zurückgcsührt zu haben. Karoly wurde deshalb al« ein tüchtiger Mann im ganzen Komitat geliebt und geachtet. Die Vergangenheit zog an seiner Seele vorüber. Etelka, die schöne temperamentvolle Tochter seine- Gut«nachbarn Hcvesiy war mit ihm cmporgewachsen und die Herzen der Jugendgespiclen hatten sich später in heißer Liebe gesunden. Familienverhältnisse der traurigsten Art zwangen zur Entsagung. Etelka war die Gattin eine« reich begüterten Freundes ihre« Vater« geworden und hatte mit ihrem Gatten meist in Wien gelebt, bi« der Sturz von einem unbändig wilden Pferde seinem Dasein ein jähe« Ende bereitet und seine Gattin von einem verhaßten Bande befreit. Nach dem Ableben ihre« Galten hatte sic sich mit ihren beiden Kindern Geza und Jllona auf da« Stammschloß ihrer Familie zurückgezogen, da ihr Vater schon lange vor dem Tode seine- Schwiegersöhne« da« Zeitliche gesegnet. Frei, unabhängig, außerordentlich reich und von großer Schönheit, lebte sie nun völlig ihren Launen und unberechenbaren Einfällen. An glänzen den Bewerbern fehlte e« ihr nicht, Schloß Török hielt immer offene Gastfreundschaft und die Gut«nachbarn der Umgegend fanden stet« eine reichbesetzte Tafel. Nur einer hatte, trotz wiederholter Annäherungsversuche von ihrer Seite, in kühler Entfernung sich gehalten — da» war Karoly Gervay gewesen. Jede ihrer Einladungen hatte er un beachtet gelassen. Die Vergangenheit war abgethan, er wollte die erloschene Gluth nicht auf« neue zur Flamme entfachen, allein e« glimmten doch noch Funken unter der Asche. Einmal — c« war an einem strahlend ebenso schönen Tag wie heute gewesen — war sie vor seiner Besitzung angeritten, ohne An meldung in sein Zimmer gekommen und ihm lachend und weinend um den Hal« gefallen. Vorbei war sein Stolz, vorbei die Kälte, vorbei der Groll und die Erbitterung, die er all' die Jahre im Herzen getragen. Er hatte sic fest umschlungen und zärtlich an sein Herz.gedrückt und seit diesem Tage wurden sie überall al« Brautpaar betrachtet. Hatte sich Karoly Gervay glücklich gefühlt? Glücklich — er seufzte tief auf und gab seinem Pferde die Sporen, daß e«, der rohen Behandlung ungewohnt, sich hoch ausbäumte und in wilder Hast davonstürmte. Glücklich, nein, er war eS nicht ge worden; unter den wechselnden, tollen Launen Etelka« konnte er kaum Ruhe, geschweige Glück finden. Auch ihre Kinder Geza und Jllona waren wild und zügellos. Nur den eignen Neigungen lebend, wollten sie sich auch dem besten, edelsten Willen nicht fügen. „Arme«, arme« Mädchen," murmelte er leise vor sich hin, „das wird ein harter Lebenskampf werden; so weit es mir mög lich ist, will ich Dich zu schützen suchen." Irma zeigte sich der Aufgabe, die die man ihr gestellt, ge wachsen. Die ruhige Festigkeit, mit der sie den Unarten der Kinder cntgegentrat, verfehlte selbst auf diese wilden, herrschsüch tigen Naturen ihre Wirkung nicht. Auch der verletzend hoch- müthigen Behandlung Frau von TörökS trat sie entschieden entgegen. „Gnädige Frau haben mir Ihre Kinder zur Erziehung an- verlraut, und ich muß bitten, mich in meiner Art und Weife nicht zu beirren. Wie können die Kinder mir ganz sich unter ordnen, wenn deren Mutter mir nicht die nöthige Achtung ent- gegcnbringt. Ich finde e« wenig edel, ein schutzloses Mädchen kränken oder maßregeln zu wollen. Können meine Leistungen Sie nicht zufriedenstellen, steht c» Ihnen jederzeit frei, mir zu kündigen; mein Beruf ist nur zu lieb, al« daß ich ihn niedrigen Kinder launen opfern möchte." Frau von Török stand dieser überwältigenden Sprache starr gegenüber, allein als vornehme Dame konnte sie sich doch vor der Gouvernante ihrer Kinder keine Blöße geben, um so mehr als Irma ihr in Gegenwart Karoly« diese Lehre ertheilt und dieser sofort Irmas Partei genommen. Seit dieser Stunde hatte Irma sich in Ihrer Herrin eine unversöhnliche Feindin geschaffen. Etelka haßte da« schöne, ernste junge Mädchen und wartete nur aus eine günstige Gelegenheit, e« wieder zu entfernen. Sie haßte c« um so mehr, als Karoly Gervay seit dem Hiersein Irma» eine auffallende Kühle in dem Benehmen gegen seine Verlobte an den Tag legte. ES war ein unerquickliches Leben im Hause und die warme Herzlichkeit KarolyS Gervay- der einzige Sonnenstrahl, der in die verdunkelte Seele des vereinsamten Mädchens fiel. Auch die Dienstleute zeigten sich geringschätzig und dreist gegen sie und verrichteten nur widerwillig die kleinen Dienstleistungen, deren sie bedurfte. Irma war unzugänglich für kleinlichen, nichtssagenden Klatsch und zog ruhig und bestimmt die Grenze, die sie von niederen, ungebildeten Menschen schied. Frau von Török gab viele und glänzende Feste, doch fiel e« ihr nicht ein, Irma auch nur ein einziges Mal dabei zuzuziehen. Nicht wenig erstaunt war diese deshalb, al« die Dame des Hause« einmal unerwartet die Lehrstunden unterbrach und nach dem sie die Kinder fortgeschickt, hochmüthig fragte: „Man rühmte mir Ihre musikalische Fertigkeit; sind Sie im Stande, einige gute Concertstücke leidlich vorzutragen?" Irma erröthete tief; der geringschätzige Ton empörte sie und ihre angeborne Bescheidenheit vergessend, sagte sie echt vornehm zurückweisend: „Allein meine musikalische Ausbildung würde ge nügen, mir eine achtungswert he Stellung zu sichern, gnädige Frau!" Etelka biß sich auf die Lippen, ihr zorniger Blick maß Irma von oben bi« unten. „Gut, ich habe heute Gäste, wir wollen den Versuch machen und erproben, welchen Erfolg Ihr gerühmtes Talent hat. Sie besitzen doch eine gute Toilette, um anständig vor meinen Gästen erscheinen zu können?" „Die Mittel meiner edlen Eltern reichten hin, mir eine gute Erziehung zu geben, meine Kleidung entspricht indeß nur meinen Lebensverhältnissen und Gewohnheiten," erwiderte sie stolz. „Gut, halten Sie sich heute Abend bereit." In ohnmächtiger Wuth stürmte sie hinaus. Wenige Augenblicke später kam Manilla, da« Kammermädchen, mit stark gerötheten Wangen in da« Gesindezimmer und befahl, die Scherben im Zimmer der GoSpodina (Herrin) wegzuräumcn. Werthvolle Gläser und Vasen waren dem ZorneSauSbruchS Etelka« zum Opfer gefallen. Marinka ballte die Faust nach der Richtung, in der Irmas Zimmer gelegen war. „Seit diese Gouvernante in« Hau« kam, Hai meine Gebie terin stet« schlechte Laune. Hatten wir Dich nie gesehen, stolze«, dumme» Ding!" (Fortlesung folgt) Vermischte Vachrichten. — Der erste Wettstreit deutscher Männergesang vereine um den vom Kaiser gestifteten Wanderpreis soll , nach kaiserlicher Bestimmung am 26. und 27. Mai 1899 in Kassel stattfinden. Unter dem Vorsitz de« ObcrprSsidcnten der Pro vinz Hessen-Nassau sind 51 angesehene Beamte und Bürger der Stadt Kassel in die Ortskommission berufen worden, welche mit der lokalen Vorbereitung und Ausführung de« Feste« be traut ist. — Ein interessante« Rechenepempcl ist in der letz ten Sylvcsternacht veranstaltet worden; die Zeitung „Deutschland" berichtet darüber: Ein Rentier bot einem seiner Freunde ein Darlchn von 100,000 M. unter der Bedingung an, daß die Rückzahlung ratenweise an jedem Sonntage de» Jahre« 1899 (also am I. Januar, am 8. Januar usw.) in der Weise erfolgen solle, daß am I. Sonntage der Betrag von 1 Pf., am 2. Sonn tag ein solcher von 2 Pf. und sofort, bei jedesmaliger Verdoppel ung de« lctztgezahltcn Betrag« erledigt werde, während dann am 31. Dezember 1899 die Schuld als völlig getilgt gelten möge. Wieviel hätte bei Annahme de» Vorschlag« der Schuldner im Ganzen während de» laufenden Jahre« zu bezahlen gehabt? Nicht weniger al« da« artige Sümmchen von 82,071,992,547,409 Mark 91 Pf., also mehr al- da« 20,517fache der französischen KriegSkostencnlschädigung an Deutschland. In deutschen Gold münzen bezahlt, würde Liese Summe ein Gewicht von 656,575,940 Centnern darstellen, also zur Beförderung mit der Eisenbahn etwa 3,282,880 DoppellowricS erfordern. Zur Aufstellung eine« sol chen Zuge« würde ein Geleise von der Länge de« halben Erd äquator« noch bei Weitem nicht genügen. Denken wir uns die Suinme in dicht nebeneinander gelegten Zwanzigmarkstücken, ein reihig aufgezählt, so wäre eine Strecke bedeckt, zu der drei Fünf tel de« Wege« von der Erde zur Sonne nicht auSrcichen. — Maimatschin, die chinesisch-russische Männer stadt. Fast jede größere Stadt der Erde hat ihr eigenartige« Gepräge, die sie von ihren Schwestcrstädten wesentlich unterschei det. Pari« hat sein Boulevardleben, London seine City, Amster dam seinen Hafen, Wien seinen Prater und Berlin seinen Thier garten. Ganz ander« die Stadt Maimatschin, welche an der chinesisch-russischen Grenze gelegen ist. An Baulichkeiten oder sonstigen hervorragenden Sehenswürdigkeiten besitzt diese Stadt absolut nicht«; ihre ganze Eigcnthllmlichkeit — die allerdings eine Eigenthümlichkeit ersten Ranges ist! — besteht darin, in ihren Mauern keine Person weiblichen Geschlechtes zu beherbergen. Hier sind die bezopften Söhne de« himmlischen Reiche« einzig allein Herrscher und jeder gute und biedere Europäer, der mit unter die wohlberechtigten Gardinenpredigten seiner besseren Hälfte fürchtet, findet in dieser Männerstadt eine sichere Zufluchtsstätte gegen alle derartigen weiblichen Tücken. Waschfrau, Köchin, Haus mädchen usw. lassen sich nämlich ganz gut auch durch Männer ersetzen, wenigstens giebt die ausschließliche Besetzung aller Be- rufsartcn mit Männern, wie die« in Maimatschin geschieht, den besten Beweis dafür. Selbstverständlich bringen die verhcirathc ten russischen Zoll-, Grenz- und AnfsichtSbcamten mitunter ihre Frauen mit, diese aber ziehen es in den meisten Fällen vor, ihren häuslichen Wohnsitz in einer der benachbarten größeren Städte Sibiriens auszuschlagen, als so ganz und gar, inmitten asiatischer Barbaren, ohne ihre Mitschwcstcrn zu leben. Auch die Bauart Maimatschin« trägt viel dazu bei, den Frauen diese Stadt als ständigen Wohnsitz zu verleiden. Während nämlich die europä ischen Viertel der sibirischen Städte doch schon fast durchweg Stcinbauten ausweisen, ist Maimatschin gänzlich auS Block- oder BambuShäuscrn gebaut, die natürlich keine aüzugroße Bequemlich keiten erlauben. Maimatschin selbst besteht aus einer Chinesen- und einer Russenstadt. Beide Städte sind durch einen etwa 200 Meter breiten Wiesenstreifen, durch welchen die Grenze geht, und welcher zugleich zum gemeinschaftlichen Marktplatz dient, von einander getrennt. Aus diesem Platze findet an eigens hierzu bestimmten Tagen auch der Grenzhandel mit Thee, Bambus, Porzellan und verschiedenen anderen chinesischen Erzeugnissen statt. Die Oberaufsicht bei diesen Geschäften führt eine kombinirtc chinesisch-russische Polizei, die zwar vor allen Dingen so unpar teiisch, wie nur möglich sein soll, jedoch gern kleinen oder großen Geschenken zugänglich ist, wenn es gilt, ein Auge zuzudrücke» und Schmuggclgeschäste zu begünstigen. Auch hier gelten nämlich die guten Sprichwörter: Der Himmel ist hoch, und der Zar, resp. der Kaiser ist weit!... Die Vergnügungen dieser Männer stadt beschränken sich auf Hazardspiele und Opiumrauchen; hin und wieder unterbricht auch wohl ein in Weiberkleider steckender männlicher Komiker die Eintönigkeit de« täglichen Lebens; immer hin aber bleibt so etwas für Maimatschin ein Ercigniß, von dem man Monate lang spricht! — — Wie ein Gemurmel auf der Bühne entsteht, erfahren wir au« einer Plauderei de« „Wiener Frdbl.". Es heißt darin: „Die beste Leistung der Comparscrie de« Burg- theaters ist da» Gemurmel der Volksmassen. Diese« Gemurmel klingt jetzt viel natürlicher, al« die« im Burgtheater in früheren Jahren der Fall war. Es hört sich viel dumpfer und demgemäß auch weniger „gemacht" an. Und da« kommt daher, weil man für da« Gemurmel ein ganz neue« Rezept erfunden hat. Früher sagte man den Comparsen und Statisten nur immer, sie sollten, wenn sie Gemurmel darzustellen halten, unartikulirie Laute zu Gehör bringen; bloß die Tonstärke rcgulirte man. 'Nunmehr ist e« aber ander«. Jetzt hat jeder Comparse bei solchem Anlaß den Auftrag, sobald vom Inspizienten da« Zeichen zum Gemurmel gegeben wird, da« Wort — „Rhabarber" unaufhörlich zu wieder holen. Da« giebt dann ein wunderbares murmelnde« Tonbild. E» brauchen bloß zehn Menschen zusammenzutreten und mit halb lauter Stimme, selbstverständlich nicht im Takt: Rhabarber — Rhabarber — Rhabarber — Rhabarber — Rhabarber zu spre chen, und man wird im nebenstehenden Zimmer glauben, e« murmele eine ganze Menge die verschiedenartigsten Worte. Da« ist hauptsächlich auf die beiden, im Klange so verschiedenen „a" zurückzusühren, welche in diesem Namen vorkommen, und so hart da« Wort auch klingen mag — e« ist doch nach übereinstimmen den Ansichten da» Onomotapoetikon, d. h. die tonmalerischc Dar stellung de« von ferne au« vielen Mündern klingenden Sprechen« in deutscher Sprache. Rhabarber! Wer hätte je geglaubt, daß dieses, von den Alten so hochgeschätzte, in der Neuzeit so stark herabgekommene Kraul irgend einmal künstlerischen Charakter er halten würde!" — Anläßlich der Palästinafahrt de« deutschen Kaisers haben sich durch mündliche Gerüchte und Erzählungen bei den Beduincnstämmen de« inneren Syrien« und Arabien« fabelhafte Anschauungen über die Person de« Monarchen und seiner hohen Gemahlin gebildet. Vor allen Dingen ist es den strengreligiöscn Muselmanen ganz unfaßbar, daß die Kaiserin unverschleiert gegangen sei. Die Person de« Kaiser« selbst stellen sich diese naiven Leutchen etwa derart vor, wie sich unsere Kin der die Riesen denken. Der deutsche Kaiser ist ein „großer Padi schah", d. h. er ist etwa vier bi« fünf Köpfe größer, al« andere Sterbliche .... Auch die Einweihung der Erlöserkirche durch den Kaiser umgiebt seine Persönlichkeit mit dem Glanze eine« „Papstes der Franken." Wie ein in Suakin angestellter englischer Postbeamter dem „World" mittheilt, erzählt man sich von dem deutschen Kaiser, daß er in Begleitung vieler fränkischer Derwische (Priester) Beys und Essend!« (Offiziere) gewesen sei; er selbst habe einen langen, wallenden, schwarzen Bart, sei fast noch einmal so groß, al« alle übrigen Menschen und hätte sich mit dem Padi schah (Sultan) zum Kampse gegen die Russen und Engländer verbündet, um diese zu züchtigen und der türkischen Krone wieder ihren alten Glanz zu verleihen. Seine Frau, die ihn ständig begleitet habe, habe weiße Haare, doch sehe sie eigentlich noch gar nicbt so alt au«, im klebrigen aber habe e« alle Strenggläubigen so befremdet, daß sic keinen Schleier trug und ihre Blicke, wenn sie ein Mannsbild ansprach, nicht zu Boden senkte. Der Glan; de« Gefolge« aber sei ein unermeßlicher gewesen und hätte eher dem Triumphzugc eine« Sieger«, al« dem Pilgerzuge einer from men Menschen geglichen... Diese Wiedergabe von der Persönlich keit der deutschen Majestäten und dem Aussehen, welche« ihre Begleiter erregten, erinnert lebhaft an die Märchen und Anek doten, die sich an die Persönlichkeit de« Schah « von Persien während seines Anscnlhalle« in Deutschland knüpften.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)