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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 21.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189709219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970921
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970921
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-21
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Monat
1897-09
-
Jahr
1897
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Zuschläge aus tie steuern der verstaatlichten böhmischen Westbahn erstell. Tie deutschen Mitglieder protesliren gegen die Auffassung, daß die Deutschen Einwanderer wären. E« half aber Alle« nicht», die Tschechen erklärten rund heraus, daß sie in der Uebermacht wären und daher ihren Willen durchsetzen wollten. Der Antrag der Iungtschechen wurde denn auch angenommen. — Einen dreisten Streich verübten die Tschechen in einem anderen Vororte, Werschowitz, wo der deutsche Schulerhaltung-verein eine deutsche Volksschule unterhält. Die dortige Gemeinde gestattete, wie der »Voss. Z." telegraphirt wird, nicht die Aufführung eine» Gebäude« für die deutsche Schule, wogegen Beschwerde an den Ver waltungsgerichtshof ergriffen wurde. Da aber der genante Verein auf Grund de» Gesetzes sich berechtigt hielt, den Bau aufzuführen, wurden die Arbeiten unternommen. Freitag Abend erschien nun ein Mitglied der Werschowitzer Gemeinde vertretung mit einer Anzahl von Arbeitern, die mit Werkzeug ausgerüstet war, vor dem Schulgebäude. Sic drangen in dieses ein und begannen mit der Niederreißung. Die sofort verständigte Bezirkshauptmannschaft schritt ent schieden ein und verhinderte die Fortsetzung der Zerstörungs arbeiten. Da« Schulgebäude erlitt in Folge der gewalt- thätigen Dewolirung arge Beschädigungen. Ehe die BezirkS- hauptmannsckaft einschritt, verging kaum eine Stunde. In dieser Zeit wurde von den Arbeitern das ganze Dach abge tragen, ungeheure Oessnungen durch die Scheidemauern durchgeschlagen, sämmtliche Fenster und anschließenden Mauer- theile zerstört. Der Vertreter de» deutschen Vereins kündigte Schadenersatzansprüche und gerichtliche Verfolgung der Urheber de» Gewaltaktes an. Locale und sächsische Nachrichten. — Johanngeorgenstadt, 19. Septbr. Einen schnellen Tod sand am vorgestrigen Tage der pcnsionirte Steiger Bergert von hier. Derselbe war in gewohnter Weise am Morgen aufgeslanden und erklärte seinen Angehörigen beim Frühstück, daß er sich noch ein wenig niederlegen werde. Al« er nun nach einiger Zeil nicht wiederkam, sah man nach ihm und sand ihn todt im Bette liegen. Ein Gcbirnichtag hatte dem noch ziemlich rüstigen Manne ein Ende bereitet. — Johanngeorgenstadt. In der Nacht zum Frei tag gegen I Uhr entstand in hiesiger Stadt Feucrlärm. Es brannte ein der Firma Nestler u. Breitfcld in Wittigs- thal gehörige» altes Gebäude, da» sogenannte .untere Pacht- Hau»." Die Flammen hatten sich nach kurzer Zeit de« ganzen Gebäude« bemächtigt und erleuchteten die ganze Gegend tageS- hell. Dtin Pächter, Pferdehändler Geher, sollen viel Holz- und Hcuvorräthe verbrannt sein. Die EnlstchungSursache de» Brande» ist unbekannt. — Dresden, 17. Septbr. Die Verluste, welche die Stadt Dresden durch die Ueberschwemmung am 30. Juli erlitten, belaufen sich, wie schon berichtet, auf 1,188,000 Mark. Obwohl demnach Dresden durch da» Hochwasser ganz beträchtlichen Schaden erlitten, beschloß der Rath dennoch mit Rücksicht aus die namentlich im Vergleiche mit anderen, insbesondere kleinen Gemeinden des Lande» günstige Finanz lage der Stadt Dresden, die Stadl Dresden nicht als hilfs bedürftig! im Sinne der Ministerialvcrordnung zu bezeichnen und deshalb um staatliche Beihilfe zu den Kosten dieser Her- stellungSarbeitcn nicht nachzusuchen. Da» Stadtverordneten kollegium trat diesen Anschauungen de« Rath« einstimmig bei. — Dresden, 17. Septbr. Vor etwa acht Tagen fand der auf dem Pcrsonenhauptbahnhose in Dresden-Altstadt bedienstete Wagenputzcr Fiedler in einem Eisenbahnabtheil ein Päckchen Coupon» von ungarischen Staatspapieren im Wertbe von ungefähr 3M Gulden. Der ehrliche Mann lieferte den Fund sofort bei seiner vorgesetzten Behörde ab. Nach einigen Tagen kam die Verlustträzerin, eine Dame au« Hainsberg, wieder in den Besitz ihres EigenthumS. Sie begnügte sich aber nicht damit, die sonst übliche Abfindung zu geben, sondern ruhte nicht eher, bis sic den ehrlichen Finder vor sich sah, und händigte ihm persönlich einen Brief ein, der die Aufschrift trug: „Ehrlich währt am längsten!" Al» der Mann später den Brief öffnete, sand er 60 M. darin. Man kann sich seine Freude denken. — Dresden, 18. Septbr. Die Mündung der Weißeritz in den Elbslrom war bekanntlich durch die Hochwässer auf eine entsetzliche Weise verwüstet worden. So fort nach dem Fallen de« Wassers wurden die allernolhwendigsten Arbeiten zur Aufrechterhaltung des Verkehrs getroffen, während gegenwärtig die ErneuerungSarbciten an den Ufern, Brücken und Wegen in planmäßiger Weise ausgenommen worden sind. Mehrere hundert Arbeiter find damit beschäftigt, die Ufer- und anderen Bauten, wenn möglich so weit zu fördern, daß dieselben vor Eintritt de» Froste» in der Hauptsache al« be endet angesehen werden können. Die schwerste Arbeit bietet sich den Arbeitern durch die Freilegung de« Weißeritzbette« und die Entfernung der Landzunge und Barre, die sich dadurch gebildet haben, daß die wilden Wasser die Steine, Ziegel, Balken re. der wcggerissenen Gebäude, sowie die entwurzelten Stämme, Sträucher dort ansetzte, die sich dann im Elbslrom festkeiltcn und nunmehr entfernt werden müssen. Im Strome selbst liegen zwei mächtige Baggermaschincn, deren Paternoster- Werke unablässig thätig sind, die unter dem Wasserdrücke fest gefügten Massen zu entfernen und Sand, Ziegel, Steine -c. nach dem rechten Elbuser bringen zu lassen. Da« einzige große Taucherschiff, welche« Sachsen besitzt, hat die Aufgabe, die in jene Anschwemmungen gekommenen Bäume, Balken, Bauhölzer und tergl. in ter Tiefe auszusuchen, ihre Lage zu bestimmen und sie dann mitelst der Taucher anseilen zu lassen. Ist die« geschehen, so beginnt da« Hebegcschäft, dem sich aber außer ordentliche Schwierigkeiten dadurch entgegenstellcn, daß die Stämme sehr sest vergraben sind. Eine mächtige Kastanie von 1Stammstärke, die wahrscheinlich au« dem Plauen- schen Grunde bi» hierher gekommen war, konnte erst nach dreitägiger Arbeit an da« Tagcrlicht gebracht werden. An dere Hölzer ersordern saft ebensoviel Arbeit. Während diese» Schiff ununterbrochen im Strome thätig ist, geht man der neugebildeten Landzunge energisch zu Leibe. Ueber da» un gleiche Terrain ziehen sich Feldbahnen, auf denen die gelösten Sand- und Gcröllmaffen nach dem Lande geschafft werden, um dort al« Füllmaterial sür da« soxtgerissenc Land zu dienen. Au» dem Ehao» de« zerwühlten Boden«, in dem man der Weißeritz, die gegenwärtig m Wasserstand hat, ein neue» provisorische« Belt angewiesen hat, ragen die durch die Unter waschungen geborstenen Maucrrefte der Brücken und User al« traurige Erinnerung-zeichen an die Zeit hervor, wo noch in entsprechender Höhe da» Terrain von zwei Brücken über spannt wurde. Die neuen User werden soweit au»einandcr- gerückt, daß die Mündunz»stelle der Weißeritz 90 ui betragen wird. — Chemnitz, 17. Septbr. Stadtverordneter Zacharia» hat an den Rath einen Antrag abgegeben, welcher dahin gehl, daß in Zukunft auf städtischen Bauten tschechische Arbeiter nicht mehr angenommen werden dürfen. Da» Stadtverordneten Collegium, da« den Antrag unterstützte, ist sich der Schwierigkeiten bei der Durchführung der Maßregel wohl bewußt, glaubt aber, daß eine scharfe Controle den beab sichtigten Erfolg haben wird. Auch hofft man, daß die Herren, die Privatbauten au«führen, sich der Bewegung an schließen werden. — Zwickau, 17. September. Strafkammer III. In der Sitzung de« kgl. Schöffengericht« zu Eibenstock vom 28. Juli d. I. war der Sattler Friedrich Ernst Geier in Hund»hübel von der gegen ihn von der Schneiderin Selma Dietrick daselbst wegen Beleidigung erhobenen Privatklage freigesprochen, der Klägerin aber sämmtliche Kosten aufcrlegt worden. Bei diesem Urtheile verblieb c« auch heute, indem die von der Klägerin dagegen eingewendte Berufung ver worfen wurde. — lieber die Lage unserer erzge birgischen Land- wirthschast wird dem „Chemn. Tgbl." unterm 18. d. fol gende» berichtet: Zwar zeigt sich heute nach einigen Tagen die Sonne einmal wieder, welche durch wochenlang!-« trübe« und regnerische« Welker gar nicht zum Vorschein kam. Wollte Gott, cd bliebe mehrere Tage schön, damit die erzgebirgischen Landwirthe ihr Getreide einbringen könnten! Dasselbe liegt nun schon seit Wochen gemäht auf dem Felde und wächst über uno über au«, sodaß fast kein Körnchen mehr zu finden ist, welche« nickt gekeimt hat. ES ist dadurch die ganze schöne Ernte säst völlig vernichtet worden, denn die angekeimten Körner sind, wenn sie nicht ganz trocken geborgen werden, zu gar nichts mehr zu verwenden, sie wachsen meist in der Scheune weiter und faulen dann oder, verschimmeln. Wenn aber nun noch einige sehr heiße und windige Tage kämen, dann könnten wenigstens die gekeimten Körner trocken werden und, wenn auch sehr viele im Stroh beim Dreschen stecken bleiben, doch die wenigen al« geringwcrthigc« Viehsuttcr dienen. Freilich gehören dazu mehr Tage, als die zwei regensreien am Dienstag und Mittwoch, und besonder« ist sehr viel Wärme nöthig, denn solch beinahe verdorbene« Ge treide halbtrocken cingefahrcn, verdirbt vollständig in der Scheune. Es wird denn auch da« Stroh verfaulen, welches wenigstens jetzt noch al« Streustroh zu verwenden wäre, wenn e» trocken geerntet würde. Dadurch wird e« nächsten Winter sehr an Futtcrslrch fehlen, denn da« dazu so vorzüglich geeig nete Sommergelreidestroh liegt noch auf dem Felde und ver dirbt. Da« Grummet fault ebenfalls in den Haufen aus Wiesen und Feldern oder wird breitliegend vom Regen au«- gelaugt und entweichet. Die Kartoffeln wachsen infolge der trüben und nassen Witterung schon längst nicht mehr, ja sic faulen schon in dem Acker. Die Herbstbestellung kann auch nicht vorgenommen werden, denn manche Aecker sind so auf geweicht, daß die Pferde auf dem Felde tief einsinken und nicht darauf laufen können. E« ist dadurch wirklich eine außerordentliche Noih für die Landwirthe unsere« Erzgebirge entstanden, die denselben Millionen Schaden bringen wird. Dieselben haben so schon in den letzten Jahren unter geringen Ernten bei niedrigen Gelreidepreisen zu leiden gehabt, und e« wäre sehr zu wünschen, daß bald bessere« Weller eintretc. In den oberen Gegenden de« Erzgebirge«, wo noch nicht eine Garbe von der heurigen Ernte eingebracht worden ist, hat da« anhaltende Regenwetter sicher mehr Schaden gemacht, al« da« letzte Hochwasser. Theater. Die GesangSposse „Von Stufe zu Stufe", welche am Sonntag aufgcführt wurde, halte ein zahlreiche» Publikum angclockt. Die Rollen lagen in den besten Händen und wurden zur allgemeinen Zufriedenheit dargestellt. Neben den Damen Larissa Voigt-Karich« u. Marie Prevor thaten sich die Herren Neumeister, Voigt und Reinhardt besonder» heivor. Da« Ensemble ist durch verschiedene neu cngagirte Darsteller, Herren und Damen, verstärkt worden, so daß ein Besuch der Vor stellungen nur zu empfehlen ist. Heute Montag Abend wird da« Seniationistück „Trilbh" wiederholt und morgen wird die lustig?Operettc „Die RegimcntStochler" aufgesührt. Marie Prevor singt die Titelrolle. Auf der Wanderschaft. Original-Erzählung aus der sozialen Bewegung der Gegenwart. Vo» Th. Schmidt. (28. Fortsetzung). Der Diener entfernte sich und der Doctor lächelte fein vor sich hin. Seine Gedanken wollten eben den durch Leiser» Eintritt verloren gegangenen Faden seiner kühnen Pläne wieder ausnehmen, al» sein Blick auf eine« der zurück behaltenen Blätter siel. Der schöne Mädchenkops, den er aus da« Blatt gezeichnet hatte, gab seinem Jdecngange plötzlich eine ganz andere Richtung. Er betrachtete die Zeichnung lange und der Anblick rief ihm alle die trauten Stunden, die er in Gejelffchaft Clärchcn« verlebt hatte, wieder in« Gedächtniß zurück. An Melancholie soll e« leiden, da« herr liche Geschöpf, da« muntere übermüthige Kind. Melancholie bei jungen Mädchen?-Die Prognose deutet auf Herzen«- kämpsc. Wie, wenn Clärchcn durch sein lange« Schweigen an ihm irre geworden war? Wenn sic ihn sür gewissenlos genug hielt, daß er die Hoffnung, welche er bei ihr erweckte, jäh zerstören könnte? — Ja, nur so lag der Fall, da« war die Ursache ihre» Leiden«, und mußte ihr Zustand bereit« einen bedenklichen Grad erreicht haben, sonst hätte ihr Vater desselben gewiß nicht erwähnt. Und er, der Clärchcn doch so unendlich liebte, sollte Schuld daran sein, daß diese« liebe, süße Mädchen sich in Gram verzehrte? Der Doctor sprang bei dieser Vorstellung erschreckt aus und durchmaß nachdenklich fein Bureau. „Ich muß hin," sagte er endlich stehen bleibend. „Wer weiß, wa« dahinter steckt! Möglicherweise hat Cornelia die Hand im Spiele, sie hat dem Mädchen wahrscheinlich ein Gcständniß seiner Liebe entlockt und bei ihm dann mit ihrer glatten Zunge jede Hoffnung auf eine Vereinigung mit wir zerstört, indem sie ihm eine erdichtete Geschichte von meiner Neigung zu ihr, von älteren Rechten und dergl. erzählt». Ja, da» wird, nein, da« muß e« sein, ander« kann ich mir Cor nelia» Brief und Clinchen» niedergedrückte« Wesen nicht er klären." — Nach etwa acht Tagen traf au« Blankenfelde, al» Ant wort aus de« Doctor« letzten Bericht von seiner Erkrankung, ein Brief von Herrn Brauer ein, den der Empfänger meh rere Male durchla«, bevor er ihn mit enttäuschtem Gesicht au« der Hand legte. Brauer schrieb, daß sie sich Alle sehr freuten, ihn von der schweren Krankest wieder hergcstellt zu sehen. Leider könne er von seiner Tochter nicht dasselbe be richten. Der krankhafte Zustand (wie der Arzt behauptete, ein schleichende» Nervenübel) hätte sich in den letzten Tagen eher verschlimmert al« gebessert. Er würde seine Tochter wohl nach dem Süden schicken müssen, da der Arzt ihr eine Luftveränderung verordnet habe. Mit Frau Schilling hätte er wegen seiner Forderung gesprochen. Sie hätte bereit« ihren Banquier mit Anweisung zur Auszahlung de« Geldc» in der ganzen, früher von ihrem Manne geforderten Höhe angewiesen. Frau Schilling schiene über die Aussicht, ihn zum Christfeste bei sich zu sehen, sehr erfreut. Ueber die ihm (dem Doctor) mitgethcilten Pläne zur Verbesserung der Lage ihrer Arbeiter hätte sie mit ihm bi« heute noch kein Wort gesprochen. Zum Sckluß wünschte Herr Brauer ihm scrnere gute Besserung. Da« Schreiben war in einem kühlen, fast geschäftsmäßigen Tone gehalten. E« wehte dem Lesenden förmlich eine eisige Luft darau« an. Der Doctor war auf'« Höchste betroffen. Kein Gruß von Frau und Tochter, keine Einladung zum Besuch, kein von Herzen kommende« freudige« Wort über seine Genesung, nicht« al« kalte HöfltchkeitSphrasen enthielt der Brief. Hatte er da« verdient? fragte sich der Doctor. In tiefem Nachdenken verloren starrte er vor sich hin. Endlich faßte er einen Entschluß. „Du mußt reisen!" rief er erregt. Aber da« war leichter gesagt, al« gethan. Er war mit Arbeit überbürdet, außerdem erforderte seine Re konvaleszenz noch die Ihunlichste Schonung. Der Doctor sah aus den Wandkalender, welcher bereit« den 20. Dezember anzeigie, dann ging er zu seinem Compagnon und besprach mit ihm den Plan einer Reise nach Blankenseld. Hart, ein älterer, liebenswürdiger Herr, war mit Allem einverstanden. „Gehen Sie in Gotte« Namen, Sie haben ja so viel Material sür den politischen Theil der Zeitung gesammelt, daß c» bi« -Neujahr reicht. Herr Scherer" — er meinte den zweiten Redakteur — „hat Sie ja während Ihrer Ab Wesenheit gut vertreten, und da« soziale Werk gedenke ich erst nach Neujahr zur Druckerei zu geben. Hoffentlich überraschen Sic mich zum Christfeste mit Ihrer Verlobung," sagte er scherzend. Clärchcn heißt „sic" doch? — Sie staunen, wo her ich den Namen weiß. Sie selbst haben ihn, zweisello« lief in Gedanken, so häufig aus Ihre Zeichnungen geschrieben, daß man ihn leicht erralhen kann." Einige Tage später — man schrieb den 24. Dezember — empfing Herr Brauer kurz vor Tisch au« Münster ein Tele gramm, dessen Inhalt ihn in große Aufregung zu versetzen schien. Er befand sich mit seiner Herrin gerade in der Fabrik, in einer größeren Abtheilung de« Lagerhauses, au« der man alle Vorräthc hinausgeschafft hatte und die in diesem Augen blicke einem Kurzwaarengeschäst oder Kramladen glich. An den Seiten standen lange Tische mit allen möglichen Sacken bepackt, wie sie aus dem Weihnacht-markte anzutresfen sind. Drei große Tannenbäume, welckc die Comploirbcdienstclen mit allen möglichen Sachen und Sächelchen behingen, standen in der Mitte de« mehr langen al« breiten Raume«. Frau Cornelia, welche Trauerkleidung trug, zeigte heute ein heitere« und glückliche« Gesicht; sie ging von einem Tisch zum anderen, besichtigte die Gegenstände, meist Spielzeug für Kinder und Wollsachcn für Erwachsene, ordnete hier etwa» an, oder legte dort noch eine Hand voll Nüsse und kleine Kuchen zu einem ihr nicht groß genug dünkenden Geschenk. Dabei redete sie eifrig mit Herrn Brauer, der sic begleitete und sich sichtlich Mühe gab, vor ihr seine Auslegung zu verbergen. Al« Beide ihren Rundgang durch den zu einer Christ beschecrung für die Arbeiter und deren Familien hergerichteten Lagerraum beendet hatten, wandte sich Frau Cornelia in der Thür noch einmal um und ließ den Gesammtcindruck de« hübsch mit Tanncngrün geschmückten Raume« einen Moment auf sich einwirkcn. „Sie haben Alle« prächtig arrangirt, Herr Direktor," — sic nannte ihn seit dem Tode ihre« Manne« nie ander« — „und ich bedauere nur, daß der Doctor nicht hier ist. Sie wissen ja, wie er sich für Alle«, wa« sür die Arbeiter und ihre Familien geschieht, interesstrt. Ich habe mich bei Allem, wa» ich für die Leute von jetzt an Gute« thun will, nur nach seinen gelegentlich geäußerten Vorschlägen gerichtet. Glauben Sie, daß e« mir gelingen wird, die Leute zufrieden zu stellen und daß sie sich wohl in meinen Diensten fühlen werden?" „Davon bin ich sest überzeugt," antwortete Brauer, „Sie sollten nur einmal sehen, mit welcher Lust die Arbeiter jetzt schaffen. Sie werden heute Abend nur glückliche und zufriedene Menschen sehen. Ich ging vorhin durch die Werk stätten und horchte, wie die Arbeiter über die ihnen gestern in Aussicht gestellte Chrislseier mit Vcrloosung von Geschenken dachten. Nun, ich sand überall nur freudige Gesichter und Blicke de« Danke«, und da« hat meinem Herzen wohl gethan. Sic erwähnten soeben unsere« Freunde«, de« Doctor» und bedauerten, daß er nicht an der Feier Iheilnchmcn könne. Da Sic sich nach seiner Gesellschaft zu sehnen scheinen, so darf ich Ihnen den Inhalt diese» Telegramme« wohl nicht länger vorenthallen. Der Dcctor kommt — in einer guten Stunde trifft er hier ein. Bitte, lesen Sic." Brauer überreichte seiner Herrin da« Telegramm und beobachtete sic dabei scharf. „Ach, wie herrlich! Nun kommt er doch in letzter Stunde!" rief Frau Cornelia, und ein jähe« Roth färbte ihre Wangen. „Ein charmanter Mann, dieser Dcctor — hält doch immer Wort! Ich danke Ihnen, Sie haben mir mit dieser Nachricht eine große Freude bereitet. Nun darf ich Sie aber nicht länger aufhaltcn, sonst kommen Sic nicht mehr rechtzeitig zum Zuge, an dem er sic, wie er in dem Telegramm mit- Ihcilt, erwartet. Sagen Sic dem Doctor, daß mir viel daran gelegen sei, wenn ich ihn heule vor der Christbescheerung noch sprechen könnte. E« ist wegen de« Legat«, von dessen Zinsen alljährlich dem zur Zeit am längsten in der Fabrik beschäftig ten »erheiralheten Arbeiter, wie ich Ihnen heute Morgen erklärte, ein Hau« errichtet werden soll. Ich möchte erst seine Ansicht darüber hören." Brauer verbeugte sich. „Ich werde dem Herrn Doctor Ihren Wunsch sofort mittheilen." Hierauf empfahl er sich
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