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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 16.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189709162
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970916
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970916
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-16
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Monat
1897-09
-
Jahr
1897
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13. Draußen herrsch!» Winter. Seit zwei Tagen schon rie selte ein feiner Schnee hernieder, und wer nicht sein Heim zu verlassen brauchte, blieb im warmen Zimmer, denn e« war draußen bitter kalt. Unter dem weit vorspringenden Dache eine» Nebengebäude», welche« mit dem Hauptgebäude in einer Hauptverkehrsstraße der süddeutschen Universitätsstadt H. lag, hockte eine Anzahl Spatzen dick aufgeplustert aus einer an die Wand gehängten Leiter und ließ von Zeit zu Zeit ein laute« »Tschilp! Tschilp!" ertönen, oder äugelte nach einem gegenüber im Hauptgebäude gelegenen Fenster hinauf, au» dem ihm heute schon mehrere Male von einem blaß u. kränk lich auSschcnden Manne eine Hand voll Brodkrumen zuge worfen worden war. Da» laute Gekreisch, mit dem die Spatzen ihre Anwesenheit verricthen, hatte endlich den Erfolg, daß sich wieder da» Fenster öffnete u. mehrere Stücke einer Semmel in den Hof hinunterflogen, welche für sie da» Sig nal einer regelrechten Rauferei um die Leckerbissen bedeutete. »Ja, ja, Ihr seid auch so eine Art Proletarier in der Vogelwelt," murmelt der Mann, der ihnen die Semmelstück chen zuwars, »denn während die meisten Eure» Geschlecht» im Herbst gen Süden ziehen und dort den Tisch gedeckt finden, müßt Ihr Euch hier im kalten Norden kümmerlich durchschla gen. Daher rührt auch wohl Euer Haß gegen die anderen Sänger der Luft und Eure Verbindung zu größeren Schwär men, welche viele Eure» Geschlecht» sürchten, u. Eure grenzen lose Frechheit und Rauflust." Sinnend schloß der Mann, in dem wir Fritz Wolter», »IiL8 vr. Scholle wieder erkennen, da» Fenster und setzte sich an seinen RedaklionStisch, um den letzten Artikel für da« am Nachmittage erscheinende Blatt schnell fertig zu schreiben, denn an der Thür wartete bereit» der Setzcrlehrling darauf. Al» sich der Lehrling entfernt hatte, nahm I)r. Scholle einige Briefbogen zur Hand und breitete sie vor sich au«. Dann tauchte er nachdenklich die Feder ein und ließ dieselbe über da» Papier gleiten. Er schrieb: »Mein thcuerer väterlicher Freund! Seit drei Tagen sitze ich wieder am RedaktionStischc. Sie und Ihre Damen werden mich gewiß längst zu denjenigen Männern geworfen haben, die bei einer Abreise Alle» versprechen und mit dem Besteigen de» Eisenbahnwagen» bereit« alle» Versprochene wieder vergessen haben. Gott sei Dank, brauche ich wegen der Thatsache, daß ich Sie vier Wochen lang ohne Nachricht ließ, nicht zu den gewöhnlichen EntschuldigungSgründcn, wie Ueberbürdung mit Arbeit, unaufschiebbare Reise und dergl. meine Zuflucht zu nehmen, sondern ich hoffe, sogleich Ihre und Ihrer Damen Verzeihung zu erlangen, wenn ich Ihnen schreibe, daß ich in diesen vier Wochen in einem kleinen bayer ischen Orte schwer an Typhus erkrankt gelegen habe und erst vor vier Tagen al» ReconvaleScent mit der Bahn nach hier zurückgekehrt bin. Der Arzt hat mir noch jede geistige Thätig- keit verboten; aber da» ist leichter gesagt, al» au»gesührt, denn seitdem ich mich wieder auf meine Füße verlassen kann, steigert sich bei mir auch da» Verlangen nach Beschäftigung. Ich habe zu den Berichten über meine Erlebnisse, welche ich Ihnen ja so ziemlich alle acht Tage übersandte, nur wenig hinzuzufügen. Die letzten Tage vor Ausbruch meiner Krank heit arbeitete ich in einer Fabrik, in welcher vorzugsweise Schlösser angefertigt werden — entsetzlicher Schund war da», da» ganze Dutzend schon zu zwei Mark. Wenn man sieht, wie derartige Gegenstände dutzendweise in den Fabriken zu sammen geklopft werden, dann versteht man die Klage de« Handwerkers, daß die Fabrikarbcit sie ruinire und die Erzeug nisse des ehrbaren Handwerk« gegen die billige Schwindel- waare au« den Fabriken vergeben» kämpfe, weil diese, oft überhaupt für den Gebrauch ganz ungeeignet und daher für da« billigste Geld noch zu theuer, durch ihren niedrigen Preis und scheinbare Gediegenheit den Laien besser in die Augen stechen. Wo unsere Industrie wirklich Gediegene» erzeugt, da stehen die hohen Preise ost in gar keinem Verhältnisse zu dem verbrauchten Rohmaterial und den Arbeitskosten, beson der» wenn e» sich um Gegenstände handelt, auf die man sich ein »Patent" hat geben lassen. E» ist bedauerlich, daß die Kunst de» Maler», Bildhauer», Architekten rc. der schnöden Profitwuth de» Kapitals und de» Großbetrieb» insofern Vor spanndienste leistet, al- sie oft der trostlosesten Schwindelwaarc Form und Schönheit verleiht und dieser dadurch erst zum Schaden de« Käufer» Absatz verschafft. Und während die Herren Aktionäre oder der »Herr Fabrikant" oft an einem einzigen Gebrauch«gegenstande Hunderttausende u. Millionen verdient, hungert der Künstler und Arbeiter. Sind da« ge sunde Zustände in unserm Erwerbsleben? Nein, gewiß nicht! Während früher der intelligente Meister, der nach jahrelangem Fleiße die Welt mit einer wichtigen Neuerung oder bahn brechenden Erfindung in seinem Fache überraschte, auch die Früchte seine« Fleiße« erntete, bemächtigt sich heute da» Ka pital, der Geldmensch, jener und beutet sie für sich au». Ein Beispiel dafür ist da« Schicksal meine» armen Vater», der trotz der epochemachenden Erfindung, von der ich Ihnen er zählte, verarmt starb, während ein Anderer reich davon wurde. Wohin wir bei diesem Zermalmungsprozeß kleiner Existenzen noch gerathen — wer weiß e«! In Amerika bezeichnet man den Mann, der in kurzer Zeit ein Vermögen zusammenrafft, al» »smart" (auf deutsch: gerissen) und bei un» winkt nicht selten demjenigen, der die „Conjuncturen" an der Börse oder im Gcschäft«leben schlau ausnutzte, der CommerzienrathStitel. Nach dem Ruin vieler kleiner Existenzen, welche entweder bei dem gelungenen Tric an der Börse einbüßtcn, oder durch da neue Unternehmen de« Einzelnen ihr Geschäft zu Grunde gerichtet sehen, oder nach der gewissenlosen Ausnutzung der bei der herrschenden Arbeitslosigkeit billig zu habenden Ar beitskräfte frägt Niemand, wenn der »ferme" Unternehmer nur äußerlich den Biedermann herauszuhängen versteht. Ob schon ich nach meiner Abreise von dort nur vier Wochen »auf der Walze" war, habe ich doch so viel Material für meine sozialpolitische Arbeit gesammelt, daß ich dieselbe wohl in Buchform werde hcrauSgeben müssen; für eine kurze Brochüre ist'« zuviel. Ja, e» ist wahr, wa« die politischen Skeptiker behaupten, daß sich in allen Schichten sowohl de« Mittel- wie auch de» Arbeilerstande» ein gehäuselte« Maaß von Unzu friedenheit angesammelt habe. Und wa» da» Schlimmste ist, die Unzufriedenheit ist fast durchweg berechtigt. (Fortsetzung folgt.) Reim KoMseur. Erzählung von Wilhelm Appell. (I. Fortsetzung.) »Die Demüthigung, die mich heul' getroffen, wollte ich ja gern verschmerzen, denn Du hast mir durch Deine Kinder liebe reichen Ersatz dafür geboten," sagte er, nachdem er sich wieder gefaßt., »Aber der Summer, woher ich eine neue Uniform nehmen soll, um vor den Kaiser treten zu können, und doch ist seine Gerechtigkeit allein im Stande, un« zu retten. Woher aber soll ich da» Geld zur Anschaffung einer Uniform nehmen, damit man Deine« Vater» nicht mehr spotten kann? Wenn e» noch einmal geschieht, bricht e« mir da« Herz!" Wieder bedeckte plötzlich die glühende Röthe de» Zorne« und der Scham seine Stirn. Stumm ging er hinau» und bald verhallten seine Schritte auf der Treppe. Wie Schwerter hatten seine letzten Worte da» Herz der Tochter durchwühlt. Ihr Vater verspottet und verhöhnt, ihr edler Vater! Sein theure« Haupt vor Schmach u. Schande gebeugt zu sehen, da» ertrug sie nicht. Woher aber Hilfe, woher Rettung schaffen? Ring« um sie gab e» nur kahle Wände und nicht» Werthvolle» war mehr in ihrem ganzen Besitze, und geborgt bekam ihr Vater die Uniform ja nicht, denn längst schon hatte der Schneider, al» er die traurigen Verhältnisse sah, e» verweigert, auf Kredit zu liefern. Sollte sie vielleicht ihren Leopold bei seiner Rückkunft bitten, daß er ihrem Vater Kleider kaufe? Nein, nein! Die« zu thun, wäre sic nicht im Stande gewesen. Aber auch nicht da» Geringste gab e», wa» noch einigen Werth besaß, und nur ein Spiegel an der leeren Wand ge mahnte an entschwundene bessere Zeit. Auch dieser würde längst verkauft worden sein, wenn nicht ein großer Sprung denselben werthlo» gemacht hätte. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, al» könne sie damit alle« Leid verwischen. Plötzlich blieb dieselbe auf den Wellen ihre« blonden Haare» ruhen und gleich daraus befreite sic c» au» den vollen Flechten, und al» ein leuchten der Mantel umfloß e» ihre Gestalt, fast bi» zur Erde nieder wallend. Tiefe Blässe begann Augusten» Gesicht zu überziehen, während ihre Augen zugleich in edlem Feuer strahlten. »Sie tragen wirkliche» Gold auf Ihrem schönen Köpf chen, Mademoiselle, denn Ihr prächtige» blonde» Haar, da« in so seltener Fülle und Länge Ihr Haupt schmückt, ist Golde» werth. Ich selbst würde Ihnen dafür sofort zwanzig Dukaten bieten." So halte der Hosfriscur vor längerer Zeit, al» sie eine Kleinigkeit bei ihm kaufte, zu ihr gesprochen, und diese Worte wollten ihr nicht mehr au» dem Gedäcktniß. »Niemand soll mehr meine» guten, edlen Vater» spot ten!" ries e» jetzt in ihr. »In einer neuen Uniform soll er vor den Kaiser treten können und nicht in banger Scham da» Gesicht zu Boden kehren müssen, wenn er an Bekannten au» besserer Zeit vorübergeht. Zwanzig Dukaten reichen dazu au«, und eine kleine Summe bleibt selbst noch übrig!" Rasch faßte sie eine Schecrc vom Tische und fuhr mit derselben dicht am Kopse an die Haare. »Mächtiger al« wie mit ehernen Ketten bin ich durch Deine blonden Locken an Dich gefesselt, die ein Band um mich gewoben haben, da» unzerreißbar ist!" hatte Leopold beim Scheiden ihr gesagt. Da hielt sic einen Augenblick inne und schmerzlich zuckte e» durch ihr Herz. Aber auch nur einen einzigen Augenblick, dann fiel schon eine volle, lange Welle ihre» Haare» unter der Schere. Nach wenigen Minuten lag die leuchtende Zier am Boden und mit kurz geschnittenem Haar stand sie vor dem Spiegel und blickte ihr verändertes Bildniß darin an. In tiefem Purpur flammte e» da in heißer Scham über ihr Gesicht. Aber Reue fühlte sie nicht über ihre That, sondern eine fast selige Freude durchzog ihre Brust und ein leise» Lächeln umspielte ihren Mund. Sollte dieser Handlung wegen, die sic jetzt begangen, ihr Leopold sie nicht mehr lieben und fortan nicht» mehr von ihr wissen wollen? „Nein, nein!" jubelte c» in ihrem Herzen auf, »er ist ja zu gut und edel, um mir diese That der Kindesliebe al« Verbrechen anzurcchnen!" Glück und Frohsinn hielten seit langer Zeit zum ersten Mal wieder Einkehr in ihrem Herzen, während sic mit einem leichten Tuche sich den Kops umwand, damit man nicht den Verlust ihrer Haare bemerke, die sic nun sorgsam vom Boden aufla» und mit Papier umhüllte. Dann richtete sie sich schnell zum Aurzehcn, und schlug den Weg zum Hosfriscur ein. 2. Eilig ging sie in ihrem ärmlichen Kleide, da» Päckchen mit den Haaren an die Brust gepreßt, der inneren Stadt zu, wo der Hoffriseur sein Geschäft hatte. In demselben verkehrten fast nur Kunden au» der höchsten Aristokratie, ja selbst Kaiser Joseph II. erschien öfter«, um an seiner Frisur etwa» richten zu lassen, oder um einige Zeit mit dem Hof friseur zu verplaudern, dem er seine» ehrenhaften Charakter», seiner Klugheit u. Verschwiegenheit wegen wohl gewogen war. Doch al» sie nun in die Nähe de» Geschäfte» kam, wurde ihr bange zu Muthe und sic begann zu fürchten, daß der Hoffriseur sein Versprechen nicht einlösen werde; allein schnell verwarf sie diesen Gedanken, wußte sie doch selbst recht gut, daß schöne Haare stark begehrt wurden und des halb auch hoch im Preise standen. Eine gewisse Furcht blieb aber doch zurück, und nur mit Zagen betrat sic endlich den Laden de» Friseur«. Da» mit hohen Spiegeln versehene Zimmer war prächtig auSgcstattet und glich eher dem Prunkgemach eine« Fürsten, al« einem Friseursalon; die vornehme Kundschaft bedingte jedoch diesen Luxu». Auguste wurde durch diesen Glanz und Schimmer noch mehr verschüchtert; doppelt armselig erschien sie sich in dieser Umgebung und kleinlaut klang ihr Gruß. Al« sie die Augen ausschlug und nach jener Richtung blickte, woher ihrem Gruß freundliche Erwiderung geworden, erfaßte sic Enttäuschung, denn nicht der ihr wohlbekannte, stet» sehr elegante Hoffriseur war e», der al« einzig Anwesender im Hintergrund de« Zimmer» stand, sondern ein gänzlich fremder Mann in einem einfachen grauen Uebcrrock. Mit vor Aufregung zitternder Stimme fragte sie, ob der Hoffriseur nicht zu sprechen sei und ob derselbe nicht bald erscheinen werde, da sic in einer dringenden Angelegenheit gekommen wäre; dann fragte sic auch noch in ihrer Verwirrung und in ihrem Wunsch, bald möglichst an ihr Ziel zu kommen, den im Zimmer Weilenden, ob er vielleicht im Geschäft angestcllt sei. Da blitzte e» schalkhaft über da» freundliche Gesicht de« hohen schlanken Manne« und lächelnd entgegnete er: »Aller ding«, ich bin der Geschäftsführer de« Hofsriseur«, und da dieser lange «»»bleiben dürst», gern bereit, jeden Ihrer Wünsche zu erfüllen!" »Mein Anliegen ist aber so eigenthümlicher Natur, daß ich dasselbe doch lieber dem Herrn Hoffriseur selbst mittheilen möchte," meinte sie jetzt wieder in ihrer großen Verlegenheit. »Mademoiselle, ich bitte Vertrauen zu mir zu fassen, denn ich besitze die Vollmacht zur Erledigung eine« jeden Geschäft»." Und al» der angebliche Vertreter de« Hoffriseur« Augusten« Schwanken und Kämpfen sah, redete er ihr nock> Weiler herzlich zu, und au» seinen Zügen sprach so viel Herzen»güte, daß kindliche« Vertrauen zu dem fremden Mann ihr Herz zu erfüllen begann und sie länger kein Hehl darau» machte, wa» sie hergeführt habe. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — »In schonender Weise!" Da« »Wiener Tag latt" erzählt folgende Anekdote: »Der verstorbene König von Württemberg hatte einen Privat-Sekretär, der sich vom Dorf kind durch besondere Anstelligkeit und Findigkeit zu dieser Stellung emporgearbeitet hatte und, obwohl in Rede und Haltung da» bäuerliche Wesen oft genug verrathend, trotzdem, ja vielleicht gerade deshalb da» Vertrauen de» alten König« genoß, der ihn gern zu allerlei persönlichen Aufträgen und besonder« intimen Missionen verwendete. So ließ er ihn denn auch eine» Tage» kommen, um ihn in besonderer Send ung nach Frankfurt a. M. zu schicken, wo damals noch der Bundestag residirte. Württemberg war aus demselben durch Freiherrn v. Linden vertreten, den spätem nachmärzlichcn konstitutionellen Minister, der den konservativen Staatsmännern de» Vormärz al« ein höchst anrüchiger Liberaler galt. Fürst Metternich hatte schon zu wiederholten Malen seinen Unwillen über die freisinnigen Anwandlungen kundgegeben, deren sich da» räudige BundeStagS-Schas schuldig machte, und König Wilhelm, so sympathisch ihm der Baron persönlich war und so sehr er insgeheim mit ihm überrinstimmte, erkannte c» doch al» mißlich, in allzu schroffen Gegensatz zu dem Ge waltigen in Wien zu gerathen. Er hatte also die Abberuf ung Linden» beschlossen. Doch sollte dieselbe, um den ihm so werthen StaatSdiener nicht zu verletzen, in ichonendster Weise unter Vermeidung jede» Scheines einer Ungnade ge schehen. Der Privat-Sekretär sollte also in direkter Mission de» König» ihn zuerst ganz diskret und in zartester Form auf den nothwcndig gewordenen Entschluß vorberciten und ihn der ungeminderten Huld de» Monarchen versichern, sowie daß sich derselbe seine Wiederverwendung im Staatsdienste Vorbehalte. Da» alles setzte der König seinem VertrauenS- manne auseinander u. händigte ihm da» Entlassungs-Dekret ein, welche» dem StaatSmanne in Frankfurt nach vorangc- gangener entsprechender Präparirung übergeben werden sollte. »Aber ich bitte Eure Majestät zu erwägen," erlaubte sich der Sekretär zu bemerken, »daß Baron Linden ein sehr aufwallen der Herr ist und stark in die Höhe gehen wird." »Darum, mein Liebster, schicke ich Sie ja eben hin, weil ich will, daß Sie dem zuvorkommen und ihm die Sache in besänftigender Weise beibringen." Der Privat-Delcgirte reiste ab, kam in Frankfurt an und ließ sofort bei Herrn v. Linden anfragen, wann derselbe geneigt sei, ihn zu empfangen, da er ihm einen Spezial-Auftrag de» Königs mitzutheilen habe. Der hitz köpfige Bundestag» Gesandte wartete aber den Besuch de» Königlichen Mandatar» gar nicht ab, sondern stürmte sofort zu demselben hin. »Gut, daß Sic da sind," brauste er her vor, »ich habe eben eine Beschwerde nach Stuttgart senden wollen. Alle meine Schritte werden von dort durchkreuzt, ich werde beständig de»avouir», und ich habe Seiner Maje stät vorstellcn wollen, daß, wenn da» nicht gründlich ander» wird, ich mich gezwungen sehen werde, auf meiner Entlassung zu bestehen." »Da ist sic schon!" platzte der andere heraus und zog da« Entlassungs-Dekret aus der Tasche. Da» war die diplomatische Weise, die Königliche Botschaft dem Adres saten sänstiglich mitzutheilen, zu welchem Bchufe der Ucbcr- bringcr expreß mit der heikeln Mission betraut worden war." — Eine Mahnung an die deutschen Frauen. Die scheußliche Mode, Vogel-Leichen auf dem Hute spazieren zu führen, hat noch immer nicht ihr Ende erreicht. Die Ge dankenlosigkeit, Gemütherohheit und Putzsucht, die hierbei zu Tage tritt, ist noch immer da. Wir erhoben schon wiederholt unsere Stimme gegen diese niederträchtige Mode; darum sei auch einer neuen Klage Raum gegeben, die un« in deutschen Blättern begegnet. Unlängst hat eine Pariser Firma 20,000 Stieglitze und andere unterer schön gefärbten Singvögel „in Auftrag gegeben". Da» läßt erkennen, daß im kommenden Winter wieder der Vogelausputz in Mode kommen soll. Diese Mode hat den ungeheuren Reichthum an farbenpräch tigen Vögeln in den südlichen Zonen nahezu erschöpft, uns zwar in der kurzen Zeit von etwa 30 Jahren! So lange ist e» her, daß geldgierige Geschäftsleute auf den Einfall kamen, die Modethorheit der Frauen sich nutzbar zu machen und einen neuen, früher nur bei den Wilden üblichen Puy in Mode zu bringen. In 25 Jahren sind ungefähr 3000 Millonen Kolibri», Paradiesvögel u. s. w. für Modczwecke geopfert worden. In England allein beträgt die Einfuhr jährlich 25 —30 Millionen Stück, für da» übrige Europa etwa 150 Millionen. Wa» bekannte Naturforscher schon vor Jahren prophezeit haben, ist eingetrossen: die in West- und Ostindien, im südlichen Amerika, an der Nordküste Afrika» u. s. w. heimischen, wunderbar schönen Vogclarten, die da» Entzücken aller Reisenden waren, die sind auSgerottet oder dem Verschwinden nahe. Der Appell hochstehender Gelehrter an die Frauen aller zivilistrtcn Länder, abzulassen von einer so ruchlosen und gemeinschädlichen Mode, war vergeblich. Die Schilderung der unsäglichen Qualen, unler denen die armen Vögelchen gefangen und getödtet werden, blieb ohne Wirkung auf da» weibliche Gemülh. Ebenso wenig fanden die Aufrufe verständiger, edler Frauen Gehör. Nun steht die Gefahr der Ausrottung unserer eigenen Vögel bevor. Wenn in 25 Jahren der ungeheuere Vogelrcichthum der iüd- lichen Zonen erschöpft werden konnte, so wird der ohnehin zusammcngeschmolzene Bestand unserer inscktenvcrtilgenden Vögel in noch viel kürzerer Zeit verschwunden sein. S» wäre da» für unsere Forst- und Feldkultur ein unersetzlicher Ver lust. Dieser Gefahr muß auf'« Energischste begegnet werden. Unverzügliche« Einschreiten der Gesetzgebung ist hier geboten. Da» Gesetz vom 1. Juli 1888 gewährt nicht hinreichenden Schutz, da e« wohl den Fang der nützlichen Vögel verbietet, aber nicht den Handel mit ihnen. Ein Verbot de« Verkauf» von Bogelbälgen zu Modezwecken scheint durchau« geboten.
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