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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 16.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189709162
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970916
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970916
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-16
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Monat
1897-09
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Jahr
1897
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— Leipzig. Da» Fia«co der sogenannten Berliner Messen scheint ein so gründliche« zu sein, daß selbst da« .Berliner Tageblatt-, unter dessen schützenden Fittigen die Veranstalter unsere Jahrhunderte allen Einrichtungen zu be seitigen gedachten, jetzt zugeben muß, die ganze Veranstaltung sei in« Wasser gefallen. In den Spalten de« »Berliner Tageblatt««* liest man: »Die anfänglichen Veranstaltungen der 1893er Vereinigung zogen zwar, wie alle« Neue, viele Fremden heran, die gewohnt waren die Leipziger Messe zu besuchen, und nun in Berlin einen Ersatz für dieselbe zu finden hofften. Al« sie sich da« eine und da» andere Mal in dieser Erwartung getäuscht sahen, blieben sie entweder der Berliner Messe ganz fern oder sie besuchten dieselbe ohne die Absicht, hier ihre Ankäufe zu erledigen. Auf den letzten Messen stellten sich Einkäufer, die eigen« zum Besuche der selben hierher gekommen find, überhaupt kaum mehr ein. Nur Händler, die sich ohnedie« in Berlin aushalten, begeben sich auch nach dem Meßpalaste, um hier nach preiSwerthen Neu heiten Umschau zu halten.* Auch die Berliner »Deutsche Tageszeitung* schreibt: »Der Plan, der Leipziger Messe eine empfindliche Eoncurren; zu schaffen oder sie gar vollend» zu Gunsten de« Berliner Unternehmen« zu unterdrücken, ist, wie man ja vorauischen konnte, vollständig verunglückt. Hiesige Fabrikanten, die e« in den letzten Jahren unterlassen haben, wie vordem die Leipziger Messe zu besuchen, weil sie annahmcn, daß sich ihre Kundschaft in Berlin cinfinden würde, sind schnell eine« Besseren belehrt worden und haben sich der Leipziger Messe wieder zugewendet. Die Messe hat keines wegs daran gekrankt, daß e» an Ausstellern fehlte, sondern daran, daß sich keine Käufer einstclltcn und daß die Fabrikanten, welche die Leipziger Messe versäumten, in Folge dessen erheb liche Nachiheile erlitten.* — Zwickau, 14. Septbr. Se. Majestät der König wird, wie nunmehr offiziell bekannt gegeben worden ist, an läßlich der militärischen Herbstübungen in hiesiger Gegend, morgen, den 15. d. M„ Nachmittags oder Abend« hier ein treffen und bi« zum 17. d. M., da» zweite Mal vom 20. bis zum 22. d. M. hier weilen, bczw. am 20. d. M., Nach mittag» 5 Uhr hier cintreffen und im Hotel »zur Post wohnen. Der Einzug Sr. Majestät wird am 15. uno 20. d. M. vom Bahnhose au» durch die Bahnhosstraße, Georgen- platz, äußere und innere Plauensche Straße nach dem Post platz (Hotel zur Posts unter Glockengeläute ersolgen. Die Stadt wird Flaggenschmuck anlegen. — Gestern erhielten alle Kalamitosen, welche beim Kascrnenbrand hier am 29. April d. I. geschädigt worden sind, die volle Vergütung für ihren gehabten Brandschaden au»ge;ahlt. — Zwickau, 13. Septbr. Da» „Zw. Wochcnbl." schreibt: Wir lesen in verschiedenen „auswärtigen Zeitungen* folgen de» unter Zwickau: „Infolge Wetterschlags brennt der „Wilhelm sch acht*. Bei den Brandabdämmungsarbeiten ist, wie amtlich mitgetheilt wird, eine Person erstickt, drei sind noch bewußtlos." Wie wir am Sonnabend schon berichtet haben ist der letzte Theil leider wahr, der erste Theil aber, von dem allerdings da» Gerücht in den Vormittagsstunden de» Sonnabend in hiesiger Stadt umging, ist total erfunden. — Ein am 10. d. M. in einer Wetterstrccke de« Wilhclm- schachtc» I auSgebrochencr Grubenbrand entwickelte, wie schon am Sonnabend kurz gemeldet, am 11. d. Mi«, früh beim Schichtanfang aus unaufgeklärte Weise derartige Mengen Brandgase, daß diese Strecke und die in der nächsten Um gebung gelegenen Grubenbaue davon erfüllt wurden. Die Mehrzahl ter in den betr. Bauen beschäftigten Leute hatte vollkommen Zeit sich in Sicherheit zu bringen. Nur ein kleiner Theil Arbeiter und Beamte wurde infolge Einathmen» dieser Gase bewußtlos, konnte jedoch von Mitarbeitern und AujsichtSbeamten bis auf den Häuer Gustav Emil Böhm aus Vielau rechtzeitig gerettet werden. Auch für Böhm hätte dieses Ereigniß kaum verhängnißvoll werden können, wenn er der an ihn ergangenen Aufforderung zum Verlassen seines ArbeitSpunkte» sofort Folge geleistet und auf die mehrfachen Warnungen seiner Mitarbeiter geachtet hätte. Erst nach mehrstündiger Arbeit und nachdem der Tod bereit» eingetreten war, gelang es, seinen Leichnam zu bergen. Die übrigen dabei bewußtlos gewordenen Leute befinden sich heute wieder wohlauf. — Reichenbach. Da die beabsichtigten Biwaks wegen der regnerischen Witterung auSsallen mußten, kamen die zu diesem Zwecke aus Roitzschauer Flur angesahrencn Stroh- und Holzbcstände zum freihändigen Verkauf. Kein üble» Geschäft machte dabei, wer gerade da war und kaufen wollte, indem z. B. für 110 Schütten Stroh — zwei Mark verlangt wurden, mithin die Schütte nicht zwei Pfennige kosten sollte. Den Käufern fiel da» Strohmatcrial deshalb so billig in die Hände, weil für den Augenblick Interessenten nicht zugegen waren. Weit mehr Liebhaber traten für die Holzbeständc ein und wurden dafür verhältnißmäßig auch noch annehmbare Preise erzielt, indem da» Meter Scheitholz mit 10 Mark verkauft wurde. Ansehnliche Fouragebestände in Brod und Kartoffeln kamen, da die Mannschaft nicht Alle» fassen konnte, gar unter da» Publikum unentgeltlich zur Ver- theilung. — Einen Begriff von den ansehnlichen Kosten, die nur ein Biwak für die doch sehr beschränkte Anzahl Truppen verursacht, kann man sich wohl machen, wenn man bedenkt, daß bei Treuen allein 900 Meter Holz für da» beabsichtigt gewesene Biwak angesahren waren, die nun auch wieder mit größeren oder geringeren Verlusten verkauft werden mußten, — Falkenstein. In der am Montag Vormittag 11 Uhr statlgesundcnen gemeinschaftlichen Sitzung der beiden städtischen Collegien wurde unter 14 Bewerbern Herr RathS- assessor Oueck aus Leipzig einstimmig al» Bürgermeister unserer Stadt gewählt. Herr Qucck ist der Sohn de» vor maligen Gemcindevorstande» und jetzigen Standesbeamten Heinrich Oueck in Lindcnau bei Leipzig. — Bad Elster. Durch die Gegenwart erlauchten Be such« und die Anwesenheit militärischer Gäste nahm die am Sonnabend Abend im Kursaal bei glänzender elektrischer Be leuchtung abgehaltenr Tanz-Reunion einen besonder» festlichen Verlaus. Derselben wohnten außer den noch anwesenden Kur gästen, Bewohnern von Elster und Herrschaften au» der Um gebung Se. königliche Hoheit der Prinz Albert mit den in der Nähe in KantonnemenISquarticren liegenden Offizieren de» 2. Jägerbataillon« Nr. 13, sowie Offiziere de» Garde reiterregiment«, der 18. Ulanen und de« 179. Infanterie- Regiment« bei. Se. königliche Hoheit nahm glcichfall« leb haft am Tanze theil und überreichte jeder Dame, welche die Ehre hatte, von ihm durch ein Engagement ausgezeichnet zu werden, ein kleine« duftende« Bouquetchen. 32 Brunnen- und Bademädchen in ihrer malerischen Tracht führten einen allerliebsten und beifällig aufgenommencn Reigen au«, bet dessen Schluß Herr Badekommissar Oberst von Sehdewitz auf den Prinzen Albert und da« ganze königliche Hau« ein dreifache« Hoch ausbrachte. Dann begann der allgemeine Tanz von Neuem. Um I I Uhr war die Reunion zu Ende. Die militärischen Gäste begaben sich zum Theil in ihre Quartierorte zurück, zum Theil übernachteten sie hier, da gestern Rasttag war. — Glauchau, 13. Septbr. Beim Putzen eine» Fahrrades verunglückte gestern früh ein hiesiger Real schüler dadurch, daß er mit der einen Hand unvorsichtigerweise in die Kette kam, während er mit der anderen an einem Rade drehte. Dem Knaben wurden von zwei Fingern die obersten Glieder abgerissen. Dieser neue Unfall möge allen Radfahrern zur Warnung dienen, der Kette beim Putzen des Rade» nicht zu nahe zu kommen. — Frankenbcrg, 12. September. Leider mußte am gestrigen Tage unsere Stadtbehörde gegen einen städtischen Beamten, den Sparkasscnkassirer Otto Müller hier, ein schreiten und durch die Staatsanwaltschaft da« Strafverfahren gegen denselben um deswillen einleiten lassen, weil der Be treffende durch eigenmächtige Verfügungen über Coupon« von im Depot der Sparkasse befindlichen Werthpapieren derselben einen Schaden von ungefähr 8000 M. verursacht hat. Diese veruntreute Summe wird jedoch durch die Caulion de» be treffenden Beamten, der bereit» heute früh an die Staats anwaltschaft nach Chemnitz zur Untersuchungshaft abgeliefert worden ist, sowie durch andere demselben gehörige Vermögens objekte gedeckt. Die Veruntreuungen reichen, soweit verlautet, bis in da« Jahr 1892 zurück. — Bereit» seit längerer Zeit schweben zwischen der königlich sächsischen Regierung und der hiesigen stadibehörve Verhandlungen über Errichtung eine» Lehrerseminar» in Frankenbcrg und ist auch bereit» Sei tens der hiesigen Stadtbehörde ein zur Erbauung eine» Se- minargebaudc» geeigneter Bauplatz angekauft worden. Wie nun heute von zuständiger Seile mitgetheilt wird, wird die Frage der Erbauung eine« Lehrerseminar» in Frankcnberg demnächst insoweit zur Erledigung kommen, als nur noch die Bewilligung der Mittel Seitens de» Landtage» erforderlich sind. Theater. Heute, Donnerstag, wird endlich da» so lange erwartete Schauspiel „Trilby" in Scene gehen, welche» allcrwärt» so großes Aussehen erregt hat. Da» Stück, welche« nach fran zösischem Roman bearbeitet ist, handelt in seiner Grundidee vom Hhpnoti-mu«, durch dessen diabolische Macht ein gänzlich unbedeutende« junge» Mädchen auf die Sonnenhöhe de« Ruhm« und der Berühmtheit gehoben wird. — Freitag ge langt das am Sonntag mit so großem Beifall ausgeführtc Gesangsstück „Die Mühle im Edelgrund* zur Wiederholung. Amtliche Mittheilungen aus der Sitzung des Stadtrattzs zil Eibenstock vom 6. September 1897. Borsitzender: Herr Bürgermeister Hesse. Anwesend 3 Rathsmit« glieder. 1) Den bei dem Brande am 12. August 1897 thätig gewesenen Wacht« mannschasten wird eine Entschädigung von je 1 Mark 50 Pf. gewährt. 2) Man nimmt Kenntniß von den» Sachstande in Bahnangelegenheiten und beschließt vorschlagsgemäß. zu gewähren, tritt man beu 4) Man nimmt Kenntniß von den Uebersichten der Stadt« und Spar kasse auf den Monat August 18^7. 5) Ebenso von dein Berichte des Stadtbaumeisters Puschmann in Aue über die Besichtigung unseres Wasserbassins. Wegen Abhülfe der Uebelftände tritt man dem Vorschläge des Herrn Bürgermeisters bei. V) Von den» Dankschreiben der RathSbcamten für Einschränkung des 8) Wegen Zuführun/der Wasserleitung zum Pfarrgute wird beschlossen, die Leitung unter der Bedingung einzuführen, daß das Einführungs kapital vom Pfarrlehn durch Wasserverbrauch oder in baar mit ^'/«o/v verzinst wird. 9) Das Gesuch um Beschaffung von Wasser für das Messingwerk wird zur Begutachtung an den Wasseraussckuß abgegeben. 10) Mit den Vorschlägen des Bauausschusses a. die Arbeiten in der Post- und Quergasse sollen bis auf nächstes Jahr aufgeschoben werden, I>. die mit dem Hausbesitzer Richard Schürer wegen Herstellung des Zaunes getroffene Vereinbarung zu genehmigen, c. zwei Einfallschächte in der Neugasse herzustellen, ü. die Schaalhölzerlieferung an Herrn Möckel und Zenner zu vergeben, o. die durch das Hochwasser der Stadt entstandenen Schäden zu beseitigen, ist man einverstanden. 11) Von der Vergebung der Steinlieferung an Herrn Lenk in Schreiers« grün nimmt man genehmigend Kenntniß. 12) Der Vorschlag des Bauausschusses, die Herstellung der Bachufer mauer in der Bahnhofstraße zu verschieben, soll an den Bauaus- schuß zur Erwägung zurückgegeben werden, ob vielleicht bei Aufschub die Schäden sich im nächsten Jahre erheblich vergrößern könnten. 13) Von den Verordnungen а. Wahlen der Arbeitervertreter für die Zwecke der Unfallver sicherung betr., 1». Errichtung neuer und Veränderung bestehender gewerblicher Anlagen betr., O. Baupolizeisachen betr., б. die Aufbewahrung der Amtsblätter betr., 6. die Entscheidungen von Streitigkeiten auf Grund von tzH 122 flg. des Jnfaliditäts« und Altersversicherungs Gesetzes betr., t. Entschädigungen von Truppentheilen, welche außerhalb der Garnison zu Hülfeleistungen wegen des Hochwassers heran gezogen worden sind, 8. Unterstützung der Privaten die durch da- Hochwasser geschädigt worden sind betr., nimmt man Kenntniß. 14) Man nimmt Einsicht in die über die Straßencorrectur am Siech hause ergangenen Pläne. 15) Die in Vorschlag gebrachte Einquartierungsordnung wird in un- 1V) Die Unterbringung des Krankenwagen- soll in einem Gerätheschuppen des Magazingarteus erfolgen. 17) Die Entschließung wegen würdiger Begehung des fünfundzwanzig« jährigen Regierungsjubiläums Sr. Maj. König AlbertS wird bis zur nächsten Sitzung ausgesetzt. 18) Desgleichen die Vergebung der Braunkohlenlieferung. 19- Die wegen einer Straßenaufgrabung hinterlegte Caution soll zurück gezahlt werden. Außerdem kommen noch 4 innere Verwaltungsangelegenheiten, 2 Wasserausschuß-, 3 Schulausschub«. 2 Bauausschuß« und 2 Steuersachen, 5 Steuererlaßgesuche und 1 Schulgeldererlaßgesuch zur Erledigung, die des allgemeinen Interesses entbehren bez. zur Veröffentlichung nicht ge eignet sind. Auf der Wanderschaft. Original-Erzählung au» der sozialen Bewegung der Gegenwart. Bon LH. Schmidt. (27. Fortsetzung). Frau Cornelia hatte sich immer noch nicht von ihrer Bestürzung erholt. »Muß e« denn jetzt schon sein? Eilt die Abreise so sehr?* fragte sie rasch. »E« muß sein, Cornelia,* sagte der Doctor. Ihre Brust hob sich mit einem liefen Seufzer. „Also bi« morgen,* sagte sie leise. Sie wünschte den Herren gute Nacht und wandte sich dem erleuchteten Eingänge der Villa zu, vor welcher sich die Dienerschaft ausgestellt halte u. ihre Herrin mit ernsten, Iheilnehmenden Gesichtern empfing. — Pünktlich zur festgesetzten Stunde hatten sich die beiden Herren am nächsten Morgen in der Villa eingefunden, und da e« betreff« der Bestattung de« Tobten und anderer, auf den Betrieb der Fabrik bezüglichen Fragen noch Manche» zu überlegen gab, so schwand darüber der Vormittag hin. Bei der Besprechung fiel den beiden Männern die starre Ruhe der jungen Wiltwc auf. Wa« mochte nur in der Seele der gegen früher plötzlich gänzlich veränderten Frau vorgehen? fragte sich Or. Scholle. Sic hatte zu allen ihren Vorschlägen nur ja gesagt. Und dann al» er ihr die Hand zum Abschiede reichte, da war c» ihm, al« zittere dieselbe und srage der Blick ihrer schönen dunklen Augen ihn mit flehendem Ausdruck: Warum gehst Du? Und wirst Du Wort halten und wieder kommen ? E» war ihm dabei ein wenig unheimlich zu Muthe. Wa» konnte sie von ihm noch erwarten? Jetzt sah er ein, wie wohl er daran Ihat, seine Abreise zu beschleunigen. Er nahm kurz Abschied und ging. Eine Stunde später batte Or. Scholle die schöne Wittwe vergessen, denn sein Blick fiel in diesem Moment aus ein an dere» Augenpaar, deut man e» noch deutlich ansah, daß sie kurz vorher Thräncn vergossen halten. Gerüstet zur Abreise, den Berliner über die Schulter gehängt, stand er vor den drei Menschen, welche er in der kurzen Zeit lieb gewonnen halte; da» fühlte er in diesem Augenblicke mehr al« je vorher. „Ich glaubte Sie würden die Reise per Bahn machen, mein lieber Herr Doctor, und nun sehe ich, daß Sie wieder da» unstäte Leben de» wandernden Schlossergesellcn Fritz Wol ter» feilschen wollen?" fragte erstaunt Herr Brauer. „Sic wissen, mein Iheurer väterlicher Freund, daß ich in meinen Handlungen und Entschlüssen konsequent verfahre. In meinen Reiseplan gehört da» Wandern zu Fuß. Ich er fahre auf diese Weise, wa» der Landmann, der auf dem Felde den Pflug führt, wa» der Geschäftsmann, der seine Kunden besucht und der Handwerksbursch, der au» der großen Stadt kommt, von der Zeit, von der Gesetzgebung, von den Parteien u. s. w. erwarten." „Ich kann mir garnicht denken, daß Sie Gefallen an ei nem Leben unter Menschen finden, welche garnicht in Ihre geistige Sphäre passen," äußerte Frau Brauer, welche dem Doctor wegen seiner schnellen Abreise zürnte. Sie hatte sich da« Ende ganz ander« gedacht und war in Sorge wegen Clärchen, deren HerzenSgeheimniß sie längst ergründet hatte. „Wenn man die Schäden und Mängel in der mensch lichen Gesellschaft kennen lernen will, muß man sich unter da« Volk mischen, verehrte Frau. „Der Mann muß nun einmal hinan« in'« feindliche Leben", sagt bekanntlich schon Schiller." „Sie lassen doch bald etwa« von sich hören?" warf Clärchen errölhcnd ein. „Wenn Sie sich für die Abenteuer eine» reisenden Hand- werksburichen interessiren, will ich Ihnen von Zeit zu Zeit gern kleine Schilderungen zuscndcn." Er reichte ihr zuerst die Hand zum Abschiede. Leben Sic wohl, Fräulein Clärchen. So Golt will, kann ich der Einladung Ihrer lieben Eltern zum Christfeste Nachkommen." Sie sah ihn mit ihren großen, braunen Augen fragend an. „Werden Sie in der Fremde an unser Hau» zurückdenken? Die Zeit der Bekanntschaft war so kurz und da verwischen sich Eindrücke bald u. die Gestalten der Personen, mit denen man verkehrte, entschwinden der Vorstellung." Er drückte ihre Hand und ein verstohlener Blick grub sich tief in ihre Augen. „Ich werde oft, sehr ost an die in diesem Hause verlebten Stunden zurückdenken," antwortete er und in dem Ton seiner Stimme lag mehr wie eine gewöhn liche Höflichkeitrphrase. Noch ein warmer Händedruck den Eltern de» lieben Mädchen«, dessen Bild sich lies in sein Herz gegraben hatte, dann war er draußen. Vor der Thür empfing ihn sein ehemaliger Schulkamerad Sommer. „Wenn Du'« erlaubst, gehe ich eine Strecke Wege« mit," redete ihn derselbe an. „Er litt mich in dieser Stunde nicht zu Hause. Deine schnelle Abreise gleicht ja einer förm lichen Flucht. Wa« ist Dir hier denn Unangenehme« be gegnet?" „Nicht«, aller Freund. Aber dennoch muß ich fort, da ich sonst Gefahr lause, ein ehrloser Kerl zu werden." In lebhaftem Gespräch schritten die Freunde auf der nach Süden an der Fabrik und der „Villa Schilling" vor- beisührenden Landstraße weiter. Al« sic an der Villa vorbei gingen, blickte der Doctor zur Seite nach einem Fenster, da» sich in diesem Moment öffnete. „Glückliche Reise! Aus Wie dersehen!" schallte e« au« demselben heraus. Bleich, aber mit lebhaft funkelnden Augen stand die junge Wittwe am Fenster und winkte nach dem Scheidenden mit der Hand. Stumm verbeugte sich der Doctor u. lüftete den Hut. Dann ging er schnell weiter. „Was, kennt die Dich auch schon? Tausend! Wa« Du nicht für seine Bekanntschaften in der kurzen Zeit gemacht hast," sagte Sommer. Al« Wolter« schwieg, fuhr er eifrig fort: „Na, da« Hau« wird auch bald einem Taubenschlage gleichen. Schon bei Lebzeiten ihre» Manne» wurde die Frau von der Männerwelt eifrig umschwärmt, und nun ihre Hand frei ist, soll die Zahl ihrer Verehrer wohl bald noch größer werden. Jung, schön, reich, wahrlich, da wird'« ihr an Freiern nicht fehlen." „Meinst Du? Ich glaube, die Dame hat vorläufig an andere Dinge al» an'« Wiederheirathen zu denken," bemerkte der Freund. „Hm, wieso? An ihrem Manne hat sie doch wenig Freude erlebt. Da« wär» so eine Parthie für Dich, Fritz. Denk mal, wenn Du hier der Fabrikherr würdest, Du solltest mal sehen, wie Dir die Arbeiter zujubelten,* plauderte Som mer arglo« weiter, und ahnte nicht, welche Fluth von Ge danken er damit in dem Kopfe de« Freunde« erregte."
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