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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 02.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189709025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970902
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-09
- Tag 1897-09-02
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Monat
1897-09
-
Jahr
1897
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sonder« stürmisch applaudirt. Auch die gereimte Ansprache de« Hrn. Friedrich Reiß, eine» Mitbegründer» de« hiesigen Berein«, sand lebhaften Beifall. E« sei hierbei noch erwähnt, daß der Turn-Verein Eibenstock, welcher vor 50 Jahren mit 20 Mitgliedern ge gründet wurde, heute 243 Mitglieder und 60 Zöglinge ha«. An Geschenken wurden dem Verein zu seinem Jubelfeste überreicht von Hrn. Knorr au« Chemnitz, einem ehemaligen Vorsteher de« hiesigen Verein«, eine Glocke für den Gebrauch in den Turnrath-sitzungen, sowie je ein Fahnennagel vom Turn-Verein Schönheide, vom Turn-Verein Schönheidcr- hammer, vom Kgl. sächs. Militär-Verein Eibenstock und vom Radfahrer-Club hicrselbst. Glückwünsche von hier und Tele gramme, zum Theil au« weiter Ferne, gingen in großer Zahl ein und gelangten am Abend de» zweiten Festtage» während de» Balle» zur Verlesung. Der zweite Festtag brachte Vormittag im Schulgarten ein wohl gelungene» Kinderturnen, wa» namentlich bei den Mädchen durch die gleichmäßigen Kleider, sämmtlich in weiß, besonder» gehoben wurde. Der Nachmittag wurde von Den jenigen, welche Zeit dazu hatten, zu einem kleinen Ausflug benutzt, der die Frühjchoppenkncipc vervollständigte. Abend sand ein sehr zahlreich besuchter Festball statt, bei welchem in den Zwischenpausen die am Abend vorher gestellten Bilder noch einmal vorgeführt wurden. So wenig verheißend, wie in den Tagen vorher, und selbst Sonntag Vormittag, auch da« Weller war, so ist da« Fest selbst doch nicht im Geringsten durch Regen gestört worden und konnte sich diejenige Freudigkeit entfalten, die einer so seltenen Feier wohl zu wünschen ist. Die Erinner ung daran wird einen nicht unwichtigen Denkstein in der Geschichte de« Verein« bilden und wollen wir hoffen, daß auch nach 50 Jahren zur 100jährigen Jubelfeier noch Augen zeugen vorhanden sein möchten, welche die frohen Tage jetzt mit erlebt haben. Dem ferneren Blühen und Wachsen de« Turn-Verein» Eibenstock aber ein kräftige» Gut Heil! Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. (Eingesandt.) Da» vom hies. Erzgeb.» Zweigverein herauSgegebene Auersberg-Panorama mit Führer und Karte nebst einem Bilde von Eibenstock ist nun mehr vollständig erschienen und hier in allen Buchbindereien und Galanterie-Geschäften, sowie Hotel» und Restaurationen, selbstverständlich auch beim Kassirer de» Erzgeb.-Zwcigvcrcin«, Herrn Kausm. Emil Schmidt, zum Preise von 2b Psg. zu haben. Mit der Herausgabe diese» kleinen Merkchen» ist der gen. Verein einem längst gefühlten Bedürfnisse entgegen ge kommen. Schon seit Jahren fragten die Touristen und Sommerfrischler vergeblich nach einem Führer und einer Karte von Eibenstock und Umgebung. Durch die schöne Ausstattung, da» vortresflich gezeichnete Panorama, die reichhaltige und Loch dabei leicht übersichtliche Wcgekarte in bfarbig. Drucke, endlich auch durch da» schöne Bild unserer Vaterstadt hat da« Merkchen hier u. auswärts gute Beurtheilung und freundliche Ausnahme gefunden. Be sonder» überrascht an dem Führer der niedrige Preis. Der Vorstand de» hiesigen Erzgeb.-Zweigvercin glaubte, bei der ersten Auflage des Panoramas von einem Verdienste absehen zu müssen, um großen Absatz zu erzielen und dadurch mehr Reklame zu machen. Der Tourist wird gern in seinem Be kanntenkreise den Führer vorzeigen und dadurch uns neue Freunde zusührcn. Eibenstock mit seiner prächtigen Umgebung vcrrient c» auch, besucht zu werden. Jeder Fremde ist de» Lobe» voll, und e» wäre gewiß lohnend, alle Au»sprüche über die Natur schönheiten unserer Gegend zu sammeln. Nur an zwei wollen wir erinnern. Ein einfacher Handelsmann sagte in seiner derben Weise: „Hier ist'S doch herrlich! Ihr seid'« gar nicht werth!" Eine weitgereiste Dame, die aller Herren Länder gesehen hatte, über die berühmtesten Bäder berichten konnte, die hohen Alpen und die wogende See au» eigener Anschau ung kannte, von dem Gebirge ihre» Vaterlandes aber weiter nicht» wußte, al» den Namen: Erzgebirge, diesen Sommer in Tölz verweilte und zum Schluß einen kleinen Abstecher nach Eibenstock machte, meinte: „Da» hätte ich nie gedacht, daß e» hier bei Euch so schön sein könnte! Ich muß gestehen: hier gefällt mir » ebensogut al» wie in Tölz!" Der Naturfreund rechnet ein schöne» Stück Erde, da» er sein Heimathsland nennen darf, mit zu feinem Lebens glücke. Und Eibenstock mit den umliegenden Ortschaften, den dunklen Bergen und lustigen Höhen, den lieblichen, ost auch romantischen Thälern und den einzig schönen Wäldern ist wirklich ein reizende» Stück Erde! Möge Gott e» allezeit schützen! — Leipzig, 30. August. Mit dem gestrigen Tage nahm die Leipziger Michaeli«messe ihren Anfang, eine Jubiläum»- messe, da mit ihr da» denkwürdige Ereigniß gefeiert wird, da Kaiser Maximilian vor 400 Jahren, mittelst Urkunde vom 20. Juli 1497, die Leipziger Messen bestätigte. Reich geschmückt war gestern au« diesem Anlaß Auerbach» Hof, jene alte Leip ziger Meßstätte, die vier Jahrhunderte an sich hat vorüber ziehen sehen, wenn ihre Umgebung selbst auch mannigfache Wandlungen erfuhr. In dem engen Hofe, der auch noch heute für die Geschäftswelt große Bedeutung hat, waren Guir- landen gezogen, in deren Mitte die Jahreszahlen 1497 und 1897 hervorleuchteten. Wie in früherer Zeit, so erschienen auch gestern Musikanten nnd spielten lustige Weisen, und in Auerbach» Hof, der sich jetzt im Besitze der Grafen von Feld mann befinde:, entwickelte sich bald da» regste Leben und Treiben. — Chemnitz, 31. August. Schon wieder haben wir von einem schweren Verbrechen, da» in der Nähe von Chemnitz begangen worden ist, zu berichten: Heute früh wurde im Grünaer ItaatSsorstrevier an der Rabensteiner Straße der etwa 70 Jahre alte Bauunternehmer Winkler au» Am bach todt aufgefunden. Er ist erschlagen worden und da» Verbrechen scheint in der verflossenen Nacht begangen worden zu sein. Da die Uhr Winkler» fehlt, so ist anzunehmen, daß Raubmord vorliegt. — Zwickau, 28. Aug. Hauptverhandlung der zweiten Ferienstrafkammcr. Den Vorsitz führte Herr Landgerichts direktor 1>r. Klöppel. Auf der Anklagebank befanden sich zu nächst der am 2b. Mai 1881 zu Schönheide geborene, zuletzt in Eibenstock wohnhafte Bürstenmacher Ernst Albert Horn, der am 30. September 1880 zu RitterSgrün geborene, zuletzt in Eibenstock wohnhafte Schlosferlehrling Erdmann Paul Keller, der am 7. September 1845 zu Marbach geborene, in Eibenstock wohnhafte, wegen Diebstahl« vorbestrafte Bürsten macher Earl Heinrich Ernst Horn und der am 14. April 1872 zu Schönheide geborene, zuletzt in Leipzig wohnhafte, wiederholt vorbestrafte Hau»diener Gustav Adolf Mein hold, allerseit« hier in Unteriuchung-Haft. Von diesen Personen fielen Albert Horn schwerer Diebstahl, Keller Bei hülfe zum schweren Diebstahl und Hehlerei sowie Ernst Horn und Meinhold Hehlerei zur Last. E« handelte sich um die jenigen Diebstähle, welche im Juni und Juli d. I. bei einer in Eibenstock wohnhaften vermögenden Dame mit großer Frechheit au«gcführt und bei denen gegen 850 Mark baare« Geld erlangt worden sind. Diese Diebstähle unter erschweren den Umständen, nämlich mittelst Einsteigen« in einem Gebäude und unter Anwendung falscher Schlüssel verübt zu haben, war heute der Angeklagte Albert Horn geständig, während die übrigen Angeklagten zugeben mußten, sich der Hehlerei und soviel Keller anbelang!, in einem Falle noch der An stiftung zum schweren Diebstahle schuldig gemacht zu haben. Die Fericnstrafkammer verurtheiltc die Angeklagten und zwar Albert Horn zu 2 Jahren 6 Monaten, Keller zu 1 Jahr 3 Monaten, Ernst Horn zu 6 Monaten und Mcinhold zu 1 Jahr Gcfängniß, erklärte auch den letzteren der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren für verlustig. — Plauen i. V., 30. August. Bei der unerhörten Bedrückung der Deutschen in Böhmen kommt da» freund nachbarliche Verhältniß der Vogtländer und der Egerländer gegenwärtig mehr wie sonst zum Ausdruck. Die» wird sich am Mittwoch auf der Fahrt der Deutschböhmen nach Leipzig zeigen, ebenso wie bei einem Besuch, den der Sängerbund Eger am Sonntag, den 12. September, den Gesangvereinen „Ojsian" und „Polyhymnia" in Plauen abstatten wird. Auf der Reise nach Plauen wollen die Sänger au» Eger auch Bad-Elster mit besuchen. — Reichenbach. Der GefchLft-gang in den hiesigen Fabriken ist nachgerade aus einem solch niedrigen Standpunkte angekommen, daß ein fernere» Sinken beinahe nicht mehr gut denkbar ist. ES ist woht nicht zu hoch geschätzt, wenn man sagi. Laß drei Viertel der Stühle leer stehen und Laß alle Geschäfte, die mit Webereien und Spinnereien zu thun haben, von dieser Misere betroffen werden. In einzelnen Fabriken wird nur halbe Tage gearbeitet, einzelne Etablissement» ließen sogar ganze Tage den Betrieb ruhen. Abgesehen von den amerikanischen Zollplackcreien, die in der Hauptsache diese Schwierigkeiten veranlassen, fehlt e» auch au» dem Jnlande fast ganz an Aufträgen, ohne daß für die nächste Zukunft eine Besserung hierin zu erwarten wäre. Man sieht nicht mit Unrecht ba»gen Zagen« dem Winter entgegen, der für manche Familie ein harter insofern schon werden kann, al» neben nicht ausreichendem Verdienst Lcben-mittelpreise, Kohlen preise usw. in drückender Weise steigen. — Freiberg, 30. August. Da» sogenannte Legen der Stubenthürschlüssel beim Verlassen der Wohnung hat schon manche schlimme Folgen gebracht. Vor einigen Tagen verließ eine Ehefrau in Hilbersdorf ihre Wohnung und legte den Schlüssel auf da» gewohnte Plätzchen. Al» deren Ehemann etwa zwei Stunden nach dem Weggange sei ner Ehefrau nach Hause kam, fand er die vorher verschlossen gewesene Stubemhür offen. Beim Eintritt in die Stube be merkte aber auch schon der Mann, daß ein ungewohnter Be such dagewesen war und nach Aufbrechen eine» Nähkästchen» einen nicht geringen Geldbetrag gestohlen hatte. Außerdem besaß der Dieb noch die Frechheit, daß er einen Zettel am Thalorlc niedcrlegte mit der Aufschrift: Die Gelegenheit muß benutzt werden." — Fronkenbcrg, 31. Aug. Am Sonnabend ver starb infolge Genüsse» von Pilzen der am Harrasfelsen aus Altenhaii.er Flur stationirte Bahnwärter Hermann Matthe». Bekanntlich ist auch dessen 38 Jahre alte Ehefrau au» gleicher Urxrche am 23. d. Mt». verstorben. — Kirchberg, 31. August. Ein überau» schwere« Gewitter, wie e» in diesem Jahre hier noch nicht ausge- troffcn ist, entlud sich am gestrigen Montag gegen 6 Uhr Abend«. Die mit Graupeln gemischten Wasserwassen gingen so heftig hernieder, daß man Anfang« einen Wolkenbruch be fürchtete. Zum Glück war der Niedergang de» Wasser« nur von kurzer Dauer. Straßen und Wege sind trotzdem vielfach zerrissen worden. Der Blitz schlug zweimal ein. Da« eine mal entzündete er im obern Ort»theile de» nahen LcuterSbach die Grunert'fche Scheune, von welcher sich da» Feuer auf da« ganze Grunert'jche und auch Möckel'sche Anwesen ver breitete und beide Güter mit WirthschaftSgebäuden vollständig in Asche legte. Vernichtet wurden dabei sämmtliche Ernte- vorräthe. Da« Vieh konnte gerettet werden. Möckcl hatte versichert. Zu der Enlstehung»zeit diese» Feuer» steckte der Blitz auch in den Staudenhäusern de» benachbarten Burkers dorf ein kleinere« Gut in Brand. Auch diese» wurde mit den Erntevorrälhen vollständig in Asche gelegt. Der Schaden soll ebenfalls ein beträchtlicher sein. — Berggießhübel. Einen gewaltigen Sprung mit glücklichem Au-gange hat in der Nacht zum Dienstag der Hausknecht vom Gasthof „zum goldenen Stern" Hierselbst, ein 15 jähriger junger Mensch, au»geführt. Derselbe war am Nachmittag aus der Copitzer Vogelwiese gewesen und hatte sich um 10 Uhr in seinem Zimmer, da« in der 2. Etage nach der Straße herausliegt, zu Bett gelegt. Gegen 12 Uhr hörte der Bäcker in der Nachbarschaft Jemand rufen und bemerkte aus der Straße den HauSburschen fröstelnd, nur mit dem Hemd bekleidet. Aus Befragen erzählte er, sich nicht erklären zu können, wie er herauSgesperrt worden sei; nur wisse er, daß er geträumt habe, er steige in Pirna auf dem Bahnhofe in den Zug nach Berggießhübel ein, und sei erst vor Kälte aus der Straße munter geworden. In der Schlaftrunkenheit war er zwei Stock hoch zum Fenster heruntergesprungen und hatte sich dabei außer einer leichten Schürfung an den Fersen und an dem einen Arme keinen Schaden zugezogen. — Nach den nunmehr vorliegenden amtlichen Unterlagen wurden infolge der Wasser-Katastrophe in der Zeit vom 30. Juli bi» 20 August nach den stark betroffenen Ortschaften 137 Osfiziere, 733 Unterosfiziere und 7095 Soldaten zu Hilfeleistungen befehligt. In diesen Zahlen liegt eine gewaltige Menge von Anstrengung, Aufopferung, und wahr haft sozialer Arbeit eingeschloffen. Da ist ein Theil der Staat«hilse, nach der von gewisser Seite so laut gerufen wird, in ergiebigstem Maße geleistet worden. Da« dazu auf gebotene Militär hat, zum Theil unter den schwierigsten Ver hältnissen, den Kampf mit dem wüthenden Elemente unter nommen; so manche» Menschenleben dankt der Unerschrocken heit unserer braven Soldaten seine Rettung au« höchster Ge fahr, und Privatleute wie Gemeinden find an Geld und Gut durch die aufopfernde Thätigkeit der Offiziere und Mann schaften vor dem größten Schaden bewahrt geblieben. Mit Stolz dürften jene gejammten 8000 Mann aller Waffengat tungen auf die Tage der Wasserkatastrophe zurückblicken: waren e« doch mitten im Frieden die schönsten Ehrentage für unsere tapferen Regimenter. Von einigen wenigen Orten abgesehen, die bester unerwähnt bleiben, hat man überall im Lande die Soldaten mit Freuden begrüßt und trotz de« eige nen Unglück« ihnen gern und freundlich Quartier gegeben. Wer die Truppe in jenen verhängnißvollen Tagen selbst ge sehen hat, wie sie nicht nur diejenige Arbeit bewältigte, die ihr die Vorgesetzten al» nolhwendig befohlen halten, sondern auch in den Freistunden weiter arbeitete, im strömenden Regen und oft bi« an die Knie im Wasser stehend, und wer die Mannschaft dann in die häufig weit entlegenen Quartiere hat abrücken sehen, Hacke und Schaufel über der Schulter, lustig und guter Dinge und Marschliedcr singend, der konnte sich wahrlich de« Danke» und der Bewunderung nicht ent halten, die Mannschaft und Führer al« Glied de» einen Volke» in Waffen in diesen Tagen so reichlich verdient haben. — 15,696 Turnerinnen zählt nach der jüngsten Statistik die deutsche Turnerschaft in ihren Reihen. Sie vertheilen sich auf 454 Abtheilungen. Theater. Die Eröfsnung«vorstellung der Direktion Karich», welche Montag im „Deutschen Hause" stattfand, war trotz der ander weitigen Vergnügen leidlich besucht und fand reichlichen Bei fall. In erster Linie erfreute un» Fr. Voigt wieder al» Lorle durch eine prächtige Leistung, ebenso gefiel Fr. Kaiser al« Bärbele sehr. Die Herren Belleville, Voigt, Löwe und Neu meister brachten ebenfalls ihre Parthien zur vollen Geltung. Auch die gestrige Aufführung „Die offizielle Frau" kam in sehr erfreulicher Weise zur Darstellung. Donnerstag gelangt da» historische Kostüm-Lustspiel „Die Anna-Lise" oder „Die einzige Liebe de» alten Dessauer«" zur Aufführung, worauf wir ganz besonder« aufmerksam machen. Auf der Wanderschaft. Original Erzählung au» der sozialen Bewegung der Gegenwart. Von Th. Schmidt. (21. Fortsetzung). Angesichts der drohend auf sich gerichteten Blicke u. der wuthgcballten Fäuste, entsank dem Fabrikherrn aller Muth, mehr und mehr verlor er die Geistesgegenwart — er zeigte plötzlich ganz da» Wesen de« echten Tyrannen, der nur dann den Unerschrockenen spielt, wenn er seine werlhe Person in Sicherheit weiß. So vergingen mehrere Minuten, unten im Zuschauerraum tobte der empörte Hause weiter und rathlo» sahen sich die Comileemitglieder auf der Bühne an. Da erhob sich rasch der milanwesende Bürgermeister der Stadt — er saß auch mit unter den Herren auf der Bühne — u. trat an Schilling heran. „Wenn Sie nicht wollen, daß sic von ihren ausge brachten Leuten hier thätlich angegriffen werden, so machen Sie, daß Sie fortkommen. Die Polizei wird, wie Sie sehen, kaum Herr der Bewegung. Schnell — kommen Sie, ich weiß hier eine Thür, die aus die Straße führt." Rasch entschlossen faßte da« Oberhaupt der Stadt den kreidebleichen Fabrikhcrrn am Arm und zog ihn zu einer seilwärt» gelegenen Thür, durch welche Beide verschwanden, während Pfeifen u. laute, höhnische Ruse hinter ihnen Herschallien. Kaum waren die beiden Männer den wüthenden Blicken der tobenden Menge entschwunden, da ergriff Brauer al« zweiter Vorsitzender die seinem Herrn entfallene Schelle und schwang dieselbe. Allmählich legte sich jetzt der Sturm der Entrüstung und kehrten die Aufgeregten an ihre Plätze zurück. Im ruhigen Tone sprach Herr Brauer: „Ich bedaure c» tief, daß sich Arbeiter au» der Fabrik, an deren Spitze ich stehe, zu feindlichen Demonstrationen gegen ihren Herrn an einem öffentlichen Orte haben hinreißen lassen. Sie haben damit zwar den Stein in» Rollen gebracht, aber ich befürchte, daß derselbe Ihnen Schaden zufügen wird. Wie ich Herrn Schilling kenne, schließt er lieber die Fabrik, al« daß er sich aus Ihre Forderungen einläßt. (Rufe: Da« mag er thun! Wir wollen lieber hungern, al» für diesen modernen Sklaven halter weiter arbeiten!) „Ich bitte jetzt die Zwischenrufe zu Unterlasten. Vertrauen Sic mir, daß ich, wenn Sie ruhig bleiben, Ihre Wünsche auch ferner vertrete. Wie die Sache jetzt steht, muß sich morgen schon entscheiden, ob Sie auf ein Entgegenkommen Seiten» Ihre« Brodherrn rechnen dürfen." Herr Brauer crtheilte hiernach, dem vorhin Ausdruck gegebenem Verlangen der Versammlung gemäß, dem Redner auf weitere fünfzehn Minuten da» Wort und bat diesen, sich streng an diejenigen Punkte in der Rede de» Candidaten zu halten, welche er glaube bemängeln zu sollen. Wolter», welcher sich an den Tisch lehnend ruhig der Scene aus der Bühne zugeschaut hatte, wandle sich hieraus wieder der Versammlung zu. „Auch ich, meine Freunde, bedaure, daß meine Worte die Ursache zu solchen leidenschaftlichen Aeußerungen geworden find," begann er. „E» ist immer ein mißliche» Ding, die Wahrheit zu sagen; ich würde die unleidlichen Verhältnisse in der Schilling'schen Fabrik nicht angedeutet haben, wenn mich der Herr nicht vorher durch sein Benehmen dazu gereizt hätte. Hoffentlich hat Herr Schilling sich jetzt davon über zeugt, daß man nicht ungestraft gegen die Wünsche der Unter gebenen sein Ohr dauernd verschließt. Ja, der Herr Brauer hat Recht, der Stein ist endlich in» Rollen gekommen; wen derselbe aber zerschmettern wird, da« wird sich bald zeigen. Damit verlasse ich diese für mich persönliche Angelegenheit und kehre zu den Ausführungen meine» Herrn Vorredner« zurück. Auf die örtlichen Verhältnisse übergehend, sprach der Herr vorhin seine Verwunderung und sein Bedauern darüber au«, daß die soziale Bewegung bereit« auch hier die Gemüther beunruhige, und daß sich infolgedessen auch unter der hiesigen Bevölkerung alle jene betrübenden Erscheinungen, wie die Zu nahme der Rohheit, Sittenverdrrbniß und die Abnahme de« Kirchenbesuch«, zeigten. Wenn der verehrte Herr hier längere Zeit in der Gesellschaft gelebt hätte, so würde er auch die Ursachen jener betrübenden Erscheinungen kennen gelernt ha ben und mit mir gewiß darin übereinstimmen, daß hier Alle» geschieht, um die Klassengegensätze mehr und mehr zu ver schärfen. Lasten Sie mich Ihnen zum Beispiel erzählen, wie e« wir heute Morgen in der Kirche ergangen ist. Ich betrat
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