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Amts- M AiWWM für den Abonnement viertelj. 1 M. 20 Pf. (incl. 2 illustr. Beilagen) in der Expedition, bei unfern Bo ten, sowie bei allen Reichs- Postanstalten. .tzr I«»« Schrk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: E. Hannebohn in Eibenstock. — — > 44. Jahrgang. . , . Donnerstag, den 2. September Srschcint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Jn- serlionspreis: die kleinsp. Zeile 10 Pf. L8SS Bekanntmachung. Unter dem Pferdcbestande des Leconoms und Fuhrwcrksbesitzers L.uxust LüllieL in Joyanngeorgenstadl ist die Rotzkrankhen ausgebrochen, was hiermit zur öffentlichen Kenntnitz gebracht wird. Eibenstock, den 30. August 1897. Der Rath der Stadt. Hesse. Flg. Einladung. Zur Erinnerung an den Tag von Sedan findet am 2. September vorm. S Uhr ein Schulaktus in der Turnhalle statt. Alle vaterländisch gesinnten Beivohncr unsrer Stadt werden zu gefälliger Teilnahme hieran ergebenst eingeladcn. Eibenstock, den 30. August 1897. Schuldirektor. Die Feier des 5vjährigen Jubiläums des Turn Vereins zu Eibenstock. Tage schöner Erinnerung und erhebenden Gesiihlr liegen Himer uns. Galt er doch ein Feit zu feiern, wie solche noch nicht viel begangen werden konnten, denn ehemals war die Turnerei noch keine Volkssache, die öffentlich geduldet wurde. Es ist somit der Turn-Verein Eibenstock einer der ältesten, welche in sachsen existiren. Im Hinblick auf die Bedeutung diese« Tage« hatte man in der Bereinsleitung beschlossen, da« Fest zu einem würdigen zu gestalten und zahlreiche Einladungen zur Antheilnahme an dieser Feier ergehen lassen. Leider wurden die dem Feste vorhergehenden Tage von der Ungunst de« Wetter« betroffen, so daß die auswärtigen Vereine durch den unaufhörlichen Regen sich vom Besuche unserer Feier vielfach abhallen ließen. Ehe jedoch die Stunde de« Festzug» heranrückte, klärte sich der Himmel auf und der Umzug sowie die Turnerei selbst konnte in allen ihren Theilen den programmmäßigen Verlaus nehmen. An dem Festzuge, welcher durch seine geschickte Zusammen stellung ein abwechselungsreiche« Bild bot, zwei Musikkapellen, 8 Fahnen und eine Standarte mit sich führte, betheiligtcn sich Knaben und Mädchen der oberen Klassen unserer Bürger schule mit dem Lehrerkollegium, die hiesigen Behörden und Ehrengäste, die Gründer de« Verein« wurden in Landauern gefahren. Ferner nahmen daran Thcil der Militär-Verein, die 3 Gesangvereine Liederkranz, Orpheu« und Stimmgabel, der Schützenverein, der Radfahrerclub, die Turner-Feuerwehr, der hiesige Turn-Verein mit seiner Damenriege, die Turn- Vereine von Schönheide, Schönheiderhammer, Carl-seld, Hund«hübel, Oberschlema. Nach Eintreffen de« Zuge« auf dem Festplatze begrüßte zunächst Herr Bürgermeister Hesse die erschienenen aus wärtigen Gäste im Namen der Stadt, und nachdem die ver einigten Gesangvereine zwei Verse von dem Liede .Brüder weihet Herz und Hand- gesungen, ergriff Herr Diaconu« Rudolph da« Wort zu nachstehender Festrede: Hochverehrte Anwesende! In den August noch fällt da« Fest, da« der Eibenstocker Turnverein und wir Alle mit ihm heule feiern. In den August, — da fällt e« glücklich. Der August ist der an Er innerungen reichste Monat für deutsche Turner. Birgt er doch im Schatzkästlein seiner Erinnerungen jene zwei herrlichen Perlen, den Geburtstag de« .Alten" der Turner, de» Turn- vatcr« Jahn, ebenso wie den seine« rcichbcgabten, sange-frohen, für die deutsche Turnsache hell begeisterten Schüler« u. Mit arbeiter« Ferd. Maßmann. Frisch, fromm, fröhlich, frei haben diese Männer geschafft und gewirkt, geschrieben und gehandelt für die gute Sache der deutschen Turnerci. Darum ist auch unter den Stürmen der Zetten, unter dem Sonnenschein deutscher Kraft und jugendlicher Freude, unter dem fruchtbaren Regen der Be günstigung durch Staat und Schule der Baum der deutschen Turnkunst gewachsen und gediehen. Frisch, frei, fröhlich, fromm, die- glückverheißende vier blättrige Kleeblatt habe ich auch gefunden auf dem Gange durch da« Feld der Geschichte de« Vereine», diesem vierfachen Ziele soll und muß die Turnfahrt der ganzen deutschen Turner schaar gelten, auch Ihre» Vereine« Turnfahrt durch die Zu kunft; diesen harmonischen Akkord lassen Sie durch diese» Fest und in Ihrem Herzen und Turnen weiterklingen. So lassen Sie, hochverehrte Anwesende, diese« alte Turnermotto auch Ihren Wahlspruch, auch da« Thema dieser Rede sein! Frisch, frei, fröhlich, fromm, so ist 1) gewachsen der Verein, da« soll 2) alle« Turnen« Zweck sein, 3) so wollen Sie sich heute sreun! I. Frisch, frei, fröhlich, fromm — so ist gewachsen der Verein. Frisch. Der Sommer 1847 ist de« Vereine« Geburtlzeit. Ein kleine« Häuflein, 20 etwa, bildete den Anfang. Freilich Barren und Reck, Hantel und Stab, Turngeräthe und Turn halle, wo wäret ihr damal»? Aber dafür weht un« au« dieser Verein«, und Ansang«zeit die frische, kühle Waldluft entgegen. Dafür grüßt un« dort der duftige, tannenuwrauschte Schatten unserer hochgelegenen Wälder. Im frischen Walde wurde viel gelurnt, gewiß mit frischer Kraft und frischer Lust. Wer aber selber al« eifriger Turner Gelegenheit gehabt hat, nicht bloß in der Halle, sondern in Gotte« frischer, freier Natur zu tarnen, der kann dem Eibenstocker Turnverein wie jedem anderen nur wünschen, zu diesem frischen WaldeSansang wieder und wieder zurückzukehren. Draußen im frischen Grün turnt e« sich frisch. Frisch und frei, — so geht die Geschichte de« Verein« weiter. Die Stürme der politisch aufgeregten Jahre 1848/49 haben viele deutsche Turnvereine weggcfegt. Sie wurden da mals al« politisch angesehen und mußten sich auflösen. So auch der hiesige. Seine Akten wurden beschlagnahmt. Die Nachrichten au« diesen Jahren fehlen also. Bekannt ist nur, daß er in der unsichtbar machenden Tarnkappe der Heimlich keit weiter gelebt hat, bi» er l849 die Kappe fallen ließ und frei wieder sein Haupt erhob. Frei wehte bald in der Berge«- lust seine Fahne. Frei konnte er wachsen und zunehmen und sammeln die Jünglinge und Männer unserer freien Berge. Freiheit aber, hochverehrte Anwesende, ist da« Gegcntheil von Willkür und Zügellosigkeit. Die wahre Freiheit gedeiht nur auf den Alpenhöhen freiwilliger Selbstbeschränkung und Hin gabe an Andere. Darum hat e« auch Ihr Verein für Pflicht und Nutzen erachtet, sich dem Verband der deutschen Turner schaft anzuschließen. So erst konnte er gedeihen recht frei und fröhlich. Zum fröhlichen Wciterstreben gehören auch gewisse äußere Erfolge. Ohne sie stockt und stirbt e« so leicht. So mögen denn auch die Preise und Diplome, die der Verein bei aus wärtigen Turnfesten für hervorragende Leistungen einzelner Mitglieder erhalten hat, sicher von Einfluß auf ein fröhliche« Wcilerstrebcn gewesen sein. Und nun ging e« vorwärt»: von dem gemiethcten Saale in die neue, herrliche Turnhalle, von der kleinen Anfang-zahl der 20 Mitglieder bi» hinaus auf da« Zehnfache und darüber. Frisch, frei, fröhlich und fromm, da« ist die Geschichte de« Vereine«. Freilich darf man da« Wort hier nicht in seiner strengsten Bedeutung nehmen. Daß aber der Verein fo frisch und fröhlich gedeiht, ist doch ein Zeichen, daß rechter, christlicher Geist in ihm wohnt. Daß schon vor 40 Jahren eine freiwillige Turner-Feuerwehr sich au« ihm rekrutirt hat, ist doch Bewti», daß der Verein, nicht kleinlich u. selbstsüchtig, da« Allgemeinwohl im Auge und Herzen hat, und bereit ist, den Mitmenschen Kräfte und Zeit zu opfern. Hochverehrte Anwesende! Glück soll e« bringe», wenn man draußen ein vierblättrigc« Kleeblatt findet. Ich fand eine» auf dem Gang über da« Feld der Geschichte diese» Vereine». Frisch, frei, fröhlich, fromm heißen seine vier Blätter. Glückverheißend soll e« für den Verein sein, daß seine Geschichte also verlies. Glück aus zu solchem Weiter gedeihen! II. Frisch, frei, fröhlich, fromm — so wuchs der Verein, da» soll aber auch alle» Turnen« letzte« Ziel sein. Frisch soll e» machen, gesund und frisch den Körper. »In einer Zeit," so hat kürzlich Prinz Rupprecht von Bahern e« ausgesprochen, „in welcher so große Anforderungen an die geistige Durchbildung der Jugend — und wir fügen hinzu: an die geistige Arbeit de» Manne» — gestellt werden, ist e« von doppelter Bedeutung, die körperliche nicht zu vernach lässigen." In corpore sano mens suna d. h. im gesunden Körper wohnt — zumeist — auch ein gesunder Geist. Nun ist zwar der Geist mehr al» der Körper. Nun ist zwar unsere Seele ein unsterbliches Wesen, da» ihn nur zur Hülle, zum Hause hier hat. Aber e« besteht doch eine Wechsel wirkung. Stärkung, Kräftigung, Erftischung de» Körper» ist zugleich ein Stahlbad für Geist und Seele und macht sie frisch wie den Körper. Frisch soll da» Turnen machen und frei. Frei müssen Turnvereine vor allen Dingen von Politik iein. Wa« hat die Staat»kunst mit der Turnkunst zu Ihun? Politische Turn vereine sind ein Unding. Frei von Politik, aber eng gebun den soll der Turnverein sein an de« Baterlande» Wehr und Waffen, an die Vaterland«lieb». Au» glühendem P-triotilmu«, au» edlem Schmerz über de« Vaterland,« Demüthigung durch den alten Erbfeind ist die Turnerei am Anfänge diese« Jahr hundert« geboren. Vaterlandtliebe und Wehrkraft zu wecken, zu erhalten, zu mehren soll darum ihr stete» Ziel sein. Darum soll der Jüngling dem Turnvereine angehörcn, daß er einst mit glühender Begeisterung, mit starkem, geübten Körper de« Königs Rock trage. Darum mag der Mann seinen Körper darin stark erhalten, seine Vaterlandsliebe dort pflegen. Frei willig soll der freie, deutsche Mann turnen, seinem Vaterlande zu Nutzen und Ehre. Freudig soll er durch sein Turnen helfen, daß unser lheurc», heißgeliebte« Vaterland frei sei und frei bleibe. Auch fröhlich macht da« rechte Turnen. Wir lieben deutsche Fröhlichkeit. „Allezeit fröhlich" ist die Signatur echten Christenlhum«, rechter deutscher Art. Ein heiterer, fröhlicher Verkehr nach de» Tage« Last und Hitze, ein sich Zusammenfinden und Zusammenfreun, Freunderverkehr und sprudelnde Lust — wer wollte von solch' frischem Abendwinde sich nicht gerne einmal die Stirne kühlen lassen, wer wollte au« solch' schäumendem Becher nicht gerne einen kräftigen Zug thun! So soll c« sein: fröhlich muß da« Turnen machen und fromm. Da» Turnen, insbesondere aber da« Turnspiel, auf wel che« schon Vater Jahn schweren Nachdruck gelegt hat, gewähr leistet auch Vorzüge moralischer Art. Da« sind besonder« die Selbstbeherrschung und Entschlußkraft. Darum sei da» Turnen nie Selbstzweck, sondern Mittel zu solchen höheren Zwecken. Nehmen Sie nun aber noch hinzu, hochverehrte Anwesende, daß sowohl Jahn wie Maßmann ursprünglich Theologen ge wesen sind, daß, sich freiwillig in den Dienst der Nächsten liebe stellen, ein christlicher Zug ist, den die heidnische Gym nastik nicht hat, daß e» in unserer materialistischen Zeit heißt die Fahne de» JvealiSmu», de« Streben« nach höheren Gütern, hochhalten, wenn man kämpft und ringt nicht um Geld, son dern um einen schlichten Kranz, der de« Sieger« Haupt ziert, daß e« endlich echt christlich ist, Vaterlandsliebe zu üben, so müssen Sie mir recht geben: Frisch, frei, fröhlich und fromm muß da« Turnen machen. Dahin muß die Turnfahrt auch Ihre» Vereine« gehen, die Turnsahrt aus dem Wege der Zukunft. „Gut Heil" vom Herrn zu solcher Turnfahrt! III. Frisch, frei, fröhlich, fromm — so wollen Sie sich heute auch freuen! 50jährige» Stiftung-fest, da herrscht Freude. Rückwän den Blick! Da ist der Verein gewachsen nach innen u. außen. Umwärt« den Blick! Da feiern Behörden und Gäste, Freunde und Gönner mit. Aufwärts den Blick! Herr, wir danken Dir, daß Du bisher gesegnet hast. Segne weiter! Au«wärt« den Blick! Ein guter Anfang verheißt einen guten Fortgang. Meine Herrschaften! Da« ist also der Wunsch, den ich, und ich meine, alle Anwesenden mit mir, dem Eibenstocker Turnverein zu diesem Feste weihe, daß er weiter wachse, blühe und gedeihe frisch und fiel, fröhlich und fromm! Der Eibenstocker Turnverein lebe hoch, hoch, hoch! Hierauf erfolgte der Schlußgesang de» oben genannten Liede« durch die Gesangverein», und nachdem eine kurze Pause verstrichen, traten die Mitglieder de« hiesigen Turn-Verein zu den Freiübungen an, welchem Riegenturnen mit zwei maligem Wechsel folgte. Nachdem folgten Freiübungen der Alter«riege, Reigen der Damm und Kürturnen. Abend« fand im Saale de« Feldschlößchen« ein stark besuchter und schön verlaufener Commer« statt, welcher nach Begrüßung der Erschienenen durch den Vereins-Vorsteher Herrn Lehrer Ficker mit einem von der Damen-Riege gestellten herrlichen lebenden Bilde „Huldigung der Germa nia" seinen Anfang nahm. Nach dem Vortrage de« deutschen Liede« von Kalliwoda durch die vereinigten Gesangvereine wechselten Instrumental-Vorträge, allgemeine Gesänge und festliche Ansprachen in bunter Folge ab und gabm dem Abend ein wahrhaft festliche« Gepräge. E« folgten ferner noch weitere Vorträge der Gesangvereine, turnerische Gruppenbilder und 9 Marmorbilder „Au« vergangener Zeit". Sämmt- liche Vorträge, Darstellungen und Ansprachen erfreuten sich de« größten Beifall« der Anwesenden, und wurde die Rede de« Hrn. Sauer au« Leipzig, welcher vor ca. 40 Jahren dem hiesigen Vereine al« Vorsteher seine Kräfte widmete, be-