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so darf ich Sie ja jetzt wohl nennen — ich kann e« mir denken, daß e« für Sie peinlich lein muß, dieser Frau hier wieder zu begegnen,' sagte Clärchen, nachdem e» sich von der Bestürzung erholt hatte. .Mein Vater wird Sie sehr, sehr vermissen.' .Der größere Verlust wird wohl aus meiner Seite sein, Fräulein Clärchen, sie Alle haben mich nicht wie einen Frem den, sondern wie einen Sohn de» Hause« behandelt.' .Sie sind auch ganz ander«, wie andere Männer, Herr Doctor. Giebt e« denn gar keinen Ausweg? können Sie denn den Anblick der Frau nicht ertragen?' fragte sie, indem plötzlich ein Hoffnungsstrahl in ihr ausblitzle. Wenn er die Rolle al» simpler Schlossergesell weiter spielte, so würde ihn die stolze Frau zweifellos einer Beachtung nicht mehr werth halten, dachte sie. .Den Anblick der Frau Schilling kann ich Wohl ertra gen, ihre Person ist mir gänzlich gleichgültig, aber bei ihrem excentrischen Wesen und nach ihrem heutigen Auftreten zu schließen, ist sie im Stande, sich und mich aus'« Höchste zu compromitiiren, und da ich bei dem Untergebenen ihre- Man ne- wohne, so können Sie sich da« Ende der Afsaire leicht denken.' »Sie meinen, Herr Schilling würde, sobald er erführe, daß Sie zu seiner Frau einst in Beziehung standen, nicht allein Sie, sondern auch meinen Vater aus der Stelle entlasten.' .Ja, davon bin ich fest überzeugt.' Clärchen seufzte. „Sie mögen recht haben. Ja — e» ist wohl da» Beste, Sie gehen dieser Frau au« dem Wege, Ihr Ansehen kann nur dabei gewinnen.' Sic hatte sich erhoben und sah gedankenvoll au« dem Fenster. Wolter- trat an ihre Seite. .So werde ich denn morgen ichon diese« gastfreie und mir so lieb gewordene Hau« verlassen.' Er ergriff ihre Hand. .Fräulein Clärchen, ich habe eine Bitte: Dars ich wiederkommen, darf ich hosten, daß sie sich meiner in der Ferne ein wenig erinnern.' Sie entzog ihm lieferglüht ihre Hand. .Meinen Eltern werden Sie gewiß zu jeder Zeit ein willkommener Gast sein.' .Und Ihnen — werden auch Sie mich gern Wiedersehen? Sie schwieg. „O, sprechen Sie, Clärchen, nur von Ihnen hängt es ab, ob ich einst Wiederkehre?' drängte er. Sie wandte ihm einen Moment ihr schöne«, tieferglühte« Antlitz zu und sagte leise: .kommen Sie, auch ich werte Sie willkommen heißen.' .Dank, tausend Dank! Nun wird mir der Abschied um Viele« leichter.' Schnell preßte er einen heißen Kuß aus ihre Hand und wandte sich zur Thür. In dem Augenblicke, al» Wolter» die Hausflur betrat, erblickte er die Frau de» Sommer, welche in athemlosen kauf durch den Vorgarten auf die geöffnete HauSlhür zueilte. .Ach, Herr Wolter«, Gott sei Dank, daß ich Sie zu Hause treffe! Mein Mann — v er ist schrecklich — er — er Hal wieder getrunken, o kommen Sie mit und beruhigen Sic ihn, auf Sic hört er ja noch, ich weiß mir keinen Rath!' rief die Frau, al« sie Wolter», der schnell in die offene Hau»- thür getreten war, erblickte. .Wie ist Ihr Mann nur dazu gekommen? Er hat mir gestern doch erzählt, daß er die ganze Woche noch keinen Tropfen Branntwein über die Lippen gebracht hätte.' „Da» hat er auch nicht!' bestätigte sie schluchzend. „Aber heute Nachmittag kamen wieder zwei von seinen alten Freunden und holten ihn ab; er wollte erst nicht mikgehen, aber sie ließen nicht nach. Er müsse mit, sagten sie, e» sei etwa» Schlimmes passirt, und da ging er. Ach — nun ist Alles wieder im alten, bösen Gleise, nun wird er die schöne Aufseherstelle in ter Fabrik, die ihm morgen schon übertragen werden sollte, nicht bekommen. — O, und gegen Sic und dem Herrn Brauer führt er schändliche Reden; Sie und ich — ich — nein ich dring'« nicht über die Lippen. O, diese schrecklichen Menschen, wa» haben sie au» meinem Manne gemacht!' jammerte die bcdauernSwcrlhe Frau. .Gehen Sie jetzt ruhig zu Hause, sagen Sie Ihrem Manne kein Wort davon, daß Sic hier waren, ich komme gleich nach,' sagte Wolter« ernst. Die arme Frau dankte und eilte wieder fort. „Ich habe Alle« mit angehört,' ließ sich Clärchen» Stimme jetzt hinter Wolter» vernehmen, welcher im Begriff stand, die Treppe zu seiner Wohnung hinauszusteigen. »Wol len Sic wirklich dem Menschen gcgenübertrcten? Bedenken Sie, er ist betrunken und könnte Sic in diesem Zustande thätlich angrcifen. Sommer ist im angetrunkenen Zustande zu Allem fähig. Thun Sie e«, bitte, lieber nicht,' bat Clär chen ängstlich. .Seien Sic unbesorgt, Fräulein Clärchen, ich werde schon mit ihm fertig werden. Warten Sie, bitte, einen Augenblick, ich möchte Ihnen ein Bild zeigen, welche« ich dem Sommer nachher vor die Augen halten werde.' Wolter» stieg schnell die Stufen zu seiner Wohnung hinauf und kehrte nach einigen Minuten mit einer Photogra phie zurück, auf welcher eine Anzahl Knaben zu sehen waren, welche mit ihrem Lehrer vor einem schmucken Schulgebäude standen, .kennen Sic da« Gebäude aus diesem Bilde?' fragte Wolter«, dem jungen Mädchen die Photographie reichend. .Da« ist ja unsere Bürgerschule.' .Richtig, und wer ist der hübsche Knabe, um dessen Schulter der Lehrer den rechten Arm gelegt hat? Sie werden e« schwerlich errathen. E« ist Willy Sommer, der Liebling de« Lehrer«.' .Und der andere Knabe neben dem Lehrer, sind Sie, Herr Doctor,' rief Clärchen überrascht, so ernst und ver ständig können nur Sic blicken. Aber, wie ist mir denn? Wie kommen Sie al« Knabe aus diese« au« dem hiesigen Orte stammende Bild? Ich dächte Sie seien au« einer anderen Stadt in Westfalen gebürtig?' .Nein, mein Vaterhaus steht in Blankenfeld und Sie werden schon häufig daran vorübcrgegangen sein; c« ist da« Hau« mit dem großen Schlüssel am Markt. Ich durste Ihnen und Ihren Ellern, al« Sic mich neulich nach meiner Vater stadt fragten, die Wahrheit noch nicht sagen.' ,AH, welche Uebcrraschung! Wahrlich, Sie verstehen e«, immer Neue«, Hochinteressante« über Ihre Person zu enthüllen. Hat Sie denn Sommer nicht wieder erkannt?' »Nein, bi« heute noch nicht. Ich werde mich ihm jetzt zu erkennen geben und hoffe, daß er al« mein alter Schul kamerad bester begreifen wird, we«halb ich mich für ihn und seine Familie interessire.' Wolter» sah nach diesen Worten auf seine Uhr. .Ich hoste, zum Abendessen, also in einer Stunde, zurück zu sein. Sollten inzwischen Ihre lieben Eltern zurückkehren, so theilen Sie ihnen, bitte, meinen Entschluß, morgen abzureisen, mit. Sie können jetzt alle Geheimnisse, welche ich Ihnen anver- traule, Ihren Eltern erzählen. Adieu!' Wieder zog er ihre kleine Hand an sein» Lippen und küßte sie innig. Clärchen sah dem eilig sich entfernenden geliebten Mann nach, dann ging sie in ihr Zimmer und trocknete sich die plötzlich hervorbrcchenden Thränen. E« waren Thränen der Freude. .Er liebt mich!' jubelte e« in ihrem Innern. .Ach kaum vermag mein Herz diese« Glück zu fasten.' (Fortsetzung folgt.) Im Wahnsinn über den Wolken. Von OSkar Meere«. <2. Fortsetzung.) Randello bemerkte da« Anschwellen de« absichtlich leer gelassenen unteren Theil« de« Ballon«; durch die bedeutend dünnere Lust dehnte sich da« Wasserstoffs«» beträchtlich au». E« war dringend nothwendig, da» Ventil zu öffnen, und da der Lustschiffer allmählich begriff, wa« sür einen Fahrgast er uneingeladen mitgenommen haben könnte, mußte er alle Ur sache haben, seine Handhabungen vor der räthselhaften Person möglichst geheim au»zuführen. E« war dreiviertcl aus der Uhr; die Fahrt währte be reit« vierzig Minuten, und von Süden her kamen dichte Wolken hcrangezogen. Er faßte die Schnur de» Ventil« und beugte sich über die Hefte der erregt Sprechenden. E« galt auch da» einem kleinen Wasserfalle ähnliche Zischen zu übertönen, welche« da entweichende Ga» erzeugte. .Haben Sie denn jede Hoffnung verloren, mit Ihrer Erfindung turchzudringen?' fragte Randello in scheinbar größter Theilnahme. »Alle Hoffnung!' meinte die bleiche Dame lebhaft. .E« ist da« Schicksal aller Neuerer! Ich bin nicht so weise, wie Gott, da« ist eben die Sache! Aber ich bin im Besitz aller nur erdenklichen Kenntnisse, ich habe alle dazu gehöri ¬ gen Erforschungen seit Phaeton, Ikarus, Archita« geprüft, durchdrungen und mir zu eigen gemacht. Durch mich würde die Luftschifffahrt der künftigen Welt große Dienste leisten, wenn Golt mich am Leben ließe. Aber da« wird nicht ge schehen!' Die Absicht Randello» war gelungen; während de» sonderbaren Gespräch« senkte sich der Ballon langsam herab, ohne daß e» die höchst aufgeregte Dame zu merken schien. .Warum soll da« nicht geschehen?" fragte der Luftschiffer weiter, vorsichtig an der Bentilschnur ziehend. „Weil ich mich Empedokle» oder Erostrata nenne!" 4. Randello überlief bei den mit einem gedankenlosen Hin starren der schwarzen Augen kurz herauSgestoßenen Worten ein kalter Schauer. Der Ballon näherte sich dem Erdboden, aber die Gefahr ist in einer Höhe von hundert Fuß ebenso groß, wie zwanzigtausend Fuß hoch. „Denken Sie an die Schlacht bei Fleuru«, und Sie werden den Nutzen de« Luftballon« begreifen! Cantelli organi- sirtc auf Befehl der Regierung eine Lustschiffer-Compagnie; die Regierung zu Meudon eröffnete eine Schule für Luft schiffer, und e» war ein technischer Fehler Napoleon«, bei seiner Rückkehr au« Aegypten diese Schule zu schließen. Er hätte da« Kind lebensfähig werden lassen sollen!" Die eifrige Sprecherin stützte ihre Stirn in die Hände, schwieg einige Augenblicke und sagte dann leise vor sich hin: „Sie haben da« obere Ventil geöffnet, trotzdem ich e« verbot! Glücklicher weise besitzen wir noch zweihundert Pfund Ballast!" Randello ließ bestürzt die Schnur los. ,Wa« haben Sie denn vor?" „Sic sind wohl noch nie über da« Meer gefahren?" Der Lustschiffer erblaßte unwillkürlich. „Es ist unangenehm, daß wir nach dem Adriatischen Meer hingetrieben werden!" sprach die Unbekannte ruhig weiter und warf wieder zwei Säcke mit Ballast au». „Ich habe Sie da« Ventil öffnen lassen, weil die Ausdehnung de» Gase» möglicherweise die Hülle de» Ballon» hätte sprengen können! Aber Ihun Sie c» nicht wieder!" Der Lustschiffer war nahezu vernichtet. „Sie kennen jedenfall«," sprach die Dame weiter, „die Ueberfahrt der Herren Blanchard und Jefferie» von Dover nach Calai» im Jahre 1785. kaum emporgcsticgcn, mußten sie Ballast auswerfen u. behielten schließlich nur etwa dreißig Pfund. Bei schwachem Winde wurden sie langsam der fran zösischen Küste zugetrieben. Nach Verlauf von anderthalb Stunden hatten sie erst drei Viertel oe» Wege« zurückgelegt, al« der Ballon zu fallen begann, da die Hülle nicht dicht genug war. Sie warfen den Rest de« Sande« hinab, und der Ballon stieg, um sich bald wieder zu senken. Um nicht in da« Meer zu fallen, warfen sic alle entbehrlichen u. unent behrlichen Sachen hinau»; ihre Bücher und Utensilien, Leben»- miltel, Ruder und Steuer. Sie befanden sich kaum drei hundert Fuß über Wasser, kein Schiff in Sicht, keine Barke ringsum. .In da» Meer mit den Kleidungsstücken! Blanchard!" sagte Jefferie«. »Sie wollten die Fahrt allein machen, und haben mich nur aus mein dringende« Ersuchen hin mitgenom men ! Wir müssen in da« Meer fallen, wenn wir unser Ge wicht nicht weiter erleichtern können; ich will mich opfern und der erleichterte Ballon wird steigen!" „Sind Sie von Sinnen!' ries Blanchard. „Leben Sie wohl, Freund!" ries Jefferie«, und will sich hinunterstürzcn, doch Blanchard hielt ihn mit aller Gewalt zurück. „ES bleibt un» noch ein Mittel! Wir wollen da« Tau werk, welche« die Gondel sesthäl», abschneiden und un» im Netz sesthalten! Vorwärt«!' Da erhebt sich der Wind, der Ballon steigt und die beiden Luftschiffer waren gerettet. Einige Augenblicke später konnten sie sich im Walde bei Guine» niederlaffen. .Ich zweifle nicht,' schloß die Unbekannte ihre Erzählung, „daß Sie sich unter Umständen ein Beispiel an dem Opsermulh Jefferie« nehmen werden." Randello schaute mit leisem Schauder herab. Unter ihm ergossen sich die Wolken in blendenden Wasserfällen; durch und au« dem angehäusten Gewölk leuchteten und krachten die zahlreichen Blitze. .Wir wüsten un« herablasten!' brüllte Randello seiner aufgeregten Reisegefährtin zu. »Jetzt herablasten, wo wir der Sonne zueilen? Hinau« mit dem Ballast!' und sie erleichterte den Ballon um fünfzig Pfund. Sie blieben in einer Höhe von lOHOO Fuß stehen; die Dame sprach unaufhörlich, aber Randello konnte in vem ringsum herrschenden Sausen kein Wort verstehen, und be fand sich in einem Zustand vollständiger Betäubung, während die bleiche Dame in ihrem Element zu sein schien. »Bei günstigem Winde würden wir weiter gelangen, aber mir liegt besonder« daran, recht hoch zu steigen," plau derte sie unbefangen weiter. »In den Antillen giebt e» Luft strömungen, welche hundert Meilen in der Stunde zurücktegen. Bei der Krönung Napoleon« stieg die Garnerin um elk Uhr Abend« in einem mit farbigen Lichtern geschmückten Ballon auf. Der Wind kam au« Nord-Nordost, am Morgen de» anderen Tage« schwebte der Ballon über der kuppel rer Peter«kirche in Rom. Wir werden noch weiter gehen!" Randello hörte kaum, Alle« summte um ihn her. In den Wolken entstand eine größere Lichtung. »Sehen Sie jene Stadt da unten? E« ist Speyer!' Der sonst so kühne Luftschiffe! schaute scheu hinab. E» war jedenfall« Speyer. Der dort sehr breite Rhein glich einem abgerollten Bande, und die Stadt einem Häuschen zusammen geworfener Schnüre. Vor Kälte sich schüttelnd, betrachtete er dann sein Gegenüber; er war in dem weiten Raume allein mit einer — Wahnsinnigen. „E« ist ganz nutzlos, daß Sie wissen, wohin ich Sic führe!" rief diese jetzt lachend, und schleuderte den Kompaß in die Wolken. „Ein Stur; au» dieser Höhe wäre herrlich, nicht wahr?" „Der Wind ist heute für eine weite Tour zu schwach!" suchte der verzweifelte Luftschiffer von Neuem zu überreden; „wir wollen heule herabgehen!' Dabei umdrängten die Wolken den Ballon von allen Seiten und entsetzliche Töne kreuzten sich um sic her! „Mein Herr, Sic erschöpfen meine Geduld!" sagte die Wahnwitzige. „Sie sollen nicht mehr wissen, ob wir steigen oder fallen!" Daraus folgte da» Barometer nebst einigen Sandfäcken dem vorauSgesandlen Kompaß. Der Ballon mußte wenigsten» vierzehntausend Fuß hoch sein. Eisschollen setzten sich an die Gondel und ein feiner Schnee legte sich auf die bloße Haut. Darunter tobten jetzt die furchtbaren Gewitterwolken. (Schluß solgt.) Vermischte Machrichten. — Der Weltumfahrer Heinrich Horstmann ist am Montag Abend berg. Woche von seiner Reise um die Welt nach Barmen zurückgekehrt. Horstmann fuhr am 20. Mai 1895 von Dortmund ab durch Belgien, Holland, Eng land, Schottland und Irland, die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Texa», Japan und Hinterindien, Egypten und von Triest durch Oesterreich über Wien, Linz, München, Augsburg, Stuttgart, Frankfurt a. M., Coblenz, Köln und Düsseldorf. Die Tour ist für Horstmann reich an Abenteuern und Gefahren aller Art gewesen. Auf der Reise nach Cali- fornien mußte er 76 Tage lang die Nächte im Freien zu bringen. Oft war er daran, vor Durst zu verschmachten. Auch die Malaria hat er überwunden. An allen civilisirten Orten wurde er mit Begeisterung empfangen und aufs Freund lichste bewirthct. In Indien konnte er sechs Wochen lang kein Schiff zur Fahrt nach Port Said finden, weil wegen der Pest alle Europäer flohen und auf Wochen hinau» die Schiffe besetzt waren. Schließlich nahm ihn der Kapitän eine» norwegischen TranSportdampfer« al« „Zahlmeister" mit. Seine Reise von Triest aus glich einem Triumphzugc. Allent halben wurden ihm von Sportgenossen Deputationen entgegen gesandt. In derjenigen, die ihm von Agram au« entgegen kam, befand sich auch eine Dame. Diese ist jetzt Horstmann'» Braut. Ueber die Ursache zur Reise wurde viel gesprochen. Und allgemein nimmt man heute noch an, daß eine Wette von 20,000 Mk. die Veranlassung gegeben habe. Diese» Gerücht ist sür den Weltumradler namentlich in Nordamerika, wo man die Sensation und Reklame liebt, von großem Vor- theil gewesen. Doch sind die Gründe andere gewesen. In sämmtlichen größeren europäischen Städten, welche Horstmann berührte, hielt er Vorträge. Demnächst wird er eine Vor- tragSreise durch Deutschland antretcn. Im Frühjahr will Horstmann dann die zweite Welt-Reise antreten. Die jetzt vollendete hat ihm fünf Räder gekostet. — Wallfahrten per Fahrrad. Im Zeichen de» Fahrrade» stehen jetzt, wie man dem „Pester Lloyd" meldet, sogar die Wallfahrten zu den verschiedenen Gnadenorten. Unter den vielen Tausenden, die im heurigen Sommer nack> Maria-Radna pilgerten, befand sich dieser Tage eine nahezu tausend Köpfe zählende Pilgerschaar au» TemeSvar, in deren Reihen eine stattliche Kolonne von etwa 45 Radfahrern und Radfahrerinnen in allen Orten, die der Zug passirte, große» Aufsehen erregte. Der die Wallfahrt leitende Priester halte da» Zweirad nach höheren Ort» eingeholter Instruktion sür zulässig erklärt. — Wenn jemand eine Reise thut.... Eine Dame, die mit dem Berlin-Breslauer Zuge nach Kohlfurt gekommen war und in den Görlitzer Zug umstcigen wollte, ließ im ersten Zuge in der Eile ihren Hut liegen. Auf der andern Seite de» Perron» angelangt, stieg sie anstatt in den Görlitzer, in den nach Berlin gehenden Schnellzug ein. Von dem betreffenden Schaffner auf ihren Jrrthum aufmerksam gemacht, stieg sic schnell au» — ließ jedoch ihren Umhang liegen. Glücklich in dem richtigen Zuge angelangt, bemerkte sie ihren doppelten Verlust und eilte, die verlorenen Gegen stände zu holen, nachdem sic ihr übrige» Handgepäck im Görlitzer Zuge untcrgcbracht hatte. In demselben Augenblicke ging der Berliner Schnellzug und mit ihm der Umhang nach Berlin ab, und al» sie auf der andern Perronseile wieder erschien, sah sie auch den Breslauer Zug mit dem Hute weiter dampfen. Ehe sie aber, noch rathlo», wa» zu lhun sei, zu dem Görlitzer Zuge zurückkehren konnte, setzte sich auch dieser, ihr Handgepäck mit sich fortführend, in Bewegung. — Ochse und Esel. Fast in jedem Streit sind Recht und Unrecht aus beiden Seiten. Viel Streit würde geschlich tet und vermieden, wenn die Richter danach urtheilten. — Jemand hat einen Anderen „Esel" genannt, und dieser hat jenen .Ochse' gescholten. Sie riesen meine Vermittlung an. Ich sprach: .In der Sache habt Ihr ja Beide vollkommen recht; aber in der Form habt Ihr Euch Beide vergriffen.' — Da warm sie stolz ob ihre« Recht» und beschämt ob ihre» Unrecht«, versöhnten sich gern und priesen meine Unpar teilichkeit.