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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 19.08.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189708191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970819
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970819
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-08
- Tag 1897-08-19
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Monat
1897-08
-
Jahr
1897
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kohlenwcrke zu Zauckerode ist der durch Ausritt der Wcißcritz ersoffene Theil de» .Carola-Schachte«' bereit» soweit entwäs sert, daß die Mannschaft de» Schachte», nachdem sie vorüber gehend in den anderen Schächten untergebracht worden war, größtentheil« wieder dort arbeitet. — Dre»den, 16. August. Einen tragischen Abschluß sand gestern da» große Vogelschießen der Dre»dener Bogen- schützengilde. Aus der Ueberfahrt von der Vogelwiese nach dem Neustädler Ufer hat sich Abend» 6 Uhr ein höchst be dauerlicher Unfall ereignet. Bi« heute Mittag liegen hierüber folgende authentische Einzelheiten vor: Da« mit 40 Personen besetzte Ueberfahrt»boot (kleiner Schraubendampser .Undine') war eben im Begriffe, nach der Vogelwiese über zufahren und wendete seine Spitze dem jenseitigen Ufer zu, al» der von drüben kommende kleine Schraubendampfer .Pill nitz' ihm in die Seite fuhr. Da gleichzeitig mit dem Stoße au» noch unaufgeklärter Ursache auf der .Undine' ein Dampf ventil sich öffnete und die Passagiere im höchsten Schreck sämmtlich nach einer Seite drängten, um dem ausströmenden Dampf zu entgehen, schlug .Undine' um und die Passagiere fielen sämmtlich in da» Wasser, da» an der betreffenden Stelle ziemlich stark strömt, auch größere Tiefe hat. Ein anwesender Gendarm und einige Leibzrenadiere betheiligten sich sofort energisch am RettungSwcrk. Als ertrunken ermit telt ist bi» jetzt ein sechsjährige» Mädchen; vermißt werden 7 Personen. Alle Diejenigen, die sich an dem umschlagcnden Boote fcsthiclten, wurden gerettet. Biele der Geretteten ver fügten sich sofort nach Hause, sodaß zur Zeil etwa« Sichere« nicht festzustellen ist. — Dresden, 16. August. Da» Unglück aus der Elbe stellt sich nach dem vorläufigen Abschluß der polizei lichen Ermittelungen al» größer heraus, al» man ursprünglich annahm. Durch die Unachtsamkeit de» Führer« de« Fähr dampfer» „Pillnitz' ist da» Unglück herausbeschworcn worden. Der Mann wurde au» diesem Grunde auch noch heute Nacht in Hast genommen. Richt da» Sicherheitsventil, sondern die Signalpfeife wurde von einer unermittelten Person während -der Panik weggerissen, und da» Ausströmen de» Dampfe» er höhte die Kopflosigkeit der Fahrgäste. Besinnungslose Frauen u. Kinder wurden von der BootSmannschast aus den Wiesen und im Weidengebllsch niedergelegt und dann durch Bahren nach der Diaconissenanstalt übergesührt. Sämmtliche verfüg baren Arbeitskräfte der Molkerei Gebrüder Pfund brachten wärmende Decken und unterstützten da« RcttungSwerk. Herz zerreißende Scenen spielten sich während der Katastrophe ab. Eine ältere Frau, die mit zwei Enkelkindern zum Fest halte gehen wollen, konnte nur mit dem größeren Knaben zurück kehren, der kleinere war in den Fluthcn verschwunden. Einen anderen, etwa sechsjährigen Knaben mußte man, von der Strömung erfaßt, wegtrciben sehen. Bei dem Potizeiamt waren bi» zum Abgänge de» Bericht» sieben Personen, und zwar drei Erwachsene und vier Kinder, al» vermißt gemeldet. Am härtesten traf da» Schicksal den Schuhmacher Rosenlöcher von der Waldschlößchenstraße, der seine drei 10, 8 und 7 Jahre alten Kinder vor seinen Augen ertrinken sah. Ein zehnjähriger Knabe, Paul Schulz au« Berlin, ertrank, während seine Großeltern gerettet wurden. Weiler werden noch ver mißt die Wäscherin Mildner und ihre 15jährige Tochter, so wie der Lackirergehilfc Fritsche. Wohlfahrt«- und Sicher heit»-, sowie die Strompolizei thaten Alle», wa» zur Sicher ung der Personen beitragen konnte. Da» nur mit Bordcr- theil und Esse au» dem Wasser hervorsehende Boot wurde im Laufe de» Tage» Lurch die Staatsanwaltschaft besichtigt und der Thatbestand, soweit sich derselbe fcststcllen läßt, ausge nommen. — Weiter wird noch gemeldet, daß der Leichnam der Wäscherin Ottilie Mildner aufgefunden und nach dem St. Pauli-Friedhofe gebracht worden ist. Bei dem ebenfalls lcblo» aus dem Wasser gezogenen 23jährigen Dienstmädchen Ritsche, da» in die Diaconissenanstalt gebracht wurde, waren die Wiederbelebungsversuche von Erfolg, da» 'Mädchen befindet sich auf dem Wege der Genesung. — Dresden, 17. August. Außer den bisher als ver mißt Angegebenen scheint weiter Niemand ein Opfer der Wellen geworden zu sein, wenigsten» sind Anfragen an die Behörden nicht weiter gestellt worden. Der verhaftete Schiffs führer de» Dampfer» .Pillnitz' ist vorläufig au» der Haft entlassen worden, doch wird die Untersuchung fortgesetzt. — Leipzig, 16. August. Al» Ursache de» gemeldeten Selbstmordes de« Feldwebels Leitert vom 107. Infanterie- Regiment, der einer der ältesten Feldwebel der sächsischen Armee war, wird jetzt bekannt, daß derselbe sich seit Jahren fortgesetzter Unterschlagungen schuldig gemacht und bei deren Entdeckung zur Schußwaffe gegriffen hat. — Meißen, 15. August. .Spaß muß sein!' dachte vermuthlich der liebenswürdige Ehegatte, der vorgestern Abend aus der Thalstraße in der Nähe de» BiSmarckplatze» seine Frau auf etwa» ungewöhnliche Weise spazieren fuhr. Der Gatte saß nämlich auf dem Rade, und hinter dem Rade her rollte, durch einen Strick mit ihm verbunden, ein kleine» Leiterwägel chen, in dem die nicht gerade schlecht genährte .bessere Hälfte' nur so eben Platz hatte. Daß die sonderbare Vergnügungs fuhre ihren Zweck vollständig erfüllte, läßt sich denken. — Crimmitschau, 15. August. Die feierliche Stille dc« Sonntagmorgen« wurde heute durch die Schreckensnach richt einer in hiesiger Stadt verübten doppelten Mord- that gestört. In dem nach dem Spritzcnhause zu gelegenen Thcilc de» Schmiedcmeister Sturmschen Hause», Nr. 24 der Schlulstraße, befindet sich die Wohnung der 54jähr. vcrw. Fa brikarbeiterin Auguste Pauline Jahn geb. Wetzel und deren 20jährigen Tochter Paula Jahn. Die Wohnung theilte mit denselben der Sohn und Bruder Kupferschmied Alfred Arthur Jahn, welcher am 7. August d. I. erst au« dem Lande»ge- sängniß zu Zwickau entlassen worden war, woselbst er 3'/, Jahre Gesiingnißstrafe wegen Betrug« und Unterschlagung verbüßt hatte. Zur Frühübung am Spritzenhause angetretene Feuerwehrleute, iowie Mitbewohner de» Hause» und Passan ten der Schulllraße hörten heute morgen gegen '/,8 Uhr au» dem Hause Hilferufe. Man nahm sofort eine Absuchung de« Hause» vor, fand jedoch nicht» Verdächtige«, dagegen sah man au« dem Fenster einer verschlossenen Wohnung nach der Hinter seile de« Gebäude» einen Mann entfliehen, der bald cinge- holt und fcstgenommen wurde. Die verschlossene Wohnung wurde geöffnet und nun bot sich den Eintretenden ein ent setzliche» Bild. Im Belt de» Schlafzimmer« lag die 20jährige Paulo, mittelst um den Hal» gelegter Schnur an da« obere Bettende befestigt, mit einer Stichwunde an der linken Schläfe, da« Bet« mit Blut vollständig besudelt. In der daran stoßen den Küche auf dem Fußboden lag entseelt, vollständig ange kleidet, ebenfall« im Blute und mit einer Schnur um den Hal«, die fest zugezozen war, die Mutter. Die angeftellten Recherchen ergaben, daß die Mutter ihrem Sohne, dem er wähnten Alfred Arthur Jahn, wegen seine» Herumtreiben« Vorwürfe gemacht und ihn zur Besserung seine« Leben»wan- del« ermahnt hatte. Darau« sei ein Streit entstanden, in welchem der mißralhene Mensch Mutter und Schwester er stochen und erwürgt hat. Ein gewöhnliche« Tit'chmcsser wurde unter dem Leichnam der Mutter gefunden; ob dasselbe die Mordwaffe ist, konnte noch nicht sestgestellt werden. Frau Jahn war kurz vor der Mordthal von einem Au-gange heim gekehrt, neben der Leiche stand noch der Korb mit Fleisch, Cigarren :c. Der Mörder befindet sich in Haft, derselbe legt eine stoische Ruhe an den Tag und begehrte alsbald nach seiner Jnhastirung Speise und Trank. — Schneeberg, 17. August. Gestern Abend in der 10. Stunde brach in der Jungnicket schen Schmiede in Gries bach Feuer au», welche» da» Gebäude in kurzer Zeit bi« auf die Grundmauern zerstörte. Ein Kind konnte nur mit Mühe au« der Dachkammer gerettet werden. Da» Feuer soll durch die Esse au»gekommcn sein. — Greiz, 16. August. Die Kunde von einem grau sigen Morde durchlief gestern in aller Frühe unsere Stadt. Bei Tagesanbruch ist, nur 600 Schritte von Rittcrgute Mösch witz entfernt, in Moschwitzer Flur der Leichnam eine« in den zwanziger Jahren stehenden Manne» aufgefunden worden, dessen Kops vollständig zertrümmert und unkennbar war, der Körper aber sonst keinerlei Stich- oter Schnittwunden zeigte. Die Verletzungen am Kopfe sind dem bedauernrwerthen jun gen Manne, der wahrscheinlich in einer hiesigen Färberei be schäftigt und im Begriffe war, nach Hause in die Gegend von Pöllwitz oder Pausa zu gehen, mittel» schwerer Feldsteine beigebracht worden. Der Mord ist vermuthlich bereit» am Sonnabend Abend au»geführt worden, denn in der I I. Stunde find in der 'Nähe de» Thatorte» Angstrufe gehört worden. Die Thal ist offenbar von einem Irrsinnigen auSgesührt worden, der sein Opfer plötzlich überfallen und bald bewußt los geschlagen hat. In der Nähe de« Leichnam» hat der Mörder einen Theil seiner Kleidung abgelegt, später hat er sich nackt bei Noßwitz herumgctrieben, wo er schließlich ein gefangen worden ist. Zu seiner Bewältigung waren drei Mann erforderlich. Der Jrsinnige ist ebenso wie sein Opfer noch nicht erkannt. — Ossegg i. B., 14. August. Wer trotz der tschech ischen Blutthaten in Eger, Brüx und anderen Orten Böhmen» in übertriebener deutscher Gutmüthigkeit den gegen die Tschechen deutscherseits eröffneten Boykott noch immer für „zu weit gehend' hält, dem werden sich angesichts de» folgenden Falle» wohl die Augen öffnen. Tschechen haben deutschen Feuerwehrleuten aufgelauert, sie überfallen und einen von ihnen erschlagen. Die Feuerwehr de» Orte» Herr lich bei Ossegg hatte am Feucrwehrgautagc zu Loosch theil genommen und befand sich Abend« gegen '/,9 Uhr auf der Rückfahrt. Die Herren fuhren auf einem Leiterwagen. Al» sie in Neundors in die Nähe de» Rürnbcrg'schen Gasthofe» kamen, sprang plötzlich ein tschechischer Bengel aus da» Ge fährt zu und fiel den Pferden in die Zügel, um den Wagen so gegen einen Ziegelhaufen zu drängen. Zugleich stürzte eine Horde Tschechen aus den Wagen zu, um ihn zu um ringen. Da sprang der Kommandant-Stellvertreter Herr Franz Richter aus Herrlich, der die Lage mit einem Blicke übersah, mit seinem Bruder hinten vom Wagen, im selben Momente aber gingen die Pferde durch und die beiden Herren waren daher von ihren Kameraden abgeschnilten. Sofort umringt sie die tschechische Meute, die mit Knütteln und Ziegelsteinen bewaffnet war, und im Nu hatte einer der Mordbubcn Herrn Franz Richter mit einem Ziegelsteine der maßen gegen den Kops geworfen, daß der Getroffene besin nungslos zu Boden stürzte. Als er lag, schlugen ihm die Tschechen mit einem Ziegelsteine die Hirnschale ein. Umsonst suchte der Bruder de« Herrn Richter die Tschechen abzuwchren — nach kurzem Kampfe wurde er mit einem Ziegelsteine mit solcher Wucht gegen die Brust geschlagen, daß auch er die Besinnung verlor. Die tschechischen Bluthunde blieben Herr de« Kampsplatze», ihr Opfer aber, ein verdienstvoller Veteran, der Vater einer kinderreichen Familie, schloß nach unsäglichen Schmerzen am zweiten Tage darauf die Augen für immer. Er hatte nicht» gcthan, um die Tschechen zu reizen, harmlos kehrte er mit seinen Kameraden nach Hause zurück, bald sollte er Weib und Kinder wieder in die Arme schließen — da überfielen sie ihn meuchlings und schlugen ihn todt! Ein gemeiner, brutaler Mord! Denn da» war kein Verdienst der Mordbuben, daß ihr Opfer noch Athemzüge that und nicht sofort verschied, die furchtbaren Steinhicbe hätten e» auch auf der Stelle tödten können. Die Untersuchungen wurden von der Behörde sofort eingeleitet und die Ansührcr der tschechischen Horde, die Arbeiter Hrdlicka, Bure«, sowie de» Letzteren Vat-r von der Gendarmerie verhaftet und dem Be zirksgerichte Dux eingeliefert. Alle drei Angeklagten leugneten die ihnen zur Last gelegte That, wurden jedoch von Zeugen überwiesen und in den verflossenen Tagen an da» k. k. Kreis gericht Brüx eingeliefcrt. Jubiläum Roggen — eine neue Varietät. Bei den bi» jetzt herrschenden niedrigen Roggenpreisen sollte der Landwirth den aus den Märkten erzielten Minder- erlö» durch reichlichere Ernten zu ersetzen und den Ertrag durch rationelle Bewirtschaftung, fachgemäße Düngung der Felder sowie namentlich durch öfteren Saatgutwechsel zu steigern trachten. Laut neuesten statistischen Ausweisen erntet man in Deutschland durchschnittlich 21'/, Hektoliter Roggen körner von 1 Hektar, während man in Dänemark und Eng land 33—34 Hektoliter pro Hektar einheimst. Diesen Mehr ertrag verdanken die Engländer nicht vielleicht der Güte und Fruchtbarkeit ihrer Felder, sondern hauptsächlich der rationellen Bewirlhschastung, öfteren Saalwechsel und Benützung neuerer Roggensorten und in dieser Hinsicht sollten sie jedem streb samen Landwirth al» Muster dienen. Wie sich der Ernte ertrag mittelst neuen Varietäten steigern läßt, bcwie« neuesten» Henderson mit seinem neuen Jubiläum-Roggen, den er durch Kreuzung de» Victoria- und Triumphroggen», sowie durch sorgsältige Auswahl der größten und schwersten Körner heran züchtete. Derselbe vereinigt in sich alle Vorzüge der beiden genannten Roggenarien und zeichnet sich durch besondere Widerstandsfähigkeit und ungewöhnliche Fruchtbarkeit au». Henderson baute auf vier gleichen Parzellen gleicher Bonität vier verschiedene Rozgenvarietäten an u. erntete aufHektar: vom Schlanstädter 6^ Hekt. Körner, „ Montagner 7,, , „ . Probfteier 7^ „ „ . Jubiläum-Roggen 10^> . „ Der Jubiläum-Roggen ergab also den größten Körner ertrag und dürste sich in der nächsten Zeit einer eben so großen Beliebtheit erfreuen, wie seiner Zeit der Montagner- Roggen; wenigsten» sprechen einige Heuer erfolgten Ernte- Resultate de» genannten Roggen« dafür. Herr Marlin Müller in Neustadt baute 5 kg de» Jubiläum-Roggen» am 18. Sep tember 1896 aus einem guten sandigen Lehmboden, den er zur Hälfte mit Kuhdünger, zur Hälfte mit Superpho»phat gedüngt hatte, sehr dünn an und eggte ihn flach (4 ein tief) ein. Der Roggen bestockte sich reichlich (15—18 Schößlinge) und lieferte nach Au»drusch 230 kg schöner, gleichmäßiger Körner, also einen 46 fachen Ertrag. Die Wirlhschaft»- Verwaltung in Petrowitz stellte mit dem Jubiläum-Roggen einen größeren Versuch an, indem dieselbe 48 de» neuen Roggen« mittelst Melichar'schen Säemaschine zu Ende Sep tember 1896 auf einem halben Hektar anbauen ließ. Der Erfolg war in der That überraschend. Der Roggen über winterte vorzüglich, bestockte sich außergewöhnlich und ergab nach dem Drusch 15 Meterzentner großer Körner, also einen 30fachen Ertrag. Die landwirthschastl. Versuchs station in Ve»ka bei Pardubitz (Böhmen), welche dem neuen Roggen die größte Sorgfalt widmete, ist bereit, 5 Ic^ dieser neuen Varietät um Mark 2,»o den Landwirthen zu Anbau versuchen zu überlassen. Auf der Wanderschaft. Original-Erzählung aus der sozialen Bewegung der Gegenwart. Bon Th. Schmidt. <16. Fortsetzung). Wenn Jemand, der die Frau de» reichen gabiikanten Schilling kannte, diese Unterredung heimlich mit angehört hätte, so würde er starr vor Staunen sich gefragt haben, wie ist'» nur möglich, daß diese an'» Besehlen gewöhnte Frau ein solche» gehäufelte« Maaß voll von Vorwürfen, Anklagen, Be lehrungen und Ermahnungen ruhig über sich aurschüttcn läßt, sie, deren leisester Wunsch von Allen in ihrem Hause al» Be fehl angesehen und unweigerlich erfüllt wird? Ja, ja, ein ewiges Räthsel ist doch das Fraucnherz! Sie reichte ihm stumm da» Buch hin; aus ihrem tief erblaßten Antlitz lag e» wie Ruhe nach einem Sturm Sic hatte, La« sah sie jetzt ein, von rem Manne, den sie glühend liebte, nicht« mehr zu hoffen. Nachdem Wolter« das Buch an sich genommen, streckte sie ihm mit abgewandtem Gesicht die Hand hin, die er jetzt ergriff. „ES ist gut, Fritz, daß Du mich an meine Pflich ten erinnerst; ich danke Dir. Wenn Du mich nicht mehr lieben kannst, so sollst Du mich von jetzt an doch achten lernen.' Er schüttelte stumm ihre Hand. Und so schieden sie. Als Fritz Wolters in der Dämmerstunde nach Hause kam, Iras er Fräulein Clärchen aus der Hausflur. Da» junge Mädchen theilte ihm mit, daß sie sich den ganzen Nachmittag scheußlich gelangweilt habe; ihre Ellern seien aus'« Land ge fahren und sic hätte allein da» Hau« hüten müssen. „Da« trifft sich gut für mich, Fräulein Clärchen,' sagte Wolter», nachdem er ihr sein Bedauern über den „Hausarrest' mit einigen scherzhaften Worten au-gcdrückt hatte. „Ich muß Sie nämlich um einige Minuten Gehör bitten, denn ich habe Ihnen eine für Sie und Ihre Eitern vielleicht willkommene, für mich aber entschieden schmerzliche Mittheilung zu machen,' sagte er ernst. Da» junge Mädchen sah bestürzt und erwartungsvoll zu ihm aus. „Bille, Herr Wolters, treten Sie hier ein.' Rasch öffnete Clärchen die Thür zu dem Wohnzimmer. „Wa» ist denn nur geschehen? Sic erschrecken mich mehr durch den plötzlichen Ernst Ihre» Wesen» al» durch die Worte selbst.' Sie nahm Platz in einem Sessel und nölhigte ihn zum sitzen, aber er blieb, die Hand aus die Lehne eine» Stuhle» gestützt, stehen und betrachtete mit schmerzlich-innigem Ausdruck da» regelmäßige, schöne Antlitz de« Mädchen», dessen schlanke, herr liche Gestalt ein mattgelbe», lustige» Sommerkleid heute be sonder» hervorhob. „Wie Sic sich erinnern, habe ich Ihnen sowohl wie Ihrem Papa gegenüber vor Kurzem die Frage verneint, ob ich Frau Schilling kenne. Ich konnte damal» auf diese Frage mit gutem Gewissen ein „Nein' antworten, würden Sie mich dagegen jetzt fragen, so könnte ich da» nicht mehr. Ich bin dieser Dame heute zum ersten Male hier wieder begegnet, leider mußte ich in ihr dasjenige treulose Wesen wieder erkennen, an dem ich einst mein Herz verlor.' Wolter« blickte bei diesen Worten mit einem Seufzer zu Boden, während Clärchen» Munde ein gedehnte» „Ah, also doch!' entschlüpfte. „Ich sehe, Sie sind erstaunt ob solcher Enthüllung,' fuhr Wolter» fort, „und ich fühle e» sehr wohl, daß ich in diesem Augenblicke vor Ihnen in einem zweifelhaftem Lichte erscheine; wenn ich Ihnen indeß zum Beweise dafür, daß ich diese Be gegnung nicht herbeigeführt habe, erkläre, daß ich infolge der selben, noch heute Ihr Hau« räumen und die Stadt verlassen werde, so hoffe ich, von dem Verdacht einer unlauteren An näherung an Frau Schilling vor Ihnen und Ihren Eltern gereinigt dazuslehen." War in Clärchen» Seele bei seinem Bekenntnisse, daß er Frau Schilling einst näher gestanden habe, sofort Miß trauen und Zweifel über die Lauterkeit seine« Charakter« auf gestiegen, so wichen diese bei seinen letzten Worten einer grenzenlosen Bestürzung und Angst. Wie? er wollte, er konnte sie so plötzlich verlassen, er, der so ost seinen ernsten Blick mit der stummen Frage in ihre Augen gesenkt hatte: Glaubst Du an mich? Dars ich hoffen. Dich einst zu erringen? Noch gestern Abend, al« sie kurze Zeit allein waren, hatte er ihr wieder Einige« au« seinem Leben erzählt und ihr ver sichert, wie glücklich er sich schätze, in diesem Hause Ausnahme gesunden zu haben und daß, wenn er über kurz oder lang von ihnen schiede, er etwa» darin zurücklasse. Sie hatte ihn verstanden; e» bedurfte bei ihm nicht der Worte, um au»zu- drücken, daß er ihr gut sei. Und nun kam plötzlich diese Enthüllung und dieser sein schneller Entschluß. Mußte e» denn sein? Wa» ging ihn jetzt noch die Ungetreue an? Aber freilich, wie sie Frau Schilling kannte, mußte ein Verbleiben scinerseit« zu einem schlimmen Ende, zu einem Scandal führen, denn sie hatte ihn nicht vergessen, sie schwärmte heute nock> für den schönen Mann. Da« hatte sie, Clärchen, längst au» ihren Reden und ihrem Benehmen herau«gcfühlt, wenn sie sein Bild in ihrem Album betrachtete. ,E« bedurfte dieser Versicherung nicht, Herr Doctor —
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