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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 14.08.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189708148
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970814
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970814
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-08
- Tag 1897-08-14
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Monat
1897-08
-
Jahr
1897
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— Freiberg. Ter hiesige Silberbergbau ist durch die Wafseikalasttophen derart in Mitleidenschaft gezogen, daß e« nach dem Urtheil Sachverständiger noch gar nicht abzu sehen ist, ob er da» Unglück wird völlig überwinden können. Die sämmtlichen Gruben der »Himmelfahrt", de« größten sächsischen Bergwerke», sind ersoffen, ebenso stehen andere Schächte unter Wasser. Die Bergleute müssen feiern, erhalten aber ihre Löhne weiter bezahlt. — Döbeln. Eine „wahrhaft fürstliche Belohnung" ist zwei Soldaten de» hiesigen Regiment» zutheil geworden, welche da» werthvolle Lager eine» Kaufmann» vor dem sicheren Verderben durch da» Hochwasser retteten. Nachdem die beiden braven Leute stundenlang im Keller, bi« zum halben Körper im Wasser watend, gearbeitet und alle« in Sicherheit gebracht hatten, schenkte der dor so großem Schaden Bewahrte jedem — eine Cigarre! — Dölitz. Einen cingetrocknetcn Kinderleich nam fanden Zimmerer hier in dem Dachraum einer Villa. Die Leiche ist unter den Dachsparren versteckt gewesen. Ein hinzugezogener Arzt erklärte, daß die Leiche mindesten» 5 bi« 6 Jahre dort gelegen haben muß. — Hartha. Im hiesigen Schützenhause übernachtete am Sonnabend Nacht ein schon bejahrter Geschäftsreisender au» Dresden, welcher früh todt in seinem Bette aufgefunden wurde. Dem bcdauern»werthen Manne sind im Schlafe die Krampfadern de» Beine» geplatzt. Der dadurch entstandene Blutverlust hatte den Mann derartig geschwächt, daß er nicht im Stande war, Hilfe zu holen. — Zschorlau, 12. August. Unser Ort wurde gestern Nachmittag von einem großen Brandunglück heimgesucht. Nach drei Uhr ging in der Scheune de» Juliu« Klötzer'schen Gute», welche» sich seit ungefähr einem Jahre im Besitze der Stadt Aue befindet und vom früheren Eigenthümer al» Pächter bewirlhschaftet wird, au« noch unaufgeklärten Ursachen Feuer auf, welche» sich rasend schnell aus die anstehende Scheune de« Anton Dittrich'schen Gute« ausbreitete u. bald darauf die Wohn- und WirthschaftSgebäude dieser Gehöfte er griff. Auch da» in der Nähe stehende Gut de» Hermann Klötzer und da» massive Wohnhaus de» Schneidermeister« Karl Lorenz wurden ein Raub der Flammen. An eine Ret tung dieser Gebäude war bei ihrer großen Nähe am Brand heerde, der theilweisc älterer Bauart und der fürchterlichen Gluth trotz aller Anstrengungen der heimischen und von Neu städte! und Albernau herbeigeeilten Spritzenmannschasten nicht zu denken. Bei der außerordentlich schnellen Verbreit ung de» Feuer» ist natürlich auch ein großer Theil der beweg lichen Habe der betroffenen fünf Familien vernichtet worden. Da» Vieh konnte mit Ausnahme eine» Hrn. I. Klötzer gehörigen starken Schweine», welche» verbrannte, gerettet werden. — Wie da» »Riesaer Tageblatt" au» zuverlässiger Quelle erfährt, soll Professor Di. Falb, der in Bad Teplitz Heilung bezw. Linderung seine» Leiden» suchte, nach einigem Aufenthalte daselbst plötzlich die Rückreise nach seiner Heimath haben antreten müßen. Da» fanatische, abergläubische Volk soll — kaum glaublich — den Ankündiger der eingetretenen starken Regengüsse, die so viel Elend gebracht, al» den Urheber dieser Naturereignisse insultirt und gedroht haben, ihn zu steinigen. Nähere Aufklärung über die einzelnen Vorkomm nisse ist zu erwarten. — Infolge der bedeutenden Hochwasserschäden in der Lausitz ist bekanntlich beabsichtigt, die Manöver der 32. Division nicht, wie in Au»sicht genommen war, in der Lausitz abzuhalten. Dem Vernehmen nach wird die Division aber doch Herbstübungen abhalten, und zwar in der Gegend von Crimmitschau und Werdau, wo zunächst Brigademanöver statlfinden werden. Später nimmt vielleicht die Division an den Manöver» der beiden anderen sächsischen Divisionen im Vogtlandc nnd Erzgebirge theil, sodaß diesmal da» gesammte sächsische Armeekorps im Vogtlandc und in dessen Nähe zu sammengezogen wäre. — Benutzung der Annahmebücher der Land briesträger seilen« de» Publikum». Nach 8 29 der Postord nung dürfen den Landbriefträgern aus ihren Bestellgängen gewöhnliche und einzuschreibendc Briefsendungen, Postanwei sungen, Nachnahmesendungen, Briese mit Werthangabc im Einzelnen bi« zum Werthbetrage von 400 Mark und nach Befinden auch Packele (Werthpacketc bi« zu 400 Mk. Einzel werth) zur Abgabe bei der nächsten Postanstalt übergeben werden; auch Zeitungsgelder nehmen die Landbriesträger zur Ausführung der ZeitungSbestellungen von den Landbewohnern entgegen. Postanweisung«gelder dürfen die Landbriefträgcr jedoch nur dann entgegennehmen, wenn ihnen gleichzeitig da« ordnungsmäßig au-gefüllte Formular zur Postanweisung mit übergeben wird. Jeder Landbriesträger führt auf seinem Be- stcllgange ein Annahmebuch mit sich, in welche« er die vor bezeichneten Sendungen — mit Ausnahme der gewöhnlichen Briefsendungen — und die ZeitungSbestellungen einzutragen hat. Zum Einträgen der Sendungen u. s. w. sind aber auch die Absender befugt; der Landbriefträger muß ihnen da» Buch auf Verlangen vorlegen. E» wird den Absendern dringend empfohlen, entweder selbst die Sendungen in da» Annahme buch einzutragen oder darauf zu halten, daß die Eintragung durch den Landbriefträger sogleich beim Empfang der Send ungen u. s. w. in Gegenwart der Absender stattfindet. Den Posteinlieferungsschein über eine dem Landbricfträger übergebene Sendung oder einen cinzuzahlendcn Postanweisungs betrag hat der Landbricfträger ebenso wie die Quittung über da» etwa an ihn gezahlte Zeitungsgeld jedesmal beim nächsten Bcstellgange mitzubringen. Amtliche Mittheikunge« aus den Sitzungen des Stadtraths zu Kibmflock. Sitzung vom 30. Juli 1897. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Hesse. Anwesend: 4 RathSmit- glieder. Punkt 1) der Tagesordnung, den Bau des Pfarrgutes betr. Der Stadtrath erklärt sich damit einverstanden, daß da- Wohnhaus de- Pfarrgutes übersetzt und das WirthsckaftSgebäude so groß gebaut wird, daß es für 16 Stück Vieh auSreicht. Die aus der Uebersctzung gewonnenen Wohnräume sollen der» miethet, der Miethzins aber nur in Höhe von 200 Mk. dem Pfarr lehn zugeführt, im Uebrigen aber zur Verzinsung und Amortisation der für die Uebersetzung verwandten Bausumme und nach Amorti sation derselben lediglich zu Reparaturzwecken dieses PfarrguteS be stimmt werden. Die baupolizeilichen Bedingungen können erst nach Vorlegung eines vollständigen Bauplanes und Kostenanschlages, deren Genehmigung vom Kirchenvorstande ausgesprochen ist, vorgeschrieben zum Bau eine- Wohnhauses gemäß der eingereichten Zeichnung unter den vom Kgl. Herrn Brandvers -Inspektor gestellten, sowie unter den weiteren Bedingungen ertheilt, daß er wegen Herstellung der Straße eine Caution von 250 Mark hinterlegt und für den Anschluß der Heimschleuße an die Hauptschleuße in der Reugasse die in 8 8 des Regulativs, die Erhebung von Straßen- und Schleußenbaubeiträgen betr.. vorgesehenen Beiträge entrichtet. 3> Beschlußfassung in einer Steuersache. 4) beschließt man, für die Ichutzmannschaft 3 Gummi- bez. Theermäntel zum Preise von 25 Mk. pro Stück anzukaufen. Sitzung vom 2. August 1897. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Hesse. Anwesend: 4 Raths mitglieder. 1) Dem Stadtverordneten-Beschlusse, an die Baufirma Liebold L Co. vorläufig nur 2000 Mark auszuzahlen und sodann zunächst die Probebelastung der Brücke vorzunehmen, tritt man bei. Von einer unterdessen vom Kgl. Finanzministerium wegen der ChaussirungSarbeiten vor dem MeichSner'lcken Grundstücke einge gangenen Verordnung nimmt man Kenntniß. Die hiernach ge forderte Verbindlichkeits-Erklärung soll abgegeben werden. DaS Stadtv.-Collegium rst in der Sache noch zu hören. 2) Von der wegen der Industrieschule ergangenen Verordnung wird Kenntniß genommen. Das Erforderliche soll ausgeführt werden. 3) Beschlußfassung in mehreren Steuersachen. 4) Die Vorschläge des Bauausschusses wegen i>. Entwässerung der Eisbahn, I>. Entfernung des Einfallschachtes am Schürer'schen Hause — am Postplatze — bez. Anbringung zweier anderer, t. Herstellung des Zaunes an der vorderen Haberleithe, werden zum Beschluß erhoben. 5) Ein Gesuch um Belassung eines ohne baupolizeiliche Genehmigung errichteten Schuppens wird abgelebnt. 6) In Sachen, Anbringung von Barrieren betr., soll der Bauausschuß gehört werden. 7) Mit der Uebertragung der Holzlieferung für die städt. Gebäude an den Gasthofsbesitzer Geyer in Oberwildenthal ist man einverstanden. Wegen der Kohlenlieferung sollen noch anderweite Offerten ein geholt werden. 8) Dem Beschlüsse des Bauausschusses wegen Herstellung von Schnitt gerinnen rc. in der Hinteren Rehmerstraße tritt man bei. 8) Tie Entschließung wegen Festsetzung des Wasserpreises wird bis Ende S.ptember dss. Is. ausgesetzt. Die bis jetzt vorgenommcnen Wassermessungen sollen fortgesetzt werden. 10) Die wegen der Fischereinutzung eingegangenen Offerten werden geöffnet. Ta die Angebote zu niedrig sind, soll ein öffentl. Bie» tungstermin wegen Vergebung der Nutzung angesetzt werden. 11) Die Verpachtung der Rathskellerwirthschaft soll, um der Form zu genügen, öffentlich ausgeschrieben werden. 12) Die Entschließung wegen Verlegung der Sparkassenräume wird bis auf Weiteres ausgesetzt. 13) Von den Prüfungsergebnissen der Armenholz- und Stadtkassen rechnung auf das Jahr 1896 nimmt man Kenntniß. Die Rechnungen sind an das Stadtverordneten-Collegium zur Richtigsprechung abzugeben. 14) Von den Verordnungen u. Verwendung des Sparkaffenreingewinncs, k. Schulferien, r.-. Verleihung von Ehrenzeichen an die Feuerwehrleute Alban Seidel, Robert Flemmig und Emil Baumann, 0. die Form der kirchlichen Rechnungen, v. die Führung von Gewehren von Seiten der Militärvereine, t. Unterbringung von Kindern in das obererzgeb. Waisenhaus zu Pöhla, 8. Anträge auf Verleihung des Feuerwehr-Ehrenzeichens, Ii. Revision der Giftbandlungen und 15) von der Biersteuerübersicht auf das 2. Vierteljahr 1897 und 16) von den Uebersichten der Stadt- und Sparkasse auf den Monat Juli. — 17) Die von zwei Hausbesitzern wegen Ausgrabung öffentlicher Straßen hinterlegten Kautionen sollen zurückgezahlt werden. 18) Die Lifte über die Steuerrestanten vom Jahre 1896 soll in Umlauf gesetzt werden. Außerdem kommen noch 5 innere Verwaltungsangelegenheiten und 3 Straferlaßgesuche zur Erledigung. Auf der Wanderschaft. Original-Erzählung au» der sozialen Bewegung der Gegenwart. Von Th. Schmidt. (14. Fortsetzung). „Mir gefallen vor Allem die zerlumpten Gestalten in dem Roman nicht, Papa, sie erzeugen in mir beim Beschauen ein Gefühl oe» Ekel» und Wider willen». Ich finde, e» ist überhaupt eine Dreistigkeit, Bilder von lebenden Personen ohne deren Zustimmung der Oeffenllichkeit zu übergeben. Wer bürgt dafür, daß nicht die Fortsetzungen auch bekannte Gesichter au» anderen Kreisen bringen? Denke Dir doch ein mal, wenn wir neben solchen Bassermann'schen Gestalten in einem Roman figuriren müßten — ich glaube, ich schämte mich lobt." Der Hausherr und Wolters lachten hell auf. Aber während ersterer Clärchen »kindisch" nannte, wurde letzterer plötzlich ernst. Wolter» ging ein Licht auf. Richtig, er hatte heule seine Schreibmappc oben in seinem Zimmer liegen lassen, und sic hatte der Neugier nicht widerstehen können, sie zu durchforschen. Er war von ihr al» Schriftsteller und Zeich ner erkannt, und sic fürchtete, da sic ihr Bild unter seinen Skizzen sand, daß dasselbe auch al» Illustration mit in dem Roman Ausnahme finden könnte. Hatte sic ihn absichtlich gereizt, so sollte sie dafür sowohl wie auch für ihre Neugierde jetzt bestraft werden. Indem er sich erhob, um sein Zimmer aufzusuchen, sagte er mit verbindlichem Lächeln: »Mein liebe» Fräulein, wenn ich einmal einen Roman schreibe, in welchem Illustrationen von Personen eingestreut werden, so werde ich keinen Augenblick zögern, der Hauptheldin desselben Ihr rei zende« Gesicht zu geben." „Und ich würde Ihnen dafür die Augen au»krotzen!" schallte e» hinter Wolter« her, der sich lächelnd mit einer schnellen Verbeugung empfohlen hatte. 8. Im letzten Drittel de« September« gab e» noch eine Reihe warmer, sonniger Herbsttage; da» schöne Wetter hatte den alten graubärtigcn Werkmeister der Schilling'schen Fabrik heute, al» an einem Sonntage, in der Nachmittag-stunde hinausgelockt in den dichten Buchenwald, durch den ein klei ner, tiefer Gebirg«bach mit zahlreichen flinken Forellen rauschte. Heidsiek, der Werkmeister, war ein leidenschaftlicher Angler. Schon seit einer Stunde hatte er, hinter einem hohen Erlcn- buiche sitzend, den Angelkork beobachtet; aber e» schien, al« wenn er, der sonst immer Glück beim Fischen hatte, heute keinen der schlanken und wohlschmeckenden Fische erbeuten sollte. Eben Halle er sich nach seinem jüngeren Gesellschafter umgcschen — e» war Wolter», der oben am Rande de« ab schüssigen User» in ein Buch vertieft saß — und seinem Aer- ger über da« heutitze „Pech" Luft gemacht, al« plötzlich der Kork auf der Wafferfläche vor seinen Blicken verschwand. »Na endlich!" Ein leichter Ruck an der Angel — und eine etwa psundschwere Forelle zappelte im nächsten Augenblicke neben Heidsiek im Grase. Wolter«, der den Fisch an der Angel au« dem Wasser schnellen sah, legte schnell da« Buch au» der Hand und glitt da» steile Ufer hinab, um sich den prächtigen Fisch in der Nähe zu besehen. Schmunzelnd löste der Alte den Angelhaken au» dem Maule de» zappelnden Fische«. »Ah — da« lohnt die Mühe! Sehen Sie nun. Sie Spötter, daß Beharrlichkeit immer zum Ziele führt?" wandte er sich an Wolter«, welcher den Fisch mit Interesse betrachtete. Doch jetzt ist'« hier mit dem Fangen vorbei, ich muß höher hinauf. Dort hinter der großen Buche ist eine Stelle, auf welcher ich schon wiederholt Glück hatte. Kommen Sie mit, nehmen Sie die zweite Angelruthe und probiren Sie« auch einmal." Wolter« Ihat wie der Alte sagte, er folgte ihm bi« zu dem bezeichneten Platze und warf dort seine Angelschnur in den Fluß. Allein da« fortwährende Hinsehen nach dem Korke und die warme Luft übten auf ihn eine solch einschläfernde Wirkung au«, daß er sich bald in da« Gra« streckte und ein schlief. Der Alte ließ ihn ruhig schlafen und betrachtete ihn mit freundlicher Miene. »Zum Angler taugt er nicht," sagte er. Wird wohl wieder bi« spät in die Nacht über den Büchern gesessen haben, der gute Kerl, und da« ist selbst für eine Na tur, wie die seinige, zu viel." Etwa eine Stunde später schritt an der Stelle, an wel cher Wolter« zuerst gesessen und gelesen hatte, eine elegante Dame, im leichten rosa Sommerkostüm und gefolgt von einer großen Dogge vorüber. Sie erblickte im Grase da« Buch, welche« Wolter« dort liegen ließ. Die Dame bog einige Schritte vom Wege ab und bückte sich nach dem Buche, um c« aufzuheben. Al« sie e« in die Hand nahm, entfiel ihm ein Brief, dessen Adresse eine zierliche Handschrift zeigte. Die Dame sah sich nach allen Seiten um, wer wohl der Eigen thümer de« Buche« — ein Band Lenau'scher Gedichte — sein möge, da aber weit und breit kein Mensch zu sehen war, so warf sie einen neugierigen Blick auf den Brief, um au» dessen Adresse den Eigenthümer de» Buche» zu ermitteln. »Fritz Wolter», Schlossergesell in der Schilling'schen Fabrik in Blan kenfeld," la» sic halblaut vor sich hin. »Hm — sonderbar, ein Schlossergesell zeigt Interesse für Lcnau'schc Gedichte — auch nicht übel!" kam e» spöttisch über die vollen Lippen der schönen Dame. »Und der Brief," — sic hielt ihn vor die Nase — »duftet ja nach Veilchen. Ei, ei, daß muß ja ein feiner Schlossergesell sein," nickte sie, »denn die Handschrift rührt entschieden nicht von einem gewöhnlichen Mädchen au« dem Volke her; da» hat zweifellos eine gebildete Dame ge schrieben." Wieder blickte sich die Dame nach allen Seiten um, diesmal au» dem Grunde, um sich zu vergewissern, ob sie bei ihrem Thun auch nicht von Jemand beobachtet werde. Al« sic Niemand in der Nähe bemerkte, entfaltete sic schnell den Brief und la«. »Ah, au» H., der Perle aller süddeutschen Städte stammt der Bries und — ei, da sieh doch Einer: »Mein lieber Herr Doctor!" redete die Schreiberin den auf dem Couvert al» Schlossergesell bezeichneten Menschen an — da» ist ja äußerst interessant. Nein, da» muß ich lesen." Und die schöne elegante Frau fing an, den vier Seilen langen Briese aufmerksam durchzulesen. Aber al» sie an den Schluß kam, da lief plötzlich ein nervöse» Zittern durch ihren Kör per, ihre dunklen Augen traten ihr förmlich au» den Höhlen und mit dem dumpfen Aufschrei: »Er ist hier, in Deine» Manne« Fabrik arbeitet er al» Schlossergesell!" lehnte sie sich gegen den Stamm der Buche, bei dem sie da» Buch entdeckt hatte. Doch schnell faßte sich die Dame wieder, e» war ja nur ein Freudentaumel, der die stolze Gestalt einen Moment in» Wanken brachte. Im nächsten Augenblicke küßte sie stürmisch den Brief da, wo ein Name stand. »Ah — jetzt ist Alle» gut! Endlich, endlich hat er ver ziehen und kehrt zu mir zurück. Fritz Scholle, diese» Ideal männlicher Schönheit, dieser geistreiche Causeur und scharfe Denker al« Schlossergesell in der Fabrik de» Manne«, den man meinen Gatten nennt — nein, da» ist ein zu köstlicher Witz, dafür möchte ich ihn todtküfsen!" ries die Dame entzückt au» und ihre Freude erinnerte lebhaft an diejenige eine« Kinde», welche» unerwartet ein längst gewünschte«, kostbare» Spielzeug geschenkt erhält. »Dann blätterte Frau Schilling eifrig in dem Buche weiter, offenbar suchte sie nach einem weiteren Anhaltspunkte für ihre Annahme, daß der Verlierer de» Buche» auch wirklich ein ihr theurer, alter Bekannter sei. Da fiel plötzlich ein handgroße« Blatt Papier au» dem Buche zur Erde, welche» sich, al» sie c» aufhob, al» die Zeichnung von einem schönen, ihr sehr wohlbekannten Mäd chenkopse erwie«. In einer Ecke de» Blatte» stand ein schmeichel hafter goethe'scher Ausspruch über die Frauen geschrieben, und diese Schriftzüge erkannte sie sofort al« von dem Manne her rührend, den sie einst leidenschaftlich geliebt, aber schnöde fallen gelassen hatte, al« sie, die gefeierte Concert-Sängcrin, ihre Stimme und damit auch ihren Unterhalt plötzlich verlor und ihr der reiche Fabrikant Schilling al» Ersatz dafür Herz und Hand anbot. O, sie kannte auch diesen Mädchenkopf mit den dunkel braunen Rehaugen und frischen Lippen, und beim Betrachten desselben nahm plötzlich da» eben noch so freudig leuchtende Antlitz einen häßlichen, scharfen Zug an. »Bah — Unsinn!" kam e» gleich darauf verächtlich von ihren Lippen. »Da« glaube ich nicht! Er ist ein Liebhaber von schönen Mädchenköpfen, hatte früher immer gleich den Stift zur Hand, wenn er ein auffallend schöne« Frauenantlitz sah. Mit diesem zwar niedlichen und klugen, aber immerhin nur schlichten Mädchen au» der kleinen Provinzialstadt nimmt c« die gefeierte Cornelia Lamosster im schlimmsten Falle immer noch auf." Da« Buch in eine Handtasche steckend, wollt Frau Schilling ihren Weg fortsetzen, al« sie unten vom Ufer her ein Geräusch vernahm, da» sie zur Seile blicken ließ. Gleich daraus thcilten sich die Büsche, welche den Userrand einsäum ten, und Fritz Wolter« kam zum Vorschein; im nächsten Mo ment stand er Auge in Auge vor der Frau seine» Brodherrn. Bei diesem unverhofften Anblick wich alle Farbe au» seinem hübschen, frischen Gesicht, und e« war ihm unmöglich, auch nur ein Wort au» der Kehle herau»zubringen. Ganz ander» wirkte dagegen diese plötzliche und unerwartete Be gegnung auf Frau Schilling. Dort stand ja der Mann, den allein sie wahr und leidenschaftlich geliebt hatte und immer noch liebte. Obschon beinahe acht Jahre Trennung zwischen ihnen lagen, so dünkte e« ihr doch, al« seien seit dem Tage, an dem er sie zum letzten Male in seine Arme schloß, kaum soviel Wochen verstrichen. Sein Erscheinen, der Anblick seine« Gesicht«, da« sich nur wenig verändert hatte, löschte momen tan alle Erinnerungen der Zwischenzeit au«. Ihr sonst kalte«, marmorblasse« Antlitz färbte sich mit lebhaftem Roth, und die dunklen Augen blitzten in freudiger Erregung. Eottsetzun, folgt.)
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