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Wilhelm Halle an seinem Rock ein Mhrihensträußchen, eine freudige Erregung belebte seine sonst fast finsteren Züge. Unter dem weißen Brautschleier sah Annas Gesicht noch bleicher au« al« sonst. Der Pfarrer sprach über den Text: «Und Dein Wille soll Deinem Manne unterworfen sein u. er soll Dein Herr fein." Die alten Weiber wischten sich die Augen, der alte Förster hatte die Hände gefaltet und seufzte tief und schwer. Anna hörte kaum, wa« der Geistliche sprach. Ihr war, al» geschehe Alle- nur im Traum. Aber voll und laut sagte sie ihr .Ja"; sie erschrak fast vor ihrer eigenen Stimme. Sie wechselten die Ringe. Anna« kleiner Ring entglitt Wilhelm» großen Händen und rollte auf den Teppich. Karl Woltermann hob ihn aus und legte ihn in de« Geistlichen Hand. Die Trauung war au«, Wilhelm warf zwei Thaler in die Schale de« Küster«, daß sie klapperten. Anna hing schwer an seinem Arm, al« sie zum Gasthaus gingen, wo die Wagen warteten. Er hob sie hinauf, sorgsam, wie man ein Kind hebt. Dann stieg er aus und ergriff die Zügel. Da faßte Jemand seinen Arm — e« war ein Mann mit aufgedunsenem Gesicht und rothem, wirren Vollbart. „Du bist'», Ignaz?" „Ja, ich bin'« selber. Viel Glück in die Ehe! Der wilde Lusch ist nun wohl zahm wie'n Kanarienvogel — wa«?" Er lachte roh. „Hier sitzt, die mich gezähmt — meine Frau." „Ah, ich freue mich —" sein Blick, wie er da« junge Weib musterte, hatte etwa» unheimlich Stechendes - „halten Sie den wilden Bären nicht zu fest an der Kelte, kleine« Frau chen! Ich möchte mir mal solche BändigungSszenc anschaucn! Werden Sie nicht öffentliche Vorstellungen geben? —" Wieder diese« rohe Hachen. „Ra, viel Glück, viel Glück!" Da« Pferd zog an. „Wer war da»?" „Ein Freund von mir, Ignaz Michalski." „Wa« ist er?" „Aufseher vom Stadtgefängniß." „Woher kennst Du ihn?" „Za, von hier und da." „Er hat einen bösen Blick." „Bah — ist aber ein guter Kerl." Anna schwieg, sie dachte darüber nach, ob ihr Mann noch mehr solche gute Freunde haben könnte. Sie waren auf der Landstraße. Eine tolle Fahrt begann — wie üblich, wenn die Bauern von der Trauung nach Hause fahren. Der Bauer thut dem Brautpaar eine Ehre an, wenn er die Pferde nicht schont. Jeder will in dem wilden Wettrennen der Erste sein. Die Bauern peitschten auf die Pferde, daß die Wagen über die schlechte, holperige Straße flogen. Die Weiber, jung und alt, kreischten vor Lust und Angst. Wilhelm hatte sein beste» Pferd vor dem Wagen. Er war hinter Allen zurück geblieben. Nun schnalzte er mit der Zunge, und da« junge, lebhafte Thier griff au«. In toller Jagd ging e» an den Anderen vorbei. Der vorderste Wagen hielt ihm Stand, Karl Woltermann saß daraus. Wilhelm sah ihn, jetzt griff er zur Peitsche, ein sausender Hieb traf da« Pferd. Mit wilden Sätzen stürmte e« vorwärt« und ließ Alle weit zurück. Der Wagen rüttelte, schaukelte und schleuderte. „Hast Du Angst?" Sie schüttelte den Kopf. „Und wenn'« — bei einer Ecke kann'« schon kommen — in den Tod geht?" „Auch nicht." Wa« war ihr da« Leben? „Brav, mein tapfere» Weib!" Der Herbstwind fuhr kalt über die öden Felder; die Sonne schien, aber sie wärmte nicht, sic klickte wie ein leere«, glanzloses Gespensterauge durch flüchtige, zerrissene Wolken setzen herab. Wilhelm legte sorgsam da« herabgeglittenc Tuch um die Schultern seine« Weibe« und zog e« sanft an sich. Anna saß stumm und theilnahmSlo« neben ihm, al« ginge sie nicht« an von alle dem, wa« heute geschah. Die Pferde mäßigten ihren Lauf, Wilhelm hielt vor dem Gasthausc „Zum wilden Schwan." Hier sollte die Festlichkeit stattfinden. De« Förster- Hau« war zu klein, und der Schwiegersohn wollte eine große Hochzeit. Auch mochte der Alte den Trubel nicht, und der Schwiegersohn wollte eine lustige Hochzeit. In dem dunklen Hausflur nahm der Förster Abschied von seinem Kind. „Vater —" Anna schluchzte an seinem Halse. „Gott sei mit Dir!" sagte er schlicht und küßte ihre weiße Stirn. Dann machte er sich sanft von ihr lo«, reichte dem Schwiegersohn stumm die Hand und ging, ohne sich um- zusehcn. Karl Woltermann schloß sich ihm an. Anna blickte ihnen nach, sic sah nicht, wie ihr Mann die Stirn runzelte. „Thust ja grad', al« ging'« direkt in die Hölle!" sagte er herb. Sie wandte sich um und folgte ihm in da« Zimmer. Große Tafeln waren aufgeschlagen und im buntem Durch einander besetzt mit Schüsseln voll Kochfischen, Entenbraten, Schweinebraten und Backpflaumen — die üblichen Gerichte bei einer rechten Bauernhochzeit. Dazwischen standen große Flaschen mit Schnap» verschiedener Sorten — Bier giebt e« gewöhnlich erst beim Tanz. Vor Anna» Platz stand ein Fläschchen mit Airschwein. Da« Essen begann — ein Geschäft, bei dem sich der Bauer nicht gern durch Unterhaltung stört. Kaum ein Wort wurde gesprochen, nur La« Klappern der Teller und da« Schnalzen der Essenden war zu hören — kaum ein Wort, außer dem einen, häufigen „Prost! zur Gesundheit!" Die Schnapsflaschcn wurden eifrig gebraucht. Die Gäste waren satt, neben den Tellern lagen hohe Haufen von Gräten, Knochen und Pflaumensteinen, die die Gäste direkt auf da« Tischtuch spuckten. Der bereit« genossene Schnap« verfehlte seine Wirkung nicht, eine laute Lustigkeit löste ziemlich unvermittelt die frühere Stille ab. Anna war still und stumm, ihr war, al« versage ihr der Athem. Wilhelm bemerkte e«. „Sie ist immer still," sagte er sich. Aber e« verdroß ihn doch. Desto lärmender wurde seine Lustigkeit. Seine Natur, kraftstrotzend in jedem Nerv und leidenschaftlich in jedem Empfinden, mußte sich in lautem Durchbruch äußern. „Heda, Wirt!" ries er, „stech da« Erste an!" Bald waren Gläser mit Bier vertheilt. „Juchhei! Lustig! Der wilde Lusch hat Hochzeit! Der wilde Lusch hat nur einmal Hochzeit — nur eine Liebe giebt'« für ihn, nur ein Weib! Da drin im Herzen de« wilden Lusch brennt da» Feuer hell und wild, und ist'« einmal zu End' damit, dann auch zu End' auf immer! Juchhei! drum soll die Hochzeit lustig sein! Stoßt an, hei! Stoßt alle an! Wer soll leben? Die junge Frau soll leben! Wenn« keiner ausbringt, ich bring c« au«: Mein junge« Weib soll leben! Da« Weib de« wilden Lusch!" Ein wüste» Lärmen, Rusen und Schreien folgte diesen Worten. Alle drängten sich mit ihren schlenkernden, über fließenden Gläsern um Anna herum. Ihr wurde Angst in diesem Kreise, sie fühlte sich elend und — allein. Wilhelm wischte sich mit den Aermcln den Mund, zog sie ungestüm an sich und gab ihr einen schmatzenden Kuß. Sein Athem roch nach Spirilu«, ein Gefühl de« Widerwillen» überkam sie. Sie erwiderte nicht seine Liebkosungen, er em pfand e« und ließ sie lo«. „Unter all den Menschen —" entschuldigte er sie, und doch kränkle e« sein empfindsame« Selbstgefühl. Er schob den Tisch von sich. „Heißa! Die Musik! Der TaNff geht lo«!" Schnell wurden die Tische beiseite geräumt, und die drei Dorfmusikanten stimmten ihre Instrumente. Wilhelm tanzte mit Anna vor. E« war wieder ein leidenschaftliche«, wildeS^Hinstürmen ohne Aushören, daß ihr Athem und Sinne vergingen, während er laute, jauchzende Jubelruse auSsließ. Erschöpft und halb betäubt lehnte sie an seiner Schulter, al« er mit Tanzen aushörte. Die schrille Musik that ihr weh, Alle«, wa» sie sah, tanzte vor ihren Augen, al« gäbe e« keinen festen Halt und Stand mehr für sie. „Wilhelm, sagte sic leise, „komm, wir wollen nach Hause." „Nach Hause willst Du?" fragte er überrascht, „jetzt wird'« ja gerade am schönsten!" Er nahm ein volle« Gla« — „Dein Wohl, mein Schatz!" „Wilhelm, ich bin müde, so müde . . ." Er schwankte einen Augenblick. „Gut, Du hast recht. Wir wollen nach Hause — Anna, in unser Zuhause!" Er hob da« Gla«. „Ade, Junggesellenthum! Hab' Dank für Gute« und Böse«! Der wilde Lusch sagt Dir Ade!" Er trank da» Gla« au« und schleuderte e« über die Köpfe der Tanzenden weg gegen die Wand, daß e» klirrend zerschellte. lFortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Lehrte, 28. Mai. Gestern Nachmittag brach an der Umladerampe de« hiesigen Gütcrbahnhose« in einem mit Chemikalien beladenen Güterwagen Feuer au», da« sich rasch weiter verbreitete und 26 beladene Güterwagen nebst Inhalt zerstörte. — Ein Kinemalograph ist in Pari» abermal« ab gebrannt. Aus dem Boulevard Poissonniere war im Laden ein Kinemalograph ausgestellt. Montag Abend um 6 Uhr brach Feuer au». E» waren etwa 20 Zuschauer anwesend, die sich alle reiten konnten. Schuld am Ausbruch de« Feuer war, wie bei der Katastrophe im WohlihätigkeitSbazar, die ProjektionSlampe. — Frauenmordc in New-Jork. Durch eine Reihe von Frauenmorden ist in der letzen Zeit die Stadt New-Jork in Schrecken versetzt worden. Die Opfer trugen sämmtlich Juwelen, so daß kein Zweifel bestehl, daß Raubmorde vor liegen. Die Verbrecher folgten den Frauen in ihre Zimmer, wo sic sie mit einem kurzen Strick erdrosselten. Die Morde sind in verschiedenen Theilen der Stadt verübt worden. Freitag Morgen erscholl da« Geschrei einer Frau au« dem oberen Stockwerk eine« billigen Logirhause«. Einer der Vor übergehenden hörte e» und stand still, al« plötzlich da« Fenster eingeschlagen wurde, und der Ruf „Mord" erscholl. Bald nachher stürzten zwei Männer ,au» der Eingang-thür de« Hause« und flohen nach verschiedenen Richtungen. Einer wurde von einem Polizisten angehallen, und der andere auch bald verhaftet. Al« die Polizei in da» Zimmer der Frau drang, sand sie eine Flasche Chloroform neben dem Belle stehen und auf dem Fußboden den kurzen, zu eigenartigem Knoten gedrehten Strick liegen, der auch bei früheren Frauen morden angewandt worden war. Die Frau war sehr stark und konnte sich deshalb ihrer Mörder erwehren, bi« ihre Hilfe rufe sie wegscheuchten. Die Verhafteten machen allerlei Aus flüchte, der Polizei sind sie jedoch al« berüchtigte Gesellen bekannt. — Bergbau auf Holz. Ein in seiner Art wohl einzig dastehende« Bergwerk befindet sich nach einer Mittheil ung de« Intern. Patentbureau von Heimann k Co. in Op peln in Tokin, indem dort in einer Tiefe von 4 bi» 6 Meter große Lager von Holzstämmen liegen, die vor Jahrtausenden dort ausgedehnte Waldungen gebildet haben müssen, die durch irgend welche elementare Einflüsse verschüttet wurden. In folge de» trocknen Sandbodens ist da» Holz vollständig wohl erhallen, und die Stämme besitzen einen Durchmesser bis zu l Meter bei einer durchschnittlichen Länge von 15 Meter. Die Chinesen bauen die Gruben regelrecht au« und verwen den diese« so gefundene Holz zu den verschiedensten Zwecken. — Klagen der Hausfrauen und Köchinnen über schlechteKartosfeln werden ganz besonders in der jetzigen Jahreszeit laut, und doch giebt eS ein ganz einfache» Mitte-, bei dessen Anwendung jene Klagen ein für alle Mal verstum men. Man lege die Kartoffeln einige Stunden vor dem Ge brauche in kalte» Wasser, dann bringe man sie in kochendem Salzwasser zum Feuer. Bei diesem Verfahren gewinnt man eine weiße wohlschmeckende Kartoffel; sollte die Kartoffel trotz dem in Ausnahmefällen eine bläuliche Farbe behalten, so em pfiehlt e» sich, einen Tropfen Essig in da« kochende Wasser zu gießen, wodurch die Kartoffel eine schöne weiße Farbe er hält. — Die namentlich in Süddeutschland herr schende Titelsucht zeigt sich wieder in zwei Familien-An- zeigen der Münchener „Neuesten Nachrichten", in deren einer eine „Königliche StaatSbahnoberportierSwittwc" erwähnt wird, während die andere von einer KälberschaffncrS-Wittwe spricht. In der Badcliste eine» böhmischen Bade» fand sich kürzlich auch eine „erbliche EhrenbürgerSlochter." — „General Mavromichali» wurde am rechten Hinterschenkel verwundet." So liest man in einem Schlacht bericht über das Treffen von Domoka. Der tapfere General scheint demnach zum Geschlecht der Vierfüßler zu gehören. — Folgende „Ehrenerklärung" findet sich im Anzeigenthcil eine« Berliner Blatte«: Daß ich da« Hündchen meiner Wirthin Frau Z . . . . eine „Töhle" genannt habe, bedauere ich und nehme ich diese Beleidigung hierdurch zu rück. Ernst M., 8tull. m«i. — Schade, daß Ernst M. e« nicht auf eine „Beleidigungsklage" hat ankommen lassen! — Nach Karlsbad. Schaffner: „In dieser Reihe sitzen erst vier Personen, fünf Personen hat die Direktion vorgeschrieben." — Einer der korpulenten Fahrgäste: „Sc? Bitte! Da hätte die Direktion mindestens warten müssen, bi» wir von Karlsbad zurückkommen." — Mormonismus. Fritzchen: „Mama, wa» ist da», Mormonen?" — Mama: „Mormonen, Fritzchen, sind eine Sekte, bei welcher ein Mann dreißig, vierzig Frauen heirathen kann." — Fritzchen: „Ach Gott, ach Gott, da« muß ja schreck lich sein!" — Mama: „Wie meinst Du da«, Fritzchen?" — Fritzchen: „Nun denk' Dir nur, wenn man da von dreißig, vierzig Mama« Haue kriegt!" Standesamtliche Nachrichten van Schönheide vom 23. bis 29. Mai 1897. Geboren: 138) Dem Schlosser Friedrich Ludwig Kosko hier 1 S. 139) Dem Bürstenfabrikarbeiter Karl Bruno Teumer hier 1 S. 140) Dem Handarbeiter Gustav Alwin Unger hier 1 T. 141) Dem Pinsel macher Gustav Ludwig Mölke! hier 1 S. Aufgeboten: Vaeat. Eheschließungen: 28) Der Förster Fran; Arthur Schaarschmidt in Rützengrün bei Auerbach i. V. mit der Helene Hedwig Schubert in Schönheiderhammer. Gestorben: 90) Des Schuhmachers Friedrich Emil Unger hierT., Elsa Martha, 2 M. alt. 91) Der Kutscher Karl Otto Werner hier, 17 I. alt. 92) Des Postunterbeamten Ernst Emil Martin in Schön heiderhammer S., Ernst, 8 M. alt. 93) Die Privatiersehefrau Friederike Dieckmann geb. Hummel hier, 69 I. alt. Aircheunalhrichte» aus Schönheide. Mittwoch, den 2. Juni 1897, Vorm. 10 Uhr: Wochenkommunion. Herr Pfarrer Harlcnstein. »M- -MU liefert alle Sorten I« Hörnlp-, Nies« a. K. Ein tüchtiger Kutscher wird gesucht. Bayrischer Has. Auf meiner, links der Gottschaldsmühle Grasstücke abzugeben. UnknUs Dslrmunn. Ein tüchtiger Sticker auf Seide gesucht bei lLlevi»»!««. Ein Garyon-Logis zu vermiethen. Brückenftr. 1. Oesterreichisch« Banknoten 1 Mark 70,„ Pf. Lv tiLksn VorÄtAtieffe, imd spsrsdmen Veldi-auek brolse krspsrnisz sngenekmsn aromstisciiek' Luck Ltsloll-lli-hell« ru empkekleu. kÜMW MI" IKMWNghfl. 1^2, S in Lidenstoek bei 4. 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