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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 29.06.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189706290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970629
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970629
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-06
- Tag 1897-06-29
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Monat
1897-06
-
Jahr
1897
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mil Hahn versehenen ca. 3—4 Liier Spiritu» enthaltenden Fäßchen hat füllen wollen. Der Leichnam de« auf so schreck liche Weise um'» Leben Gekommenen wurde nach dem Patho logischen Institut überführt. — Leipzig. In der Sächsisch-Thüringischen Indu strie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig hat sich ein internationaler Fremdenverkehr eingestellt, wie man ihn kaum erwartete. Die Eintrittspreise sind so niedrig bemessen, daß auch der weniger Bemittelte ohne besonder« große An forderungen an seinen Geldbeutel die Ausstellung besuchen kann. Vom l. Juli an werden an allen Tagen mit An nahme der »Elitetage' kombinirte Billet« zu l Mark aus gegeben, welche zum einmaligen Besuche de« Ausstellung«- platze«, de« Alten Meßviertel«, de« anmuthig gelegenen Thüringer Dörfchen« und der Kunsthalle oder de« Alpen diorama« berechtigen. Von diesen neuen Vergünstigungen wird vorau-sichtlich um so lieber Gebrauch gemacht werden, al» gerade der Monat Juli besonder« hervorragende Ver anstaltungen zu bringen verspricht. Bekanntlich fällt in diese« Jahr da» 400jährige Jubiläum der Bestätigung der Leipziger Messen. Die Ausstellung wird diese« nicht nur lokalgeschicht lich, sondern in gewisser Beziehung auch kulturhistorisch interes sante Jubiläum festlich begehen. — Aue, 22. Juni. Wie schon im vorigen Bericht vom Mission-fest verkündet und erklärt war, sand gestern hier in dem freundlichen Saale de« Schützenhause« die 1. Wanderkonfercnz der Sächsischen Missionskonferenz statt. Gegen II Uhr Vormittag eröffnete der Vorsitzende, Herr ?. Oi. Kleinpaul, die Konferenz^ indem er nach feierlichem Gesang auf Grund von I. Cor. 15, b8 alle Missionsfreunde mahnte: Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unbeweglich! — dazu gehört ober, daß unser Wandel im Himmel ist, und wir immer wieder unsere Kraft in dem Auferstandenen allein suchen — ; und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn! — dazu gehört, daß wir nicht müßig stehen, sondern in dem, wozu wir Andere ermahnen, selbst vorwärts gehen, uns selbst mit allem, war wir haben, dem Herrn hingeben und nimmer verzagen, die Anderen zum Dienste sür das Reich Gotter anzuspornen —; und vergesset den Trost nicht, denn ihr wisset, daß eure Arbeit nicht vergeblich in dem Herrn ist! — darauf weißen die äußeren Erfolge, wie z. B. der, daß die Missions konferenz zur Zeit der Begründung vor 10 Jahren 207, jetzt 1184 Mitglieder zählt mit 118,000 Mark Beitrag zur Leip ziger Mission, und darauf weisen die noch werthvolleren solcher Statistik sich entziehenden inneren Erfolge —. Die hierauf folgende Begrüßung zumal der Gäste, unter denen wir als Auswärtige, besonder» den Herrn EphoruS, 8uz>. I-ie. Roth, und den Vorsitzenden de» Sächsischen Hauptmissions verein«, Herrn Grafen Otto Vitzthum, hervorheben, beant wortete zunächst Herr 8uz>. Iü<. Noth. Er bekundete seine Freude darüber, daß von der MissionSkonfercnz seine Ephoric zur 1. Wanderkonserenz auSersehen wurde, betonte, daß man dieselbe getrost als einen guten fruchtbaren Boden sür Mission bezeichnen könne, und wünschte vor allem, daß die Mission, deren trübe, an Verfolgung und Verkennung reiche Anfangs zeit er vor 30 Jahren selbst erfahren hatte, in der jetzigen, ihr günstigen Zeit nicht der Gefahr der Verweltlichung er liegen, sondern festhallen möge am Kreuze de» Herrn, den und das allein sie predigen soll. Nachdem auch noch Herr Bürgermeister llr. Kretzschmar als Vertreter der Stadt sür die Konferenz und ihr Werk gute Wünsche dargebracht hatte, erhielt Herr Pfarrer von Seydcwitz-Leipzig das Wort zu dem Vortrag: „Die Nothwendigkeit und der Werth der Mission für das Christenleben de» Einzelnen, wie für die Gemeinde.' Die im Befehl de« Herrn ruhende Nothwendigkeit der Mission, von der ja auch die beiden ersten Herren Redner schon ge sprochen halten, kurz berührend und ihre Behandlung in Kirche und Schule warm empfehlend, behandelte er zuerst ihren Werth für die Gemeinde. Weil die Mission der Kirche vorhält, was versäumt worden und wa» nachzuholen ist, wie des Christenthum» Grundlagen und Kraft zu vertheidigen, wie Mittel zur Sammlung der Gläubigen anzuwenden sind, wie der Kirche in ihren Gemeinden zur Selbständigkeit ver- holfen werden, wie in ihren Gliedern die etwas erstorbene Freigebigkeit wieder belebt werden muß (in Sachsen kommen noch recht wenige Missionsbeiträge auf den Kops der evange lischen Bevölkerung), endlich wie die Arbeit sür das Reich Gotter nicht den Geistlichen allein auserlcgt, sondern aus die Christen vertheilt werden soll (auch auf die Frauen!): darum hat die Mission Werth für die Gemeinde, in allen diesen Beziehungen zur Nachahmung im Arbeitskreis der Kirche aufsordernd. Dem Einzelnen aber verhilft sic durch ihr weite» Arbeitsfeld zu weiterem Blick und weiteren Anschau ungen, lehrt ihm Geduld, treibt ihn an zu Gebet, festem Glauben und fleißiger Arbeit, wie ebensolchem Opfer. Reicher Beifall lohnte den Herrn Vortragenden sür seine fesselnde Darstellung. Der Dank de» Herrn Vorsitzenden und der Versammlung, sowie einige an den Vortrag sich anschließende Ausführungen au» dem Kreise der Anwesenden zum Thema beschlossen diese 1. öffentliche Versammlung. Nach kurzer Pause begann die 2. Versammlung, in der zunächst Herr Mission-senior Handmann, dann Herr Missionar Säuberlich über Götzen und Götzendienst Asien» und Afrika» den zahl reich Erschienenen (zumal Frauen und Kindern) berichtete und ihnen die Anschauungsweise und da» Leben der Heiden lebendig schilderte. Herr Missionar Handmann hatte zur Belehrung eine sehr große Anzahl von Photographien, Bildern und plastischen Darstellungen der Götzen, de» Götzendienste« und de» Mission-Werke» ausgestellt. Gesang und Segen beendete gegen '/,5 Uhr da» Fest, da» allen Theilnehmern in lebendiger Erinnerung bleiben und in ihnen einen Stachel zur regen Förderung de» Missions-Werke» zurückgelassen haben wird. — Pirna, 2b. Juni. Ein brennender Kahn auf dem Elbstromc — diese» seltene Ereigniß trug sich heute früh bei dem Umschlagsplatze Laube zu. Aus dem Lastkahn Nr. 23 der Oesterreichischen Nordwest-DampsschisffahrtSgesellschafl, welcher Laube gegenüber am linken Elbuser vor Anker lag, war Feuer au«- gebrochen und hatte sich in kurzer Zeit über da» ganze Fahr zeug auSgebreitet. Die Ladung, bestehend au» Baumharz, Blauholz und Eisenbarren, konnte nicht mehr geborgen wer den und fiel zum weitau« größten Theilc den Flammen zum Opfer. Auch der Kahn selbst ist derart beschädigt worden, daß sich die Reparaturkosten kaum verlohnen dürften. Mittelst Dampfer» schleppte man da« brennende Fahrzeug auf einen Heger link« der Elbe, um die anderen Schiffe vor einem Uebergreifen de« verheerenden Element» zu schützen. Ueber die Entstehung de» Brande« ist noch nicht« Sichere» bekannt, doch wird Brandstiftung vermuthet. — Au« dem Bogtlande. Da« bjährige Töchterchen de« Zimmermann« Löjchner in Ichnarrtanne hat am Donnerstag, al« da« Kind allein in der Wohnstube sich auf- bielt, mit Zündhölzern geipielt und dabei die eigene Kleidung in Brand gesetzt. Bevor der Kleinen Jemand zu Hilfe kam, hatten die Flammen da» Kind völlig erfaßt, sodaß beim Ent kleiden Haut und Fleisch sich vom Körper lösten und nach zweistündigen Qualen der Tod einlrat. — Gunzen i. V., 2b. Juni. Daß auf einem Kirch weihfeste die ganze Nacht durch getanzt wurde, war schon öfter da, daß man aber im wahren Sinne de« Worte« einen Tanzboden durchgetanzt hat, so daß die an der ver- hängnißvollen Stelle sich drehenden Paare direkt in der Ver senkung verschwanden und erst drunten im Bierkcller wieder auf festem Boden anlanglen, ist immerhin außergewöhnlich in den Annalen der Kirchweihfeste. Solche« hat sich hier in einem vor noch nicht langer Zeit neuerbauten Tanzsaale am Montag ereignet. Die Geschichte ist noch gut verlaufen, ein paar bedeutungslose Quetschwunden und etliche beschädigte Gewänder, da» war Alle». — Die Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und enden am 15. September. Während dieser Zeit werden nur in Feriensachen Termine abgehallen und Entscheidungen er lassen. Fericnsachen sind: Straf- und Arrestsachen, sowie die eine einstweilige Verfügung betreffenden Sachen; ferner Meß- und Marktsachen; Streitigkeiten zwischen Vermiethern von Wohnung» und anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben, sowie wegen Zurück behaltung der vom Mielher in die Miethräume eingebrachten Sachen ; endlich Wechsel- und Bausachen, wenn über Fort setzung eine« angefangenen Baue» gestritten wird. Da» Ge richt kann aus Antrag auch andere Sachen, soweit sic be sonderer Beschleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnen. Zur Erledigung der Feriensachen können bei den Landgerichlen Ferienkammern, bei den Oberlandesgerichten und dem Reichs gerichte Fericnsenate gebildet werden. Auf da« Mahnverfahren, do» Zwangsvollstreckung-verfahren und da» Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. Durch die Gerichtsferien wird der Laus einer Frist gehemmt; der noch übrige Theil der Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu lausen. Fällt der An fang der Frist in die Ferien, so beginnt der Lauf der Frist mit dem Ende der Ferien. Diese Bestimmungen finden auf Nolhfristen und Fristen in Feriensachen keine Anwendung. Notfristen sind nur diejenigen Fristen, die im Gesetze al» solche bezeichnet werden. Wer daher noch einen rechtskräftigen Titel vor den Ferien erlangen will, mag sich mit der Ein reichung der Klagen beeilen, noch ist e« Zeit, um dem Schuld ner nicht zwei Monate unfreiwillige Frist gestatten zu müssen. Bei den Amtsgerichten von größerem Umfange empfiehlt c« sich, mit Einreichung der Klage die Bitte um Verhandlung der Sache noch vor den Ferien zu verbinden. — Alpensahrten. Wie wir unseren Lesern bereit» kurz mittheilten, beabsichtigen die Sächsischen und Bayerischen StaatSbahn-Verwaltungcn zur Erleichterung de» Besuch» der Bayerischen sowie der Tyroler und Schweizer Alpen Sonder züge nach München, Salzburg, Bad Reichenhall, Kufstein und Lindau abzulossen. Der erste Sonderzug wird am 3. Juli nur von Leipzig, Bayerischer Bahnhos abgehen, während die weiteren Züge am 15. und 17. Juli, sowie am 14. August je von Dresden und Leipzig (bez. Chemnitz) au» verkehren. Die Abfahrt erfolgt von Leipzig (Bayer. Bhf.) au« am 3. Juli 3 Uhr 30 Min. Nachm., am 15. Juli und 14. August 8 Uhr 56 Min. Nachm, am 17. Juli aber 12 Uhr 5 Min. Nachm.; von DreSden-Altst. au» am 15. Juli und 14. August 6 Uhr — Min. -Nachm., am 17. Juli aber Nachm. 1 Uhr — Min. und von Chemnitz au» am 17. Juli 2 Uhr 20 Min. Nachm. und am 14. August 8 Uhr 55 Min. -Nachm. Auf den Sta tionen der östlichen preußischen Staatsbahnen und zwar in Breslau, Brieg, Dittersbach, Glogau, Höchberg, Liegnitz, Lissa, Neisse, Oel», Posen und Schweidnitz werden zu den am 15. Juli, 17. Juli und 14. August verkehrenden Sonderzügcn billige Anschlußrückfahrkarten nach Dresden ausgegeben. Alles Nähere über die Ankunftszeiten der Sonderzüge in München, und über die Weitersührung dieser Züge nach Salzburg, Lindau u. s. w., sowie die spcciellen Angaben über die bedeutend ermäßigten Fahrpreise und über die sonstigen Bestimmungen find au« der jetzt erschienenen Uebersicht über die genannten Sondcrzüge zu ersehen, welche auf Verlangen bei allen grö ßeren sächsischen Staatsbahnstationen, sowie bei den Ausgabe stellen für zusammensteübare Fahrscheinhefte in Leipzig (DreSd. Bhs.) und Dresden-Altstadt (Carolastraße 16) unentgeltlich abgegeben wird. Brieflichen Bestellungen sind zur Frankirung 3 Psg. in Marke bcizulegen. Referat über die Sitzung des Hemeindcraths Schönheide vom 16. Juni 1897. Der Gemeinderath nimmt Kennlniß: 1) von einer Verfügung der Königl. AmIShauptmannschaft Schwarzenberg, inhalt» deren die UnterhaltungSpflicht de» zwischen der Aue-Adorfer Eisenbahn und dem Forst hause an der Mulde liegenden, über die sog. Herrenebenc führenden Wege« nicht der hiesigen Gemeinde obliegt, 2) von dem befriedigenden Ergcbniß einer am 25. Mai ds». I«. staltgefunden Revision der Sparkasse, 3) von dem Stande der Verhandlungen mit der Pächterin de» Elektrizitätswerk» wegen Vergrößerung der Kessel- Anlage, 4) von der erfolgten Ausnahme eine» obdachlosen, hier unter- stützungSwohnsitzbercchtigten Handarbeiter« in da» Armen haus, erthcilt 5) den vorliegenden Urlaubsgesuchen der Gemeindebeamten Bewilligung, beauftragt 6) den Vorsitzenden, wegen Wiederbesetzung der Stelle de» Schutzmann« Horn, der um baldige Entlassung gebeten hat, da« Nöthigc vorzunehmen, spricht 7) die 1896er Sparkassenrechnung, nachdem solche geprüft und richtig befunden worden, richtig, bewilligt 8) der Zuchtgenossenschaft Schönheide aus die nächsten 3 Jahre eine UnterhaltungSbeihilfe von 120 Mark jähr lich, erlheilt 9) zu der von Herrn Hoflieferant Flemming beabsichtigten Correctur der OrtSstraße läng» der Flcmming'schen Fabrik Genehmigung und überweist 10) «in Gesuch um tauschweise Ueberlassung einer Baustelle vom Areale de» früheren Gemeindeteich« zur weiteren Vorberalhung an den Bauaulschuß. Gimon's Höchte r. Bon Jaroslav Brchlicky. Autorisirte Uebersetzung au« dem Böhmischen von Suftav Höcker. (Schluß.» Wir waren bald miteinander bekannt. Während de« Stapellaus« hatte ich Gelegenheit gefunden, Gianinen Zucker werk, Orangen und Gefrorene« zu kaufen; al« da« Schiff sich stolz im Wasser wiegte, nahm ich einen Nachen und fuhr mit Gianina aus« Meer hinau». Der Jubel der Menge über da« neue Schiff schien un« zu gelten, so kam mir'« in meinem Glücke vor. Diese Blumensträuße waren meinet wegen da, da« Wehen der Tücher, da« Schwenken der Hüte galt mir. Wir fuhren mitten durch da» Gewimmel der kreuzenden Nachen, ich mit einem Hochgefühl, wie e« kaum der Doge von Venedig empfinden konnte, al» er sich dem Meere verlobte. Ich wäre gern diesem Gewühle von Nachen und Menschen plötzlich fern gewesen, um Gianina an mein Herz schließen und ihr sagen zu können, wie ich sie liebe. Und ich sagte ihr'« noch an demselben Tage, unter den Füßen da« stille azurne Meer, über dem Haupte die Pracht de» purpurnen Sonnenuntergang«. Mein Entschluß war schnell gefaßt. Die Zweifel an meinem Talent hatten mich in den letzten Tagen so gequält, daß ein einziger Blick aus Gianina, welcher mich in eine andere, mir bisher fremd gewesene Welt einführte, mehr über mich vermochte, al« meine ehrgeizigen Träume von Ruhm und Erfolg. Ich durchwachte die ganze Nacht. Ich ging am Strande umher und schwelgte in der unendlichen Pracht de« schäumenden Meere«, aus welchem sich im Glanz de« Vollmonde« große goldene Sterne, schöner al« unsere nord ischen, schaukelten. Alle« lockte mich, da« neue Leben zu be ginnen, zu welchem der Plan in mir mit Blitzesschnelle ent standen war. Wie schön und feierlich stellte ich e« mir vor an Gianina'» Seite und in der steten Nachbarschaft biese großen Gewässer». Da winkte mir da- süßeste Vergessen, da konnte ich den gierigen Nachforschungen der Freunde nach meinem Thun und Treiben entrinnen. Solch' geschäftige -Neugier und Gönnereiser vermag selbst da» größte Talent im Schaffen zu lähmen, denn jede schöpferische Fähigkeit ist eine Art Mimosa, deren Blätter und Blüthcn sich bei jeder frem den Berührung schließen. E» ist bester für den Künstler, wenn er zur Zeit de» Schaffen« unbeachtet und vergessen ist, sein Werk entfaltet sich selbständiger und der Hauch der Einsam keit, in welcher e» entstanden, verleiht ihm einen größeren Reiz. Mir war die Theilnahmc der Freunde stet» Gift und ein Stachel zu neuem vergeblichen Kampfe mit meiner Talent- losigkeit gewesen. Nun war'- entschieden. Hier in der Fremde mich wie eine Welle zu verlieren, die Heimath au» dem Gcdächtniß zu löschen und eine Reihe von Jahren an der Seite eine» süßen, geliebten Wesen» zu leben, gleichviel womit ich un« beide er nährte, da» ging mir in dieser traumlosen Nacht al» strah lende» Ideal aut. Am andern Tage ward ich in Gianina'» Häuslichkeit ein geführt. Da» alte Weib, da» Du kennen gelernt hast und von dem Gianina selbst nicht weiß, ob e» ihre Muller ist oder nicht, hatte nicht» dagegen, al« ich den Wunsch äußerte, mich sür die Dauer meine« Aufenthalt» in Livorno bei ihr einzu- logiren, sie sah, daß ich Geld hatte, und da» war entscheidend. Im Uebrigen war sic wenig zu Hause, und ich wunderte mich, wie sie beständig ihren Nahrungszweig wechselte, einmal mit Austern handelte, dann wieder Blumen oder Ceci ver kaufte oder wie ein Schalten durch die Straßen schlich und in den Hausfluren der Hotel» und Pensionen herumlungcrte. Gianina kümmerte sich wenig um die Alte, konnte aber den noch nicht ohne dieselbe leben. Ich schlug Gianina öfter vor, mit ihr weiter nach Süden zu ziehen, — aber stet» begann sie dann zu weinen, wollte nicht» davon hören, Livorno und ihre alte Pflegerin verlassen zu sollen, und sprach eine ganze Woche kein Wort mit mir, bi» sie sich mit Datteln, Trauben, Schmuck oder Kleidern wieder versöhnen ließ. Wie aber war sie dagegen in jenen Stunden, die dem Sterblichen in goldenen Bahnen Alle« reichen, wa» ihm zu fassen und zu ertragen möglich ist! Wa» war mir Vaterland, da« Urtheil der Freunde oder der größte Erfolg gegen die Gunst diese» Weibe«, in welcher sich die heidnische Sinnlich keit mil dem Raffinement de« Mystizismus verschmolz! Schein bar nur ein einfache» Kind, barg Gianina in sich Tiefen, vor denen ich erbebte. Wa» hätte in einer besseren Umgebung au» ihr werden können! Vielleicht nur zweimal erglänzten mir jene kostbaren Lichtstrahlen ihre» Geiste» — bann er loschen sie, und Gianina ward ein gewöhnliche» Weib, um nicht« besser al» jede Grisette. Mir scheint, daß sie mich nun in jenen wenigen Augenblicken liebte, wo mir in die ganze Tiefe ihre» Wesen» zu schauen vergönnt war. In jenen ersten Tagen unsere« Zusammensein» war e» auch, wo sic sich eine» Morgen» über mich warf und unter strömenden Thränen auSrief: „Ach, Paolo, Paolo, welche» Unglück, daß wir un» ken nen lernten! Mir träumte von Deiner Mutter. E» war weit, weit von hier, in einem wunderlichen Hause, und sie fluchte mir und drohte mir mit der Hand. Sie war blaß und trug eine Haube mit grünem Bande. Ihre Thränen bewegten mich so, daß ich ebensall« weinte. Darüber wachte ich auf. Ich blickte nach Dir, Du hast ganz dieselben Züge, Brauen und Haare. Glaube mir, Paolo, wir werden un glücklich.' Ich hatte Mühe, sie zu beschwichtigen. E» schwanden Tage und Wochen und Gianina war wieder da- fröhliche, geschwätzige Kind. Unterdessen ging mein Geld zu Ende. Die alte Britta war früher zufrieden gewesen, wenn sie nur da« bestimmte MonatSgcld bekam. Jetzt aber, wo sie über- die« wußte, daß ich für immer dableiben wollte, verlangte sie eine größere Summe, beiläufig 200 Franken, und sprach von großer Noth und von Schulden. Ich blickte auf Gianina und gab der Alten den letzten Groschen. Diese ward plötzlich so gesprächig, streichelte meine Wange, nannte mich Paolino und rielh mir, ein ordentlicher Facchine zu werden und die Malerei an den Nagel zu hängen, ich würde c« darin doch niemals zu etwa« bringen. Seitdem waren meine Flitterwochen mit Gianina zu Ende. Da« Leben verlangte da» Seinige. Ich versuchte mancherlei uud lernte mich in Alle« fügen. Ich bemühe«« mich um eine Anstellung bei der Post, wa» aber an meiner ungenügenden Kennlniß de« Italienischen scheiterte: ich ward Agent und Dolmetscher in den Hotel«, war überall, wo man mich gerade brauchen konnte, und e« hätte so auch gehen können, wenn nur Gianina etwa« arbeitsam gewesen wäre.
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