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da« gegenwärtig 154 Zentimeter beträgt, auf 152 Zentimeter herabgesetzt werde. Er hofft, dadurch in jedem Jahrgang gegen 10,000 Dienstpflichtige für« Heer zu retten. — Der „Gauloi«" kann da« Neueste über die Reise de» Präsidenten der Republik von der Seine nach der Newa mittheilen. Danach wird sich Herr Felix Faure am 23. und 24. August in Cherbourg auf dem „Dupuyde- Lüme" nach Kronstadt einschisfen. Diese« Datum soll fest gesetzt worden sein, seitdem man weiß, daß Kaiser Wilhelm am 20. August von scinem^Scsuche bei dem russischen Kaiser paare in kiel zurück sein wird. Da« französische Geschwader wird genau die gleiche Route befahren wie sein Vorgänger, der sich unter der Führung de« Admiral« Gervai« an den kronstädtcr Festen betheiligte. E« ist beschlossen, daß in Kopen hagen Halt gemacht wird. Der Minister de« Aeußern allein soll den Präsidenten der Republik nach Rußland begleiten, wo der Aufenthalt aus genau sieben Tage bemessen ist. Während der Abwesenheit de« Präsidenten wird der Premier minister Meline seine Stelle al« Haupt der ausübenden Ge walt vertreten, in welcher Eigenschaft er die Decretc zu unter zeichnen haben wird. Dieser Punkt, über den viel hin- und hergestritten wurde, ist nun endgültig erledigt. Da eine Reise de« Präsidenten der Republik in« Ausland von der Verfassung nicht vorgesehen ist, so stützte man sich bei der Entscheidung auf den Präcedenzfall, der durch die Ermordung de« Präsi denten Carnot in Lyon geschaffen wurde. Damals versah der Premierminister Charles Dupuy die Stelle de« Slaat«- oterhaupte« bi« zur Wahl de« neuen Präsidenten Casimir Perier, welche drei Tage nach dem Tode Carnot« erfolgte. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Am 15. d. M. sand die diesjährige Hauptversammlung de« Erzgeb. - Zweigv. Eibenstock statt. Au« dem in derselben erstatteten Jahresberichte sei hier nur eine« hervorgehoben: Die Herausgabe eine» Panorama«, ausgenommen vom Thurme de» AuerSbergeS durch den Zeichner Schäfer in GolteSgab. Diese« bildete den wichtigsten Gegen stand der Berathungen in den vorjährigen Vorstandssitzungen. Da der Entwurf und die Drucklegung de« Panorama» hohe kosten verursachte, hielt der hiesige ErzgebirgSzweigvcrcin beim Hauptvercine um eine Unterstützung an und erhielt zu seiner größten Freude bei Gelegenheit der Delegirtenvcrsammlung in Dahlen einen Beitrag von 150 M. au« der Hauptkasse für den genannten Zweck verwilligt. Da« Panorama soll auf der Rückseite mit einer Karte von Eibenstock u. Umgebung, einer Tourentasel, mit Geschäfts empfehlungen und ev. mit einigen Abbildungen versehen wer den. Der Preis diese» Merkchen« wird sehr niedrig bemessen werden. Nach dem Kassenberichte wurden im vergangenen VercinS- jahre 781,«° M. vereinnahmt und 1076,°» M. verausgabt. Den Haupttheil der Ausgaben verursachten Reparaturen an der Bühlhallc. Dem Vorstande gehören im neuen Vereinsjahre folgende Herren an: Vorsitzender Bürgerschullehrer Findeisen, Stell vertreter Kaufm. Gustav Schlegel, Kassircr Kaufm. Emil Schmidt, Schriftführer RathSregistrator Gnüchtcl. In den Ausschuß wurden gewählt die Herren: Ober förster Bach, Kommerzienrath Dörsfel, Amtsrichter Ehrig, Buchdruckercibes. Hannebohn, Baumeister Ott^en., Kfm. Rau, Zeichner M. Scheffler, Kaufm. G. Emil Tittel, Kaufm. Wagner, Fabrikdirektor Doß in Carlsseld, Fabrik besitzer Greifenhagen in NeidhardtSthal, Lehrer Kretzsch- mar in Wildenthal. Der hiesige Erzgebirgsverein verfolgt so schöne und ideale Ziele, wirkt für die Interessen seiner Vaterstadt und Heimath in so hervorragender Weise, stellt seine Thätigkeit so ganz in den Dienst der Gemeinnützigkeit, daß er e» mit Recht verdient, überall freudige und dankbare Anerkennung und kräftige Unterstützung zu finden. Möge er in Zukunft wachsen, blühen und gedeihen! Wir fügen hieran noch die herzliche Bitte an Alle, die gern für da« Beste unserer Stadt mit eintreten wollen und die geringe Steuer von 3 Mk. pro Jahr nicht scheuen, ihren Beitritt zum Erzgebirgszweigverein Eibenstock zu erklären. — Carl»seld, 22. Juni. Unter allseitiger Theilnahme der hiesigen Bewohnerschaft und einer großen Anzahl Festgäste au« der näheren und weiteren Umgebung fand gestern die Einweihung der neuerbaulen Bahnstrecke Wilzschhau»- CarlSseld statt. Nachdem der Sonderzug von Wilzschhau» Mittag« 1 Uhr 50 Min. hier angekommen war, fand die Begrüßung der Gäste durch Hrn. Gemeindcvorstand Müller statt, worauf der mit 2 Musikcorp» auSgestatlete Festzug bi« zur Mitte de« Orte« marschirte. In demselben waren auch die gleichmäßig gekleideten Hüttenarbeiter der v. VultejuS'schen Gla«hüttenwerke vertreten, jeder eine» der mannigfaltigsten Erzeugnisse der Hütte als Emblem mit sich führend. Da« für die Festtheilnehmer veranstaltete Mahl, welche« 120 Gedecke auswie«, sand in dem reich dckorirtcn Saale de« Börner'sehen Gast hofe« statt. Den ersten Trinkspruch brachte der Hr. Gemeindevor stand auf Se. Majestät den König au«, dem sich der Gesang der Sachsenhymnc anschloß. Die folgenden sehr zahlreichen Toaste wechselten mit verschiedenen Taselliedern in bunter Folge ab und versetzten die Anwesenden in gehobene Feststimmung, die durch die Abd«. 7 Uhr 47 Min. erfolgte Rückfahrt de« Sonderzuger für den größten Theil der Festgäste einen lei der zu frühen Abschluß fand. Möchten die so zahlreich laut gewordenen Wünsche für da« gute Gedeihen diese« neuen Verkehrswege« sich in vollem Maße erfüllen und unser Ort sichtbarlich dadurch aufblühen, wachsen und gedeihen. Da« t walte Gott! — Johanngeorgenstadt, 21. Juni. Unter den hie sigen GrenzausstchtSbeamten werden in nächster Zeit mehrere Veränderungen erfolgen. Obergrenzkontroleur Müller wird unterm 1. Juli al« Obersteuerkontroleur nach Großenhain und Obergrenzausseher Naundorfs unterm 1. August al« Ober- steueraufsehcr nach Wurzen versetzt. An Stelle de« ersteren tritt Zollsekretär Schlimpert in Plauen i. V. und an die de« letzteren Grenzausscher Stark in Gettcngrün. Grenzaufseher Stahn Hierselbst erhält vom 1. Juli ab die Stelle eine« Steueraufseher« in Krakau bei Königsbrück. — Dresden, 22. Juni. Bei der geplanten Neu formation der Staal-eifenbahnverwaltung, die, wenn sie von dem Landtag angenommen wird, schon am I. Juni 1808 oder 1. Januar 1899 in« Leben treten soll, wird u. A. auch auf eine wesentliche Vereinfachung de« Schreib werk» hingearbcitet. Dieselbe soll ähnlich demjenigen de» preußischen Berwaltungrsystem« werden. Zu diesem Zwecke fanden bereit« in letzer Zeit sowohl im Finanzministerium, wie auch in der König!. Generaldirektion Berathungen statt. Ein Organisation-plan ist bereit» in allen wesentlichen Grund zügen festgestcllt. Um nun denselben mit den Erfahrungen zu vergleichen, die in Berlin mit denselben Einrichtungen gemacht wurden, begeben sich mehrere Ministerialbeamtc und ein Mitglied der Generaldirektion dieser Tage nach Berlin. — Zwickau, 21. Juni. Vorgestern und gestern sand hier da« Sänger fest de« Erzgebirgischen Sängerbünde« statt. In der am 19 d. M. hier abgehaltenen Delegirten Versammlung wurde Chemnitz al« Bunde-vorort gewählt. Bürgermeister I)i. Huhn begrüßte Abend« beim Commer« die Sänger Namen« der Stadt. Au» Chemnitz trafen drei Sänger-Sondcrzüge hier ein. Gestern Vormittag 11 Uhr fand in der Marienkirche ein Concert von 700 Sängern statt, 'Nachmittag« 3 Uhr erfolgte der Festzug von etwa 100 Vereinen mit 3000 Theilnehmern und 60 Fahnen, um 5 Uhr begann da« weltliche Concert von etwa 1200 Sängern in der Fcsthalle, und um 8 Uhr fand ein Kommer« statt. — Schneeberg, 20. Juni. Für die Feier de« 25° jährigen Jubiläum« de« hics. königl. Lehrersemi nar« sind, da der Tag der Eröffnung der Anstalt, der 7. August, in die großen Ferien fällt, der 25. und 26. Semp- tember d. I. bestimmt worden. Die Vorarbeiten für die Festfcier sollen demnächst beginnen. Die Stadt Schneeberg hat 1000 M. zu einer Stiftung bestimmt; die Zinsen der selben sollen Schüler de« Seminar« erhalten, die sich durch ihre Leistungen beim Unterrichten in der Seminarschule aus gezeichnet haben. Die früheren Schüler der Anstalt begründen eine JubiläumSsiifiung, deren Zinsen für die Hinterlassenen von Lehrern, die da« hiesige Seminar besucht haben, ver wendet werden sollen. — Wurzen, 21. Juni. Ihren Glückwunsch zum 50- jährigen Bestehen de« hiesigen Turnvereine« übermittelten die Leipziger Turner auf eigenartige Weise, nämlich durch Sta fetten lauf. Die 25 km lange Straße nach Wurzen war in Abständen von 500 m mit je einem Turner besetzt, von denen einer dem anderen den Glückwunschbries in schnellstem Laufe zutrug. Auf diese Weise kam der Brief schon nach 1 Stunde 12 Minuten in Wurzen an. — Großenhain, 19. Juni. Da« hiesige Kaserne- ment ist von einem Beamten de» Krieg-Ministeriums auf seine Feuersicherheit untersucht worden. Dabei wurden die Essen ausnahmslos zwischen der Dielung unverblcndet und unverputzt vorgefunden, auch ergab sich, daß Balken und Sparren nicht die vorschriftsmäßige Entsernung von den Essen aufwiesen. — Großenhain, 17. Juni. Ein „Rosenwunder" im Rosenmonat Juni befindet sich zur Zeit im hiesigen Au«- stellungSpark. Der betreffende Stock ist mit mindesten« 5000 Blüthcn besetzt und hat etwa noch 8000 Knospen. — Stolpen. In Neustadt wurde beim Abräumen der Steglichschen Brandstätte von daselbst beschäftigten Arbei tern unter einer steinernen Treppenstufe ein werthvoller Fund gemacht. In einem Gefäß wurden 109 Thalerstücke, welche sämmtlich kurfürstlich sächsischen und bayrischen Geprä ge« sind und die Jahreszahlen von 1755 bis 1803 tragen, vorgesunden. Die Münzen sind sehr gut erhalten. — Zwenkau, 21. Juni. Auf dem Lande ist oft für einzelne Ortschaften die Beschaffung von Medikamenten mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft. Eine über au» praktische Einrichtung Hal jetzt die hiesige Apotheke ge troffen. Sie hat in der nächsten Umgegend Briefkästen an bringen lassen, in welchen die Bewohner die Bestellungen bez. die Rezepte nur einzuwerfen haben, um die Medikamente zu erhalten. Die Kästen werden täglich zweimal geleert. Die Medikamente werden alsbald den Bestellern zugestellt. - Au« dem 165. Rundschreiben de» Krei-vertreter« Dir. Bier an den 14. Turnkrei« (Sachsens entnehmen wir, daß diejenigen Gaue, welche nicht selbst in Plauen, bei Abhaltung de« zweiten Kreirlurnfestc« turnen, auch keine Kampfrichter stellen dürfen, und daß von denjenigen Gauen, welche sich nicht bcurtheilen lassen, keine Bcurtheiler sür da» Gauwettlurnen verwendet werden sollen. — Die Absonderung der drei Alt-Leipziger Vereine Hal den Plauenschcn Turn vereinen Veranlassung gegeben, sich an den KreiSturnrath mit der Bitte zu wenden: Mittel und Wege zu finden, daß der bestehende Zwiespalt beseitigt werde. Der KreiSturnrath beschließt hieraus einstimmig: Die drei Alt-Leipziger Vereine zu ersuchen, den gewünschten Gau „Leipziger Turnerschaft" im Sinne de« KrciSturnfeslc« zu gründen und sich dann al« solcher am Kreisturnfeste in Plauen zu belhciligen. — Die königl. Generaldirektion der sächs. Staatseisenbahnen stellt sür den 17. Juli je einen Sonderzug von Chemnitz, Dresden und Leipzig nach Plauen i. V., denen nach Bedarf ein zweiter Nachfolgen wird. Die Fahrkarten haben die Dauer vom 16.—21. Juli und werden gegen Vorwci« der Festkartc ein fache Personenzug-fahrkarten II. und III. Klasse (auf allen sächsischen Stationen) den Festtheilnehmern verabfolgt. Diese Karten berechtigen zur Rückfahrt mit allen fahrplanmäßigen Personenzügen. Bei Schnellzügen sind Ermäßigungskarten nachzulösen. — Ueber den Mißbrauch der sächsischen Mund art schreibt die „Leipz. Ztg.": „Schon wieder liegt eine sogen, humoristische Schrift in sächsischer Mundart (Wilhelm Teil in der sächsischen Schweiz, srei nach Schiller, Dresden und Leipzig 1897) in den Buchläden au« und wird — fürchten wir — ihre Käufer finden. E» giebt nun bereit« eine ganze Reihe solcher Schriften, von denen die Mehrzahl sich eher durch alle« Andere, al« durch Geist, Witz oder gesunden Humor auSzeichnet. Einzelne Ausnahmen, wie Eckstein, be kräftigen nur die Regel. Die Verfasser dieser Schriften sind meist Sachsen, denn Andere beherrschen unsere heimische Mundart nicht genügend. E« ist sonderbar; sehen diese Herren denn nicht ein, daß sie mit einer solchen schriftsteller ischen Thätigkeit, gleichviel ob de» lieben Brote« willen oder au« anderen Gründen, da« Ansehen ihre« HeimathlandeS in unverantwortlicher Weise schädigen? Ja wohl! Fritz Reuter hat auch in seinem heimischen Dialekte geschrieben, und e« giebt auch pommersche, schlesische, allemannischc und andere Dialektdichtungen. Nirgend« in diesen Dichtungen wird aber die heimische Mundart in« Lächerliche gezogen. Diese Eigen heit ist den sächsischen Dialektdichtern Vorbehalten geblieben. Sie haben e« denn auch thatsächlich dahin gebrach«, daß die sächsische Mundart und zugleich in gewissem Grade der säch sische Volksstamm zum Spott von ganz Deutschland geworden ist. Zugegeben, daß unser Dialekt nicht schön ist, da« kann man aber auch z. B. vom Berliner Dialekt oder vom schle- mir e an et: eine 7 durch Eintri mich? Balke: und l schön abgüss Fenste ein ai da« s gerade trat r da« T war. rufe - ü Ich b Hause, versüh ich mi Lampe Acrms meine Erbeb« L und k< Thüre »Jetzt, habe, Sic u mit vi I an mi solle, t schien, der st wie F Stube heit. nicht Hause mich i mich I Paolo, wa« sü Positiv: dumme! sie ohn Cimon ceci v Halbdu entlockt kaum h er davo überhau Ihnen werfen, „Grüne Krug a abspcnst vorhin stand. Eb jedoch r mächtig« schreien, „V fiel wie wären i barer! «leidche Pa eine« R zu sich Ich die Lam ausflacke komme sic sich »süß schön Wund« Z unliebs zu neh willst"! Deine und 7 Heuer Signoi lichc K Englär — Ah ein or mehr l vielen i Gianin weiß, n bunden ncllo i' will D Orangl nunst D Die Le rend di bringen der Th Himon's Höchte r. Von JaroSlav Vrchlickp. Autorisirte llebrrsetzung aus dem Böhmischen von Gustav Höcker. In jener Zeit innerer Wandlung, wo der Mensch am Scheidewege zwischen seinen Idealen und der Wirklichkeit steht, führte mich der Zufall nach Livorno. Anfang« kümmerte ich mich dort nur um« Meer. Ganze Stunden lang saß ich am Strande zwischen zerstreuet«« FelStrüwmern, weit hinter der Stadt, dem Grollen der Wogen lauschend und in die unendliche Ferne schauend, wo die weißen Segel der Schiffe auftauchten, wie die Flügel unserer in die Ewigkeit schweifen den Träumer. Bald jedoch ermüdete mich diese erhabene Poesie der Einförmigkeit, welcher durch Worte Ausdruck zu leihen, nur der Sprache Dante'« in seiner Tercina gelungen ist, und erst später, in weiter Ferne von den MeereSufcrn, gedachte ich wieder sehnsüchtig jener gehcimnißvollcn Musik. Ich suchte die Gesellschaft, die Menge auf und verfiel in eine seltsame Manie, wildfremde Menschen, die ich auf der Straße sah, als Schöpfungen meiner eignen Phantasie, meine« Willen», meiner künstlerischen Laune zu betrachten. Da« gewährte mir Unterhaltung. Der Greis, weichem ich täglich um eine bestimmte Stunde zwischen der Stadt und dem Landungsplätze begegnete und dessen Gesicht einer getrock neten Birne glich, dieser verkümmerte Grci« in den ärmlichen grauen Kleidern und dem verdrückten Hute war in meinen Träumen da« Oberhaupt einer geheimen Verschwörung. Die Grisette, die ich im dürftigen Röckchen mit einer Nadel in der Hand und einem Liede auf den Lippen Tag für Tag am Fenster eines abgelegenen Hause« sitzen sah, der Facchino, welcher mit offener, sonnverbrannter Brust am Geländer eine« großen Kanals lehnte, der alte Antiquar, der falsche etru«kische Vasen und ächte Mordgeschichten verkaufte, — alle diese Gestalten bevölkerten meine innere Welt und streiften ihre Wirklichkeit ab, um sich in abstrakte Typen meiner un fertigen Träume zu verwandeln. Wie ich früher ganze Stunden am Meere-ufer gesessen hatte, so durchwanderte ich jetzt aus« Gcradewohl die Stadt, betrachtete die Häuser wie ein Wohnungsuchender und blieb ost mitten auf der Straße stehen, den au« den Fenstern schauenden Leuten in« Gesicht Narrend, al« ob ich hinter ihren gleichgiltigcn Mienen den ganzen Roman ihre» Leben« und Leiden» lesen könnte. Eine besondere Vorliebe faßte ich sür den Corso Um berto, obwohl er mir al» der verdächtigste Stadttheil bezeich net wurde. Die öden Häuser dieser langgedehnten, abgelegenen und einförmigen Straße, in welche saft keine Nebengasse mündet, scheinen zu schlafen und sehen mit den zahlreichen, vom Mörtel entblößten Stellen au», al« ob sie den Aussatz hätten. Tie Lust ist dort stet« ungesund, besonder« Abend«, wenn der dichte Nebel hcrabsällt. Die weit voneinander- stehenden Straßenlaternen werfen kaum einen Schimmer durch die Finsterniß. Kein Lichtstrahl stiehlt sich au« den Fenstern, welche alle, nach italienischer Art, mit dicht an schließenden Läden versehen sind. Auch kein Wagenrollen tönt hier, denn die armen Leute gehen zu Fuße und die verdächtigen ebenfall«. Man könnte glauben, sich in der Straße einer Todtenstadt zu befinden. Nicht einmal der Carncval vermag den Corso Umberto au« seiner Lethargie emporzurütteln. Der Hauptstrom de« MaSkcnzuge» ergoß sich vom Landungsplätze nach dem Corso Vittore Emanuele und zerstreute sich schon am Nachhause in die zahlreichen Ostericn und Kaffee« der Seitengassen. In dem Corso Umberto wie auch in dem Borgo degli Capucini, von wo au« ich gewöhn lich meine Spaziergänge begann, verirrte sich niemals ein Zug. Nur au« der Ferne vernahm man ein dumpfe« Getöse, wie von einem Bienenschwärme, manchmal ward da von da« Meer übertönt und schauerlich hörten sich dann in dem Düster de« Abend« diese widerstreitenden Stimmen de» Menschen und der Natur an. Al« verschwindender Tropsen mischte ich mich in den tosenden Haufen. Am Landungsplätze kamen mir schon ganze Ströme entgegen. -Nachmittag« sollte ein neue« Schiff „Ra pide", vom Stapel gelassen werden. Ein solcher Stapcllauf pflegt schon an und für sich ein Fest zu sein, und daß diese Festlichkeit zugleich in die ersten Tage de« Carncval« fiel, trug noch zur Erhöhung Le« allgemeinen Taumel« bei. Nur der niedrigsten Bolkrklasse begegnete ich auf meinem Gange. Die glänzenden, großartigen Markenaufzüge, sür welche die Stadt Preise ausgeschrieben hatte, sollten erst am Fasching-Dienstag stattfinden; heute gab c« nur ein Vorspiel dieser Festlichkeiten, aber lärmend und betäubend genug. Die Maskerade begann mich sehr bald anzuckcln, die Männer gingen al« Frauenzimmer und die Weiber in bunten Matrosenanzügen, unter widerlichem Geheul werfen sie einander mit ceci, einer Art in Salzwasser gekochten Erbsen, oder mit weißem Zuckerwerk von Dragant. An einem großen Kanäle bog ich ein. Die Häuser hatten hier ein bizarre» Aussehen; oft befanden sich fünf bi« sech« Galerien von eisernen Stäben übereinander, aus welchen bunte zerrissene Wäsche flatterte. Langsam ging ich durch die Straße. E» war um die Zeit der Dämmerung. In meiner Phantasie barg jede« Hau« ein Geheimniß und au« jedem einzelnen spann ich ein ganze« Drama. Plötzlich rannte ein Mann gegen mich, der au« einem der Häuser hervorgestürzt kam. Er trug den Hut lies in die Stirn gedrückt und in der Dämmerung konnte ich sein Antlitz nicht unterscheiden, nur de« langen, schwarzen, verwirrten Haupt- u. Barthaare« wurde ich gewahr. Der Mann eilte in der Richtung nach dem Landungsplatz« hin und verschwand bald in der Dunkel ¬ fischen gewiß ebenso sagen. Trotzdem sind diese Dialekte nie zur Zielscheibe de« Spotte« gemacht worden. Worin liegt nun der Unterschied bei den erwähnten sächsischen Schriften? Darin, daß die dargestellten Persönlichkeiten möglichst be schränkt und albern geschildert werden, al« ob eine solche Gesinnung«- und Denkungsart bei un« in Sachsen vorwie gend zu Hause sei. Der Verfasser dieser Zeilen spricht keinen ausgeprägt sächsischen Dialekt, wenn aber aus der Reise oder sonst schon bet der bloßen Bemerkung, daß man ein Sachse sei, ein Lächeln über die Züge der übrigen Gesellschaft gleitet, so verdanken wir diese durchau« unberechtigte und unerwünschte Eigenthümlichkeit dem Umstande, daß in den „Fliegenden Blättern" und in jenen Schriften die sächsische Sprache schon seit Jahrzehnten zum Gegenstände der Kurzweil und vielfacher schlechter Witze gemacht worden ist. E« wäre doch wohl an der Zeit, daß die« einmal aushörte, da» Thema wenigsten« scheint un« erschöpft."