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Mittwoch Nachmittag» 4 Uhr gedenken Ihre Majestäten die Rückreise nach DreSden-Strehlen anzulrcten. — Dre» den. Am 8. diese» Monat» und folgende Tage hat eine abermalige Au»looiung -dinglich Sächsischer Skaat»papiere stattgcsunden, von welcher die aus 3'/," « herabgesetzten, vormal« 4 "/„ StaatSschulden- Kassenschcinc von den Jahren 1852/55 58/59,62,66 und /68, 3'/, "/„ dergleichen vom Jahre 1867, aus 3'/, "/„ herabgesetzten, vormal» 4"/„ dergleichen vom Jahre 1869, die durch Abstempelung in 3'/,"/^ und 4«/^ StaatS- papiere umgewandelten Löbau-Zittauer Eisenbahn aktien I.ii. -V und I!, ingleichen die den 1. Dezember 1897 und beziehentlich den 2. Januar 1898 zurückzuzahlenden, auf den Staat übernom menen 3'/,"/,, Partialobligationen von den Jahren 1839/41 und 4"/„ Schuldscheine vom Jahre 1866 der Leipzig-Dresdner Eisenbahn Compagnie sowie der 4"/„ Obligationen der Altenburg - Zeitzer Eisenbahn- Gesellschaft betroffen worden find. Die Inhaber der genannten StaatS- papiere werden hierauf noch besonder» mit dem Hinzufügcn aufmerksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämmtlichen Bezirks- Steuer-Einnahmen und Gemeindevorständen de» Lande» zu Jedermann» Einsicht au»gelegt werden. — Leipzig. Als am 19. Mai er. eine Anzahl Mit glieder de» Radfahrer-Verein« „Altilla"- Leipzig von einer Abendau»fahrt von dem 7 km von Leipzig entfernten Orte Taucha zurückkehrten, wurden dieselben plötzlich von zwei äl teren Herren gewarnt, abzusteigen, und die Räder zu schieben, da in der Nähe mehrere junge Burschen (dem Athletenclub in Sellerhausen »»gehörend! quer über die Straße einen Steinschutthaufen in Höhe und Breite von ca. 30 cm er richtet hätten, um die de» Wege» kommenden Radfahrer zum Stürzen zu bringen. Ferner wurde den betr. Radfahrern von den Herren noch mitgetheilt, daß sich die Burschen im nahen Getreidefelde versteckt hielten, um sich event. über da» Stürzen der Radfahrer zu amüsiren. Die Radfahrer suchten mit den Laternen da» betr. Versteck ab und e» gelang ihnen in Gesellschaft der beiden Herren auch, drei jener Strolche sestzunehmcn und, nachdem ihnen erst eine gehörige Tracht Prügel zu Theil geworden war, nach der Polizeiwache Seller hausen zu transportiren. Jedenfalls wird durch die Behörde da» Erforderliche veranlaßt werden, um jenen Buben die Lust an derartigem, Gesundheit und Leben der Radfahrer ge fährdenden Thun zu verleiden. — Reichenbach. Von seinem Schutzengel behütet wurde aui vergangenen Sonnabend Nachmittag auf hiesigem oberen Bahnhose ein Insasse de» Leipziger Schnellzuge». Der selbe halte sich vermuthlich verspätet und versuchte den in der Abfahrt begriffenen Zug zu besteigen, glitt indessen hierbei au» und fiel zwischen da» Gleis und die Bahnsteigrampe. Mit Recht fürchtete man für da» Leben de» ruhig an jenem grausigen Platze Liegenden; nachdem aber der Zug zum Hallen gebracht worden war, erhob sich der Reisende unversehrt von seinem verhängnißvollen Platze, bestieg behus» Wcitcrfahrt den Zug, wird aber jedenfalls den Augenblick, da er sozusagen dem Tod in'S Auge geschaut hat, nie vergessen. — Freiberg, 11. Juni. ES erregt hier einige« Miß behagen, daß man hier beschäftigten Arbeitern au« Böhmen so weit entgegengekommen ist, daß man gegenüber dem Justiz- Gebäude eine Bekanntmachung des ReichSversichcrungSamle« über Unfall-Verhütung«-Vorschriften auch in tschechischer Sprache angebracht hat. — Meerane. Eine Mahnung an Wirthe, bei der Aufnahme von Fremden recht vorsichtig zu sein, geht aus folgender Entscheidung hervor, die da« Amtsgericht zu Ronne burg gefällt hat. Verflossenen Herbst war der Handelsmann Wießner au« Meerane im Reinhold'schen Gasthose in Beer walde bei Ronneburg über Nacht geblieben und war in der betreffenden Nacht von zwei Fremden, die in derselben Kammer mit ihm übernachteten, um seine ganze Barschaft bestohlen worden. Da von den Dieben, die inzwischen erwischt und verurtheilt worden sind, nicht» wieder zu bekommen war, so hat der Bestohlene den Wirth auf die Erstattung der ihm gestohlenen Summe verklagt und da» Gericht hat zu seinen Gunsten entschieden. — Pirna, 10. Juni. Da« in unserer Stadt garniso- nirende 2. Fcldartilleriercgiment Nr. 28, welche» vor gestern zur Vornahme von Schießübungen nach dem Truppen übungsplatz Zeithain auSrückte, ist nur zum Theile dort ein getroffen, da die dritte Batterie wegen der unter dem Pferde bestände derselben plötzlich auSgcbrochenen Brustseuche in Dresden umkehrte und bereit» gestern Abend in der neunten Stunde wieder hier anlangte. Fünfzehn Stück der erkrankten Thiere mußten aus der Bahn hierher befördert werden. — Der Hauptgewinn der Leipziger AuSstell- ungSlotterie besteht in einem Landhaus mit vollständiger Einrichtung, da« sich aus dem AuSstellungSplatze befindet. Da« Landhaus ist ein Meisterwerk seine» Schöpfer«, de» Archi tekten Drechsler. Gerade in seiner Schlichtheit liegen die Bedingungen seiner Vorzüge. Da» Bauwerk ist von unten bi« oben in Fachwerk auSgeführt, unten mit Mauerwerk stark umkleidet, nach außen mit farbigen Ziegeln verblendet. Die Thurmdachkuppel ist mit glasierten Biberschwänzen und Falz ziegeln gedeckt. Da« dunkel gebeizte Balkenwerk stimmt gut zu dem Gejammteindruck, dessen Reiz durch die zierlichen Male reien an den Außenwänden noch erhöht wird. Der Umstand, daß die Villa ihrer Bauart nach leicht auseinandergeschlagen und wieder zusammengesetzt werden kann, ließ sie zum Ankauf für den Hauptgewinn besonders geeignet erscheinen. E» hat sich schon Jemand bereit erklär«, da« Gebäude ohne die werth volle Einrichtung sür 10,000 Mark dem Gewinner abzukausen, fall» dieser e« nicht gebrauchen kann. Den zweiten Haupt gewinn im Werlhe von 20,000 M. stellt dar ein Diamant- Kollier und ein Diamant-Armband, beide entworfen und ge fertigt von Th. Strube L Sohn in Leipzig. Der dritte Hauptgewinn (15,000 M. werih) besteht in der Einrichtung eine« Herren-, Damen-, Kinderschlas- und Spiel-, Fremden- und Toilettenzimmer». Ein Silberschrank mit vollständigem silbernen Tischservice für 24 Personen, Tafelaufsätzen und allem Zubehör in neuesten Mustern, entworfen und auSgeführt von Heinrich Schneider in Leipzig, ist der vierte Hauptgewinn, der den Werth von 10,000 M. darslellt. - ES dürste von Interesse sein, zu erfahren, daß die sächsische StaatSbahnverwaliung beabsichtigt, sämmtliche Per- slmenwagen 4. Klasse nach und nach mit Sitzbänken auszurüsten. Diese Maßnahme dürfte von allen Seilen dank bar begrüßt werden. — Alpcnfahrten. Zur Erleichterung de« Besuch« der Bayerischen sowie der Tyroler und Schweizer Alpen wird die Sächsische Staatsbahnverwaltung im Verein mit der Bayerischen StaalSbahn wieder die beliebten Sonderzüge zu ermäßigten Fahrpreisen nach München, Salzburg, Bad Reichenhall, Kusstein und Lindau verkehren lassen. Der erste Sonderzug wird am 3. Juli nur von Leipzig, Bayerischer Bahnhof, au» abgehen, während die weiteren Züge am 15. und 17. Juli, sowie am 14. August je von Dresden u. Leipzig (beztl. Chemnitz) au» zur Abfertigung kommen. Bon Leipzig au« erfolgt die Abfahrt am 3. Juli Nachm. '/,4 Uhr, am 15. Juli sowie am 14. August kurz vor 9 Uhr Nachm., am 17. Juli aber kurz nach 12 Uhr Mittag«; von DreSden-Altst. au« am 15. Juli und 14. August um 6 Uhr Nachm., am 17. Juli aber Nachm. 1 Uhr; und von Chemnitz au« am 17. Juli kurz nach s/,3 Uhr und am 14. August kurz vor 9 Uhr Nachm. Bon München au» finden die Züge Fortsetzung nach Lindau sowie nach Kufstein und Salzburg. Die Fahr preise, ebenso die sonstigen Bestimmungen werden in einer gegen Ende Juni erscheinenden Uebersicht von der Sächsischen Staatseisenbahnverwaltung bekannt gegeben. Die Uebersicht ist unentgeltlich von den Stationen der Sächsischen Staat« eiseubahnen, ferner von den Ausgabestellen für zusammen stellbare Fahrscheinhefte in Leipzig (Dresdener Bahnhof) und in DreSdcn-Attstadt (Carolastraße 16) zu beziehen. Brieflichen Bestellungen sind 3 Pfg. Porto in Marke beizusügen. Amtliche Mittheilungen aus der Sihung des Stadtrathes zu KiSenflmk vom 29. Mai 1 897. Anwesend: t> RatdSnntglieder. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Hesse. I t Mit den Vorschlägen der Lchutdirektion ,ur Verwaltung de» Schul brausebades erklärt inan sich einverstanden. 2s Von der Kündigung der Frau Verw. Förster, betreffs der städtischen Eisbahn, nimmt man Keuntniß. 3) Tie sür das Regulativ über die Benutzung und B-rtheilung der Grüner-Graben-Wäffcr von Herrn Stadtrath E. Dörffel ausgestellten Grundsätze werden principiell genehmigt. Die Stadtgemeinde soll zur Wahrung ihrer werthvollen Rechte am Grüner Graben einen jährlichen Beitrag von 90 Mark bezahlen; sie soll dafür aber im Reguiative als altberechtigl mit den daraus folgenden Vorzugsrechten anerkannt werden. Dem Stadtrath soll auch das Recht zur Zwangsvollstreckung wegen aller rcgulativmäßigcn Leistungen verliehen, sowie die Be- Grabens durch den Nutzungsberechtigten den Graben aus dessen Kosten ordnungsgemäß Herstellen zu lassen. Bei unerlaubter Wasserentnahme, mißbräuchlicher Verwendung und Nichtentrichtung der fälligen Leistungen im Falle der Zahlnngs- Unfähigkeit soll dem Stadtrath das Recht zur Entziehung des Nutzungsrechts zugestanden werden. 4) Die Vorschläge des Bauausschusses zur Herstellung des Wegs zwischen dem Magazingäßchen und der vorderen Rehmerstrahe und Unterbringung des Schlauchwagens werden zum Beschluß erhoben, ebenso l>) der Vorschlag betreffs der Verbreiterung der vorderen Rehmerstraße. 6) Von der Einsetzung eines Unterflurhydranten an den Endstationen der Wasserrohre in der Wiesenstraße und aus dem Kirchplatz, sowie 7) von der Uebersicht der Biersteucr-Einnahme auf das l. Vierteljahr 1897, nimmt man Kenntniß. 8) Dem Sckankwirlh Scheller foll die Baugenehmigung zur Vergrößer ung oes Saales unter den vom Herrn Brandversicherungs-Insvektor gestellten Bedingungen ertheilt werden. 9) Auf das Gesuch Jugelt's um Beschaffung von Wasser für das Mejsingwerk beschließt man, mit Rücksicht auf de» erheblichen Kosten aufwand von der Zuleitung des Wassers vom Knhberge ab nach dem Messt.igwerk abzusehen, dafür aber einen Brunnen zur unent geltlichen Wasserentnahme aufzustellen. lOj Die Stadt- und Sparkasse soll Sonnabend, den l>. Juni bez. am 3. Psingstfeiertage neu tapezirt werden. I I) Mit der Verleihung der Pensionsberechtigung an den Kassenrevisor Kleemann erklärt man sich im Princip einverstanden. 12) DaS Gesuch der Wiltwe Unger um Verwendung der Brandlasse von der Scheune Brd.-Cat.-Nr. 289, Abtheilung ll zum Bau auf Schönheider Flur soll befürwortet werden. 13) Von der Verbandsrevisorkassenrechnung, sowie von der Uebersicht der Verfassung»- und Vermögensverhältnisse auf das Jahr 1896 nimmt man Kenntniß, 14) Aron Richter soll nunmehr die Baugenehmigung nach Prüfung der Zeichnung durch den Königlichen Herrn Brandversicherungsinspektor ertheilt werden. Außerdem kommen noch 4 innere Angelegenheiten, 2 Sleuersachen und I Strafsache zum Vortrag und zur Beschlußfassung, die des allge meinen Interesses entbehren, beziehentlich zur Veröffentlichung nicht geeignet sind. Der wilde Lu sch. Erne Wilddiebsgeschichte von Reinhold Gehlhar. Z7. Fortsetzung). E« war einige Wochen darauf — spät Abend«. Anna saß noch wachend an der Wiege ihre» Kinde», dessen schmale« Gesichtchen sich wachsbleich von dem rothcn Kissenbczug abhob. E« war der Jahrestag ihre» Hochzeitstage». Alle«, Wa ste an Leid in diesen Jahren durchgemacht, zog noch einmal an ihrer Seele vorüber. Und unter der verklärenden Macht der Erinnerung löste sich die herbe Bitterkeit, welche ihr Herz umpanzert hatte, eine weiche, wehe Stimmung überkam sie. Sie kniete an der Wiege nieder, legte den Kopf auf die Kissen und weinte — weinte, wie seit lange nicht mehr. Sie wußte selbst nicht, wie lange sie so gelegen. Da nahten hastige Schritte. Schnell richtete sie sich auf und trocknete ihre Augen. ES war Wilhelm. Er schien überrascht, fast erschreckt, daß er sie noch wach fand. Ohne Gruß, ohne ein Wort ging er durch da« Zimmer und verschwand in dem nächsten, dunkeln. Sic hörte ihn eine Weile Herumsuchen. Dann hörte sie die andere Thüre gehen, hörte seine Schritte auf dem Flur — die Hintere HauSthür wurde geöffnet und wieder zugc- schlagen — er war wieder fort. Eine bange Ahnung stieg in ihr auf. Sie nahm da» Licht und ging in da» Nebenzimmer, in dem er sich eben ausgehalten hatte. Unter einer losen Diele de« Fußboden» — sie wußte e» — hatte er sein neue« Jagdgewehr versteckt — e» war fort. Run wußte sie, wohin er gegangen. Eine Angstwellc schlug siedend heiß in ihrem Herzen auf. Wenn sie sich trafen —! E« mußte ein Unglück geben. Und mit gebundenen Händen saß sie da; nicht» konnte sie lhun, um c« zu verhüten. Sic wartet«. Eine fieberhafte Ungeduld folterte sie. Dann versuchte sie wieder, sich'- auSzuredcn. Er ist gewiß schon ost genug gegangen, wo sie e» nicht gewußt hatte, und niemals ist etwa» passirt — weshalb gerade heule? Weshalb bildete sie sich durchaus ein, daß er überhaupt auf städtischer Jagd jage? Konnte er nicht aus seinem Terrain einen Wechsel beobachtet haben? War e» überhaupt erwiesen, daß Wilhelm je gewilddiebt batte? Man munkelte. Einige, darunter der Vater, schwuren darauf! Aber konnte man ihm nicht unrecht thun mit dem Gerede? So redete sie sich'« ein, daß ihre Angst thöricht sei. Drum sei'» auch thöricht zu warten. Und, al» könnte sie sich damit zur Ruhe zwingen, ging sic zu Bett. Doch sie fand keine Ruhe. Ihre erregte Phan tasie malte sich die schrecklichsten Bilder au« — sie sah ihren Mann im blutigen Kampf mit ihrem Vater und — ihm. Entsetzt richtete sie sich im Bett aus — verstört sah sie um sich. Sie schalt sich thöricht ihrer Gespensterseherei wegen; doch sobald sie die Augen schloß, waren sie wieder da, diese blutigen, ängstigenden Bilder. Da — ihre fieberhaft gespannten Sinne nahmen mit übernatürlicher Schärfe jede« Geräusch aus — sic sprang au» dem Bett — da» war ein Schuß gewesen! Sie riß da« Fenster auf und lauschte hinaus. Durch zerrissene Wolkenfetzen goß der Mond sein bleiche» Licht über die Heide. In dem Moornebel formten seine Strahlen ge spenstische Gestalten, die zu dem Lied de« leise pfeifenden Nachtwinde» tanzten. Wie ein dunkler Wall hob sich die Linie de« Walde« ab, drohend, finster, al» hätl' er ein finstere» Geheimniß zu hüten. Eine schier unheimliche, beängstigende Stille — nur in der Ferne aus einem Hof bellte ein Hund. Und Alle« blieb still, so lange sie auch lauschte. Sie hatte sich gewiß getäuscht — wa« nützte c» auch, daß sie im Nachtzeug am Fenster stand! Eben wollte sic da» Fenster schließen. Da — kein Zweifel — ein Schuß, jetzt ein zweiter, dritter! Der lange Nachhall schien den Waldsaum entlang zu laufen. Wa» war geschehen? Die schnelle Folge von Schüssen — sie waren aneinander gerathen, — wa« war geschehen? Anna« Herz stand still in lähmendem Entsetzen — ihre Kniee versagten fast den Dienst, mit Mühe hielt sie sich ausrecht. Sie tastete nach dem Bette zurück, sie suchte mechanisch nach ihren Kleidern, doch die Angst und Aufregung lähmten ihre Kräfte, sie brach aus dem Bett zusammen. Eine Weile hatte sie so gelegen, da fuhr sie wieder in neu erwachter Energie auf. Vorsichtige Schritte nahten dem Hause — sie hörte da« leiseste Geräusch. Jetzt machten die Schritte unter ihrem Fenster halt. Sic hörte, noch hinter der Bettgardine stehend, ein leise« Geflüster. Dann zeigte sich ein Kops am Fenster, ein Gesicht drückte sich hart gegen die Scheibe — die Augen blickten suchend umher — wirre Haare hingen über eine weiße Binde, die um die Stirn gelegt war — ein Schrei de« Ensctzen« kam über Anna» Lippen. Der Kopf verschwand — in der athemlosen Stille, die ihrem Schrei folgte, hörte sie deutlich die lauter werdenden Stimmen: „Sic wacht." „Komm hinein — gesehen hat sic Dich doch — so kannst Du nicht weiter." „Und wenn sie un« verfolgen?" „Unsinn! Sie folgen un« nicht mehr — sie haben unsere Spur verloren! Und bier vermuihen sie un« am allerletzten!" Da« war Wilhelm wer war der Andere? Die Hau«lhür ging und wurde wieder verschlossen. Da stürzte Anna, im leichten Nachtkleid, wie sie war, hinaus auf den Flur. An ihr vorbei drückte sich eine» Manne« Gestalt in die Küche. Die Eheleute standen sich gegenüber. „Wilhelm! Wa» hall Du gethan?!" E« war mehr eine schmerzliche Klage al« ein Vorwurf. Ihr Ton, so sanft bittend, wie er ihn lange nicht gehört, entwaffnete ihn. „Du hast Dein Versprechen gebrochen — wa« soll nun werden?" Der starke Mann brachte kein Wort über die Lippen. E« war eine Weile still — dumpf und schwül. An der Küche hörte man leise« Wafserplätschern. „Wilhelm!" begann sic wieder. Da zuckte sie auf —c« pochte Jemand an die Fenster der Wohnstube. „O Golt, o Gott!" stöhnte da« gequälte Weib auf. Schwankenden Schritte» ging sie hinein. Ihr Herz schlug hörbar in fliegender Angst. „Wer ist da?" fragte sie gepreßt, ihre Stimme gewalt sam zur Ruhe zwingend. „Ich — Karl Wettermann." Wa» sollte sic thun? E« war ein verzweifelter Augenblick. Mit Ausbietung aller Willenskraft öffnete sic da» Fenster. „Ist Ihr Mann zu Hause?" Wa» sollte sie sagen? Sie mußte die Helfershelferin ihre» Manne« werden, um ein Unglück zu verhüten. „Schon seit vorgestern nicht." „Sie sind noch auf?" „Ja, de« Kinde» wegen." ,,E» geht schlecht?" „Ja, wa« ist geschehen?" „Ihr Vater traf mit Wilddieben zusammen." „Ist er verwundet?" „Nein. Er behauptet, e» ist Wilhelm gewesen. Ich glaub' e» aber nicht." „Er ist seit vorgestern nicht hier gewesen. Sein Gewehr steht, wo e» stand." „Schön, da kann ich den Vater beruhigen. Gute Nacht." Anna wartete, bi» seine Schritte verhallt waren. Jetzt machte sich die Angst und Spannung ihre« Herzen« Luft — mit einem Aufschrei stürzte sie hinaus, stürzte zu Wilhelm- Füßen nieder und umklammerte seine Kniee. „Wilhelm!" rief sie, während ein krampfhafte» Schluch zen ihre Stimme halb erstickte, „geb' nicht wieder weg von mir! Geh nicht in Zorn und Groll fort! Laß un» wieder Zusammenleben in Friede und Eintracht! Wa» auch alle« geschehen ist, wir wollen e« vergessen und vergeben und von Neuem ansangen mit unserm Leben! Wa« auch alle« noch kommen mag, wir wollen « zusammen tragen, wa» zu tragen ist, und keine Last wird un» zu schwer werden, wenn wir zueinander stehen. E« wird Alle« wieder gut zwischen un«