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Beilage zu Nr. 40 des „Amts- und Anzeigevlattes". Eibenstock, den 3. April 1897. Kaus und Well. Novelle von Gustav Höcker. (Schluß.) Ewald wagte kaum, den leisen Druck ihrer Hand zu erwidern. Er fürchtete zu träumen und stand sprachlos. »Ich weiß, daß Sic mich einst geliebt haben, Ewald," flüsterte Martha, „und daß Sie meinen Besitz für ein be- neidenSwerthe« Glück hielten. Ich war damals Ihrer Liebe nicht würdig, aber wenn mein frevle« Spiel mit Ihrem Herzen jene« Gefühl in Ihnen noch nicht ganz getödtet hat, so will ich mich Ihrer Liebe würdig machen, bi» zu meinem letzten Athemzuge. Können Sic mir vertrauen, Ewald? Und lieben Sie mich noch ein ganz klein wenig?" „Ich habe nie ausgehört, Sic zu lieben," kam au« Ewald» tiefster Brust heraus, während er Martha» Hand hastig an sich drückte. „Doch e» ist zu viel, zu viel für mich! O, Martha, lassen Sie sich nicht von der flüchtigen Minute durch überströmende Dankbarkeit hinreißen, einen Entschluß zu fassen, den Sie bei ruhigem Nachdenken vielleicht bereuen. Wie lieblos auch da» Geschick mit Ihnen umgegangcn ist, so sühle ich doch nach wie vor, daß ich tief unter Ihnen stehe." „Sprechen Sie mir nie mehr von hoch und niedrig, Ewald," sagte Martha fast zürnend, „ich habe e« erfahren, wa« sich hoch und vornehm nennt; für mich giebt e» nicht« Hohe» und Vornehme» mehr, al« ein erprobte» Herz, wie da» Ihrige. — Lassen Sie uns jetzt scheiden, denn mich ruft da« Amt, da» Sie nun kennen und dem ich e» verdanke, daß ich Sie kennen lernte. Ich gehe von hier al» die Ihrige mit meinem ganzen Denken und Fühlen, und wenn einst die Zeit erscheint, wo Sic mich rufen, so kehre ich zurück, um mich nie mehr von Ihnen zu trennen." „Ach, Martha!" rief Ewald, „ich traue meinem Glücke noch immer nicht. Sic ließen mich einst träumen, daß ich Sic lieben dürfte und weckten mich nun selbst wieder au» diesem Traume. Ist er denn nun wirklich zur Wahrheit ge worden?" „Er ist Wahrheit, Ewald, — ich bin Dein!" sagte Martha, und wie sie sich mit einem himmlischen Lächeln gegen ihn neigte, daß ihre Stirn die seinige berührte und ihr dunkle» Auge bi« in die Tiefen seiner Seele brannte, — da riß e« den jungen Mann wie mit Zaubergewalt an ihr Herz und, sanft sie an sich ziehend, berührte er in leisem, heißen Kusse die Lippen der schönen HofrathStochter . . . VI. Vorläufig folgte diesem neu geschlossenen Bunde die un abweisbare Trennung. Martha brach mit den wenigen Vor- urtheilen, die sie au» früheren glänzenden Tagen noch bewahrt hatte, gänzlich ab und reiste, nachdem sie ihre» Dienste» im Telegraphenburcau entlassen war, zu ihrem Bruder Alexander. Ihre Schwägerin Sophie, welche trotz aller Härten de« Charakter» doch nicht unversöhnlich war, besonder» wenn man sich zu ihren Ansichten bekehrte, kam ihr bereitwillig entgegen. Sie verwandle sich bei Ihrer Freundin, der Bärcnwirthin nebenan, daß Martha gründlich da« Kochen erlernte und ver schaffte ihr dann auch Gelegenheit, sich in der Kunst der Kleider- und Weißnäherei au»zubilden, — denn in allen diesen Dingen erkannte Martha die zweckdienlichste Vorbereitung für ihre künftigen häuslichen Pflichten, an die sie nur mit Freude dachte. Martha genoß zufrieden die Gegenwart und lebte froh der Zukunft, aber nicht ohne daß auf Beide ein dunkler Schatten gefallen wäre: Schwester Valentine hielt, trotz der schweren Schule der Prüfungen, die sie in jeder neuen Stell ung durchzumachcn hatte, doch noch immer fest an ihren alten StandeSvorurtheilen und konnte sich von ihrem Entsetzen, daß Martha sich mit dem Tischlergesellen verlobt halte, nicht er holen. Auch al« Martha ihr die ganze hochherzige Hand lungsweise Ewald» der Wahrheit gemäß enthüllte, ließ sich Valentine zu keiner Aenderung ihrer Denkung-art um stimmen. — Ewald sollte e» nie bereuen, daß er von dem Geschäfts kaufe in S. zurückgetreten war; e» sand sich für ihn ganz un erwartet eine viel vorthcilhaftere Gelegenheit, seine Selbst ständigkeit zu gründen. Meister Lindemann« Tochter nämlich, anstatt in die ehrsame Schreinerzunst zu Heirathen, beglückte mit ihrer Hand den von Valentine einst verschmähten Spezerei- waarenhändler drüben an der Ecke, der auf dem besten Wege war, sich zum Großhändler cmporzuarbeiten. Da Meister Lindemann weiter keine Kinder besaß, auf welche sein Geschäft dereinst hätte übergehen können, so beschloß er, sich auf seine alten Tage zur Ruhe zu setzen, und übergab unter den gün stigsten Bedingungen da» schöne Geschäft seinem ebenso tüch tigen al» redlichen Werkführer Ewald Klaußen. Bald darauf begingen Ewald und Martha ihre Hochzeit. Von all den Freundinnen, ohne welche Martha sich in früheren Tagen diese Feierlichkeit gar nicht hätte denken können, war keine einzige al» Zeugin zugegen. Leider war sogar die zürnende Valentine fcrngeblieben und selbstverständlich sehlte auch Betth. Die schöne, junge Oberstgaltin hatte sich rasch in ihren glänzenden Verhältnissen zurechtgefunden. Wenn sie, neben ihrem Gemahl in dem eleganten Wägelchen sitzend, dessen Zweigespann sie selbst regierte, an Martha zuweilen vorüber gebraust war, so hatte sie für den Gruß der Telegraphistin doch wenigsten» ein herablassende» Kopssinken gehabt, — von der „Tischlersfrau" aber, die mit dem Korbe in der Hand auf den Markt ging, nahm sie nicht die mindest» Notiz mehr. Wie sehr muß doch der Stolz auf die Nachsicht derer rechnen, welche er verletzt. Oder hatte Betth e» wirklich vergessen, daß der Gatte der Tischler»frau dereinst der Gegenstand Ihrer eigenen HcrzenSneigung gewesen war? Sicher war die Lehre, die Martha damal» der jugend lichen Freundin gegeben, auf fruchtbaren Boden gefallen und die Schülerin hatte die Meisterin weit übertroffen, wenn auch die Wandelung, durch welche Martha zu der Tief», vor welcher sie Betth an jenem Abende warnte, selbst hinabgestiegen war, al» die gesündere von beiden gelten muß. Die vornehme Betth sollte ihr Glück nicht lange genießen. L« sank mit ihr in« frühe Grab. Der Wittwer war, mehr noch al« beim Tode seiner ersten Frau, der Verzweiflung nahe. Er schasste Wagen und Pferde ab und ließ der Verstorbenen ein schöne» Denkmal von Marmor errichten mit zwei Tafeln, von denen die eine Betth» Geburt»- und Sterbetag enthielt; die andere war leer und sollte dereinst vom Tode de» trauernden Gatten Kunde geben, der neben Betth ruhen wollte. Im Lause der Jahre jedoch ist ihm der Grabstein mit der leeren Tafel ein Stein de« Anstoße» geworden, denn die Zeit heilte auch diese Wunde und der Oberst heirathete zum dritten Male und er schien in einem neuen Wagen an der Seite der neuen Ge mahlin, welche die neuen Pferde lenkte, wie Betth die alten gelenkt hatte, wieder in den Straßen der Residenz. Den Pastor Weihrauch sah Martha nur einmal wieder. Al» sie einst am Geburtstag de» Vater« mit Ewald den Fried hof besuchte, um die Ruhestätte zu bekränzen, sahen sie den gebeugten geistlichen Herrn am Grabe seiner Tochter stehen. Er betete — und sie gingen leise vorüber, um ihn nicht in seiner Andacht zu stören. . . . Eine andere, sehr unerwartete Begegnung dürfen wir ebenfall» nicht verschweigen Al» Ewald mit Martha vor wenigen Jahren sich auf der Wiener Weltausstellung befand, welche er mit mehreren herrlichen Möbelgarnituren beschickt hatte und beide einen Omnibus bestiegen, fiel ihnen der Kondukteur auf, welcher da» Fahrgeld einkassirte. So eilig er diese» Geschäft bei unserem jungen Paare verrichtete, so rasch er sich abwandtc und so lang der Bart war, den er sich hatte wachsen lassen, so erkannten Martha und Ewald doch in ihm den ehemaligen Polhtechniker Guido Halphen wieder. . . . Martha hat sich in ihren bescheidenen Stand eingelebt, als hätte sie nie einem vornehmeren angehört. Sic findet in der Liebe ihre« Galten ihr reinstes Glück und sucht ihre höchste Aufgabe darin, ihren Kindern eine gute Mutter und eine gewissenhafte Erzieherin zu sein; sie läßt ihnen eine Schulbildung angedeihen, die zu jedem Berufe, zu jeder Lebens stellung befähigt, aber sic pflanzt ihnen, trotz des blühenden Wohlstandes, den Ewalds gesegnete Thätigkeit geschaffen hat, einen einfachen, bescheidenen Sinn ein, damit sie sich keine« Stande« schämen, wenn da« Lo« ihre« Leben« dereinst nicht glänzend fallen sollte, und vor Enttäuschung und Unzufrieden heit bewahrt bleiben. — Valentine kämpfte beständig mit Menschen und Verhält nissen. Zuletzt stand sie dem Hauswesen eine« ältlichen Witt- mannS vor, — dem komischen Professor, der einmal um ihre Hand warb, an Jahren weit voraus. Bereits war gegründete Aussicht vorhanden, daß der Wittwer, welcher ein ansehnliches Vermögen besaß, sie heirathen werde. Aber die erbiüchtigen Verwandten desselben wußten die Heirath durch schlau eingc fädelte Jntriguen zu hintertreiben, und Valentine, des Ringens und Kämpfen« mit der Welt müde, söhnte sich mit Schwester und Schwager au« und nahm da« Asyl, welches ihr Beide darboten, mit dankerfülltem Herzen an. An dem Tage, wo man ihrer Ankunft entgegensah, stand Ewald vor der Thür de« Wohnzimmer« auf einem Stuhle, den Hammer in der einen Hand, in der andern die Guir- landc mit der von Blumen gebildeten Aufschrift: „Herzlich willkommen!" Martha stand unten und hatte die Enden der Guirlande gefaßt, damit keine derselben zu lang herabhing. Sie mochte dabei wohl de« Tage« gedenken, wo sie mit Valen tine dem Obcnstehenden unter übermüthigen Spöttereien in gleicher Weise geholfen hatte. Mit welch' anderen Gefühlen blickte sie jetzt zu ihm hinauf. Al« er die Guirlande befestigt hatte und eben vom Stuhle hcrabslieg, da breitete sie weit ihre Arme au» und schloß den geliebten Mann mit überströmender Zärtlichkeit an ihre Brust. Wie ein Klavier entsteht und vergeht. Wenn man aus der Bcrg.-Märk. Eisenbahn von West falen« rother Erde hineinsährt in da« rebenumkränztc Rhein land, kommt man durch Schwelm, die Nachbarstadt Barmens, genau auf der scharfmarkirlen Sprachgrenze der beiden Pro vinzen gelegen, da wo man aufhört, den „Sweincskinken" härter auSzusprechcn, al« er von Natur ist. Dicht am Bahn hofe sieht man einen riesigen Komplex von Fabriketablissements emporragen, der bei Tage durch die ungewöhnlichen Dimen sionen von Gebäuden und Holzschuppen, bei Abend aber durch da« in seiner Bläue und Helle sofort den elektrischen Ursprung verrathende Lichtmecr der langen Fensterreihen jedem Reisen den aufsällt. Dieses Etablissement ist die Hospianofortesabrik von Rud. Ibach Sohn in Barmen, eine der größten und vollkommensten Europa». Mit der dem Rheinländer eigen ihümlichen Liebenswürdigkeit wird der Eintritt in die Fabrik und die Besichtigung derselben gern dem Einzelnen sowie ganzen Gesellschaften gestaltet, und da die Einrichtung de» Etablissement« typisch sein dürste für alle ähnlichen Fabriken, wollen wir einen Rundgang durch die weitläufigen Gebäude machen und unfern Lesern einmal in gedrängter Kürze vor- sührcn: wie ein Klavier entsteht und vergeht. Auf einem 158,000 lI-Fuß großen Arbeitsraum stehen die absolut feuerfesten Gebäude au« Stein und Eisen, die Decken Wellblech, die Fußböden Beton. Unten im Erdgeschoß herrscht ein Höllenspektakel, gleichsam da« Chaos all' der Musik, die in den oberen Etagen allmählig sich abklärt und ent wickelt; denn hier brummen, sausen, knarren, heulen, rasseln, ächzen, klappern und zischen den ganzen Tag eine Menge der verschiedensten Maschinen zur Verarbeitung von Holz und Metall. In den höheren Stockwerken dagegen, wo in den verschiedensten Stadien Le« Zusammensetzen», AuSschmückenS und Vollenden« die kundige Hand und da« erfahrene Auge de« Arbeiter« anstelle der Maschine tritt und ihr Werk zur Reise bringt, herrscht wohlthuende Ruhe; denn da« einfache Geräusch der Werkzeuge von Handarbeitern ist gewiß Ruhe zu nennen gegenüber dem Pandämonlum der Maschinenhalle. Nur in der Abtheilung der Jntonirer, denen der schwierigste, aber auch zugleich lohnendste Theil der ganzen Arbeit zufäll», hört man wieder viel Musik. Der Jntonirer setzt nicht nur dem ganzen Werke die Krone auf, sondern verleiht ihm auch erst durch die Feinheit seiner Arbeit jenen gediegenen inneren Werth, der sich schlechterdings nicht entwenden noch nachahmen läßt und der den Instrumenten der besten Fabriken jene« eigenthümlich charakteristische, man möchte sagen individuelle Gepräge giebt, welche« den Kenner so entzückt. Ein moderner Prometheus, sitzt der Jntonirer in seinem, möglichst hermetisch von den Nachbarzimmcrn der Kollegen abgeschlossenen Gemach und haucht der lodtcn Materie eine Seele ein. Unsterblich ist sie zwar nicht, diese Seele, aber sie vermag nicht nur Wärme zu spenden, sie vermag die Menschenscele in verständlicher und sympathischer Weise anzusprechcn und dieselbe in allen ihren Fibern harmonisch ertönen und antworten zu lassen. Selbstverständlich ist die Fabrik in Bezug auf Reinlich keit, Ventilation, Beleuchtung, Heizung :c. mit allen Errungen schäften der Neuzeit versehen; denn auch diese Punkte sind von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit für einen regulären Betrieb gerade aus dem Gebiete de« Klavierbaues. Unbedingt nolhwenbig sind auch die ausgedehnten Holzlager, die Vorrath für 10 und 12 Jahre im Vorau« halten, da ein langsame», fystematischc« Trocknen de« Holze« an der Luft von der größten Bedeutung ist ; um aber absolut zuverlässig zu werden, kommt alle» Holz noch wochenlang in große dampsgehcizte Trocken häuser, so vaß sich in ihm schließlich keine Spur von Feuchtig keit oder Leben mehr findet, es mithin weder sich werfen, noch reißen kann. Die Leistungsfähigkeit einer großen Klavierfabrik muß heutzutage eine derartige sein, daß sie Ordre« auf 200 bi» 300 Instrumente in nicht allzu langer Frist zu efsektuiren vermag; c» wird deshalb in der Fabrik von Rud. Ibach Sohn in ruhigen Zeiten auf Vorrath gearbeitet. Jedenfalls kann man aus dieser kurzen Schilderung schon erkennen, daß in einer Klaviersabrik ein ganz gewaltige« Getriebe herrscht, da» dem eine« Wcltetablissement» auf andern, industriellem Gebiete nichts nachgiebt. Wo kommen aber nun endlich all die tausende und aber tausende von Klavieren, PianinoS, Flügeln und wie sie sonst heißen mögen, schließlich hin? Sie machen oft weite Wege, bis sie ihr Ende unter rem Brennholz und dem alten Eisen erreichen. Der kostbare Salonflügel von Rud. Ibach Sohn au« Barmen, der den Stolz der Familie ausmachte, ist für die flügge gewordene Nachkommenschaft bereit« nicht mehr gut genug und wandert im Umtaufch gegen ein neue» In strument in irgend eine Pianosortc-Hanblung. Hier findet sich alsbald ein Käufer für da« immer noch reputirliche In strument, namentlich, nachdem e« wieder ordentlich in Stand gesetzt worden ist. Wohl besitzt es nicht mehr seine ehemalige Klangfülle, vielleicht hat e« auch äußerlich schon ein wenig gelitten, aber immer noch gehört e» zu den besseren seines gleichen, und in Vereinen, besseren Wirthschasten, Familien, denen eine Ersparniß von einigen hundert Mark immerhin willkommen ist, findet es seine Aufnahme. Hier dient eS wieder diverse Jahre, allerdings oft weniger rücksichtsvoll be handelt, al» in der ersten Periode seines Daseins, und viel leicht auch weniger gehütet vor mancherlei Flüssigkeiten, die in sein Inneres hinabträuseln und aus seiner Stimmen Klang nicht ohne Einfluß bleiben. Ost genug kommt e» auch schon vor, daß der Klavierdeckcl al» Standquartier für allerlei Gegenstände benutzt wird, wie denn die liebereiche rücksichts volle Behandlung der ersten Periode überhaupt aufgehört hat. — Wieder vergeht eine Reihe von Jahren, oft auch nur ein einzige» Jahrzehnt, und nun kann man bereit» bemerken, daß da« Instrument anfängt, altersschwach zu werden, daß e« nicht mehr aus der Höhe seiner Aufgabe steht. Es treten Zeiten und Umstände ein, die den Ersatz de« „alten" Klaviere», wie e« bereit« despektirlich genannt wird, nothwendig machen, und abermals wandert e« zum Pianoforte- händter, diesmal allerdings schon zu wesentlich geringerem Preise beim Ankauf eine» anderen Instrumente« in Anrech nung gebracht. Zahlreiche Pianofortehandlungen wissen da« heruntergekommene Instrument innerlich und äußerlich wieder so herzustellen, daß c» immerhin noch eine Anzahl von Jahren seine Dienste leistet, namentlich wenn e» in gute Behandlung kommt. Mancher Dorfschullehrer, mancher kleine Verein auf dem Lande, der nur über geringe Mittel verfügt, manche kleine Beamtenfamilie empfangen noch mit Freuden da« Kla vier, da» bereit« einen etwa« dünnen Ton besitzt, aber im kleinen Kreise sich immer noch hören lassen kann. Wird e» gut behandelt, so erweist e« sich dankbar und hält sich ost noch länger al« in seiner zweiten Periode; allerdings, Rück sichtslosigkeiten kann eS nicht vertragen, c« äußert über solche oft seine Verstimmung rasch und andauernd. Jedoch, wie Alle- sein Ende erreicht, so auch das Klavier. Wieder nach Verlaus von Jahren hat es seine Bestimmung erfüllt, hat ausgedient, und wa« nun folgt, ist nur noch die Qual und Marter des bi« zum Ende zu schwerer Arbeit ver- urthcilten Alter». Hat da« Klavier Glück, so wird e« wohl noch einmal gegen eine sehr geringe Summe beim Pianoforte- händler beim Einkauf eine« neuen Klavier« in Anrechnung gebracht, und dann begicbt c» sich, bevor e» zur Ruhe kommt, noch einmal aus die Wanderschaft; in den meisten Fällen aber bleibt eS nunmehr stehen oder wird alsbald noch einmal an arme Verwandte oder Bekannte verschenkt. Jetzt in der letzten Periode seine« Dasein« ist da» ehe mals so prachtvolle Instrument bereit« ein Kinderspiclzeug geworden, auf dem die Kleinen herumhammern und ein Sammelsurium von Tönen hervorzaubern, da» sie Musik nennen. Der einzige Trost de» alten Instrumente» mag sein, daß ab und zu wohl einmal bei diesem Kinderspiel der zu künftige Künstler entdeckt worden. Diese letzte Phase de» Klavicrdasein« dauert verhältnißmäßig lange; denn erstlich ist c» schwer, sich von dem allen lieben Möbel zu trennen, wenn man nicht» bessere» dafür hat, und zweiten» dient e» jetzt ost genug als Tisch, al« Sitzgelegenheit und zu allen möglichen anderen Zwecken, ja sogar als Borrathskammer für die ver schiedenartigsten Gegenstände. Ist aber wieder eine neue Generation herangewachsen, dann hat für da» alte Möbel die ErlösungSstundc geschlagen. In den meisten Fällen wandert e» aus den Boden, wo e» im Dunkeln verstaubt und vermodert, wo Ratten und Mäuse über seine Saiten huschen, ihm noch einmal ein geisterhafte« Stöhnen entlockend. Aeußerst selten fährt noch einmal eine menschliche Hand über seine Tasten und dann schreckt diese