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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 22.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189609228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18960922
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18960922
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-22
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Monat
1896-09
-
Jahr
1896
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sahrzeug eine vollständige Reparaturwerkstatt für Fahrräder enthält. — In Frankreich herrscht gegenwärtig einige Besorg- niß wegen de« Einflüsse», dem der Kaiser Nikolaus II. bei seinem Besuche in England seitens seiner hohen Verwandten zu Gunsten der Uebcrnahme eine« Protektorat« über die Türkei ausgesetzt sein konnte, mit dem die Engländer die Ueberlassung Egyptens einzutauschen gedenken. Wir halten diese Besorgnisse für ein Produkt der ausgeregten Phantasie, einmal weil ein volles Einverständniß unter den Mächten über die Erhaltung des gegenwärtigen Zustande« in der Türkei be steht und sogar zu einer stark markirten Stellungnahme Ruß land« gegen die englische Insinuation geführt hat, und dann auch darum, weil die definitive Festsetzung der Engländer in Egypten keineswegs sich so leichthin im Wege eines Tauschge schäft« ermöglichen lassen würde, bei dem Deutschland in Rück sicht aus seine kolonialen Interessen doch auch ein sehr gewich tige« Wort milzuredcn hätte. Darüber, daß der Nil den Eng ländern nicht zu überantworten ist, herrscht unter den europä ischen Großmächten schwerlich auch nur der geringste Zweifel. Die russische Regierung würde überdies ihre Interessen hin reichend zu würdigen wissen, um sich aus einen so fragwürdigen Handel mit England nicht einzulassen, der keinen nennenS- werthen Bortheil, dagegen aber die unangenehmsten Verwickel ungen verspräche. Wie man in Rußland über die in England geschürte Bewegung im Orient denkt, darüber liegen in der russischen Presse täglich Kundgebungen vor, die allesammt da rauf hinauslausen, daß der englischen Politik am Goldenen Horn mit rücksichtsloser Schärfe entgegengetreten werden müsse. Die Aufgabe der Diplomatie der europäischen Kontinentalmächte — so führt heute die „Nowoje Wremja" au» — müsse es sein, jede einseitige englische Einmischung in die türkischen An gelegenheiten zu verhindern und dafür Sorge zu tragen, daß Ruhe und Ordnung so bald al- möglich im Orient wieder Platzgreifen, um die Ausmerksamkeit ungetheilt dem Vordringen der Engländer im Sudan zuwenden zu können. Der Sultan werde es sich gefallen lassen müssen, daß sogar in die „inneren" türkischen Gewässer ein Geschwader der europäischen Kontinental mächte einläust. Kurz, die Orienlfrage müsse um jeden Preis schleunigst beigelegt werden, damit Europa für andere politische Angelegenheiten die Hände freibehalte. Locale und sächsische Nachrichten. — Johanngeorgenstadt, 18. September. Eine eigenartige gewiß selten dastehende Gräberschmückung fand gestern auf hiesigem Friedhöfe statt. Gestern vor IO) Jahren war der Hochzeitstag de« unter den ältesten Bewohnern un serer Stadt noch im besten Andenken stehenden Pastor« ». Franz Thoma« Tröger mit der Tochter de« damaligen Bürgermeister» Gündel hier. Au» Pietät gegen ihre Eltern schmückte nun die einzige noch lebende jüngste Tochter derselben, Frau verw. Pastor Preußer au» Freiberg, welche hier zum Besuche weilt, die Gräber der Entschlafenen mit Guirlanden und Kränzen. Pastor Tröger wird al» tüchtiger Kanzelredner von seinen Zeitgenossen gerühmt. Seine Antritt»predigt, welche er am 6. Juni 1790 al« Diakonu» hier gehalten hat, be findet sich noch al« Manuscript im Besitze seiner Nachkommen. — Dresden, 18. Septbr. Gegenüber der auch von uns gebrachten Notiz betreff« der Wiedereröffnung der Fest ung Königstein für da» Publikum wird von der Komman dantur mitgetheilt, daß .von irgend welcher Aenderung in den jetzt bestehenden Bestimmungen über den Besuch der Fest ung keine Rede ist." — Seine Majestät König Albert hat au» Anlaß der Beendigung der Manöver folgenden Armeebefehl erlassen: .Armeebefehl für den 12. September 1896. ES ist Mir eine Freude, den Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften Meiner Armee nach Beendigung der diesjährigen großen Herbst-Uebungen für die von ihnen bei jeder Gelegenheit und in besonder» hervorlretender Weise bei der Parade gezeigte gute Haltung, für die bewiesene Ausdauer und die pflichttreue Hingabe an den königlichen Dienst Meine volle Anerkennung auszusprechen. Die Manöver in so großem Umfange haben den Führern aller Grade so viel Lehrreiche« geboten, c« war Gelegenheit, Erfahrungen mannigfachster Art zu sammeln. Ich habe die Ueberzeugung, daß diese Erfahrungen allseitig Anregung zu fortgesetzter, ernster Arbeit und zu sachgemäßer Vcrwerthung für die weitere Ausbildung der Truppen geben werden. Da« Krieg-Ministerium hat diesen Befehl allen Eommando-Behörden und Truppentheilcn der Armee bekannt zu geben. Bautzen, am 12. September 1896. gez. Albert. An da» Krieg-Ministerium. — Leipzig, 18. Septbr. In letzter Nacht wurde hier ein frecher Raubansall verübt. Al« sich ein am Matthäi- kirchhose wohnhafter Schneidermeister auf dem Nachhausewege befand, näherten sich ihm zwei Unbekannte und boten ihm Schmutzschriften zum Kaufe an. Während de» Gespräch» er hielt der Schneidermeister jedoch plötzlich einen gcwuchtigen Stoß vor die Brust und ehe er e» verhindern konnte, hatte der Fremde auch die goldene Remontoiruhr de» Schneider meister» au» der Westentasche gerissen, mit welcher er in Gemeinschaft mit seinem Kumpan die Flucht ergriff, auf der ihn der Beraubte auch nicht einholen konnte. Die Polizei ist emsig thätig, den Räuber zu ermitteln. — Glauchau, 18. Septbr. E» ist schon eine Weile her, da stahl in hiesiger Gegend eine Zigeunerin einen Thaler; sie erreichte damit ihren Zweck, nämlich in da» hiesige Amt»gericht«gesLngniß zu kommen. Hier in den zwar engen Mauern, aber immerhin geschützt vor Wind und Wetter und unterstützt von sachkundiger Hand, — gena» sie bald eine» munteren braunen Knäblein». Au» ihren späteren Erzähl ungen ging hervor, daß auch sie, sowie ihre Mutter, Groß mutter, Urgroßmutter u. s. w. im Gesängniß geboren wurde, und daß e» in ihrer Familie von jeher üblich war, zu dieser Zeit für ein derartige» sichere» Unterkommen Sorge zu tragen! — Reichenbach, 18. Septbr. Der Oberkellner eine hiesigen Gasthof», welcher die Gewohnheit halte, Nacht» den Schlüssel zu seinen Werthsachen unter dem Kopfkissen und eine eiserne Geldkassette am Fußend« seine» Bette» zu ver wahren, erwachte in den letzten Nächten öfter» unter beklem menden Erscheinungen und mit dem schmerzhaften Gefühl, al« wenn er betäubt sei. Al« sich nun ergab, daß ihm an seinem Baarbestande ca. 400 M. fehlten, stellte er eine nähere Nach forschung an und erstattete der Polizei Anzeige. E« ergab sich, daß der Bierau»geber de« betreffenden Hotel», Namen« Gustav Adolf Anschütz au» Haardors bei Weißensel«, der Dieb war; er wurde sofort festgenommen und in da» AmIS- gerichttgesängniß eingeliefert. Durch die Untersuchung werden hoffentlich die diesen Diebstahl begleitenden Nebenumstände aufgehellt werden. — Reichenbach. Nicht weniger al» 230 Stück Kreuz ottern hat in diesem Jahre bi» zum Ende de« verflossenen Monat« August der hiesige Reptilicnfänger Rindfleisch lebend und unbeschädigt eingefangen; e« waren davon allein 198 Stück weiblichen Geschlecht«. Gegenwärtig ist es vielleicht angebracht, darauf aufmerksam zu machen, daß jetzt die Kreuz ottern sich vielfach in Haferseldern aufhalten, um den Feld mäusen auszulauern; beim Haserwenden wolle man deshalb die nöthige Vorsicht nicht außer Acht lassen. — Riesa, 17. Septbr. In der letzten Sitzung de» Stadtverordnetenkollegiums «heilte der Vorsitzende, Rendant Thost, dem Kollegium mit, daß Bürgermeister Klötzer dem Stadtrathc seinen Rücktritt vom Amte al» Bürger meister der Stadt erklärt habe und hierbei auf seine Pensions ansprüche verzichte. Der Rath habe diese Rücktrittserklärung de« Bürgermeister» genehmigt und der Beschluß gelange nun mehr an da» Kollegium zur Kenntniß und Mitentschließung. Der Entschluß de« Bürgermeister» sei sehr zu bedauern, das Kollegium werde später Gelegenheit finden, seinen Empfind ungen über da« Scheiden Ausdruck zu geben. E» sei zu be- ralhen, 1. ob der Rathrbeschluß zu genehmigen, 2. wie hoch die Bürgermeisterstelle auSzuschreiben sei. Bürgermeister Klötzer ergänzte seine Rücktritt-erklärung dahin, daß er nicht gewillt sei, sofort vom Amte zurückzutreten, sondern daß er in dem selben verbleiben werde, bi« Ersatz geschaffen, wa» allerding» sich nicht bi« über den 1. Dezember hinaus erstrecken dürfe. Er empfehle deshalb recht baldige Ausschreibung der Stelle, und zwar schlage er hierzu ein Anfangsgehalt von 5000 M. neben freier Dienstwohnung vor. Im Weiteren möge auch das Standesamt dem ersten RathSbeamten abgenommen und auf einen anderen Beamten übertragen werden. Da» Kolle gium genehmigte sowohl den Rathrbeschluß, al» auch die Aus schreibung der Stelle mit 5000 M. Anfangsgehalt nebst sreier Wohnung einstimmig. — Riesa, 18. September. In einem Dorfe ist in einem Gehöfte eingebrochen worden. Dabei soll der Besitzer de» Gute» nebst seinem Sohne den Spitzbuben da- Weg schaffen der Dieberbeute auf originelle Weise erleichtert haben. Al» der Besitzer mit seinem Sohne Nacht« nach Hause kommt, befinden sich zwei Männer im Hofe, welche mit der Frage an sie herantreten: »Welcher Weg geht denn hier nach Riese, mir sein fremd hier, trafen uff der Straße Niemande und da sein mir hier rein gegang und wulllen darnach fragen." Den Leuten wurde hierauf der Weg ge zeigt. Dabei sieht der Gutsbesitzer ein große» Packet auf dem Hose liegen und fragte die Fremden: »Da« Packet gehört wohl Ihnen?" worauf dieselben antworteten: »Ja, da» Ham mir dcrwcilc hierher gelegt." Die Fremden hoben schnell da» Packet auf und suchten da« Weite. Beim Betreten der Wohnung sah der Gutsbesitzer, daß er bestohlen worden war und daß er den Spitzbuben beim Wegschaffen der Beute noch behilflich gewesen war. — Au« der Oberlausitz, 17. September. Welche Truppen massen die Ortschaften der Amt»hauptmanschasten Bautzen und Löbau in der Zeit vom 7. bi» mit 12. Septbr. beherbergen mußten, zeigt ein Blick auf die Orllie llv buluillv bei den Armeeabtheilungen. Darnach haben in diesen Tagen, abgesehen von den höheren Stäben, daselbst gelegen: 98 Jn- fanieriebataillone, einschließlich der Jäger, und eine Infanterie- Kompagnie (Unteroffizierschule), 13 Pionierkompagnien, 85 Eskadron», 93 Batterien mit zusammen 464 Geschützen. Da« Bataillon rund zu 500 Mann, die Eskadron u. die Batterie rund zu IM Mann gerechnet, erg'ebt eine Gesammtsumme von beiläufig 68,000 Mann. Hierzu kommen noch Lust schiffer-, Telegraphen-, Sanität»-, Train- und Feldgendarmcn- Abtheilungcn. die Mannschaften der Stäbe re., sodaß man die Gesccht-stärle der manövrircnden Truppen auf mindesten« 70,000 Man» zu beziffern hat. Die Verpflegung dieser großen Massen geschah meist durch Magazine, welche zu diesem Zwecke durch die Intendanturen an solchen Orten angelegt wurden, die von den Truppen leicht zu erreichen waren. Vorsorglichcrweise waren in Löbau und Herrnhut Feldlazarethe zu je 40 Betten aufgeschlagen. — An die deutschen Turnvereine erläßt der Aus schuß der deutschen Turnerschaft solgcnde Bekanntmachung: »Ei scheint, besonders auch im Lande Sachsen, immer mehr Moae zu werden, daß die einzelnen Vereine Wettturnen ver anstalten und dazu alle Vereine de» Gaue« und der Nach barschaft entladen. Ist da« schon ein Beginnen, welches nur zur PreiSjLgerei und zum Verlottern der Turnsache führt, so hört aber eigentlich alle« auf, wenn fast alle Programme solcher Feste den Satz enthalten, daß nur Turner derjenigen Vereine zum Wettturnen zugelassen werden, welche mit der Fahne erscheinen. Man will dadurch die Vereine zwingen, mit der Fahne zu kommen, um ein unbedeutende» Fest au»- zuputzcn. E» ist aber solches Gebahrcn durchaus ungehörig, — der Grundsatz, der schon vom Turntage in Hannover aus gestellt wurde, müßte in allen Gauen und Kreisen durchge- sührt werden, — an den von Vereinen veranstalteten Wett turnen sollen nur Vereinsmitglieder, an den Gauwcltturnen nur Gaumitglieder, an den Krciswettturnen nur Kreismit glieder lheilnehmcn. Ausnahmen bei 25- und 50jährigcn Jubelfesten oder Hallenweihen kann die Gauleitung gestatten. - Und die Fahnen sollen nur zu hervorragenden Festen mit genommen werden. — Die demnächst zu ihren Truppentheilen abgehenden Rekruten seien darauf aufmerksam gemacht, baß sie, sofern sie der Invalidität«- und Altersversicherung unterliegen, bei der Verwaltung der Ortskrankenkasse ihre QuittungSkarten abzuholen haben. Diese ist beim späteren Wiedereintritt in eine versicherung-pflichtige Beschäftigung an den Arbeitgeber abzugeben und deshalb sorgfältig auszubewahren. Wer die» unterläßt, hat sich entstehende Nachtheile selbst zuzuschreiben. — Die Errichtung von Sammetstcllen zur Erbauung eine» Asyl» für arme Lungenkranke im Gebiete der Sächsischen Schweiz geht in ganz Sachsen mit einer Rührigkeit vor sich und findet in den weitesten Kreisen jo ungetheilt« Ausnahme, daß e» angezeigt erscheint, aus die Wichtigkeit de» Unternehmen» und d>« Tragweite jener bö»- artigcn Krankheit die Ausmerksamkeit unserer geehrten Leser zu lenken. Gan, Deutschland rüstet sich zum Kampfe gegen dies« unheimlich« Krank heit und e« ist ersreulich, daß unser Sachsen nicht zuletzt austritt, um die Wege zu bahnen, die geeignet erscheinen, «inen Damm gegen da» Umsichgreifen jener Krankheit zu setzen. Bereit» im September v. I». beschäftigte sich der deutsche Verein für öffentliche Gesundheit»psl«g« zu Stuttgart speziell mit dieser Krankheit und wurde di« Frag« her Er bauung von Heilstätten ftir Lungenkrank« durch Invalidität», u. Alter»- versicherungtanstalten, Krankenkassen und Eommunalverdänd« in den eingehendsten Referaten durch Herrn Direktor Gebhard (Lübecks und Herrn Sanitätsrath Or. Hamp« (Helmstedts beleuchtet. Herr Direktor Gebhard sagt in seinem ausführlichen Referat zum Schluß wörtlich: „Die Einengung de» Herrschaftsgebiete» der Lungenschwindsucht und die schließlich« Ueberwindung diese» gefährlichen Feinde« de» Volke» — ein Ziel, dessen Erreichung die unau»gefetztcn Anstrengungen von Ge nerationen erfordern wird, — ist eine der größten Ausgaben der öffent lichen Gesundheitspflege und ein höchst bedeutungsvoller Schritt auf dem Wege der Förderung der allgemeinen Volkiwohlsahrt. Der heutige Staat, der seine Aufgaben erweitert und seinem Wirken, soweit «» sich aus die breiten Waffen de» Volke» bezieht, einen neuen reicheren Inhalt gegeben hat, wird diese Aufgabe zu lösen wissen: aber die» wird nur der Fall sein, wenn alle seine Organe sich bewußt sind, daß e» ihnen obliegt, jede» zu seinem Theile und an seiner Stelle, dabei mit,»ar beiten." Diese Worte eine» hochstehenden, wiffenschastlich hervorragen den Manne» beleuchten die Wichtigkeit und Tragweite bei Werke», welche« seit Jahren di« „Freie Waldloge" zu Dresden unter den schlichten Worten ,-Fiir eine gute Sache" thatkrästig in die Hand genommen bat, zur Genüge, um den aufrichtigen Wunsch auözusprechen, möge da» humane Werk, welche« au« unserm Volke entstehen soll, überall offene Herzen und Hände finden. Etwaige Zusendungen wolle man an die Geschäftsstelle der „Freien Waldloge" Hrn. Camillo Stolle, Dresden, Ge- richtSstraße IS gelangen lassen. Witte zu grüßen! Humoreske von Eugen Gavain. (S. Fortsetzung.) Friedrich hatte sich, dem Befehle de« Hauptmann« gemäß, au» dem Koupcc auf den Perron begeben. Strammen Schrit te» folgte er dem soeben in sein Bureau tretenden Inspektor. Militärisch grüßend, blieb er vor diesem stehen und sagte: „Ich melde mich zur Stelle, Bursche de» Herrn Hauptmann» von Esebeck, Chef der . . Kompagnie schon In ¬ fanterie-Regiment» Nr. . . . „Wa» wollen Sie?" fragte der von seinen Papieren ausblickcndc Inspektor. „Bin beauftragt, für den Herrn Hauptmann Grüße von Herrn Rittmeister von Berneck zu holen und höflich zu danken." „Lieber Mann, wenn Sic keinen faulen Witz machen, so sind Sie mit Ihrem Auftrage wahrscheinlich an die unrechte Stelle gelangt. Ich verstehe Sie einfach nicht. Wollen Sie sonst noch etwas?" „Zu Befehl, nein, Herr Inspektor. Ich danke höflich." Damit machte Friedrich aus den Hacken rccht-um kehrt und marschirte zur Thür hinaus. Draußen aber auf dem Perron ging ein vorwitziger Handlungs-Reisender auf und ab, der, wie alle derartige Individuen, ein offene« Auge und Ohr für Alle» hatte, wa» ihn nicht« anging. Er hatte na türlich zu den lautesten Schreiern gehört, die vorhin den armen Hauptmann im Choru« die Grüße Berneck'- zugerufcn, und jetzt, da er den Burschen au» dem Bureau de» Inspektor« herau«- kommen sah, ahnte er dunkel den Zusammenhang. „Na, mein Lieber, Sie haben wohl da» Schlafen für diese Nacht aufgeben müssen? Sie haben sich wohl beim Inspektor nach dem guten Freunde Berneck erkundigt?" „Ja, e» hat aber nicht» gegeben," knurrte Friedrich, der gegen Alle», wa» sich Civil nannte, eine gewisse geheime Abneigung hatte. „So, e» hat nicht« gegeben?" rief der Reisende mit großem Erstaunen; „der Inspektor hatte keine Grüße von Freund Berneck?" „Nein," brummte Friedrich und wollte kurzweg nach seinem Koupcc gehen." „Aber lieber Mann," hielt ihn der Reisende zurück, „da wird e« Ihnen schlecht gehen, damit wird der Hauptmann schwerlich zufrieden sein; Sie waren gewiß nicht an der rechten Stelle." „So, glauben Sie?" fragte Friedrich ängstlich, „meinen Sie, ich muß noch anderswo fragen?" „Gewiß, gewiß, da ist noch der Stationsassistent, dann der Telegraphist, der Restaurateur, der Portier, der Billeteur, der Garderobier und der Weichensteller; jeder kann möglicher weise den Gruß von Berneck in Bestellung haben und wartet schon sehnsüchtig aus Sie." „So, so," meinte Friedrich, „da danke ich Ihnen auch recht sehr; da hätte e« mir ja schlecht gehen können." „Bitte, keine Ursache," sagte der mit listigem Augenzwinkern davonschrcitende Reisende, während Friedrich unwillkürlich mit der Hand nach seinen Ohren fuhr. Schleunigst begab sich da» Faktotum nach dem Bureau zurück, in welchem der Inspektor nicht mehr anwesend war. Etwa» schüchtern fragte Friedrich einen dasitzendcn Schreiber, ob er den Assistenten sprechen könne. „Der liegt noch tief in den Federn," meinte der Schrei ber. Al» er jedoch die trübselige Miene Friedrich'« bemerkte, fügte er hinzu, „da» heißt, wenn e» wichtig ist, können wir ihn ja herau«trommcln." „Ach ja, e» ist sehr wichtig," sagte Friedrich. Der Schreiber winkte einen Arbeiter und befahl ihm, schleunigst den Stations-Assistenten zu holen, ein Soldat wünsche ihn dringend zu sprechen. Der Station»-Assistent war zwar nicht sehr angenehm überrascht, al» er in seinem Schlafe gestört wurde, er fuhr jedoch eiligst in seine Kleider, al« er hörte, daß ihn ein Soldat sprechen wolle. Der Mann hatte nämlich einen Sohn, der auch auf dem Krieg»schau- vlatze war und von dem er schon längere Zeil keine Nachricht erhalten hatte; er glaubte nun nicht« Andere«, al« daß ihm der Soldat gewiß eine Nachricht von seinem Sohne bringe oder aber, daß dieser selbst vielleicht zurückgekehrt sei. Unser Friedrich aber glaubte, die Zeit de« Warten» nicht ungenützt verstreichen lassen zu dürfen. Er trat in da» Telegraphcn- Burcau und sagte zu dem dienstthuendcn Beamten: „Bursche de« Herrn Hauptmann» von Esebeck frägt an, ob Grüße von Herrn Rittmeister von Bcrneck zu bestellen." „Warten," sagte der Telegraphist, der eben mit der Ab fertigung einer Depesche beschäftigt war. Dann wendete er sich zu Friedrich und fragte nach feinem Begehr. Mit Nach druck wiederholte Friedrich seine Frage. Der Telegraphist, der natürlich nicht au» dieser Frage klug werden konnte, anderscit« aber keine Zeit hatte, sich auf eine lange Unter haltung einzulassen, antwortete nur kurz: „Nein." Dann machte er eine verabschiedende Handbcwegung und Friedrich trdllte sich. Um nur ja keine Zeit zu verlieren, wendete er sich jetzt nach dem Billctschalter. „Wohin," fragte der Billeteur, al« Friedrich salutirend an den Schalter trat. „Nach Leipzig," antwortet« Friedrich unwillkürlich. „Zweiter oder Dritter?" fragte der Billeteur weiter. „Wir fahren Schlaf-Souper," sagte Friedrich nicht ohne einen gewissen Stolz. .7 Thlr. 8 Sgr," sagte der Billeteur, ein Billet auf da« Brett werfend.
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