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'S*!-" ' ' für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend^ Amtsblatt des Königl. Gerichtsamtes und des Stadtrathes za Kischofsmerda. YiNe Zeitschrift erscheint wöchmtlich 2 Mal, Mittwochs und Sonnabends, und löstet vierteljährlich l2j -kg,. ! Inserate werden di« gespaltene Zeil» oder deren Raum mit 6 Pf., dergl. unter vier Zeilen mit St Ngt. derrchnet. . Mittwoch, de« S. December 186Ü Der Stieber'sche Prozeß. Die Verhandlung de- Etieber'schen Prozesse- hat «ine der tiefsten und gefährlichsten Wunden der Zeit bloßgestellt, und verdient daher in vollem Maße die Aufmerksamkeit, welche sie auf sich gezogen, die Wich tigkeit, welche man ihr beigelegt hat. Da- persönliche Schicksal der angeschuldigten Polizeibeamten ist dabei von untergeordneter Bedeutung; ob Herr Stieber frei gesprochen oder schuldig gesunden wurde, kommt wenig in Betracht neben der furchtbaren moralische» Niederlage, welche da- von ihm vertretene Regierungssystem durch die schonung-losen Enthüllungen de- Oberstaatsanwalt- nachträglich erlitten hat — einer Niederlage, welche keine-weg- verspätet genannt werden kann, wenn man bedenkt, daß bis jetzt nicht einmal in Preußen, ge schweige denn in den sämmtlichen deutschen Staaten der ganze alte Sauerteig der Staat-rettung-politik sammt dem Personal ihrer dienstbaren Geister gründlich au-gekehrt ist. Wir erinnern nur an Mecklenburg, Kurheffen rc. Die liberalen preußischen Minister haben sich bis dabin eine Menge von Jnventarstücken all dem Manteuffel-Westphaleii'schen Nachlaß in ihren neuen Haushalt herübergenommen. Der Stieber'sche Prozeß wird auch da- langmüthigste und nachsichtigste Gemüth von der ferneren Unhalibar- kelt solcher rechtswidrigen Polizeiwirthschaft überzeugt haben. Dieser Prozeß gestaltet nicht ferner di» wohl wollende Fiction, daß daS alte Regiment der Herren von Manteuffel und von Westphalen nur ein« allzu scharfe PrariS in »er Verwaltung eingeführt und auf recht erhalten habe. Nicht etwa find di« bestehenden, hinlänglich strengen Gesetze mit schonungsloser Härte gehandhabt, sondern fie find beliebig lgnorirt worden, well mit Ihnen noch nicht scharf und willkürlich genug eingeschritten werden konnte. Eie find lgnorirt worden, nicht etwa im leichtsinnigen Taumel oder im bedräng- ten Nothzustande, sondern mit klarstem Bewußtsein, mit konsequenter Methode, mit dem ausgesprochenen Ent schluß, die Polizeiwillkür über daS Gesetz zu erheben. Man hat die recht-widrige Prari« zum System er hoben; man hat förmlich einen Geschäftsgang des AmtSmißbrauchS, eine Anleitung zur Justizverhöhnung erfunden. Daß unter dem „staat-rettenden" Ministerium Manteuffel die Polizei gegen politisch compromittirte Personen nicht allein ihre ganze gesetzliche und auch Fünfzehnter Jahrgang. ihre thatsächliche Macht zu allen irgend erdenkliches Verationen gebrauchte, ist keine neu« Entdeckung. Daß fie aber auch auf solchen Gebieten, die mit der Politik gar nichts zu schaffen haben, auf dem Gebiet der ge wöhnlichsten Criminal-, Fremden- und Vagabonden- Polizei, ja sogar auf dem Felo« d«S r«in«n Privatrechts, auf welchem fie nicht daS Mindeste zu »hun hatte, mit rücksichtsloser Hintansetzung klarer Gesetzvorschriften eine schwungreiche Thätigkeil entfaltete, das haben vielleicht Manche geahnt, aber Wenige nur werden von diesem Treiben eine deutliche Vorstellung gehabt haben. Nach den Enthüllungen des Oberstaatsanwalt- war die Ber liner Polizei in der That in dem besten Zuge, um neben der gesetzlich constiiuirten Rechtspflege der Ge richtshöfe eine Art von Winkeljustiz dauern» zu begrün den, welche vor der ordentlichen Justiz den großen Vorzug hatte, wenigstens der einen der Parteien all» „Weitläufigkeiten" zu ersparen. Nur Wenig«, meinen wir, werden die- in dem Umfange gewußt haben; aber Einer hat eS ganz gewiß gewußt, Herr SimonS näm lich, der Juftizmiiiister, welchem „Kladderadatsch" den Beinamen „der Dauerhafte" gegeben hat. Herr SimonS wird am besten im Stande sein, seine College» darüber aufzukiären, wie verderblich die Wirksamkeit der Polizei sich entwickeln kann, wenn sie, mächtig und einflußreich, wie fie unter allen Umständen sein wird, nicht jeden Augenblick fühlt, daß eine Macht über ihr steht, die daS Gesetz nicht ungestraft verhöhnen läßt. Die» ist der Punkt, auf den «S ankommt. Die besten Gesetze werden wenig helfen, n enn die Personen, denen vorzugsweise die au-führende Gewalt des Staat- in die Hände gegeben ist, da» Bewußtsein haben, daß man ihnen gegenüber eS mit der Gesetzlichkeit eben nicht genau nehmen wird. Und man nimmt e- hier und da in Deutschland zuweilen sehr wenig genau mit der Gesetzmäßigkeit polizeilicher Handlungen. Manche, so genannte praktische Staatsmänner machen gar kein Hehl daraus, wie Herr von Hinkelveh kein Hehl daraus machte, daß er sich an die Gesetze nicht kehre. Da hätte man viel zu thun, sagen sie achselzuckend, wenn man um jeden Quark Weitläufigkeiten machen wollte. Die Besseren unter diesen praktischen Männern trösten sich damit, daß fie die Form einer höheren Zweckmäßig keit zu Liebe verletzen. Sie vergessen, daß jeder mate rielle Erfolg, welcher durch eine Willkür allerdings bis weilen gewonnen wird, erkauft werden muß durch bi»