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Bischofswerda, Stolpen and UmgegeM Amtsblatt de» Königs. Gerichtsamtes und des Stadtrathes zu Kischsfswerda. VieftSeitschrtst erscheint wöchentlich 2 Mal, Mittwochs «ad Sonnabend«, «ad kostet vierteljährlich 12t Ng«. Inserat« «erden dir gespatteue steile »der deren Raum mit 6 Pf. berechnet. ! Mittwoch, de« IS September. 1860 Die politische Macht der Industrie. Die letzten Jahrhunderte haben eS augenscheinlich dargethan, daß diejenigen Staaten die mächtigsten und angesehensten waren, welche die Entdeckungen und Er findungen im Gebiete der Gewerbe und Industrie am schnellsten und eifrigsten benutzt haben, während die Vernachlässigung technischer und industrieller Thätigkeit fast immer Lähmung und Schwächung, ja den Verfall der Völker herbeiführten. Die Lombardei, Venedig und Genua waren groß und mächtig, so lange ihre Banken und Comptoire den ganzen levantischen Handel vermittel ten, so lange ihre Galeassen die Küsten der Levante, des Mittelmeeres befuhren. Die hanseatischen Städte standen auf dem Höhepunkt ihrer politischen Macht, so lange sie die Vermittler ve- nordischen Handels, die bedeutendsten Rheder waren. Spanien beherrschte die Welt, so lange eS ehrlichen Handel und ausgedehnte Gewerbe trieb. Holland demüthigte Spanien und widerstand selbst Eng land im Seekriege, so lange Zahl und Ladefähigkeit sei ner Schiffe die Marine England» und Spaniens über traf, so lange seine Fabriken »aS schönste Papier, die beste Leinwand lieferten. Englands Uebermacht datirt seit der Benutzung seiner Kohlen für die Erhaltung der zahllosen Feuerherde seiner Fabriken. Rußland- neueste Verjüngung ist ein Kin» des Handels und der Industrie, der Eisenbahnen und Telegraphen, der Förderung von Bergbau und Landwirthschaft, der Anwendung von Er findungen und Entdeckungen, der Befreiung de- Bodens und der Leibeigenen. Deutschland verdankt die wenig sten» in materieller Hinficht begriffene Entwickelung seiner Einheit und politischen Bedeutsamkeit einzig und allein dem Aufschwung« seine» UnternehmungS- und Erfindungs geiste», dem Aufschwünge seine» nationalen Handel», sei ner nationalen Industrie, der Gründung seines Zoll-, Eisenbahn-, Telegraphen-VereinS, der ein Ausdruck, und Ausfluß seiner commercieüen und industriellen Entwick lung ist. Da» Uebergewicht Preußens in den Staaten de» Zollverein» kommt wesentlich daher, daß Preußen neben dem Schwerte auch Spindel und Webeschiff in die Wagschale der Völker gelegt, daß seine Eisenwerke und seine Kohlengruben, seine Tuche und seine Linnen, seine Stahlwaaren und Eisenstoffe mehr werth find, als alle übrigen Erzeugnisse der Zollvereinsländer zusammen. E» kommt daher, daß neben dem Adel der Geburt auch der Adel der Arbeit zu Ehren gekommen, und daß Fünfzehnter Jahrgang. eia starker Bauern- und Bürgerstand fich als der Stand der kleinen, aber mächtigen „Herren* erhob. Die Ver kümmerung Oesterreichs kommt wesentlich daher, daß alle jene Bedingungen von Gewerbsfreiheit seither entweder ganz fehlten, oder weil st« unter dem Zwange starrer Formen verkümmerten. So zeigt sich überall, daß di» politisch« Macht und Größe der Staaten abhängig ist von der Entwickelung und Ausdehnung der Mechanik, des Handels, der Schifffahrt, der Industrie. In der That aber, keine Zeit kennt eine so all gemeine und tiefeingreisende industrielle und gewerblich« Entwickelung als die unserige. Sie ist anerkannt eine Folge von der Ausbildung der Naturwissenschaften und deren rapiden täglichen Fortschritten, namentlich der Physik, der Chemie, der Geognofie, der Mechanik, der Optik u. s. w. ES liegt nicht in der Möglichkeit eine» kurzen Zeitungsartikel-, die- Thema ausführlich zu be handeln und zu erschöpfen. Nur Fingerzeige können hier gegeben werden, und so beschränken wir unS auf die praktischen Erfolge von nur vier großen Erfindungen und die politische Macht derselben hinzudeuten, auf die Erfindung der mechanischen Spinnereien, der Dampf schifffahrt, der Eisenbahnen, der elektrischen Telegraphen. Die mechanischen Spinnereien bewirkten in der Baum» wollenindustrie eine so große Preiserniedrigung der Maa ren, daß auch der ärmste Mensch fich seitdem in Baum» wollenstvffe kleiden kann. Sollen wir noch die politische Macht der Dampf schifffahrt und der Eisenbahnen nähet andeuten? — Wir sehen eS täglich vor Augen, daß sie Zeit un» Raum für Handel und Verkehr in schnellere und kürzere Bahnen, in ganz andere Verhältnisse bringen, daß ste die Tran»» portmaffen in unglaublicher Menge erhöhen, daß ihre Bedeutsamkeit auf HeereSbewegungen, auf KriegSfühnmg von dem entschiedensten Einflüsse find. Und waS Dampfschifffahrt und Eisenbahnen für die Bewegbarkeit im Transport von Menschen und Gut find, da- find in ungleich höherem Grade die Telegraphen für den beflügelten Verkehr deS geistigen Wortes. Rechnet man zu diesen großen Erfindungen noch die unzähligen andern, welche von allen Seiten täglich auf tauchen (man denke nur an die Vervollkommnung der militärischen Feuerwaffen), so tritt u»S eine Macht von industrieller Fülle und Kraft entgegen, der Niemand fich ungestraft entgegensteüen kann.