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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 09.04.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189604090
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18960409
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18960409
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1896
-
Monat
1896-04
- Tag 1896-04-09
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Monat
1896-04
-
Jahr
1896
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Jahn einige Tage vor der Revision 40 Paar Stiefelsohlen geliehen, die der erstere nach Bekanntwerden de« Revisions ergebnisse« sich auf eigene Kosten beschaffen mußte. Die ent- wendeien Gegenstände sind an hiesige und auswärtige Trödler durch Civilpersonen verkauft worden. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 8. April. Nächsten Freitag Abends 8 Uhr findet in der hiesigen Turnhalle von Kindern der ersten beiden Klassen unsrer I. Bürgerschule eine Aufführung de« in Musik gesetzten Märchen« »Hänsel und Gretel" statt. Unter gütiger Mitwirkung bewährter Solokräfte wird un» durch Kindermund eine« Märchen« geheime Wunderpracht im Gewände der Musik und Poesie geboten. Alle Freunde der Kinderwclt seien aus diese« Concert aufmerksam gemacht, dem auch um seine« guten Zwecke«, der Förderung de« dies jährigen Schulfeste« wegen die regste Betheiligung unserer Einwohnerschaft zu gönnen ist. Im Uebrigen verweisen wir auf die in der heutigen Nummer unsre« Blatte« enthaltene Anzeige. — Eibenstock. Der Export aus dem Dislrict der Consular-Agcntur Eibenstock nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, während des Vierteljahre« vom I. Januar bis 31. März 1890 betrug! Mk. 961,858.« In dem entsprechenden Vierteljahr 1895 „ 1,070,523.4! daher eine Abnahme Mk. 108,665.». — Johanngeorgenstadt, 7. April. Gestern Mittag wurde aus hiesigem Friedhöfe die in den 60cr Jahren stehende vcrw. Tischler Presch er von hier, welche in letzter Zeit in Obcrjugel wohnte, beerdigt. Dieselbe hatte am 31. v. Mts. Abend« gegen 7 Uhr den Rückweg von Hirschcnstand ange treten, war aber infolge der eingetretenen Dunkelheit in der Nähe de» kleinen Kranichsecs auf Johanngeorgenstädter Forst revier vom rechten Wege abgekommen und ist, erniattet von der mühsamen Fußwanderung durch den noch ziemlich tiefen Schnee, anscheinend nach schwerem Todeskampsc erfroren. Am Ostersonnabend erst wurde die bedauernswcrthe Frau in sitzender Stellung, nachdem sie sich vorher ihres Tragkorbs, in welchem sich Fleisch und andere Gegenstände befanden, entledigt hatte, unweit de« kleinen Kranichsecs aufgcsunden. — Leipzig, 7. April. Am Sonnabend Abend wollte der Schreiber eine« Rechtsanwalts auf Postamt 5 am Markt für seinen Prinzipal eine Einzahlung von mehreren Hundert Mark machen. Als er die Hundertmarkscheine ausgezählt hatte, raubte plötzlich ein hinter ihm stehender junger Mann drei der Scheine weg und ergriff die Flucht. Mit Hilfe eine« Radfahrer», der dem jungen Mann bald nachsetzte, gelang es, den Flüchtling aus dem Königsplatze einzuholen und zu ver haften. E« war ein 17jährigcr Handlungskommis au« Berlin, der natürlich hinter Schloß und Riegel kam. Die geraubten Scheine hielt er noch in der Hand. — Leipzig. Die Tage de« althistorischcn Plcißen- burg-Schlosses sind gezählt; wie e« heißt, soll schon im kommenden Jahre nach der Ucbersiedelung de« 107. Infanterie regiments, da« jetzt in der Pleißenburg untergebracht ist, nach Möckern mit dem Abbruch der Gebäude und der Parzellirung de» Areals begonnen werden. Große weltgeschichtliche Er innerungen sinken damit hin; wir gedenken zunächst nur dessen, daß einst die Pleißenburg da» große Völkerringen zur Be freiung de« Vaterlandes in seinen kritischen Stadien, daß sie die Flucht, die schimpfliche Flucht de« Korsen sah, der einst eine Welt unter seinen Füßen zertreten hatte. Andererseits aber spielt die Pleißenburg auch eine Rolle in dem großen Kulturwerk der Reformation, in welcher Hinsicht wir nur an die Unterredung Luther« mit IN. Eck erinnern. In den Jahren von 1549 bis 1567 von dem genialen Leipziger Bau meister Hieronymus Lotter erbaut, hat der Kern de« Gc- bäudckomplexc« über drei Jahrhunderte der Zeiten Stürme getrotzt, bi» die Burg nun, an der Wende des 19. und 20. Jahrhundert«, in den Staub sinkt, um großen modernen Neu bauten Platz zu machen. — Chemnitz, 6. April. In der Nacht vom 2. zum 3. April sind in Thalheim zwei mit Gewehr und Revolver bewaffnete Männer in die Wohnung einer Wittwe einge drungen und haben von derselben 150 Mark räuberisch er preßt. Der Staatsanwalt bittet, jedwede Wahrnehmung, die zur Ermittelung der Thäter führen könnte, sofort anzuzeigen. — Borna, 4. April. Die zuerst in hiesiger Umgegend beobachtete Pferdckrankhcil ist auch in verschiedenen weiteigelegenen Dörfern aufgetreten. Von Interesse dabei ist die Thatsache, daß man den ersten Fingerzeig zur Behandlung der erkrankten Pferde erhalten hat. Die Krankheit ist nie mit tödtlichcm Ausgang verlaufen, wenn der Pfcrdestall stet geheizt wurde, sodaß die Stalltemperatur immer einige 20" betrug. Auf den Rücken der Thiere wurden Säcke mit er wärmtem Hafer gebunden. Allerdings hat die Krankheit ein schwere» Augenleiden zurückgelassen, da« hoffentlich auch noch gehoben werden kann. — Schandau. Unsere Stadt mit rund 3200 Ein wohnern zählt 40 Gasthäuser bez. Hotels und 5 Weinstuben und Konditoreien, so daß auf 80 Bewohner ein Gasthaus und aus je 640 eine Weinstube kommt. Daß der Schank betrieb zu den einträglichsten Gewerben gerechnet werden kann, erhellt schon daraus, daß man ein Hau«, auf dem die Real schankgerechtigkeit ruht, gegenwärtig für 42,000 Mark verkauft hat, während es vor 2'/2 Jahren in der Subhastation sür 26,500 Mark erworben wurde. Hierbei darf allerdings nicht außer acht gelassen werden, daß Schandau eine stark srequen- tirte Touristen- und Badestadt ist. — Markranstädt, 4. April. Der 20jährige Sohn eine« Gutsbesitzer» im benachbarten Quesitz schoß dieser Tage dem Dienstmädchen seine« Baler« au» Unvorsichtigkeit eine Ladung Schrot direkt in« Gesicht; da» unglückliche Mäd chen ist leider auf beiden Augen blind. Der Baler der Un glücklichen verlangt eine jährliche Rente von >000 M. Aauchschäden. Die schönen Wälder unsere« Vaterlandes haben seit der raschen Entwickelung der Industrie auch ganz bedeutend durch Rauchgase der Schlote gewerbfleißiger Gegenden zu leiden. Entschädigungsklagen gegen industrielle Werke kommen daher jetzt häufig vor, aber dabei ist nach fachmännischer Meinung immer wohl zu bedenken, daß nicht etwa nur die nächstliegenden Etablissement« den Waldungen schaden, sondern daß die Rauchgase von mindesten» 2 Meilen im Umfange ihre Wirkung mit ausüben. Ja, verschiedene Fachmänner sind der Ueberzcugung, daß die schweflichen Gase, die im Rauche mit aussteigcn, in einiger Entfernung noch mehr wirken al« in der Nähe, und daß ferner ihre Wirkung um so größer ist, je länger der Schnee im Winter auf den Zweigen der Bäume liegen bleibt. Kommen also starke Schneesälle ohne viel Wind, so kann man bestimmt darauf rechnen, daß der Wald viel stärker zu leiden hat al« in schnecarmen Jahren. (Schnerbräche kommen hierbei nicht mit in Betracht!) Der Schnee ist außerordentlich aufnahmefähig von schwefel sauren Gase», und durch die Verbindung mit Wasser und Sauerstoff bildet sich eine Säure, die dann ätzend an den Blättern (-Nateln) der Bäume wirkt, die dann im nächsten Jahre absterben. Man hat darum schon zu wiederholten Malen durch Eindampsung von Schnee den Prozentsatz festgcstellt und hat gefunden, daß, wenn der gewisse Prozentsatz von Schwefel säure, den die Fichtennadcln von Natur au« besitzen, durch äußere Einwirkungen vermehrt wird, bestimmt der Tod eintritt. Am widerstandsfähigsten ist dagegen die Kiefer ; am we nigsten verträgt die Tanne und Fichte. Eine Folge davon ist, daß die Tannenwälder immer mehr verschwinden, daß bereit« schon die Fichtenwälder stark kränkeln und in späteren Jahrzehnten nur noch die Kiefer dominiren wird. Die Rauchschädc» merkt man nicht gleich, da sich der ZuwachSvcrlust in den ersten Jahren nur ganz und gar wenig geltend macht. Erst im dritten Jahre vor dem Tode tritt der Rauchschaden in die sichtbare Erscheinung. Die Bäume werden dünnnadliger, sie »fiebern", und dann tritt der Tod überraschend schnell ein. E« scheint aber, als ob bei manchen Bäumen eine ge wisse Disposition vorläge, denn manche Exemplare sind furcht bar widerstandsfähig und hartnäckig, andere wieder, die un mittelbar daneben stehen, gehen sehr bald zu Grunde. Praktische Forstmänner in industriereichen Gegenden bauen daher auch jetzt nur noch Mischwald an, .man läßt also Fichte und Kiefer regelmäßig mit einander abwechseln. Eine von Rauchschäden sehr stark mitgenommene Gegend ist da« Territorium zwischen den mächtigen Fabrikslädten Zwickau, Werdau, Crimmitschau, Meerane und Glauchau. Für die Fichte sind hier die Standortsverhältnisse schon an und für sich ganz ungünstige und wäre c« nur wegge- worfcne« Geld, innerhalb dieser Gegend jetzt noch reine Fichten kulturen aussühren zu wollen. Die im Absterben begriffenen Fichtenbestände, welche man dort findet, gewähren einen höchst traurigen Anblick. Bei den Laubwäldern läßt sich so gut wie kein Zuwachs verlust durch Rauchschäden konstatiren, ausgenommen in solchen Gegenden, wo überaus große Mengen schweflige Gase auf steigen, wie etwa bei den Muldenhütten bei Freiberg. David und Hokialfi. Erinnerungen aus dein Soldatenleben von Th. Schmidt. David und Goliath — so nannte man sie in der Batterie, die beiden Helden dieser Skizzen. Aber nicht Feinde waren sie wie jene, bewahre, es konnte keine „dickere" Freundschaft geben, als die zwischen den beiden Geschütz-Unteroffizieren Ratzky-David und Zacke-Goliath; und nur das eine hatten sie mit jenen beiden biblisch-historischen Personen gemeinsam — die Ungleichheit der geistigen und körperlichen Kräfte. Ratzky war lächerlich klein, fast knirpsig, aber keck, klug, kernig; Zacke dagegen war entsetzlich groß, dabei gleißnerisch, glatt, giftig. Ersterer gewann sofort durch seine Gradheit, letzterer stieß auf den ersten Blick ab durch sein unterwürfig, kratz- süßelnde« Wesen, zu dem übrigens der Schnitt seines Gesichtes vortrefflich paßte. Kleine, stahlgraue, meist halbzugekniffene Augen, spärlicher Haar- und Bartwuchs, magere Wangen, zwischen denen eine noch magerere große, fortwährend roth- verschnupfte Nase cinporstrebtc, sowie dünne blutlose Lippen vervollständigten ein Bild, das einen keineswegs angenehmen Eindruck hcrvorrief. Zackes Kopf stak zwischen hohen, breiten, eckigen Schultern ; überhaupt war alle» an diesem übergroßen, sehnigen Manne eckig, und e« schien sogar, daß er sich auf seine „Eckigkeit" etwas einbildete, denn sobald er in Zorn gerieth, stieß er in seiner ostpreußischen Mundart, in der da« „e" wie »a" klingt, hervor: „Ich bin ein Mamaler mit vier Man". (Memeler mit vier Ecken). Ursprünglich für den Lehrerberuf bestimmt, hatte er eine» schönen Tage», wie er selbst erzählte, „den Strick abgekaut" und war bei der Artillerie eingetreten. Ungefähr so hatte e« auch sein Freund Ratzky gemacht; er hatte dem KausmannSstande valet gesagt und die Ladenelle mit dem Soldatendegen vertauscht. Ratzky war übrigen« „ein niedliche« Kerlchen", da« Jeder lieb gewann. Sein frisch geröthete« Gesicht mit den blitzenden dunklen Augen und sein keck gedrehter Schnurrbart thatcn'S allen Weibern seiner Um gangssphäre, bei denen er überall „Hahn im Korbe war", an. Wie diese in jeder Hinsicht ungleichen Männer Freunde hatten werden können, darüber hatte sich schon Mancher in der Batterie vergeblich den Kops zerbrochen. Aber cs ging bei diesen Beiden wie bei der Elektrizität: Ungleichartige Pole ziehen sich an, gleichartige hingegen stoßen einander ab. Mehrere Jahre lebten David und Goliath in schönster Freund schaft zusammen ; wenn beide stolz durch die Straßen der kleinen norddeutschen Garnisonstadt schritten, dann blieb Mancher überrascht stehen und sah ihnen kopfschüttelnd und lächelnden Munde» nach. Die Differenz in der Größe war denn doch auch zu auffallend! Man denke sich den rechten Flügelmann de» ersten Gliedes der ersten Compagnie und den linken Flügelmann im letzten Gliede der zwölften Compagnie, dann hat man eine Vorstellung von dem Längcnunterschiede der beiden Unteroffiziere. An ein „Tritthaltcn", wie e» sonst die Soldaten so vortrefflich verstehen, war bei solchem Größen unterschiede natürlich nicht zu denken, und wenn der Kleine keuchend nach Athem rang und dem Großen pustend zurief: »Mensch, renn doch nicht so!" dann antwortete Goliath über rascht : „Harrgott, ich hab» ja beinah» aus dar Stalla gatratan." Räusperte sich der Große — und da« geschah in Folge de« langjährigen Aufenthalt« desselben in einem küstenumspülten schnupfen- und katarrherzeugenden Landstriche sehr oft — dann wich der Kleine behend mehrere Schritte zur Seite. „ES ist zwar noch nicht pasfirt", meinte er, „e» könnte Dir aber eine« Tage« bei Deiner »schwindelnden Höhe" in den Sinn kommen, meinen Mützendeckel al« Spucknaps anzusehen und Du mir direkt von oben „auf den Kopf spucken." So lebten David und Goliath, wie schon gesagt, mehrere Jahre nebeneinander, foppten sich wegen ihrer extremen Leibe»- länge, warfen ihre wenigen Groschen zusammen, rauchten au« einem Tabaksbeutel, benutzten nur einen Kaffee- und Butter topf, kurz, proklamirten für sich „Gütergemeinschaft"; auch hielien sie brav zusammen, wenn sie im Kasino gehänselt wurden. Sie konnten sonach mit Schiller sagen: „Wir wissen den getreuen Freund zu ehren, dem falschen wehren, ist der Klugheit Pflicht." Vielleicht wäre die« freundliche Bündniß nicht so lange von Bestand gewesen — bei dem Charakter Zacke-Goliath« war'» wirklich ein Wunder zu nennen — wäre letzterer dem Kleinen in dem gleichen Verhältniß seiner Körperlänge auch geistig überlegen gewesen. Da da» aber nicht der Fall war, so hielt sozusagen der Respekt, den auch ein tückischer Mensch (und ein solcher war Zacke-Goliath im Grunde genommen) vor seinem klügeren Nebenmenschen meist hat, die schlechten Eigenschaften jene» nieder, und nur dann, als endlich einmal ei» Tag kam, wo die Freundschaft de« Riesen eine harte Probe zu bestehen hatte, schossen jene wie giftige Pfeile empor, und sein wahrer Charakter zeigte sich dem erstaunten Freunde in seiner ganzen Häßlichkeit. Da« lange vorher Geahnte war denn auch eine» Tages geschehen, die Freundschaft der Beiden hatte, da« merkte bald Jeder in der Batterie, einen argen Riß bekommen! Und die Ursache — der Grund? — Wir können da« mit drei Worten sagen: „Olrerckv In kemme!" Des wohlhabenden und angesehenen BärcnwirthS nied liche«, blauäugiger „Reschen" (Therese), über dessen Liebreiz und Schönheit Goliath in einsamen Frühlingsnächten Dutzende Gedichte verbrochen hatte — da« war der zwischen die Freunde geschleuderte EriSapsel! Hart mochte e« freilich für den liebesehnsüchtigcn Goliath sein, zu sehen, wie da« Wese», dar er seit Langem im Stillen verehrte, seine Neigung einem Anderen, seinem Freunde, schenkte. O wie verwünschte er den Tag, an dem er jenen mitgenommen hatte zum Hause seine« heißgeliebten Mädchen«, bei dessen Anblick er, schüchtern wie ein kleiner Knabe, sich nicht getraut hatte von Liebe, Verehrung, Anbetung und dergleichen Dingen zu sprechen. Und jetzt hatte Ratzky, dieser Glückspilz, in seiner kecken geraden Weise um ihre niedliche Hand geworben und — o e« war schrecklich — war sogleich erhört. Zwar hatte der protzige Bärenwirth Anfang» »nick« van den lüsten Drei käsehoch" — wie er Ratzky immer genannt halte — wissen wollen, nachdem Jener ihm aber auseinandergesetzt, daß er beabsichtige, im nächsten Jahre zum Zeugwesen überzugchen und daß er in dieser Carriere c» bi» zum Hauptmann bringen könnte, da hatte Ersterer seine Zustimmung zur Verlobung schließlich ertheilt, hatte er doch inzwischen erfahren, daß Ratzky ohne Zweifel später eine angesehene Stellung würde erhalten können, da er gute Kenntnisse besitze und, bei allen seinen Vorgesetzten beliebt, auch seine jetzige Stellung nur eine Art Durchgangsstellung sür bessere und angesehenere sei. Unterdeß unser Ratzky, in Unkcnntniß de« dem Freunde zugesügte» Kummers, seine dienstsrcie Zeit mit Kosen und Tändeln im Hause RcSchenS verbrachte, versuchte Goliath vergeblich seinen Aerger und Groll niederzukämpsen. Ratzky fiel des Freunde« veränderte« Benehmen wohl auf, doch er klärte e« sich der Glückliche damit, daß dieser nur deshalb so ernst und wortkarg geworden war, weil er sich ihm jetzt weniger widmen konnte al« früher. Daß sein Freund ihn hassen könnte, daran dachte er gar nicht. Meister in der Kunst des Heucheln«, verstand es Zacke-Goliath, den Freund über seine wahre Gesinnung zu täuschen. Von jeher neidisch auf den Freund und Kameraden, weil dieser ihm im Dienst immer vorgczogen wurde, faßte er endlich de» boshaften Entschluß, sich an Ratzky zu rächen und ihn zunächst au« der Gunst der Vorgesetzten zu verdrängen. Wie er seinen schwarzen Plan vollsührte, werden wir bald Hetzen. II. Wer „in Reih und Glied" gestanden hat, weiß, daß die Tage kurz vor einer Jnspicirung zu den schlimmsten im Leben de« Soldaten gehören, und daß dagegen die eigentliche Be sichtigung ein wahre« Kinderspiel ist. Daß bei solcher Ge legenheit dem Herrn Obersten oder Brigadier ein Schnippchen geschlagen wird, sei'S dadurch, daß plötzlich verschiedene Leute au» der sogenannten „Slrafscction" „krank", und die an „über großer Schlauheit Leidenden" irgendwohin „commandirt" werden, oder daß gewisse MontirungS- und Ausrüstungsstücke, vor Allem der „Schrecken de« Soldaten", die berüchtigte 5. oder 6. Garnitur, zusammengesetzt und gehalten au« unzähligen Flicken und einem Quantum Zwirn, dessen Länge dem Um fang der Erde nahe kommen dürfte, plötzlich spurlo« verschwinden und ihr so oft verfluchte« Dasein sür einige Tage in beschau licher Ruhe hinten weit in der dunkelsten Ecke der MontirungS- kammer fristet, wohin nie da« Auge de« gestrengen Herrn Oberst dringt, da« dürste bekannt sein. Aber nicht immer gelingt die Täuschung! Unserm Oberst konnte zum wenigsten so leicht kein L sür ein U vorgemacht werden, namentlich in Bezug auf da» Geschütz, da« nebenbei bemerkt sein Stecken pferd war. Da man letztere« im Regiment wußte, so war e« natürlich, daß aus Alle«, wa» mit dem Geschütz zusammenhing, die peinlichste Sorgfalt verwendet wurde. Nun war unser Ratzky eine Art von Genie: Bei Be sichtigungen überraschte er seine Kameraden ost im letzten Augenblicke mit etwa« „Apartem", den Neid der anderen Herausforderndem. Auch bei dieser Frühjahr«-Jnspicirung, der ersten in meiner Dienstzeit, hatte er sich wieder etwa« „AparteS" auSgedüftclt, um sich die Gunst de» Obersten damit zu erwerben. Am Abend vor der Jnspicirung sandle er näm lich mit einer wichtigen, geheimnißvollen Miene einen Kanonier zum Krämer und ließ für 5 Silbergroschen Rüböl holen. „ES ist zwar heidenmäßig viel Geld", meinte er sinnend, „aber ich denke die Geschichte soll sich schon bezahlt machen." Hierauf befahl er un«: „Punkt vier Uhr morgen früh steht Jeder mit einem wollenen Lappen beim 3. Geschütz im Geschützschuppcn." Obgleich ich in der Stadt wohnte und er mich von Ar beiten, die sich aus da« Reinigen und Putzen de« Geschützes bezogen, ein für alle Mal dispensirt hatte, nahm ich mir doch vor, mich zur festgesetzten Stunde einzufinden. Ich war ge spannt darauf, wa« Ratzky mit dem Rüböl ansangen würde. Al« ich am nächsten Morgen kurz nach vier den Geschütz schuppen betrat, waren die Kanoniere bereit« emsig bei unserm Geschütz beschäftigt. Schmunzelnd und sichtlich befriedigt über den Au«fall seiner Idee, die ich in der Thal bewundern mußte, sah Ratzky dem Treiben der Kanoniere zu, welche sämmtliche äußeren Theile de« Geschütze« mit dem gekauften Rüböl ab rieben, dadurch erhielten die blau gestrichenen Holztheile einen derartigen frischen Glanz, daß da« Geschütz neben den andern wie neu gestrichen aursah. Ich konnte nicht umhin, Ratzky
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