Wie viele Petitionen sind an die Behörden gegangen, sei es um wendische Lehrer oder Prediger im Einzelfalle, sei es um Lin derung des Systems im Allgemeinen. Am umfangreichsten ist die nach der Revolution von 1848 der sächsischen Regierung von den königstreuen Wenden vorgelegte Petition vom 26. Juli 1848. Diese fordert, „daß die wendische Sprache im wendischen Sprachgebiet dasselbe Recht haben solle, wie dir deutsche Sprache im deutschen Sprachgebiet, und zwar besonders in der Schule, Kirche, vor den Behörden und vor Gericht." Insbesondere wurde gefordert in der Schule das Wendische als Unterrichtssprache^ in der Kirche wendische Predigt, auch die Ordination der Geistlichen soll wendisch sein, im Gerichtswesen ein eigenes wendisches Ge richt mit wendischer Verhandlungssprache, in der Verwaltung wendische Beamten auch in höheren Stellen und Veröffent lichung der Gesetze und Verordnungen in wendischer Uebersetzung. Von diesen Forderungen wurde ein kleiner Teil zugesagt und zunächst erfüllt. Im Laufe des Jahres blieb aber weiter nichts übrig als die oben erwähnte Bestimmung des Schulgesetzes. Im Dezember 1880 richteten die wendischen Kirchgemeinden der preußi schen Oberlausitz eine Bittschrift an das Kultusministerium, „daß in unseren wendischen Schulen wenigstens Religion, Bibelspruch, Lied und Lesen unseren Kindern in ihrer Mutter- und Herzenssprache angeeignet werde. Die Antwort lautete auch hier wohlwollend, ein wirklicher Erfolg blieb aus. Ju der Niederlausitz ersuchte man die Brandenburgische Provinzialsynode um Hilfe (1881). Beschlüsse wurden gefaßt, waren aber wie alle anderen durch das System der Germanisierung von vornherein wertlos. Mit dem Weltkriege mußte eine grundsätzliche Aenderung der Wendenpolitik erstrebt werden, und von den führenden wendischen Kreisen wurde beschlossen, an die Regierung mit entsprechenden Wünschen und Forderungen heranzutreten, aber erst nach dem Kriege. Der unerwartete Ausbruch der Revolution und die An nahme der Waffenstillstandsbedingungen seitens Deutschlands machten nunmehr ein zielbewußtes Handeln zur Pflicht. Die Forderungen mußten formuliert und ausgesprochen werden, wenn man nicht ein „zu spät" hören wollte. Der Landtagsabgevrdnete Bart aus Brie fing bei Bautzen rief die Organisation eines wendischen Bundes ins Leben, der durch einen Nationalausschuß vertreten wird. Nachdem die deutsche Diplomatie den Wilsonschen Punkt vom Selbstbestim mungsrecht der Völker angenommen hatte, war es selbstverständlich, daß die Wenden sich auf diesen Punkt beriefen und ihre Wünsche bei der Friedenskonferenz anmeldeten. Letzteres ist schon dadurch gerechtfertigt, daß ein so kleines Volk seine Lebensinteressen nicht zum Streitobjekt der Parteien machen lassen kann. Cs war ja auch gar nicht vorauszusehen, daß Deutschland sich von der Friedensver handlung ausschließen lassen würde.