Vorwort. Seit Jahrhunderten umflutet vom deutschen Volkstum haben die Wenden oder Sorben in der Lausitz unter den ungünstigsten Bedingungen ihre eigentümliche Sprache, Tracht nnd Sitte festgchalten. Während nun von den Oberlausitzer Wenden außerordentlich viel gearbeitet worden ist an der wissenschaftlichen Erforschung und lite rarischen Vervollkommnung ihrer Sprache, ist in der Niederlausitz darin bisher herzlich wenig geschehen. Darum hat auch dieser Dialekt unter den Gebildeten nicht die Beachtung gefunden, die er durch seinen Wohlklang und Formenreichtum verdient. Die Liebe zu dieser Sprache und häufige Nachfragen nach einem Leitfaden zum Selbstunterricht führten mich schon vor Jahren zu dem Entschluß, eine praktische Grammatik der Niederwendischen oder Nieder sorbischen Sprache zu schreiben. Nach langer oft recht schwieriger Arbeit darf ich der Öffentlichkeit nun dieses Buch übergeben, welches einen doppelten Zweck erfüllen will: einerseits den gebildeten Wenden, denen eigentlich jeder Schulunterricht in ihrer Muttersprache fehlt, einen Einblick in den grammatischen Aufbau derselben zu geben, andrerseits aber allen denen, die sich für die wendische Sprache interessieren, das Erlernen derselben zu erleichtern. Bei der Ausarbeitung habe ich mich nach Möglichkeit auf die wissenschaftliche Laut- und Formenlehre von Herrn Lrok. Du. L. Lluka (Nuolls) gestützt. Da in diesem umfangreichen Werke örtlich alle Dialekte und auch zeitlich alle Perioden der nieder wendischen Sprache berücksichtigt sind, galt es zu prüfen, was als Sprachschatz des heutigen Schriftdialekts im Volksmunde lebendig ist, beziehentlich was aus den Nebcndialekten in die Schriftsprache aus genommen werden darf. Denn diese ist noch keineswegs hinreichend normiert, vielmehr spiegeln viele Schriften mehr oder weniger den Lokaldialekt ihrer Verfasser wieder. Der Cottbuser Dialekt aber ist durch die Bibelübersetzung des Fabrizius und Fryco zur Schriftsprache erhoben worden: er mußte