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erwartet. Bon den deutschen Fürstlichkeiten wird die große Mehrheit erwartet, obenan der Prinz-Regent von Bayern, die Könige von Württemberg und Sachsen, die Großherzoge von Baden und Sachsen Weimar. Dagegen dürften der Groß herzog von Oldenburg, der noch jüngst au« Anlaß de« Kaiser- geburt«tag« in Berlin war, und die Herzoge von Sachsen- Meiningen und von Sachsen Koburg-Gol ha bei der Berliner Feier fehlen. Ebenso ist Fürst Bismarck verhindert, nach Berlin zu kommen. — Au« BundetrathSkreisen verlautet jetzt immer be stimmter, daß die Absicht besteht, die Reichstagssession noch vor Ostern zu schließen, sobald der Etat festgeslellt und da« Handelsgesetzbuch angenommen ist. — Betreff« de« Gesetzentwurf« über die Organisa tion de« Handwerk« berichten die „Bert. Pol. Rache.", daß der Bunde«rath ihn in der jetzigen Fassung einstimmig angenommen habe. »Dabei haben aber eine Reihe von Bunde«regierungcn ihre Zustimmung ausdrücklich an die Vor aussetzung geknüpft, daß damit die äußerste Grenze gezogen ist, bi« zu der den Wünschen der innungsmäßig organifirten Handwerker entgegengekowmen werden kann, und daß insbe sondere der Wunsch auf allgemeine Einführung de» Be fähigungsnachweise« al« Bedingung für die Zulassung dc« Gewerbe« entschieden abgelchnt werde." — Fahrräder für die Armee. Die preußische Militärverwaltung beabsichtigt, den Bedarf der Truppen an Fahrrädern in den eigenen Fabriken zu decken; die Fahrräder sollen in den Gewehrsabriken hergestellt werden. In Spandau wird die königliche Gewchrsabrik mit den erforderlichen maschi nellen Einrichtungen jetzt versehen. — Wien, 12. März. Nach einer Konstantinopeler Meldung de« »N. Wien. Tgbl." hat der Deutschenhaß in Athen kolossale Dimensionen angenommen. Ganze deutsche Familien flüchten. So haben Prof. lti. Doerfcld und 1>i. Walther vom deutschen archäologischen Institut Hier selbst eilig ihre Familien nach Italien resp. Deutschland ge schickt. Frau Prof. Docrseld wurde aus offener Straße ver höhnt; der Pöbel versuchte, das Hau« Doerfeld« in Brand zu stecken. Locale und sächsische Nachrichten — Eibenstock, 16. März. Zufolge ergangener Auf forderung inderPlacat-Angelegenheitandie Vorstände der ErzgebirgSzweigvereinc haben sich auch bei uns eine An zahl Gostwirthe bereit erklärt, die Verwirklichung de» Unter nehmen«, da« sicherlich zur Hebung de» Fremdenverkehrs in unserm schönen Erzgebirge wesentlich beitragen wird, pecuniär zu unterstützen. Es sind inSgesammt s>0 Mk. eingegangen. Dieser Betrag ist am "13. d«. dem Schriftführer Herrn Paul Kabisch, Leipzig-R. RathhauSstr. 3711, überwiesen worden und worüber im „Glückauf" mit NamenSangabe quitlirt wer den wird. — Eibenstock. In der Sitzung de« „Verein« gegen Armennolh und HauSbettelci" am 0. März m. wurden in»- gesammt 67 Mark 60 Pf. in baar, 40 Brod- u. 40 Kartossel marken an 20 bedürftige Personen verwilligt. Auch wurde beschlossen, hiesige Vereine zu ersuchen, zum Besten der Bcrein«- kassc ein öffentliche« Concert zu veranstalten. — Dresden. Am 22. März wird für Sachsen zur Erinnerung an den ersten Kaiser de« Reich» auf Veranlassung dc« Königlich sächsischen MilitärvercinSbunde« ein „unent geltlicher Arbeitsnachweis für gediente Solda ten" al« Stiftung in» Leben treten, von deren Zinsen die Kosten eine« für da« ganze Land einzurichtenden unentgeltlichen Arbeitsnachweise» bestritten werden sollen. Die Stiftung hat in erster Linie den Zweck, ehemaligen Soldaten, die ohne Ver schulden stellenlos geworden sind, zur Wiedererlangung einer Stelle behülflich zu sein. Dabei soll namentlich auch versucht werden, dem Zuge nach der Großstadt entgegenzuwirken und Arbeitssuchende in der Provinz und auf dem Lande unterzu bringen. Da» Unternehmen hat sich der vollsten Anerkennung de» König» und de» Prinzen Georg, der beiden hohen Protek toren de» Militärvereinsbunde» zu erfreuen. — Dresden. Am 11. dieses Monats hat eine aber malige AuSloosung Königlich Sächsischer Staatspapiere statt gefunden, von welcher die 3»/„ StaatSschulden-Kassen- scheine vom Jahre 1856 betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten Staatspapiere werden hieraus noch besonder» mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, daß die Liste der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämmtlichen Bezirks-Steuer Einnahmen und Ge- mcindevorständcn des Lande» zu Jedermann» Einsicht auS- gelegt wird. — Mit dieser Liste werden zugleich die in früheren Terminen auSgeloosten, aber noch nicht abgehobenen Nummern wieder ausgerufen, deren große Zahl leider beweist, wie viele Interessenten zu ihrem Schaden die AuSloosungen übersehen. E» können dieselben nicht genug davor gewarnt werden, sich dem Jrrthume hinzugebcn, daß, so lange sie ZinSscheinc haben und diese unbeanstandet cingelöst werden, ihr Kapital unge kündigt sei. Die Staatskassen können eine Prüfung der ihnen zur Zahlung präscntirten Zinsscheine nicht vornehmen und lösen jeden echten ZinSjchein ein. Da nun aber eine Ver zinsung auSgclooster Kapitale über deren Fälligkeitstermin hinaus in keinem Falle stattfindct, so werden die von den Bethciligtcn in Folge Unkenntniß der AuSloosung zu viel erhobenen Zinsen seinerzeit am Kapitale gekürzt, vor welchem ost empfindlichen Nachtheile sich die Inhaber von Staat-papieren nur durch regelmäßige Einsicht der Ziehungs listen (der gezogenen wie der restirenden Nummerns schützen können. — Dresden. Dienstsuchende Mädchen, sowie deren Eltern und Vormünoer möchten wir darauf aufmerksam machen, daß der Verein „VolkSwohl" in Dresden seit Jahren eine Dien st Vermittelung eingerichtet hat, welche sich von Jahr zu Jahr sowohl bei stellcnsuchenden Mädchen, al» auch bei den Herrschaften einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Die Stellenvermittelung, welche hauptsächlich in der Absicht errichtet worden ist, solche Mädchen, die in Dresden fremd sind, vor den Gefahren der Großstadt und vor Ausbeutung und Irreleitung zu bewahren, wurde im Jahre 1896 von 1860 Herrschaften und 1520 Mädchen benutzt. Der Verein nimmt von den Mädchen nur eine einmalige VermittclungS- gcbühr von 25 Pf., und da die Nachfrage der Herrschaften eine sehr große ist, so ist jede» ordentliche Mädchen sicher, daß e» auf eine Stelle nicht lange zu warten braucht. Günstig ist noch besonders, daß die erwähnte Stellenvermittelung sich im „Mädchenheim" de« Verein» „Volkswohl", Ammonslr. 24, pari. (5 Minuten vom Böbmischen Bahnhose entfern«) be findet, wo die Mädchen gleichzeitig zu den niedrigsten Preisen, täglich 70 Pf., Wohnung, erste« Frühstück und Mittagessen erhalten können. — Da Herrschaften die zu miethenden Mädchen am liebsten persönlich sehen wollen, so ist e» zu empfehlen, daß die Mädchen sich nicht auf die Einsendung ihre» Dienstbuches beschränken, sondern selbst nach dem „Mäd chenheim" kommen. — Leipzig, 12. März. Die Civilmusiker nahmen in einer gestern in der Gastwirthschaft „Römischer Hof" ab gehaltenen Versammlung Stellung gegen die Militärmu sikkapellen, weil sie durch deren Konkurrenz empfindlich geschädigt würden, und beschlossen die Absendung einer Petition an da« Sächsische Ministerium, in der gegen die Beförderung der Militärmusiker bei Geschäftsreisen auf Militärbillete Pro test erhoben, um Beseitigung dieser Vergünstigung gebeten, sowie weiter darum ersucht werden soll, den Militärkapellen zu untersagen, außer Dienst in Uniform zu musiziren, sowie Civilmusiker oder Soldaten zur Aushilfe anzunehmen. Da« Bureau wurde durch Annahme einer Resolution beauftragt, gegen die „Ausschreitungen" der Militärkapellen bei Aus übung ihrer Geschäfte vorzugehen. Desgleichen wurde ange regt, gegen die in Leipzig überhand nehmenden Damenmufik- kapellen, deren c« jetzt hier ca. 20 geben soll, etwa» zu unter nehmen. — Leipzig, 13. März. Ein mysteriöser Fall, der sich in den letzten Tagen im Stadttheil Lindenau ereignete, be schäftigt jetzt die hiesige Polizei. In einer Wohnung der Wcttinerstraße daselbst miclhcte sich am 9. März eine Frauens person ein, die sich Dicnstmagd Clara Windisch au« Schwarzen berg nannte und die am 10. März von einem Kinde entbun den wurde. Bereit» am 11. März entsernte die Frauensperson sich unter Zurücklassung des Kinde» au» ihrer Wohnung mit dem Bemerken, ihre Legitimation-papiere au« dem benachbarten Schönau holen zu wollen, sie ist aber nicht wieder dahin zu rückgekehrt. Ihre Angaben über Namen, Stand u. s. f. haben sich durchgängig al» erlogen herausgestellt. Die Unbekannte ist etwa 23 Jahre al«. — Meißen. In der Pfordte'schen Raubmordsache war, wie verlautet, der mitverhaftete Schilling von seinem Helfershelfer Breitscld bei AuSsührung de» Morde« al« mit- betheiligt bezeichnet worden. Am Freitag hat jedoch Breit feld ein umfassende» Geständniß abgelegt, daß er allein der Thäler gewesen sei. Schilling hat nur Wache gestanden. — Meerane. Beim Ausschachten de« Laden» des Kaufmanns Müller am Neumarkt hier wurde ein bedeutender Münzenfund gemacht. Die dort beschäftigten Maurer fanden beim Abträgen einer Grundmauer einen lhönernen Krug mit 185 noch gut erhaltenen Silbermünzen mit verschiedenen Jahreszahlen (vom Ende de» 17. Jahrhundert» bis 1735). Die Münzen sind zum größten Theile frühere französische Thaler au» der Zeit Ludwig» XI V., sogenannte Ecu«. Außer dem befinden sich noch eine größere Anzahl anderer Münzen, welche zum Theil die Inschrift „Gute Groschen" tragen, da runter, deren Werth u. s. w. erst noch festgestellt werden muß. Die Münzen sind jedenfalls während de» 30 jährigen Kriege« hier vergraben worden. — Rochlitz, 11. März. Im benachbarten NarSdorf ist gestern von einem Dicnstknecht ein Mordanfall verübt worden. Derselbe war von seinem Dienstherrn entlassen worden und e« scheint, als ob er die Schuld daran in einem in gleichem Dienste befindlichen Kleinknecht vermuthete. Letz terer war von seinem Herrn damit beauftragt worden, in einem nahen Gehölz Strauchwerk abzuschlagen, hatte aber gleichzeitig die Weisung bekommen, frühzeitig zum Mittagessen zurückzukehren, da gleich nach Tische sortgefahren werden sollte. Wider Erwarten kam er jedoch nicht zurück, so daß sein Herr sich veranlaßt sah, ihn zu holen. Al» dieser nach dem Platz kam, wo er tun Jungen beschäftigt wußte, fand er denselben mit gebundenen Händen und Füßen, den Mund verstopft und noch ein Tuch im den Kopf, mit welchem die Nase fest zu gebunden war, so daß e» ein wahre» Wunder ist, La» der Aermste nicht wirklich erstickt war. Die angestcllten Beleb ungsversuche hatten jedoch Erfolg, der Junge kam wieder zu sich und erzählte dann, daß der entlassene Großknecht da» Verbrechen an ihm verübt habe. Die Polizeiorgane wurden sofort in Bewegung gesetzt und suchten den Mörder zunächst in einem benachbarten Dorfe, ohne ihn jedoch dort zu finden. Bi» zur Stunde ist der Knecht noch nicht ausgefunden. E» ist nicht unwahrscheinlich, daß er seine Flucht nach Bayern bewerkstelligt hat, da er von dort herstammt. Selbstverständlich wird alle» aufgebotcn, um ihn dem Arm der Gerechtigkeit zu überliefern. — Eine neue postalische Einrichtung ist jetzt Gegenstand der Erwägung bei der Reich-postverwaltung, nämlich die Ein führung sogenannter Kartcn-Telegramme. Dieselben sind so gedacht, daß eingehende Depeschen unter Benutzung postkartenähnlicher Formulare den Empfängern offen zugestellt werden. Die Korten-Telegramme sollen auch eine Verbilligung der Depeschcnkosten im Gefolge haben, indem fünfzehn Worte, natürlich einschließlich der Adresse, nur fünfzig Pfennige kosten werden. Der Hauptzweck der geplanten Einrichtung ist aber die Beschleunigung der Bestellung. Durch den Fortfall de» Falten« und Schließen« der Depeschen wird Zeit und Arbeit gespart werden. Auch die Vermerke über Abgang»- und Ab- lieferungszeit sollen sortsallen und der Ankunftsvermerk nur mittelst de» Poststempel« ausgedrückt werden. Amtliche Mittheilungen aus der Sitzung des Stadtrathes zu Eibenstock vom 8. März 1897. Anwesend: 4 RatbSmilglieder. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Hesse. 1) Von den Uebersichten der Stadt- und Sparkasse für den Monat Februar 1897 nimmt man Kenntniß, sowie 2) von dem Schreiben der Kgl. Forstrevierverwaltung Eibenstock, die Gewährung einer Beihilfe auf die nächsten 5 Jahre zur ordnungs mäßigen Unterhaltung des Eibenstock-Rautenkranzer Wege- betr., und 3) von der Verordnung, die Einführung der obligatorischen Fleisch beschau rc. betr. Man erklärt sich mit den getroffenen Maßnahmen, Erlaß der Bekanntmachung, Einrichtung deS Raumes für die Frei bank im Magazingebäude und Erledigung einer Ängabe der Fleischer-Innung betr., einverstanden. 4) Von der Einladung des Handwerker-Vereins zum Stiftung-feste nimmt man Kenntniß, 5) desgl. von der Verordnung über Herstellung und Abgabe von GaS und Llektricität zu Licht-, Wärme- und Kraftzwecken und 6) von der Einladung zum fünfzigjährigen Jubiläum der Sparkasse zu Neustädte!. 7) Für die im Armenhause untergebrachten erwachsenen Armen wird eine an den Armenhausaufseher zu bezahlende täglich« Entschädig ung von inSgesammt 90 Pf. festgesetzt. 8) Mit der Anschaffung der erforderlichen HauS-Nrn. und Straßen schilder erklärt man sich einverstanden. 9). Von dem Fortgang der Verhandlungen wegen Uederbrückung der Mulde am Bahnhof nimmt man Kenntniß. lv)? Zu der von dem Maurer Heymann geplanten baulichen Beränder ung in seinem Hintergebäude ertheilt man Genehnnguna. Außerdem kommen noch 5 innere Verwaltung--Angelegenheiten, 3 Straferlaßgesuche und 7 Steuersachen zum Vortrag und zur Beschluß fassung, die deS allgemeinen Interesses entbehren, bez. zur Veröffent lichung nicht geeignet find. Kaus und Wett. Novell« von Gustav Höcker. z7. Fortsetzung). Martha und Valentine gaben ohne Weitere» ihre Zu stimmung. Fühlten sic sich feit de« Vater« Tode in ihrem sonst so behaglichen Daheim schon vereinsamt, so war ihnen dasselbe jetzt vollend« verleidet, nachdem die fremden Eindring linge e« betraten und der HauSwirth ihnen unzweideutig zu erkennen gegeben hatte, daß ihm an den jetzigen Bewohnern nichts mehr gelegen sei. Zugleich wurden die Schwestern durch diese» Borkomm- niß in ihrem noch immer wankenden Entschluß, sich an den Bruder zu wenden, bestärkt. Sie packten an demselben Tage ihre Koffer aus« Neue und reisten nach dem Provinzialstädt- chen ab, welche» Alexander» zweite Heimalh geworden war. Nach einer ermüdenden Nachtfahrt langten sie am Reise ziele an. Sie wußten, daß sich da« Hau« dc» Bruder» am Markte befand und brauchten nicht lange zu suchen, da blinkte ihnen auch schon über einem Laden, an dessen Schaufenstern Stearinkerzen in blauen Paketen, Rauchtabakroüen, Zuckerhllte, Badeschwämme, Futterkattun, Kleiderstoffe, sowie Schuhe und Stiefel ausgestellt waren, die Firma: „Michel Kleinpeter» Nachfolger" in Goldbuchstaben entgegen. Al« sie den ziemlich mit Käufern gefüllten Laden betraten, hörten sie die keifende Stimme ihrer Schwägerin Sophie und unmittelbar darauf eine klatschende Ohrfeige, welche die Wange eine» unglücklichen Lehrling« traf. Hier also sollten die Würfel ihre» künftigen Loose- fallen ; von jenem scheitenden Munde sollten sie Rath vernehmen; jene knöcherne Hand, von deren Härte sie eben ein Beispiel erlebt hatten, sollte sich ihnen helfend cntgegenstrecken! Schwägerin Sophie, kaum zu erkennen in dem abge tragenen Kleide, in welchem sie ihrer Kundschaft auswartete, stellte sich über den Besuch ihrer Schwägerinnen, obwohl sic denselben mit mathematischer Sicherheit vorau-gesehen hatte, in hohem Grade überrascht. Sie that nicht dergleichen, al» könne derselbe irgendwie mit dem Ableben de» Hofrath» Zu sammenhängen, sondern al» hätten sich die jungen Damen nur aufgemacht, um ihr durch ihre Gegenwart eine besondere Ehre zu erzeigen. So vornehm wie daheim freilich würden sie c» hier nicht finden, sagte sie, auch ginge es ziemlich un ruhig im Hause zu, denn man habe von früh morgen» bi» spät Abends alle Hände voll zu thun. An öffentlichen Be lustigungen fehle e» im Orte gänzlich, und wa» dergleichen Entschuldigungsreden mehr waren, sämmtlich daraus berechnet, den Schwestern da» Geständniß, daß sie al» Hilf-bedürftige gekommen seien, recht zu erschweren. Al» Martha, die ihrer Schwester an Muth und Ent schlossenheit weit überlegen war, endlich mit dem wirklichen Zweck ihrer Reise hervortrat, schien da» Erstaunen Sophie« keine Grenzen zu kennen. Da« sei doch hoffentlich nicht der Schwestern Ernst, daß ihnen keine andere Zuflucht offen stehe, meinte Sophie. Sie hätten ihr ja immer so viel Rühmen» gemacht von den zahl reichen Freundschaften, die sie unterhielten, — von den Guts besitzern, Pastoren und dergleichen, deren Töchter jahraus jahrein bei ihnen zum Besuch gewesen seien -und sich vom seligen Schwiegerpapa Hosrath hätten in die Concerte und aus die Bälle führen lassen. Die müßten sich doch jetzt ei gentlich um Valentine und Martha reißen, um ihnen mit Rath und Thal beizustehen und ihnen aller Liebe und Gute zu erzeigen! Al» die Schwestern betrübt schwiegen, nahm sich Alexan der ihrer an, indem er eine schüchterne philosophische Betracht ung über den zweifelhaften Werth derartiger Freundschaft»be- ziehungen anstellte, von denen man stet« im Stiche gelassen werde, wenn man ihrer ernstlich bedürfe. Da» schien Sophie ganz neu, daß e« solche undankbare Menschen geben sollte, indessen Alexander müsse e« doch wissen und seine Schwestern wahrscheinlich noch besser. Aber wa« könne denn hier für sie geschehen? Sie wären zwar zu einem Besuche recht sehr willkommen, dagegen werde man doch un möglich von ihr verlangen, daß sic die Schwägerinnen füttern solle, bi« sie sich einmal verheiratheten. Martha wandte ein, daß ihnen nicht» ferner liege, al» Jemand zur Last zu fallen; sie wollten sich ihren Unterhalt selbst erwerben und bäten nur um Rath, wie sie die« anzu sangen hätten. „Unterhalt erwerben," seufzte Sophie, ,'a ja, da« ist recht schön, aber womit? Auf wa« versteht Ihr Euch denn?" „Auf Gesang und Klavierspicl, Zeichnen und Malen, auf Französisch, Englisch, Italienisch, auch auf seine Sticke reien." „Gott in deine Hände!" rief Sophie, „und da kommt Ihr hier her, in unser Provinzialstädtchcn? Da wäret Ihr doch besser in der Residenz geblieben, wo man auf diese Dinge viel mehr Gewicht legt, al« hier." Die Schwestern scheuten da« Geständniß nicht, daß sie eher an jedem anderen Orte von diesen Fertigkeiten Gebrauch machen wollten, nur nicht in der Residenz, wo sie bekannt seien und unter glücklichen Verhältnissen gelebt hätten. Sophie zuckte die Achseln. Hier im Orte war, wie auch Alexander zugeben mußte, nicht die mindeste Aussicht vorhan den, ihre Musik- und Sprachkenntnisse zu verwcrthen. Für den Musikunterricht genüge der Stadtpscifer, der für die Stunde zwölf Kreuzer bekomme, und die Sprachlehrer hier träten einander bereit« auf die Füße. Da« Sticken sei vollend« ein undankbare« Geschäft, womit man sich kaum da» Salz zu« Brode verdiene. „Aus die Art, wie Ihr glaubt, geht e« also hier nicht," fügte Sophie hinzu, al« die Schwestern bestürzt schwiegen, „wenn e« Euch aber darum zu thun ist, Euch recht und schlecht durchzuschlagen und jede falsche Scham zu unterdrücken, so sollt Ihr nicht vergeben« an meine Thür geklopft haben. Ich mußte zwar schon bei Lebzeiten de« seligen Kleinpeter die Erfahrung machen, daß c« nicht gut thut. Verwandle im Hause zu haben, aber ich will, schon Alexander zu Liebe, ein Auge zudrückcn, und e« soll mir Niemand verwerfen dürfen, ich hätte nicht christlich an Euch gehandelt. Du, Valentine, kannst Dich im Manufaktur- und Schuhwaarenfach al» Ver käuferin nützlich machen; e« wird Dir nicht schwer fallen,