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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 06.03.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189703063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970306
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-03
- Tag 1897-03-06
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Monat
1897-03
-
Jahr
1897
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bieten, Schulen, die nicht bloß in akademischer Höhe fern von den Forderungen de» Tage« sich halten, sind un» heute mehr al» je nöthig. Hat doch die Leiftungrfähigkcit der französi schen Texlil-Jndustrie ihre Höhe hauptsächlich durch die groß artigen Schulen, Sammlungen und Staairweikstälten erreicht, welche der weitschauende Colbert im 17, Jahrhundert mit reichen Mitteln anlegen ließ und die über ganz Frankreich vertheilt zu finden sind. In Lyon befand sich bereit« um die Mitte de» vorigen Jahrhundert« eine kunstgewerbliche Muster- zcichnerschule auf einer solchen Höhe, daß die künstlerische Formensprachc der au» ihr hervorgegangenen Blumcnzeichner jahrzentelang und zum Theil noch bi» jetzt die ganze textile Verzierungsweise beeinflußt hat. Bei un» hat man erst in neuester Zeit angefangen, die Kunstschulen mit dem Gewerbe in engere Verbindung und in nahe Fühlung zu bringen und weniger Werth aus den kunstgeschichtlich-wissenschaftlichen Werth ihrer Sammlungen al« auf die technische Verwendbarkeit schöner Muster zu legen.' — Mit großer Genugthuung kann wohl constatirt werden, daß unsere Slaat»regierung in ihrer weisen Fürsorge für die Förderung von Handel und Industrie die» schon seit Jahren voll und ganz erkannt hat; große Summen werden alljährlich für die Zwecke der Jndustrie- und Gewerbeschulen, Vorbildersammlungen rc. aufgewendet, von denen auch unsere Stadt und unsere Vorbildersammlung ihren Antheil erhält. Wie wir weiter erfahren haben, steht da» Kgl. Ministerium der hier angeregten Errichtung einer Zweigabtheilung der Industrieschule mit Fachzeichenschule sympathisch gegenüber; für die bethciligtcn Fabrikantcnkreisc ist au» dieser zu errichtenden Schule mit ihren erweiterten Sammlungen und Werken, die auch seither schon vielfach au«- genützt und anerkannt wurden, neue Anregung zu »rischem Schaffen und Vorwärt«streben zu erwarten. Die praktische Bedeutung dieser Zweigschulc gewinnt noch dadurch für unsere Stadt an Wichtigkeit, daß durch Entgegenkommen de» Kgl. Ministerium» auch die Unterbringung unserer Handelsschule ermöglicht werden wird, so daß Kunst und Gewerbe, Theorie und Praxi» eng vereint zum Wohle tc» Ganzen, zur Hebung und Förderung von Handel und Wandel zusammenwirken werden. — Schönheide. Um Mißverständnissen vorzubeugen bemerken wir, daß die Verhaftung bei dem letzten Branvc nicht wegen Brandstiftung, sondern wegen Belästigung ge schehen ist. — Dresden. Zu der gemeldeten Mord- und Selbst- inord-Assaire am Moltkeplatz sei noch Folgende» erwähnt: Die Frau, früher eine angenehme Erscheinung, hat im vorigen Jahre auf den Rath einer ihr bekannten alten Frau hin gegen hochgradige Zahnschmerzen Kreosot angewandt und sich hierdurch eine Blutvergiftung zugezogen, die eine Operation nothwcndig machte. Dabei hat der Frau die halbe Kinnlade herauSgenommen werden müssen, wodurch sie natürlich sehr entstellt worden ist. Dieser Umstand, den sie nicht hat über winden können, in Verbindung mit den sie auch nach der Operation noch peinigenden physischen Schmerzen Hal in ihr schließlich den Entschluß zur Reife gebracht, ihrem Dasein gewaltsam ein Ende zu machen. Ihr Kind, an dem sie mit großer Liebe hing, hat sie aber allein auch nicht zurücklassen wollen. Mutter und Kind waren, durch Schüsse in den Kopf getroffen, sofort todt. — Pillnitz bei Dresden. Die berühmte 200jährige Kamelie im hiesigen königlichen Schloßgarten zeigt auch in diesem Jahre außerordentlich zahlreiche Blüthen, so daß man im bevorstehenden Frühjahre aus Tausende von Blumen rech nen kann. Der Baum ist bekanntlich der größte in ganz Europa und steht in der freien Erde, woselbst er vortrefflich gedeiht. Er ist 7 bi» 8 Meter hoch und hat einen Umfang von ca. 2b bi» 30 Meter. Im Winterhalbjahr wird er regel mäßig mit einem umfangreichen Holzgcbäude überbaut, in dem mehrere Familien Platz finden könnten. Eine besondere Heiz- ungSanlage sorgt dafür, daß e» dem srischgrünen Baum nicht zu kalt wird. — Zwickau, 3. März. Zweite Strafkammer. Dem am 11. Juni 1882 zu Wildenlhal geborenen, jetzt in Eiben stock aufhältlichen Dienstmädchen Helene Agne« H«8krt fiel nach der Anklage schwerer und einfacher Diebstahl zur Last. Die Angeklagte, die sich früher in Zwickau in Stellung be fand, hat gcständigermaßen ihre Dienstherrschaften bestohlen. Da« Gericht verurlheilte sie wegen einfachen Diebstahl« ge mäß 88 242, 57 de» Rcichsstrafgcsetzbuche» zu 3 Monaten 3 Tagen Gcfängniß, sprach sie dagegen wegen de» ihr beige- mcssenen schweren Diebstahl« frei. — Schwarzenberg. Bon dem Königlichen Land stallamte zu Moritzburg ist die 17. Mittheilung an die sächsischen Pferdczüchter herauSgegeben worden und liegen Exemplare dieser Schrift zur unentgeltlichen Abgabe an die für die Pferdezucht sich Jnleressirenden an Canzleistelle der Königlichen Amtshauptmannschaft Schwarzenberg au«. — Auerbach, 3. März. In vergangener Nacht wurde unsere Einwohnerschaft abermal» durch Sturmgeläute und Alarmsignal in Schrecken versetzt. E» stand in den soge nannten Scheibengütern, wo e» erst vor einigen Tagen ge brannt hatte, eine zu dem Keßler'schcn (früher Weidenmüller- schen) Gehöfte gehörige Scheune in Flammen, die daselbst reichliche Nahrung sanden. Binnen kurzer Zeit wurde diese Scheune sowohl, al» auch da» Seifertsche Wohngebäude voll ständig eingeäschert, während da« zum Keßler'schen Gehöfte gehörende Wohngebäude nicht unerheblichen Brandschaden er litt. Bet diesem Brande sind viel WirthschaftSsachen, Futter- vorräthc und landwirthschasllichc Geräthschaften, sowie auch eine Anzahl Hühner mit verbrannt. Die Kalamitosen haben versichert. Böswillige Brandstiftung ist zweifellos. Die hie sigen Feuerwehren waren bi» süns Uhr früh angestrengt thälig; die gletchsall» erschienene Rebe»grüner Feuerwehr kam nicht in Aktion. — Au« der Oberlausitz, 1. März. Auf dem Wege von Göda nach Bautzen wurde kürzlich ein Raubmord ver eitelt. Der Mühlcnsuhrmann de« Mühlenbesitzer« Preibsch in Grubschütz hatte nach Göda Mehl geschasst, wofür er 400 M. bei sich trug. Bei der Nachhausefahrt kehrte er in einem Gasthau« ein und ließ seinen Planwagen alleinstehen. Während dieser Zeit bestieg ein Mann den Wagen, wa« ein Gendarm bemerkte. Derselbe holte den Kutscher mit seiner Laterne herau« und nun sand man im Wagen einen Kerl mit Dolch und Revolver. Ter Strolch wurde festgenommen. — Die schwarze Bande in den Niederlanden ent faltet neuerding« wieder eine emsige Thätigkeit und schädigt die deutsche Gcschäst«welt in empfindlicher Weise. Tagtäglich ausen namentlich in Amsterdam große Waarenposten au« Deutschland sür derartige Schwindelfirmen ein, die natürlich nie daran denken, ihren Lieferanten auch nur einen Pfennig zu bezahlen. Selbst den holländischen Bahnbeamten wird, wie die Redaktion der Deutschen Wochenzeitung in den Nieder landen mitlheilt, die Sache schon zu bunt. Verschiedene Be amte versicherten, e« lhätc ihnen in der Seele weh, den Gau nern, die sie alle persönlich kennen, die Maaren ausliefern zu müssen. Vermögen sie auch nur den geringsten Fehler in den Frachtbriefen zu entdecken, so verweigern sie die Her ausgabe und warnen inzwischen die Absender, welche dann natürlich die Auslieferung sofort telegraphisch sistiren. Unsere Fabrikanten seien wiederholt eindringlichst gewarnt, an hol ländische Firmen, die ihnen nicht al« zahlungssähig bekannt sind, Maaren zu liefern. Wann soll Thomasmehl angewandt werdend Die Annahme, Thoma«schlackenmehl müsse geraume Zeit im Boden lagern und sich mit den Bestandtheilen desselben umsetzcn, um in einen löslichen Zustand ühergesührt zu werden, ist nach zahlreich ausgeführten Versuchen vollständig unrichtig. E« ist durchaus nicht nothwendig, die Anwendung de« Thomas mehle« auf die Winterfrüchte zu beschränken, oder dasselbe, wenn e« zur Düngung der Frühjahrssaaten dienen soll, bereit« im Herbste auszuslrcuen. E» äußert vielmehr, wie zahlreich vorliegende Versuche beweisen, ebensogut seine Wirksamkeit, wenn e« im Frühjahr zur Verwendung kommt; nur muß e« dann mit dem Boden innig vermischt werden. Allerdings besteht ein großer Vorzug de« Thomasmehle» darin, daß wir e» im Herbste und im Laufe de» Winter» bereit» ausstrcuen können, also dieser Arbeit im Frühjahr un» enthoben sehen, eine Er leichterung bei der Frühjahrsbestellung, die der praktische Land- wirth wohl zu schätzen weiß. Ist aber da» Aurstreuen au» irgend einem Grunde unterblieben, so soll man sich nicht etwa durch die Bcsorgniß, daß da» Thomarschlackenmehl nicht ge nügend wirksam sich zeigen würde, von der Anwendung im Frühjahr abhalten lassen. Bei dieser Gelegenheit kann vielleicht auch daraus hin gewiesen werden. Laß die Wirksamkeit de» ThomaSschlacken- mehle« durchaus nicht von der Bodenbeschafsenheit abhängig ist. Wenn man ursprünglich geglaubt hat, daß e» hauptsäch lich ein Düngemittel sür Sand- und Moorboden sei, so ist man jetzt längst zu der Ueberzeugung gekommen, daß e» auch aus anderen Bodenarten, Lehmboden :c., am Platze ist. Wir stehen deshalb nicht an, da« Thomarschlackenmehl für alle Bodenarten zu empfehlen; besonder» wo e» sich um den An bau von Hülsensrüchten handelt, oder wo Klee in Getreide eingcsät werden soll, kann c» sich überhaupt nur um Anwend ung von Thomasmehl handeln, da diese» ein specifische» Düngemittel sür sämmtliche Leguminosen ist. E» zeigt eben eine gleichmäßige Wirkung für längere Zeit, wa» für der artige Kulturen von besonderer Bedeutung ist. Kaus und Well. Novelle von Gustav Hölter. <4. Fortsetzung;. Zu allem Unglück war er auf eine gefüllte Gießkanne gefallen, die sich sosort ihre» Inhalte» entledigt hatte, so daß er mit seinen weißen, wildledernen Reithosen in einer voll ständigen Pfütze saß und seine Mitwirkung am heutigen Fackel zuge sehr in Frage gestellt erschien. Mit zornglühendem Antlitz wandte sich Martha gegen Ewald, s „Herr »müßen!" redete sic ihn an, „Sie haben sich hier benommen, wie ich c» nimmermehr von Ihnen erwartet hätte. Ich muß wirklich recht sehr bedauern, daß wir Ihnen wahrscheinlich selbst dazu Anlaß gegeben haben, indem wir Sie stet» in einer Weise behandelten, die Sie Ihre» Stande» und Ihrer Stellung vergessen ließ. E» soll un» aber eine Lehre für die Zukunft sein. Daß Sie aber nach einem solchen Vorfälle fernerhin nicht« mehr hier zu suchen haben und unser Hau» meiden müssen, werden Sie begreiflich finden. Adieu!' Ewald verbeugte sich und ging, ohne ein Wort zu er widern, von dannen. Guido Halphen suchte seine Niederlage aus die Gießkanne zu schieben und von der humoristischen Seite zu beleuchten, empfah' sich aber eiligst, um die verunglückte Reithose rasch durch e'ne andere zu ersetzen. Die Damen blieben einsilbig und in verdrießlicher Stimmung zurück. Betty spielte die Gekränkte. Sie zog sich in ihr Zimmer zurück und al» später der Fackelzug erschien, war sie nicht zu bewegen, sich demselben anzuschen. Nur mit Mühe gelang e» Martha, sich kurz vor dem Schlafen gehen Eingang in da« verriegelte Zimmer der grollenden Pfarrerstochter zu verschaffen. „Betty, ich weiß nun genug," redete sie die jugendliche Freundin an. „Du bist allen Ernste» in den Tischlergesellen verliebt. Versuche e» nicht, zu leugnen, denn e» steht Dir deutlich auf den brennenden Wangen geschrieben. Ich will diese Verirrung Deiner Jugend zu Gute halten, aber bei der vortresflichen Erziehung, die Du genossen hast, solltest Du Dich doch ein wenig schämen, daß Du Dich so tief erniedrigen konntest. Du weinst, Betty? O, Du thörichte« Kind, laß nur erst den Winter herankommen mit der Ballsaison, lerne erst unsere elegante junge Herrenwelt und unsere flotten Tänzer kennen, — und Du wirst dann lachen. Wenn ich mir Dich vorstellc in dem weißen Ballkleid und dazu eine rolhe Kamelie in diesem herrlichen blonden Haar, dann sehe ich im Geiste schon allen jungen Herren die Köpfe verrückt." — „Ei, sieh doch, Betty, Du lachst ja schon jetzt, während Dir noch eine große Thräne die Backe hinunterläuft und gerade in da« kleine allerliebste Grübchen hineinrinnt!" „Ach, Du garstige Martha!" rief Betty, halb lachend, halb weinend, „ich muß eben daran denken, wie Herr Hal- phen au« dem Gurkenbeele auftauchte, und sehe noch immer seine großen Stiesel in der Luft. O, e» war zum Todt- lachen!" „Es halte allerding« seine komische Seite, so ärgerlich c« auch im übrigen war," versetzte Martha und stimmte in da» schallende Gelächter Betty» ein. „Doch Deine thö richte Vorliebe für da« an und sür sich recht ehrsame Tisch ler-Handwerk schlägst Du Dir au» dem Sinne, Betty, nicht wahr?" „Ach, Martha," rief da« junge Mädchen und gab der Freundin einen innigen Kuß, sei ganz ruhig, ich habe mir sie schon au» dem Sinne geschlagen, denn ich sehe ja ein, daß Du recht hast." „Du bist meine brave Betty! Morgen Abend ist Concert im Museum»garten. Papa geht mit un« hin. S« wird schön, Betty. Gute Nacht!" „Gute Nacht, Du böse Herzen«-Martha," rief Betty an der Freundin Brust. „O, wenn ich doch auch schon so klug und verständig wäre wie Du!" . . . War Betty» erste Liebe nur eine vorübergehende Stimm ung gewesen oder wurde der blauäugige Ewald durch da» verlockende Bilv, welche« sich ihre lebhafte Phantasie von den Freuden der künftigen Ballsaison und den flotten Tänzern entwarf, so tief in den Schalten gestellt, — da» Eine ist sicher, daß Betty seit jenem Abende mit keinem Blicke wieder nach dem Tischlergesellen auSgeschaut hat . . . Ein paar Tage später fand diese Bekehrung«scene ihr kräf tige« Gegenstück im Hause nebenan. „Klaußcn," sagte eine» Morgen« Meister Lindemann zu seinem Gesellen, „gehen Sic mal hinüber und leimen Sie die Säule am Kredenztische fest, sie hat sich herausgedreht, wie mir eben die Rupfinger mittheilte." „Ach, Meister," entgegnete derAngeredetc verlegen, „könnte ich nicht hei meiner Arbeit bleiben? Schicken Sie doch den Josef. " „Ei wa«, den Joses!" polierte Lindemann, der käme mir unter einer Stunde nicht wieder zurück. Die Anderen sind gerade nicht da, also thun Sie die Sache ab." Ewald drehte verlegen seinen Hobel in der Hand und betrachtete ihn von allen Seiten, ohne sich von der Stelle zu rühren. „Nun," sagte der Meister, nach einer Weile von seiner Arbeit aushlickend, „sind Sie denn noch nicht fort?" „Nein," entgegnete Ewald fest, „und ich werde auch nicht gehen, — ich kann nicht — ich darf nicht mehr hinüber." „Dürfen nicht mehr hinüber?" wiederholte Meister Lindemann mit einem schlau prüfenden Blicke, „ei, wer wollte Ihnen denn da» verbieten?" „Es ist etwa« vorgefallen," gab Ewald zur Antwort, „und e« wäre wohl überhaupt da« klügste, wenn ich mein Bündel schnürte und ein paar Städte weilerwanderte." „Da» fehlte noch!" platzte der Meister herau», der die Absicht gehabt hatte, seinen Gesellen ein wenig auf die Folter zu spannen, durch dessen letzte Aeußerung aber au» dem Konzept gebracht worden war, „Bündel schnüren! Lächerlich! Meinen Sie etwa, ich würde meinen besten Arbeiter wegen der albernen Frauenzimmer da drüben gehen lassen?" „So wissen Sie'« also schon?" fragte Ewald überrascht. „Weiß alle»!" polterte Lindemann. „Meine Frau und meine Tochter haben die ganze Geschichte mit angesehen. Ich weiß sogar noch mehr, Klaußen, — ebenfalls durch meine Frauensleute. Ich weiß, daß Sie sich von der hochnäsigen Martha, der'» zu gut zu gehen scheint, schon lange haben am Narrenseile herumführcn lassen. Die Rupfinger ist eine Frau, die da« Schweigen nicht erfunden hat. Von ihr ha ben wir alle« haarklein erfahren: wie Sic sich durch Augen drehen und Seufzen und wa« weiß ich, welche Wciberkünste sonst noch haben auf den Leim führen lassen, und wie sich hinterher allemal die beiden Fräulein« halb krank gelacht haben. Und da« konnten Sie alle« für bare Münze nehmen. Klaußen? Ich hab'« wohl gemerkt, daß Ihnen etwa» im Kopfe spukte. Sie sind doch sonst ein vernünftiger und gescheiter Kerl. Wie konnten Sie sich denn solchen verrückten Ideen hingeben und glauben, die Martha werde Sie am Ende gar heiralhen! Na, ich will Ihnen gar keine Vorwürfe machen, aber nehmen Sie Raison an und halten Sic sich künftig hübsch zu Ihresgleichen. Und ja kein Wort wieder vom Bündel schnüren, Klaußen, sonst laufe ich strack» zum Hofrathe hinüber und brocke der braunäugigen Mamsell eine Suppe ein. Und jetzt sagen Sie dem Joseph, er möge hinübergehen und die Säule anleimcn." . . . Martha konnte nicht umhin, in der Folge dem taktvollen Benehmen de« Tischlergesellen im Stillen ihre Anerkennung zu zollen. Nie mehr ertappte sie seinen Blick, wenn sic sich im Garten befand und ihm im Hofe nebenan beschäftigt sah. Vergeben» ließ sie ihr allerliebste» Räuspern vernehmen, ver geben» trillerte sie eine Melodie — er hörte sic nicht, er sah sie nicht — er gab sich ganz seiner Arbeit hin. Martha war für ihn nur in jener Nähe vorhanden, wo ein Uebersehcn gegen die Höflichkeit verstoßen hätte. Dann grüßte er'sie mit freundlichem Ernst. Wa« er darunter litt, ahnte die schöne Hofrath-tochter freilich nicht. III. Hofrath Brambach war vor Kurzem in sein siebenzigste« Lebensjahr getreten. Der neue Zeitabschnitt ließ sich für ihn nicht gerade sehr erfreulich an; ein mehrwöchentliche« Kran kenlager mahnte ihn an die Hinfälligkeit de» Alter«. Er ge nas zwar wieder, aber von der Krankheit blieb doch etwa« zurück. Er athmete nicht mehr so leicht wie früher, und da« Gehen machte ihn müde. Bald darauf feierte man sein fünkzigjährige« Dienstjubiläum. Seine AmtSgcnossen beschenk ten ihn mit einem goldenen Becher und der Fürst ehrte ihn durch Verleihung eine« Orden«. E« war der Ehrenlohn für treue Berufsarbeit, aber diese Arbeit selbst wurde ihm jetzt recht sauer. So pünktlich und gewissenhaft er stet« sein Amt verwaltet hatte, so sehr ihm die Thätigkeit zur zweiten Natur geworren war, so kamen jetzt doch häufig Tage, wo er am liebsten zu Hause geblieben wäre und der Ruhe gepflegt hätte. Um keinen Preis jedoch würde er diesem Hange nachgegeben haben; nicht um Alle« in der Welt sollte Jemand merken, daß seine Kraft in der Abnahme begriffen sei, denn wa» ergrauten StaatSdienern zur Wohlthat gereichen soll, die Pensionirung — da« war dem Hofrath ein Schreckgespenst, ein drohende« Verhängniß, welche« er in möglichst ferne Zeit hinauszuschieben suchte. Er hätte zwar von seinem Ruhcgehalte behaglich leben können, aber er mußte an seine unverhciratheten Töchter denken, welche in angenehmen Verhältnissen ausgewachsen wa ren, und die tief einschneidenden Einschränkungen, die im Falle seiner Pensionirung hätten getroffen werden müssen, wären — dem jetzigen Aufwande gegenüber — einer plötzlichen Bei armung sehr nahe gekommen. Er hatte eine Altersstufe er reicht, wo viele Andere befriedigt auf ihr vergangene» Leben zurückblicken und von ihren Mühen auSruhen. Beim Hofrath fingen die Mühen erst recht an, anstatt froh aus da» Ver gangene zurückschauen zu können, sah der Grei» sorgenvoll in die Zukunft und malte sich da» Schicksal seiner Töchter au», .wenn seine beständig abnehmende Kraft den Anforderungen
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