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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 05.01.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189701052
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18970105
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18970105
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1897
-
Monat
1897-01
- Tag 1897-01-05
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Monat
1897-01
-
Jahr
1897
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vom Verein „Erzgebirger" in Dresden und spcciell von dessen Voistand«mitgliedern ausgenommen wurden, welche genußreiche Stunden ihnen in dessen Verein-lokale zum .Deutschen Kruge' bei Mulik, Unterhaltung und selbst Tanz geboten wurden, wie sie durch Führung in ter Au-steUung und der Stadt Dres den, sowie nach der Sächsischen Schweiz bereilwilligst unter stützt wurden. Die damal» mit den Landsleuten in der schönen Residenzstadt Sachsen» geknüpften Bande der Freundschaft wurden aber durch die Rückkehr der Extrazug«theilnehmer nach der „Hamet" nicht gelöst, sie bestehen vielmehr noch, wie der an Herrn Porst gesandte, originelle, nachstehend ab gedruckte Neujahr-wunsch beweist. Möge der Verein .Erz gebirger' in Dre»den nicht ermüden, die heimathlichen Sitten zu pflegen und hochzuhallen. Möge aber auch sein Wunsch, sich ein eigene» Heim zu schaffen, in dem jeder nach dort kommenden Erzgebirger gastliche, freundliche Ausnahme findet, durch die Unterstützung der Erzgebirg-vereine und deren Mitglieder recht bald in Erfüllung gehen. Unnr Wahrwunsch t«»7. neues Gahr giht wiedr lus Un raht sich an da altn, Do gibtS Gedankn, kla un grüß. Die ah miet Eizug haltn. Zrärscht schin Dank frsch alt-, Gahr, 's is gelicklich iberstandn- Wenns ah gerod net's besta war, War doch ka Nut vrhandn! In unnrn gutn Vaterland — Drim Dank mit voll'n Händn! — Nooch Drasnd zuhng sa scharnweis, Do gobs viel za betrachtn, 's war viel Alts und ah viel Neis, Doch nischt gobs zum vrachtn. Un salbrscht unnr Königshaus — Gott mogs noch lang drhaltn! — Fuhr ah za dar Ausstelling naus, Ar Frad dr Gungd un Altn. Arbei zuhng do in altn Zeig Gebörgr un Vogtlännr, Es sohg ganz schie, mr dacht geleich: Da alta Zett war schänr! Un Gruuß un Kla un allazarnm Thal unnrn Kienig grißn, Un legt als sei getreister Stamm Dl« bestn Winsch za Fissn. Doch alles, wos miet aufgezuhng, Wur ah in „Krug" behaltn. Dort Hom siech Tisch un Bank ge» buhng Vr Lust vun Gungd un Altn. Se denkn alla noch aarn dra Un wölln ah wiederkumma! Nu, kummt när, un ihr seid fei ga In „Krug" garn aufgenumma! Un immr größr lvärd da Zohl Dr arzgebvrgschn Bridr, Sa stamma halt aus Barg un Thol Un zuhng nooch Drasnd niedr. Doch seina Sähsucht nooch „Drham" Ka kanr net vrschmarzn. An seina Bary, mr denkts fei kam, Hängt gedr mtt sen Harzn! Un stammt mr aus dr Hänsln Hilt, Da Hamet bleb'tS doch immr! Gebbrgscha Art, gebörscha Sitt Vrgißt mr nu un nimmr! — Nu wärsch rächt schie, wenn ah Haus Wu unnra Leit gahrei-gahrans Untrkummes fändn. Un kämet ^nr vun druum ro Un wößt net azakumma, Dar kriegt drnoch sei Herbrig do —, Wär freindlich aufgenumma! Mr missn när zamm haltn Un net geleich za viel begahrn, 's ward sich schuh gestaltn! War waß, wos in dan neia Gahr Mr noch fr Gilt drlam. Da gutn Freind sei net su rar, DoS könnt r mr gelam! Un nu zaletzt, noch ganz uumdrauf Loht Eich men Gruß gefalln: Frsch neia Gahr a früh „Gelickauf"! Gelick und Seeng Eich alln! Ä. ^tohr, Vurstand v. Verei „Arzgebörger", Dr»»nd. — Schönheide. Am NcujahrS'ag hielt der hiesige „Mannergesangverein" ein Eonccrt ab. Trotz de» regnerischen Wetter« war der Saal jo gefüllt, daß Viele mit einem Steh platz vorlieb nehmen mußten, gewiß ein Beweis davon, welche Sympathie man genanntem Verein entgegenbringt. Da» Programm war ein durchaus gewählte«. Großartige Wirk ung erzielte .da« Kirchlein" v. Becker. Die beiden Lieder für Baß .Zu Bacherach am Rhein" v. Abt. und „Zecherlicd" v. C. Schiller, gesungen von Herrn Dörric«, fesselten da« anwesende Publikum. Die Chorgesänge „Rhcinsage" v. Otto, „mein Himmel aus der Erde" v. Pfeil und „Viktringer Marsch" v. Koschat, insbesondere der letzte, sprachen so an, daß eine Wiederholung nölhig »ar. Ein Schwank v. Benedix „der Müller al« Sündenbock" nahm die Lachmuskeln der Zuhörer gewaltig in Anspruch. — Von der alten Sitte, da« Neujahr durch Freudenschüsse zu begrüßen, ist hier noch in der aus giebigsten Weise Gebrauch gewacht worden. — Schönheide. Durch einen Bürger einer Stadt de» Vogtland» wurde der hiesigen Kirche eine silberne Abendmahls kanne zur Erinnerung an die hier erfolgte Geburt, Taufe und Konfirmation seines Vaters, sowie in Anlaß des 300 jähr. KirchenjubiläumS al» Gabe dargebracht. Dieselbe wurde zum Neujahr von Herrn DiakonuS Wolf eingewciht. — Chemnitz, 31. Dezember. Im Monat September d. I. hatte ein angeblicher Kassenbote an der Staatsbahn mit einem in Dresden dienenden Mädchen ein Verhältniß angeknüpst und demselben unter der salschen Vorspiegelung, er müsse da» Begräbniß seiner früheren, verstorbenen Braut bezahlen, 50 Mk. abgeschwindclt. Unter der weiteren Vor spiegelung, er sei bei der Staatsbahn in Bodenbach angestcllt, er wolle dortselbs« eine Wohnung miethen, Möbel cinkaufen und dann da» betreffende Mädchen heirathen, hat er letztere« zu einer Reise nach Bodenbach veranlaßt, dem Mädchen aus der Fahrt noch 4k>0 Mk. abgclockt und dasselbe dann in ge nanntem Orte heimlich verlassen. Durch die Kriminalpolizei wurde dieser Betrüger heute al« ein schon wiederholt vorbe strafter, hier wohnender und verheirathcter dreißigjähriger Zimmermann au» Dittersdorf ermittelt und festgencmmen. — Glauchau, 3l. Dezbr. Al« heute früh aus hie sigem Bahnhof der Personenzug Reichenbach-Chem nitz 7 Uhr 17 Minuten in der Richtung nach Chemnitz sich kaum in Bewegung gefetzt hatte, entstand plötzlich eine sehr heftige, ruckartige Erschütterung, sodaß der Zug wieder an hielt. Bei der sofortigen Untersuchung beinerkte man, daß zwei Ketten in der Mitte de» Zuge« zerrissen waren; auch der HkizungSschlauch war zerrissen und mußte durch einen neuen ersetzt werden. Der Zug hatte infolgedessen Stunde Verspätung. — Freiberg, 1. Januar. Ein unheimlicher Fund ist gestern auf der Erbischcnstraße gemacht worden. Eine Frau und ein Gemeindearbeilcr sanden daselbst je ein Packet, enthaltend je zwei Dynamitpatronen, von denen je eine mit einem Zündhütchen versehen war. In einem Pallete sand sich außerdem eine Drohschrist vor, gerichtet gegen einen Ober steiger. Welches Unglück durch die Patronen entstehen konnte, wenn sie in unrechte Hände kamen oder durch einen Stoß zur Entzündung gebracht wurden, mag man gar nicht au«- denken. Die Gefahr lag sogar schon vor, denn der Finder hatte da« Packet mehrmal» mit der Schaufel berührt. Die Untersuchung wird hoffentlich Licht in die Sache bringen und erzielen, daß der Anschlag seine Sühne findet. — Schneeberg, 2. Januar. Der „Erzgebirg«vcrein" beschloß in seiner vorjährigen Hauptversammlung in Dahlen die Durchführung einheitlicher WegebeZeichnungen im Erzgebirge al« eine seiner Ausgaben zu betrachten. Der zur Erledigung der nöthigen Vorarbeiten gewählte Aus schuß hielt kürzlich unter Vorsitz de« Herrn Seminaroberlehrer Möckel in Chemnitz seine erste Sitzung ab. Nach längerer Verhandlung entschied man sich für Wegemarkirung durch farbige Striche. Außerdem sollen an Anfang«-, Kreuzungr und Hauptpunkten rechteckige Holz- oder Blechtaseln mit Richt ung«- und EntfernungSangaben aufgestellt werden. Al« wünschen«werlh wurde erachte«, möglichst rasch vorzugehcn und auch solche Gebiete, die außerhalb de« Bezirke« von Zweig vereinen liegen, mit Wegemarkirungen zu versehen. Die Kosten für die Wegcbezeichnungen sollen von den Zweigvereincn unter Unterstützung de« Hauptvercin» aufgebracht werden, doch rechnet man hierbei auch auf die Mitwirkung von ver wandten Vereinen, Gemeinden :c. Man sprach auch die Hoff nung au«, daß Zweigvcreine, die sich an der Nordgrcnze de« Gebiete« befinden, PflegschaftSbezirkc im obern Gebirge über nehmen und dort für die Ausführung der Markirungen sorgen werden. Ein engerer Ausschuß, bestehend au» den Herren Hauptagent Geinitz, Pros. l)>. König und Prof. Gebauer in Chemnitz, soll sich mit den Zwctgvercinen in Verbindung setzen, um einzelne Touren al» zunächst durchzusührende jest- zustellcn. Zur Unterlage für die Kommission sollen General- stabskartenblätter (I : 25,000) aus Kosten de« Hauplverein« beschafft werden. Der Gesammlvorstand wurde auch beauf tragt, die Zustimmung der Regierung zu dem von dem Erz gebirgsverein beabsichtigten Unternehmen zu erbitten. — Hohndorf b. Zwickau. Eine schöne Sitte besteht in hiesiger Kirche. In derselben ist eine Tafel angebracht, auf welcher die Orden und Ehrenzeichen verstorbener Kampf genossen mit den dazu gehörigen Namen befestigt werden. So erhalten sich diese Ehrenzeichen, die sonst wohl öfter in Verlust gerielhen, den alten Kämpfern wird ein Denkmal errichtet und späte Geschlechter an die Errungenschaften jener großen Zeit erinnert und daran gemahnt, festzuhallen, was die Väter in heißem Kampfe und unter Einsetzung ihre« Leben» erstellten haben. — Die Militärverwaltung hat dem LandeSkultur- rath mitgetheilt, daß die sächsischen Landwirthe ihr nicht ge nügende Angebote von Roggen zugeyen lassen. Zum Thcil liegt da« daran, daß die Landwirthe häufig nicht wissen, an wen sie sich zu diesem Zwecke mit ihren Angeboten zu wenden haben. E« erscheint darum zweckmäßig, wenn sie ein mal mit sämmtlichen sächsischen Proviantämtern bekannt ge macht werden. Sie sind in Leipzig, Dresden, Freiberg, Borna, Riesa, Grimma und Großenhain. Geithain und Rochlitz machen wahrscheinlich keine Getrcideeinkäuse mehr, weil sie am l. April 1807 eingezogen werden. Die Militärbäckereien sind in Leipzig und Dresden. Der Deichvogt von Hiefstet. Ein« Erzählung aus der Marsch von Th. Schmidt. iNachdr. verboten). Auf dein hohen Kirchwege, welcher sich im Bogen um da« kleine, schmucke Kirchdorf Ticssiel an der AuSmündung der Weser Herumwindel und bei Regenwctter den einzigen Verbindungsweg zwischen der reichen Marsch und der unmittel bar sich an diese anschließenden höher gelegenen Geest bildet, bewegt sich ein langer Trauerzug langsam nach dem Fried- Hose der kleinen Gemeinde, dessen graue, unförmliche Grab steine in der Ferne sichtbar sind. ES ist eine „große Leiche," der ein nach Hunderten zäh lende» Gefolge da» Geleite zur letzten Ruhe giebt. Zwar trägt der Sarg keinen auffallend reichen Blumenschmuck — Blumen und Ziergewächse gedeihen in der rauhen salzgehal- ligen Marjchluft nur spärlich —, an den reichen seidenen Gewändern der Frauei und den behäbigen, von Gesundheit und Wohlleben strotzenden Gestalten der Männer sieht man sogleich, daß die Verstorbene die Frau oder Tochter eine« wohlhabenden Marschbaueni sein muß. Ernst und schweigend schreitet da» Gefolge dem aus einem Hügel liegenden und von blühender Haide und weißschimmern den Birken umgebenen Kirchhofe zu, dessen verrostete» eisernes Thor heute weil geöffnet ist. Der Marschbauer spricht wenig; ernst wie der graue Himmel, der sich über seiner mühsam dem Meere abgcrungenen fruchtbaren Scholle wölbt, blickt er in die Welt, welche da für ihn aufhört, wo einerseits die von ihm meist mit mitleidigem Achselzucken betrachtete „Geest" beginnt und andererseits der oft mehr al« haushohe Deich (Damm) sich um sein kostbare» Besitzthum herumschwingt und dasselbe gegen die tückischen Fluthcn der Nordsee — oder „Mordsee," wie der Schisser die ewig unruhige und an Sand bänken reiche See nennt — schützt. Heute hat der Marschbauer erst recht Ursache, ernst und düster zu blicken, denn der gefürchtete Gast, da» Wcchselficbcr — eine Eigcnthümlichkeit einiger Marschniederungen, auch wohl die „deutsche Malaria" genannt — hat seinen Einzug in da« blühende Dorf gehalten und verschiedene Menschen nach langem Siechthume dahingeraff«. Auch die „Deichbauerin," die man zur Stunde hinauSlrägt auf deu Friedhof, ist nach langem Leiden daran gestorben, und die Gemeinde, besonder« die Armen in der Umgegend, bedauern aufrichtig ihren Hin tritt, denn so wie sic hat keine e« verstanden, sich Liebe und Verehrung bei iüeich und Arm zu erwerben. Auch der neben dem schlanken, blassen Pfarrer hinschrcitende reiche Dcichbauer, sonst ein stolzer, harter und mürrischer Mann, fühlt in dieser stunde, in der er sein treue«, sanfte« Weib dem Schoß der Erde übergiebt, was er an ihm verloren. Aber während man in «en Augen vieler Leidtragenden Thränen schimmern sicht, bleiben die seinigen trocken. E« giebt ja Männer, bei denen sich selbst im höchsten Schmerz der erlösende Quell nicht öffnet. Solche Naturen sind zu be mitleiden, denn sie leiden meist schwerer als andere. Der Dcichbauer mag reichlich sechzig Jahre alt sein, sein dichte« Haupthaar ist vollständig ergraut; die straffe, stolze Haltung de« untersetzten, breitschultrigen Manne«, da« blühende Aussehen de« runden, wohlgenährten Gesicht«, au« dem ein Zug von Härte spricht, und die lebhaft blinzelnden kleinen braunen Augen mit den starken buschichcn Brauen lassen ihn indeß um Ib bi» 20 Jahre jünger erscheinen. Jetzt hat der Zug den Kirchweg verlassen und zieht lang sam unter dem Geläut der Glocke de« Kirchlhurm« auf der nahen Wurt (Erderhöhung) an einem einsam aus der An höhe gelegenen einfachen, aber sauber und freundlich au«- schauenden kleinem Häuschen vorbei, an dessen dahinterlicgen- den Garten die wcißgctünchte KirchhosSmauer stößt. Die Leidtragenden wenden ohne Ausnahme nacbcinander die Köpfe nach dem schmucken, kleinen Häuschen und greifen an die Ränder ihrer Hüte, um da« hinter einem der bleigefaßten blinkenden Fenster zum Vorschein kommende alte ehrwürdige Mütterchen mit schneeweißen Haaren und unzähligen Runzeln im Gesicht respectvoll zu grüßen. Nur der stolze, reiche Deich bauer, welcher auch einen flüchtigen Blick über da« kleine Besitzthum geworfen und da« Mütterchen am Fenster bemerkt hat, wendet mit jähem Ruck sein harte« Antlitz zur Seite, sein Lippen pressen sich dabei fest auseinander, und die Zorne«- ader auf seiner Stirn schwillt einen Moment zusehend» an. Seltsam! Wie konnte ihn der Anblick de» unbedeutenden Mütterchen», in dessen Zügen e» so IheilnahmSvoll und schmerz lich zuckte und da« sich nur aus zwei Krücken gestützt am Fenster aufrecht erhalten kann, nur so in Erregung versetzen, ihn, den reichen, stolzen und kräftigen Mann, in dessen Hände der Fürst de« Lande« mehrere wichtige Aemter gelegt hatte, kraft deren er von Allen in der Gemeinde unbedingten Gehor sam verlangen konnte? Freilich war La« Erscheinen der ge lähmten Alten für Alle eine Ueberraschung; man erinnerte sich nicht, ihr Gesicht in den letzten 20 Jahren gesehen zu haben, aber immerhin war der Anblick ein nicht so außerge wöhnlicher, daß Jemand darüber zu erschrecken oder gar sich zu ärgern brauchte, denn ein freundlichere«, sanftere« Ant litz al« da« der alten „Kraulbäuerin" gab« nirgend« im Dorfe. Warum verdüsterte sich da» Antlitz de« starken Man ne» nur so plötzlich, al» der theilnahmSvolle Blick au» den großen blauen Augen der Alten dem seinen begegnete? O, c» ahnte wohl Niemand, was dieser eine Blick in sich schloß. Nur der Deichbauer allein verstand ihn, und seine Gedanken flogen, ohne daß er er hindern konnte, weit zurück in die Vergangenheit. Vor vierzig Jahren hatte er einst an jenem kleinen Fenster neben Margarethe Bollen« gcstanden und trotzig hinauSgeschaut in die weite Marsch, au» deren wogenden Kornfeldern da» hohe, schilfbedcckte Vaterhaus, der Deichhof, düster emporragte. „Ich will nicht zwischen Dich und Deine Eltern treten; ich entbinde Dich von Deinem Schwur, Gerd Focke. Ich bin die Tochter eines unbemittel ten Geeslbauern und Du der einzige Sohn de« reichsten und angesehensten Marschbaucrn. Deine Ellern werden mich nicht al» Dein Weib anerkennen, und für die Behandlung, wie man sie einer Viehmagd angedcihen läßt, bin ich zu stolz, Gerd. Mein Vater hat zwar, vom Unglück verfolgt, sein Be sitzthum jenseits ter Jahve verloren, aber er ist ein freier Friese geblieben, der Niemand hier dienen will!" So hatte Margarethe al« die Tochter eine» echten freien Friesen ge sprochen, al» Gerd sie zu überreden suchte, bei seinen Eltern sich so lange al» einfache Magd zu verdingen, bi» jein alter betagter Vater da» Zeitliche gesegnet haben würde, wonächst ihrer Verbindung dann nicht» mehr im Wege stände. Im Zorn über ihren Widerstand war er an diesem Tage von ihr geschieden; er hatte da» nicht von ihr erwartet, und sich vorgenommen, ihr Hau» nicht wieder zu betreten. Aber die blauen Augen von Margarethe Vollen», deren hoher Wuchs und stolze Schönheit alle jungen Burschen be wunderten, besaßen eine magische Zauberkraft, welcher Gerd Focke auf die Dauer nicht widerstehen konnte. Schon nach einigen Tagen trat er plötzlich wieder bei Margarethe ein und bat um Verzeihung wegen seine» Ungestüm». „Ich kann nicht ohne Dich leben, Margarethe,' hatte er gesagt und sie dabei stürmisch umschlungen. Nur zu gern verzieh sie ihm, denn sie liebte den frischen, stattlichen Sohn de» Marschen mit aller Glmh der reinen ersten Liebe und glaubte seinen ungezählten Schwüren. Den ganzen Sommer über schwelgte sie in einem Meer von Wonne ; Niemand störte sie, denn die Mutter ruhte seit Jahren schon in kühler Erde, und der Va ter war mit einem Bekannten aus See und kehrte erst im Herbst wieder zurück. Nur zu rasch schwand der Sommer und mit ihm ihr heimliches Glück. Der Vater kehrte früher zurück, al« sie glaubte; er war krank, mißgestimmt, enttäuscht. Der Gewinn, den er von der langen Seereise erwartet hatte, war auSgeblieben. Mit den heimlichen Zusammenkünften der jungen Leute war'« nun vorbei, der Vater duldete keine Liebschaft hinter seinem Rücken, und zu einem Stelldichein an einem zu verab redenden Orte schien Gerd keine Neigung zu haben. Wochen lang blieb er fort, und Margarethe verging vor Ungeduld und Sehnsucht nach dem Geliebten. Und dann kam der Tag, wo sie erfahren sollte, daß Gerd ein frevelhafte« Spiel mit ihr getrieben, daß seine Schwüre falsch gewesen, daß sie ihm nur zum Zeitvertreib gedient hatte. Sie war nicht an „gebrochenem Herzen" gestorben, dazu war sie eine zu gesunde Natur, aber eine Wunde riß diese Entdeckung doch in ihr junge« heiße« Herz. Und dann kamen die Jahre der Sorge und Arbeit für Margarethe. Der Vater kränkelte, da» ganze Hauswesen, die Bestellung de« Lande» blieb ihr allein überlassen. Mancher schmucke Bursche klopfte an ihre Thür und begehrte sie zum Weibe, aber sie wie« alle ab, sehr zum Aerger ihre» Vater», der für die Wirtschaft eine junge männliche Kraft wünschte und gar nicht begreifen konnte, daß seiner viclumworbenen schmucken Tochter keiner der Männer gefiel. Erst in späteren Jahren, al» da» junge, schnellpulsirendc Blut ruhiger floß und die Wunde im Herzen Margarethens nicht mehr so heftig brannte, entschloß sie sich zur Heirath und reichte einem braven fleißigen Mann die Hand. Dann schenkte Gott ihr einen Sohn, der zu einem prächtigen Jüng ling heranwuch». Sie war immer noch ein hübsches, blühende» Weib, und ihr Mann, der Schiffer Lübbe Lübben, trug sie aus den Hän den. Aber ihre ganze Liebe gehörte fortan ihrem Sohn Hajo"), für diesen lebte, darbte und schaffte sie von früh bi» spät. Gerd Focke war längst verheiratet und Besitzer de« großen stattlichen Deichhofe«, aber da« Glück, wenigsten» da« häusliche, war mit der jungen Frau nicht bei ihm eingckchrt. Zuerst starben alle seine Kinder, dann die Frau, mit der er im tiefsten Unfrieden gelebt hatte. Aber ein Marschbaucr muß eine Frau haben, die im Hause nach dem Rechten sicht — ein andere» giebt» nicht für ihn. Gerd heiratete zum zweiten Male, und die zweite Frau schlug bester ein. Sie war zwar nicht schön, aber sic hatte einen sanften, friedfertigen Charakter, trocknete manche Thräne der Armen und gab sich redlich Mühe, die Eigenheiten ihre» stet« mit sich und der Welt unzufriedenen Manne» kennen zu lernen, überhaupt al« Frau de« Hause« ihre Pflicht zu erfüllen. Die häuslichen Verhältnisse waren somit auf dem Deich hose jetzt leidliche, nur ein« war für Gerd die stete Quelle * Sprich- Hai—o.
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