Suche löschen...
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 20.02.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189602205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18960220
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18960220
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-02
- Tag 1896-02-20
-
Monat
1896-02
-
Jahr
1896
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
von dem bereit« brennenden Dach herabgefallen sein. Jeden falls sei e» aber die Ursache gewesen, daß er und seine Familie dem Flammentode entgingen!" .Haben Sie an der Hand diese« auffallenden Umstände nicht weitere Nachforschungen angestellt?" ,,E« war vergebliche Mühe, da am nächsten Morgen an der Stelle der Mühle nur ein großer Schutthaufen lag!" „Hm, das Feuer war also äußerst geschickt angelegt, und der Thäter hatte viel Glück! Doch weiter, die zweite Bege benheit?" „Fällt genau neun Monate später. Die Ernte war eben beendet. Nach den letzten schlechten Jahren war endlich ein gesegnetes gefolgt, und goldgelb hingen die schweren Aehrcn aus den Bündeln hervor, die man zu großen Haufen zufam- mentrug, um jene beiden Feime, von denen ich bereit- sprach, drunten in der Niederung aufzurichtcn. In der nächsten Woche sollte die Dreschmaschine au» der Stadt herüberkommen, um ihr Werk an dem Ergebniß meiner Aecker zu beginnen." Im Krug drunten im Dorf feierte man da« Erntefest. Alle« war in frohester Laune. In einer großen Scheune hatten sich die jungen Leute zum Tanz eingefunden. Franz, auf einer leeren Biertonne stehend, spielte ihnen zum Tanz aus. Plötzlich ging ein Flüstern und Murmel» durch die bunten Reihen, die Paare lösten sich, die Geige verstummte, und mit einem Schreckensruf blickte Alle« zur Thür hinüber, in der, von der untergehenden Sonne grell beleuchtet Clemens Larssen stand. Mit einem Schlage war die gute Laune zer stört, denn der Eindruck, den da« Erscheinen de« Zuchthäus ler« hervorgerufen, war ein so erschreckender, daß allen An wesenden da« frohe Lachen auf den Lippen erstarb. Durch die lange Gesängnißhaft, durch schmale Kost und Mangel an Lust und Bewegung war dem Burschen übel mitgespielt worden. Hohläugig, zu einem Skelett abgemagert, schlich er mit schwanken den Schritten einher. Da dem gewohnheitsmäßigen Trinker plötzlich Lurch die Haft der Schnaps entzogen worden war, war sein an und für sich bereit« ruinirter Körper, der nur künstlich durch den Alkoholgenuß in seinen Funktionen erhalten wurde, plötzlich dem Verfall preisgegeben. Clemens Larssen schien um zehn Jahre gealtert. Die krankhafte Röthung seiner Wangen, die vornübcrgebeugte Haltung, seine rauhe, heisere Stimme erweckten Grausen bei seinen früheren Bekann ten, und wie vor einem Verfehmtcn flohen sie au« seiner Nähe. Nur Franz, der wie die übrigen beim Anblick seines Bruder« bleich geworden, trat auf ihn zu und reichte ihm als stummen Wilkomm die Hand. „E» ist nur gut, daß Du mich wieder erkennst, Franz!" sprach daraus Clemens. „Ich dachte schon, Du würdest mir auch den Rücken zuwenden, wie die Bagage dort! Komm, steck' Deine Fidel ein! Dafür, daß sie mich so ungastlich grüßten, soll ihnen wenigstens jetzt die Freude des Tanzes verdorben sein! Gehen wir nach Hause!" Er hatte seines Bruder» Arm erfaßt und zog den halb Widerstrebenden mit sich fort. — So hausten nun Beide wieder zusammen in ihrer armseligen Hütte, der Aeltere befehlend, Franz wie ei» Pudel gehorchend. „Am Abend de» nächstfolgenden Sonntag« zog ein schweres Gewitter über Hasselbrink herauf. Der Tag war glühend heiß gewesen, kein Blättchen regte sich im Walde, schwere, dunstige Luft hüllte Alle« wie mit einem grauen Schleier ein. Bald hatte sich der Himmel mit dunklen, drohenden Wolken umzogen, grelle Blicke zuckten auf, und mit immer lauterem Getöse brüllte der Donner dazwischen. Kein Regentropfen wollte fallen, die Gewalt de« Sturmes zu dämmen. Altem Herkommen gemäß ließ ich die Thüren der Ställe öffnen und alle Pferde angcschirrt bereit halten, daß sie, im Fall der Noth, sogleich zur Hand sein konnten. E« mangelte an Leuten, denn mein Verwalter war mit einigen Knechten hinüber nach S. zum Viehmarkt, ein paar Kühe einzukausen. Ich griff deshalb selber mit an. Meine Frau, die immer etwa« leidend gewesen, und die seit dem Brand der Mühle auch von beunruhigenden nervösen Anfällen heim gesucht wurde, ließ ich unter der Obhut meiner Tochter — mein Sohn war zum Besuch eine« Kameraden in der Nach barschaft — in dem weiten Erdgeschoß der Schlosse« zurück. Hier war sie wenigsten« vor dem aufregenden Schauspiel der draußen tobenden Elemente einigermaßen geschützt, da der Donner nur wie eine ferne Brandung an ihr Ohr schlug, und die Blitze nur in schwachen Lichtwellen zu ihr hereinzu dringen vermochten. „Ich war hinüber in da« WärtcrhäuSchen am Schloßchor gegangen, nian kann von dort die ganze Dorfstraße überblicken und ich wollte mir darüber Gewißheit verschaffen, ob mein Verwalter mit den Knechten und dem Viehtransport schon im Ort angelangt sei. „Mittlerweile war es so dunkel geworden, daß man buchstäblich nicht die Hand vor Augen sehen konnte; nur wenn ein Blitz vom Himmel fuhr, lag da« Dorf in blaugrünem Lichte vor mir. Drunten, unter dem breiten Vordach der Dorfschenke, gewahrte ich keinen Menschen, auch die Thür de» Stalle» war fest verschlossen, ein sichere« Zeichen, daß kein Vieh darinnen stand. So wollte ich denn mit der Be ruhigung, daß meine Leute noch bei guter Zeil in dem Nach barflecken W. einen Unterstand gefunden, wieder ins Schloß zu meiner Frau zurückkehren. Ein heftiger Wind hatte sich aufgemacht, mit kurzen Stößen fing er sich in dem winkeligen Gemäuer der Oekonomicgebäude und riß die Schindeln von den Dächern. „Mitten in dem Pfeifen de» Sturme» war e« mir, al« hörte ich einen lauten SchreckenSruf vom jenseitigen Ende de« Schloßhofe» zu mir herüberdringen. Zu gleicher Zeit bemerkte ich vor mir am Himmel eine Helligkeit — einen gluthrothen Schein, der mir Len Athem stocken machte. Ich beflügle meine Schritte, rufe, schreie durch die Nacht, die mich umgiebt: „WaS giebt'S dort? Wa» ist geschehen?" Da stürzt auch schon mein Gärtner, todtenbleich ein Windlicht in der Hand tragend, von der Parkscite her auf mich zu und ruft mir mit bebender Stimme entgegen: „Herr Baron, e« brennt — die Feime dort drunten — in der Niederung!" «Fortsetzung folgt.) Vermischte Kachrichlen. — Dienstsuchende Mädchen, sowie deren Eltern und Vormünder möchten wir darauf aufmerksam machen, daß der Verein Volkswohl in Dresden seit Jahren eine Dienst vermittelung eingerichtet hat, welche sich von Jahr zu Jahr sowohl bei stellensuchenden Mädchen, al« auch bei den Herr schaften einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Die Stellen vermittelung, welche hauptsächlich in der Absicht errichtet worden ist, solche Mädchen, die in Dresden fremd sind, vor den Gefahren der Großstadt und vor Ausbeutung und Irre leitung zu bewahren, wurde im Jahre 189b von 2094 Herr schaften und 1834 Mädchen benutzt. Der Verein nimmt von den Mädchen nur eine einmalige VermittclungSgebühr von 2b Pf. und da die Nachfrage der Herrschaften eine sehr große ist, so ist jede» ordentliche Mädchen sicher, daß eS auf eine Stelle nicht lange zu warten braucht. Günstig ist noch besonders, daß die erwähnte Stellenvermittelung sich im „Mädchcnhcim" des Vereins Volkswohl, Ammonslraße 24 Part., b Minuten vom Böhmischen Bahnhofe entfernt befindet, wo die Mädchen gleichzeitig zu den niedrigsten Preisen, wöchentlich 3 Mk. 70 Pf., täglich 70 Pf., Wohnung, erste» Frühstück und Mittagessen erhallen können. — Da Herr schaften die zu miethcnden Mädchen am liebsten persönlich sehen wollen, so ist e« zu empfehlen, daß die Mädchen sich nicht aus die Einsendung ihre» Dienstbuches beschränken, sondern selbst nach dem Mädchenheim kommen. — Die Spandauer Kasscndiebe sind verhaftet! Endlich ist e« gelungen, die Einbrecher dingfest zu machen, welche, wie berichtet, die Krankenkasse der Gcschützgießerci zu Spandau im vorigen Monat um ca. 12,000 M. baar und etwa 58,000 M. in Werthpapieren bestohlen hatten. Die Diebe sind drei in der Artilleriewerkstatt beschäftigte Personen, und zwar: der Heizer Wiedemann, Schreiber Peschke und Maschinenbauer Dombrowski. Ein großer Theil de« Raube« ist bei den Verhafteten gesunden worden. Die näheren Um stände der Verhaftung sollen auf Wunsch der Polizei noch nicht in die Ocffentlichkeit gelangen, weil zunächst nicht alle Fäden dieser DiebeSaffaire entwirrt sind. Die drei genannten Personen wurden seit längerer Zeit von der Behörde Tag und Nacht beobachtet; es fehlte jedoch an ausreichenden Be weisen gegen die Schuldigen und vor allen Dingen auch der Nachweis, wo sich da« geraubte Geld befand. Dieser wurde schließlich dadurch ermöglicht, daß man die Verdächtigen recht lange Zeit auf freiem Fuß ließ und sie in ihrer Bewegungs freiheit nicht beschränkte. Den ersten Anstoß scheint die Frau de« Maschinenbauers Dombrowski gegeben zu haben, welche in Berlin fortgesetzt erhebliche Einkäufe machte und an Kaiser» Geburtstag mit einer solchen Ladung Packetcn zurückkam, daß sie eine Droschke von Berlin nach Spandau zur Fahrt engagirtc. Die Frau hatte in Berlin aber nicht etwa Gc- brauchSgegenstände, sondern allerhand Luxusfachen eingekaufi, was verschiedenen Personen auffiel. Seit dieser Zeit war eine Spur gefunden, welche die Polizei erfolgreich aufnahm. E« sei noch erwähnt, daß da- Geld in der Behausung der Verhafteten vorgesunden wurde. ES ist nicht unwahrscheinlich, daß noch weitere Verhaftungen wegen Hehlerei vorgenommen werden. — Ein dreifacher Raubmord ist in München ver übt worden. In ihrer Wohnung in der KarlSstraße wurden Sonnabend Vormittag« die MinisterialrathSwittwe v. Roos, deren Tochter u. Dienerin tobt ausgefunden. Die drei Frauen waren bereit« seit Freitag todt. Das Essen war auf dem Herd angerichtet ; die Wittwc und die Köchin lagen überein ander im Kloset, die Tochter der Wittwe auf dem Bette der Mutter. Man sand eine Anzahl leerer Medizinflaschen, da runter eine leere Arsenikflasche. Anfänglich nahm man an, daß eine Vergiftung vorliege, die Sektion hat aber ergeben, daß der Tod in Folge von Erdrosselung cingetreten ist. ES fehlen Werthpapicrc in Höhe von 2500 Mark. — Von einem neuen Kornbrod wird jetzt viel ge sprochen, das eine völlige Umwälzung in der Brodbäckerei hervorzurufen bestimmt sei, das aber bisher wenig ernst ge nommen wurde. Nun bringt die „Jll. Landwirthsch. Ztg." eine eingehende Beschreibung über die Herstellung de« neuen Brode», der wir Folgendes entnehmen: ES handelt sich um die Verwerthung eine« Patent«, welches einem russischen Er finder, dem Kaufmann 1. Gilde F. I. Gclinck in Riga, er- theilt wurde und welche« durch Beseitigung des Mahlver- fahrcn« die nach den bisherigen Methoden auszuscheidende Kleie im Brode noch verwerthet. Justus v. Liebig äußerte sich über den Werth der Kleie im Jahre 1844 in seinen „Chemischen Briefen": „ES gicbt nur ein nachhaltige» Mittel für die weitesten Kreise, um in Hungerjahren die Noth der ärmeren Klasse zu lindern, das darin besteht, das sein ge mahlene Mehl ungebeutelt zu Brod zu verbacken, und daß der ganze im Korn vorhandene NahrungSstofs dem Menschen zu gewendet werden wird. Die Absonderung der Kleie vom Mehl ist eine Sache des Luxus und für den Ernährungs zweck eher schädlich als nützlich ... Die Kleie ist durch keinen anderen Nahrungsstoff ersetzbar, denn dieselbe enthält 60 bi« 70 Proz. der nahrhaften Bestandtheile de« Mehl»." Den Mittelpunkt de» Gelinck'schen Verfahren» bildet die patentirte Teigmaschine, „Tcigmühle" genannt. Da- Korn wird zunächst von Schmutz, Unkraut, Sand und Steinchen durch Exhaustor und Trieur aus trockenem Wege gereinigt. Dann folgt eine gründliche Wäsche durch zu- und abfließende« kalte« Wasser. Trübt sich diese» nicht mehr, so wird da» Getreide durch heißes Wasser gebrüht. Nach einer bestimmten Zeit der Ruhe sinken die guten Körner nach unten, während die schädlichen und minderwerthigen Bestandtheile obenauf schwimmen und sauber abgeschöpft werden. Jetzt ist da« Korn für die „Teig mühle" vorbereitet. ES wird nun mittelst Schaufeln auf einen verzinnten Tisch und von diesem in die ebenfalls ver zinnte Maschine geschafft, die e» in eine gründliche Zermalmungs arbeit nimmt und al« fertigen Teig an die Knetmaschine ab liefert, nachdem e» vorher entsprechend gesäuert und mit son stigen Zuthaten versehen worden. Nachdem die Knetmaschine ihre Arbeit verrichtet hat, wird der Teig nach Passiren einer Formpresse nach den gewünschten Größen abgetheilt und wan dert in die Gährsormen; au» diesen kommt er in die Back öfen, um al» Brod zurückzukehren und endlich in einem Kühl keller auf die für den Genuß zuträgliche Temperatur gebracht zu werden. Bei dem ganzen Vorgänge wird so viel wie mög lich dafür gesorgt, daß menschliche Hände weder mit Rohstoff, noch mit dem Produkt in Berührung kommen. Al« treibende Kraft der Maschinen wird bei einer Verarbeitung von 200 Centnern Getreide täglich ein Gasmotor von 25 Pferdekräften verwendet. Um einen Anhalt für den Nährwerth de» nach dem Gelinck'schen Verfahren hergestellten Brode» zu erhalten, wurden dem Berliner GerichtSchcmiker l)r. E. Bischoff ein Roggenbrod, ein Weizenbrod und ein russische» Soldatenbrod, die nach diesem Verfahren hergestellt wurden, zur Untersuchung und Begutachtung zugestellt. Derselbe sand durch die Analyse folgende Werthe: Wasser 51„-n resp. 50,w resp. 49,7», Stick- stofssubstanz I2,o», 9M, 1 l,«i, Fett O^r, 0^«, 0/>i, Kohlenhy drate 34,i», 35,»», 35,i«, Holzfaser 0,»>, 1,»i, l^>, Mineralstoff 0,»», 1,«», 1^-°. I)r. Bischoff sagt dazu: „Au« den Analysen folg«, daß trotz etwa» Höheren Wassergehalt«, al« die» gewöhn lich in frischem Brod zu konstatiren ist, sämmtlichen drei Brod- sorten ein erheblich höherer Nährwcrlh zuzusprechen ist, al» er bei den üblichen Brodsorten gefunden wird. Die Stick stoffsubstanz erscheint in prozentualisch erheblich reichlicherer Menge als bei niehr oder weniger kleiesreiem Brod. Auch die Verdaulichkeit de« Brode« dürfte eine leichtere sein, da da« Brod sich leichter lockert als bei gebackenem Teigbrod. ES dürfte mithin das vorliegende Verfahren der Brodbereit- ung besonderer Beachtung werth erscheinen." — Die Welt im Jahre 2000! Folgende Zukunfts phantasie Herrn Berthelvt'S, de« neuen französischen Ministers de« Auswärtigen, bringt „Der Dampf" jetzt ivieder in Er innerung mit dem Hinzusügen, daß die ausgeführten Gedanken nicht Eigenthum BerthelotS sind, sondern schon vor ihm von Werner Siemens in einem Bortrage „Das naturwissenschaft liche Zeitalter" auf dem Naturforscher-Congreß in Berlin ausgeführt wurden. Berthelot äußerte sich bei Gelegenheit eine« 1894 veranstalteten Festmahl« etwa folgendermaßen: Die Chemie hat in den letzten Jahrzehnten Große« geleistet; das ist aber nur der Anfang, bald werden viel bedeutendere Fragen gelöst werden. Um da« Jahr 2000 wird e» keine Landwirthschaft und keine Bauern mehr geben, denn die Chemie wird die bisherige Bodenkultur aufgehoben haben. ES wird keine Kohlenschachte, folglich auch keine Bergarbeiter- Ausstände mehr geben, denn die Brennstoffe werden durch chemische und physikalische Prozesse ersetzt sein. Zölle und Kriege werden abgeschafft sein, die Luftschifffahrt, die sich chemischer Stoffe als Bewegungsmittel bedient, hat diesen veralteten Einrichtungen da» TodeSurtheil gesprochen. Da« Problem der Industrie besteht darin, unerschöpfliche Kraft quellen zu finden, die sich mit möglichst wenig Arbeit er neuern. Bisher wurde Dampf durch die chemische Energie verbrannter Steinkohlen erzeugt, aber die Steinkohle ist be schwerlich zu gewinnen, und ihr Vorrath nimmt von Tag zu Tag ab. Man muß daran denken, die Sonnenwärme und die Hitze des Erinnern zu benutzen. ES ist begründete Hoffnung vorhanden, beide Wärmequellen in unbegrenzte Verwendung zu nehmen. Einen Schacht von 3000—4000 Meter zu bohren, übersteigt nicht da» Können der heutigen, noch weniger der künftigen Ingenieure. Damit wäre die Quelle aller Wärme und aller Industrie erschlossen; nimmt man noch das Wasser dazu, so kann man auf der Erde alle erdenklichen Maschinen laufen lassen, und diese Kraftquelle wird in Hunderten von Jahren kaum eine merkliche Abnahme erfahren. Mit der Erdwärme würden sich zahlreiche chemische Probleme lösen lassen, darunter da» höchste Problem der Che mie, die Herstellung der Nahrungsmittel aus chemischem Wege. Im Grundsatz ist e» schon gelöst: Die Synthese der Fette und Oele ist längst bekannt, bald wird man auch die Zusammensetzung der Stickstoff-Elemente kennen. Die LebenS- mittelfrage ist eine rein chemische; an dem Tage, wo man die entsprechend billige Kraft bekommt, wird man mit Kohlen stoff au» der Kohlensäure, mit Wasserstoff und Sauerstoff au« dem Wasser und mit Stickstoff au« der Atmosphäre Lebensmittel aller Art erzeugen. Wa« die Pflanzen bisher thaten, wird die Industrie thun, und vollkommener als die Natur. ES wird die Zeit kommen, wo Jedermann eine Dose mit Chemikalien in der Tasche trägt, aus der er sein NahrungSbedürfniß an Eiweiß, Fett und Kohlehydraten be friedigen wird, unbekümmert um Tages- und Jahreszeit und Regen und Trockenheit, um Frost, Hagel und verheerende Insekten. Dann wird eine Umwälzung eintreten, von der man sich jetzt noch keinen Begriff machen kann, Fruchtfelder, Weinberge und Viehweiden werden verschwinden; der Mensch wird an Milde und Moral gewinnen, weil er nicht mehr vom Mord und der Zerstörung lebender Wesen leben wird. Dann wird auch der Unterschied zwischen fruchtbaren und unfruchtbaren Gegenden fallen, und vielleicht werden die Wüsten der LieblingSausenthalt der Menschen werden, weil e» dort gesünder ist al« auf dem durchseuchten Schlammboden und den sumpfigen angefaulten Ebenen, wo jetzt der Acker bau betrieben wird. Dann wird auch die Kunst sammt allen Schönheiten de« menschlichen Lebens zur vollen Ent faltung gelangen. Die Erde wird nicht mehr so zu sagen entstellt durch die geometrischen Figuren, die jetzt der Acker bau zieht, sondern sie wird ein Garten, in dem man nach Belieben Gras und Blumen, Wald und Busch wird wachsen lassen können, und in dem da« Menschengeschlecht im Ueber- flusse, im goldenen Zeitalter leben wird. Der Mensch wird deshalb nicht der Trägheit und der Verderbniß verfallen. Zum Glücke gehört die Arbeit, und der Mensch wird arbeiten, so viel wie jemals, weil er nur für sich arbeiten, um seine geistige, moralische und ästhetische Entwickelung auf die höchste Stufe zu bringen. — Ein tragikomisches Mißverständniß, so wird au« Petersburg geschrieben, hat sich dieser Tage auf der so genannten „Petersburger Seite", dem vorzugsweise von einer armen Fabrikbevölkerung bewohnten Stadttheil, zwischen einem Senator und einem Offizier abgespielt. Einem Offizier, der in vorgerückter Abendstunde diese etwa« unsichere Gegend passirtc, folgte in naher Entfernung auf Schritt und Tritt ein Herr in Civil, der in dem vor ihm gehenden Jünger de« Mar« den besten Schutz vor einem etwaigen Raubüberfall zu finden hoffte, während Letzterer anfing, sich über den ihm beständig folgenden Civilisten eigene Gedanken zu machen. Al« nun der Offizier nach seiner Uhr sehen wollte und diese nicht sand, wandle er sich blitzschnell um, packte den Civilisten am Kragen und schrie: „Sie haben meine Uhr gestohlen, geben'Sic dieselbe sofort zurück, sonst geht cS Ihnen schlecht." Der Civilist überreicht denn auch mit zitternden Händen dem Offizier eine Uhr und läuft, was ihn die Beine tragen. Zu Hause angekommcn, macht der Offizier die Entdeckung, daß seine eigene Uhr aus dem Toilettentisch liegt und er selbst eine fremde Uhr geraubt hat. Der Offizier begab sich nun sofort zur Polizei, um von dem Vorfall Mitlhcilung zu machen. Hier rief seine Mittheilung Hellen Jubel hervor, denn kurz vor ihm war ein Herr Senator auf der Polizei gewesen, hatte seine Beraubung ang-ueigt und in einer für die Petersburger Sicherheitspolizei wenig schmeichelhaften Weise darüber geklagt, daß die Frechheit der Petersburger Spitzbuben schon so weit gehe, daß sie sich zur Ausübung ihre» sauberen Handwerke« sogar in Offizier-uniform kleiden. — Eine wichtige Neuerung im Eisenbahn wesen wurde jüngst auf der Kaschau-Oderberger Bahn mit Erfolg erprobt. Dieselbe besteht in einer Vorrichtung, welche einem auf der zu durchfahrenden Strecke völlig fremden Ma-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)