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Muntzschau. Den „Hamb. Nachr." wird ausBerlin, 22.Febr. telegraphiri: „Die Unterhandlungen zwischen den Großmächten wegen einer gemeinsamen europäischen Behandlung der italienischen Angelegenheit werden ' eifrig fortgesetzt. Die Grundlagen für eine Conferenz find indessen noch keineswegs vereinbart." Obwohl der wichtige Theil des Ebe-GtsetzeS, der von der Civilehe handelt, durch die Abstimmung des preußischen Herrenhauses gänzlich gefallen ist, so wird die Regierung doch die Vorlage nicht zurück ziehen, sondern sie die weiteren parlamentarischen Stadien durchlaufen lassen. Man würde diesen Be schluß völlig mißverstehen, wenn man daraus die Folgerung ziehen wollte, daß das Ministerium sich dadurch der Entscheidung deS Herrenhauses füge und auf den Theil deS Gesetzes, welcher di« fakultative Hhr die vermtztzentz« KßMderhelt, der r«de»kirchr «MMtden, «ber M»n stk^l sich da» stH«M religiöse PiSüßtsein der Meisten. ' Die- Mußte eüdlich den Staat Sahin bringen, daß er sich auf sein „gesetzgeberische- Majestät-recht" und auf seine Wichten gegen Angehörige, die nicht-wollten, als waS ihnen gesetzlich erlaubt war, besann. Lange hatte der jetzige König, der nach evangelischem Rechte zugleich LaUdeÄischvf ist, geschwankt, auf welche Seite er seine ausschlaggebende Gewalt verlege. Ein Ehegesetz, da- die zahlreichen Schetdungögründe deS Landrecht- erheb lich verminderte, indessen eS in Jedermanns Willen stellte, ob er sich kirchlich oder bürgerlich trauen lassen wolle, wurde mir dem Abgeordnetenhaus» vereinbart. Mein auch da- HerrinhauS mußte noch Za sagen; und di>S Herrenhaus zeigte sich der Kirche verwandter al- dem Staat, e- sagte — Nein. Wir find im Grunde mit diesem AuSgange nicht unzufrieden. Er ist unS immer noch erwünschter, al- wenn da- Herrenhaus statt der fakultativen Civilehe die sogenannte Nothcivilehe aufgestellt und dadurch die Mi nister in ihrer unbegreiflichen Nachgiebigkeit bestimmt hätte, ihren Einfluß bei den Abgeordneten aufzubieten, daß auch diese sich auf ein weder zureichendes, noch würdiges AuSkunflSmiiiel einlaffen möchten- Wenn jetzt der Riß zwischen dem Siaatsgesetz und der kirchlichen PrariS ungeschlossen bleibt, so wird sich für die wider setzliche Geistlichkeit und ihren Anwalt, da- Herrenhaus, eknfach die Geschichte von den sibyllinischen Büchern er neuern, die bekanntlich immer theurer wurden, je mehr Bände davon verbrannt wurden. Jetzt hätte sie noch mit der fakultativen Civilehe abkommen können. Wenn der Gegenstand auf'- Neue der Gesetzgebung zu thun giebt, so werden voraussichtlich die landrechtlichen Schei- dungSgründe gnädiger und die widersetzlichen Geistlichen minder gnädig angesehen werden. Der Staat wird dann au- den Thalfachen die Folgerung ziehen, <aß die Geistlichen sich im Allgemeinen und als Stand unfähig erwiesen haben, die Eheschließung zu besorgen, und wird ihnen folglich diese Sorge ganz abnehmen, um sie weltlichen Beamten zu übertragen, welche den StaatSgesctzen gehorsam find. Die Civilehe ist jetzt auch jn dem nichtrheinischen Preußen nur noch eine Frage der Zeit. W»sichte. .. Wtigt »s nur,Wr rrscheidüng de» Abgeördnetea» hauseS nicht vorzugreifen. Wenn diese-, wie vöraüS- sichtlich, die vom Herrenbause verworfenen Dar» graphen dem Gesetze wieder ein fügt, so wird dasselbe noch einmal zum Herrenhaus« zurückgehen und letzttrr- noch einmal veranlaßt werden, entw^erseinen jetzigen Beschluß zu wiederholen oder etwa die Hand zur Ausgleichung zu bieten. Die Erklärung, welche der „Ztg. f. Rdd," zufolge das Berliner Cabinet in Wien abgegeben habe, daß nämlich Preußen ein Ueberfchreiten der Minciolinje von Westen her als einen vssas belli brtrachien Würde, eristirt nicht. Allem Anscheine nach wich in Berlin die Entwicklung der italienischen Frage M noch nicht in dasjenige Stadium gelangt angesehen, in welcher eS das preußische Cabinet rachsam halten könnte, sich für die eine oder die andere Seite öffentlich zu entscheiden. — Man spricht in gutunterrichtrten Kreisen von der Uebergabe der vmetianischen Pro vinzen an den Großherzog von ToScanä in Art einer Erkunrogenilllr; ebenfalls sollen ihm Modena, Parma und die Romagna zugewirsen werden, um M Föderativstaat unter einem italienischen Prinzen iw den neuzuschaffenren Großstadt einzutreten. Di« Annexion von Toscana würde somit für Piemont be willigt und der Züricher Vertrag ,ü einer den contra- hirenden Mächten genehmen Lösung gebracht. Der dermalige Zustand der vmetianischen Provinzen ist unhaltbar. Das unaufhörliche Auffordern vöj» Seilest der freundnachdarlichen Regierung zur Empörung rM zum Widerstande vereitelt jede Maßregel der öster reichischen Behörden, und das energische Auftrete« deS neuen Statthalters Ritters v. Toggenburg wird manches Opfer kosten, aber, falls sich die Umstände nicht ehestens verändern, weder auSdauern, nochNutzm bringen können. Gegenüber den verschiedenen Gerückten, welche seit mehreren Tagen, in Wien über Veränderungen in der Regierungspolitik verbreitet warm, mußte die kaiserliche Verordnung über die Besitzfähigkeit der Israeliten einen sehr günstigen Eindruck machen und die Uebeizeugung neuerdings kräftigen, daß die Regie rung auf der Bahn der Reformen unbeirrt fortsckreitet und den Einflüssen fest widersteht, welche sich in einer anderen Richtung gellend machen. Zwar ist die Be- sttzfähigkeit nicht in allen Kronländern unbeschränkt aüSgesvrochen und in einigen Aronländcm bleibe«, dir bisherigen Verhältnisse aufrecht; aber man muß eben Vie Verhältnisse der österreichischen Provinzen genau kennen und nicht von leidenschaftlichen Vorurtheilen befangen sein, um die gegründete und gerechte Vorsicht der Regierung zu würdigen. . Traurig klingen die Berichte auS U n te r-äkra iw und Kroatien, wo die HungerSnoth einen Höhen Grad erreicht hat. Der Bauer hat alle seine Vorräche verkauft, verbraucht und sogar die Saatkartoffeln arid Saatkörner angegriffen. AuS Rom schreibt man vom 18. Febr.: Heute war der Corso der Liberalen vor Porta Pia der Tum melplatz von mehr alS 500 Wagen und 20,000 Men-