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Bischofswerda, Stolpe« und Umgegend. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich 2 Mal, Mittwochs und Sonnabend-, und kostet virrteyikhrlich 12j Ngr. 96/> Mittwoch, de» S Deeember. s1856 ll. Der Staatsdienst. Es ist «Ine nicht zu seltene Erscheinung, daß heut zutage Diejenigen, welche mit dem Advocatenstande un zufrieden find, den Staatsdienst als die alleinige ruhm volle Laufbahn eines Zulisten bezeichnen. Allein die tägliche Erfahrung beweist zur Genüge, daß dieses Ur- theil trotz der anerkannten Mängel intierhalb unsres Advocatenstande« mehr auf den äußern Schein, als auf den inner» Kern deS Sachverhalts bastrt ist. Der Advocat, der selbstständig und mit alleiniger Verantwortlichkeit die Interessen seines Clienten vertritt, der als Rathgeber deS Letzter» zu den mannichfaltigsten Geschäften deS LebenSverkehrS herzugezogen wird, dessen Meinung und Gutachten bei Unternehmungen der ver schiedensten Art entscheidend auf die Handlungsweise seines Clienten einwirkt, — er kann und darf, wenn er die geeigneten vielseitigen Kenntnisse besitzt, um daS Vertrauen seine- Clienten zu rechtfertigen, um uner schrocken und fest die nach reiflicher Ueberlegung ge faßte Üeberzeugung zu verfechten — er kann und wird eben so hoch an Achtung steigen, als jeder pflichtgetreue StaatSdiener. Zeder Staat hat die Verpflichtung, da für zu sorgen, daß dem tüchtigen Advocaten eineStheilS eine seiner Stellung angemessene Selbstständigkeit vor Gericht, anderntheilS eine seinen Bemühungen entspre chende Vergütung zugefichert werde. Der Advocaten- stand hat bei den bedeutenden Anforderungen, welche er an den Einzelnen stellt, seine schwere Verantwort lichkeit, und eS ist nicht leicht, jederzeit für die Inte grität dieses Berufs mit der gesammten Thätigkeit ein zustehen. Die große Menge ist daher im Jrxthume, weon fie dem Advocatenstande jene Achtung verweigert, welche fie dem Staatsdienste zollt. Beider Berufe haben ihre ernsten und heiligen Pflichten, beide wirken, jeder in seiner Weise, für ein hohe- und erleS Ziel, für die Rralisirung der Recht-ideen im Staatsvrrbande, Außer diesen Angriffen auf die allgemeine Achtung des Advocatenstande- führen dessen Gegner noch Fol gende- zur Lobpreisung de- Staatsdienste- an: 8) daß der Staatsdienst in der Rangordnung seiner Aemter dem Züngtrn die Aussicht auf Beförde rung, in der Einrichtung seiner Pension-Institute Elfter Jahrgang. dem Aelteren die Aussicht auf eine sorglose Zu kunft gewähre; d) daß der Staatsdienst in der Firirung seiner Ge halte dem Beamten die Anlegung eine- bestimm ten Ausgabeplans ermögliche; v) daß der Staatsdienst in der Firirung seiner Ar beitsstunden dem StaatSdiener hinreichende Muse zur weitern AuS- und Fortbildung gewähre. Der erste Punct ist unstreitig derjenige, welcher am meisten für den Staatsdienst zu sprechen scheint. Betrachten wir ihn näher. Allerdings bietet der Staatsdienst auS dem obengedachten Grunde Aussicht auf Beförderung; allein gar mancher StaatSdiener wird wehklagend mir entgegnen, daß diese Aussichten mit der Dauer der Anstellung eher ab- »lS zunehmen. Ein glänzendes Phantom empfängt den angehenden StaatS- diener und verkündet ihm eine ruhmreiche Zukunft, allein der Ruf deS Staates, der ihn in die trostlose Einsam keit eines entlegene» Provinzialstädtchens sendet, weckt ihn auS seinen Träumen zur grellen Wirklichkeit. Die Anforderungen, welche die Erlangung höherer StaatS- ämter und insbesondere selbstständiger Richterstellen an den Einzelnen stellt, haben sich heutzutage bedeutend vermehrt, denn die hochherzigen Bestrebungen unsrer Gesetzgebung, dem Staate eine nationale Rechtspflege zu geben, erfordert eine durchgreifende Umbildung der eingelernten RechtSshsteme, so wie der bestehenden PräriS. Unsre Strafproceßordnung und ihre Geschichte zeigen, daß der Geist unsrer vaterländischen Legislative in über raschender Schnelligkeit vorwärts schreitet, daß daher Derjenige, welcher hie Fähigkeit nicht besitzt, mit dem fortschreitenden GesetzgebungSwerke eine Linie zu halten, bald zurückbleiben und immer weniger Aussichten auf Beförderung finden wird. Wer aber diese Fähigkeit hat und mit regem Eifer den neuen Reformen folg«» kann, dem bleibt, er mag Advocat oder Staat-- diener sein, die gegründetste Hoffnung auf Avance ment, denn der Advocat hat gegenwärtig besonder-zwei Gelegenheiten, bei denen er sestt Talent dem Staate wie dem Publicum empfehlen kann, dir Presse und die mündliche Vertheidigung bei öffentlichen Verhandlungen; jene durch den Standpunkt und dir Tendenz nnsrer Gesetzgebung überhaupt, diese durch die Reformen drS StrafprocrffeS in-brsonderr geweckt und genährt. WaS nun aber ferner die PenfionSanstalteN anlatigt,