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Woche n b ! a t t ' .. - für ' . Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich 2 Mal, Mittwochs und Sonnabends, und kostet vierteljährlich irz Rgr. 94.^ Mittwoch, de« LH. November ^1856- I. Der Advocatenstand. Der Advocatenstand war einst sm Alterthume von so hoher Bedeutung, daß die ersten Staatsmänner in der Advocatur ein Ehrenamt erblickten, welches mit den heiligsten Pflichten im Interesse des öffentlichen Wohls die uneigennützigste Thätigkeit für daS Sonderintereffe Einzelner verband. An eine Entgeltlichkeit der advo- catorischen Leistungen war zu jener Zeit nicht zu denken. Letztere war erst «in Product späterer Zeiten, ein neues Stadium, in welches der Stand eintrat und welches seine Stellung im-Staatsleben wesentlich veränderte. Und dieser Stand konnte gegenwärtig an Achtung und Anerkennung so viel verlieren? WaS brachte den Advocaten, den dereinstigen Schirm und Schutz deS RechtS und der Gesetze um das allseitige Vertrauen, welches er ehemals in so hohem Grade genossen hatte? Er, der daS Gesetz recht eigentlich zum Gesammteigen- rhum deS Volk» machen sollte, er wurde beargwöhnt und als Feind deS Gesetzes verdächtigt? Man hat die Schuld dem Stande überhaupt zur Last gelegt. Nicht« ungerechter als dies. Die öffent liche Meinung ist in ihrem Tadel eben so hart als ihr Schmeicheln trügerisch ist. Die Menschheit liebt eS, von dem Jndividuo auf die Gattung zu schließen. Ge täuscht von dem Einen, mißtraut ste dem Andern; nichts ist so ansteckend, als daS Mißtrauen; nichts so vergäng lich als daS Vertrauen. Der Advocatenstand als sol cher ist ehrwürdig und achtbar, dafür bürgt seine Ver gangenheit. Der Advocatenstand ist ein integrirender Bestandthril des StaatSorganiömuS; er ist nothwendig, wie Gesetz und Recht im Staate nothwendig find. Wer wollte leugnen, daß es unter unfern Advocaten so Mauchen gieb», der, durchdrungen von dem Ernste seines Berufs und erfüllt vom Eifer für sein« Pflicht, dem Verfall deS Standes mit unermüdlicher Kraft und Aus dauer entgegenarbeitrt? Als Hauptursache deS Verfalls bezeichnet man die Menge von Advocaten , mit denen das Land gleichsam überfluthet ist. Allerdings nimmt eS Wunder, wenn man in unftrm Vaterlande 780 praktirirende Advocaten findet, wenn darunter auf Dres den 147 und auf Leipzig über 180 Mitglieder deS Av- »ocätmstandeS zu rechnen find. Dies find .Erscheinungen, die gerade nicht sehr erfreulich genannt werden können. Elfter Jahrgang. Allein eS ist nicht-bloS die Menge der concurrirenden Advocaten, welche auf den gegenwärtigen Standpunkt deS Advocaten Niederdrücken» einwirkt; eS ist nicht bloS der Umstand Ursache des Verfalls, daß einzelne Mit glieder des Standes, welche entweder daS allgemeine Vertrauen nicht erlangen können oder dasselbe gar ver loren haben, in Ermangelung hinreichender PrariS und getrieben durch Noch und Bedürfniß auf solche Neben beschäftigungen sich werfen, welche nicht immer mit der Würde des Standes, mit der hohen Aufgabe des Be rufs im Einklang stehen. Die Ursachen deS Verfalls sind recht eigentlich: 1) her Mangel einer über den Advocaten stehenden, aus Standesgenoffen gebildeten AdminiftrationS- und DiSciplinar-Behörde; 2) der Mangel abgesonderter, hinreichender Prüfung Derjenigen, welche sich um Aufnahme in den Ad vocatenstand bewerben; 3) die Niedrigkeit oder vielmehr Unverhältnißmäßig- keil der erlaubten Tarensätze. Um die Achtung und das Ansehen seines Advocaten- standes zu erhöhen, muß der Staat vor Allem daS Selbsthewußtsein desselben heben, er muß zeigen, daß er diesem Stande sein volles Vertrauen schenke «ad muß zum Beweise dessen ihm jene korporative Macht ver leihen, welche die hauptsächlich« Grundlage eiurr poli tischen Bedeutung im StaatSorganiSmuS bildet. Jene korporative Gewalt äußert sich aber in doppelter Hin sicht ; sie äußert sich nach Innen, den einzelnen Mitglie dern gegenüber, als AdministrationS- und DiSciplinar- Gewalt, sie äußert sich nach Außen , den Ansprüchen Dritter, Nichtmitglieder, sowie insbesondere den Gerichten gegenüber als selbstständige juristische Persönlichkeit. Es muß zuvörderst aus dem .Advocatenstand« -eine Com- misstoy hervorgehen. vielleicht gewählt von den Mit- gliedeyt vaterländischer Ädvocatenverelne, bestätigt von dem Justizministerio. Diese CoMMtsfion bestimmt als AdminiftrationSbehördr, in welcher Weise der innere -Ausbau der Corporation geregelt- wird; ein vielleicht auf Zeit creirrrr Ausschuß desselben hat die Verpflich tung, diejenigen jungen Juristen, welche sich de« Ad- vocatenstanv« widmen wollen, zu.prüft«; er wird ins besondere hierbei darauf zu sehen haben, daß der Auf- zunehwende hinreichend, Kenntniß iurpraetischen Recht besitze, länger« Zeit, vielleicht 2— 3 Jahre wenigstens,