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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 22.06.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189506227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18950622
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18950622
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-06
- Tag 1895-06-22
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Monat
1895-06
-
Jahr
1895
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Rendsburg, 20. Juni, 5 Uhr 40 Min. 'Nachmittag». Der russische Aviso „Großjaschtfchi" ist mit erheblicher Ver spätung, vom Kanaldampfer „Danzig" geschleppt, erst um 4 Uhr 30 Min. hier passirt. Das Schiss scheint Havarie gehabt zu haben. Der spanische Aviso passirte rechtzeitig, der schwedische Aviso „Adda" folgte dicht auf „Großjaschtschi". Holtenau, 20. Juni. Unser Ort bietet seit heute früh ein überaus belebtes, buntfarbiges Bild. Schon seit dem frühen Morgen ging Schiff auf Schiff mit immer neuen Menschenmassen von allen Kieler Landungsbrücken nach Hol tenau. Die ringsum erbauten Tribünen sind Kops an Kops besetzt, die Damen in Hellen Sommcrtrachlen, die Herren in Uniform oder Frack. Von >2 bis 12'/, Uhr herrschte leb hafte Spannung, ob die Kaiserhacht „Hohcnzollern" auch pünkt lich eintreffen werde. Punkt 12'/, Uhr wurde die Kaiser standarte sichtbar und um 12 Uhr 33 Min. erreichte die „Hohenzollcrn" die Schleuse. Um 12 Uhr 38 Min. gab der Panzer „Kurfürst Friedrich Wilhelm" durch drei schnell aus einander folgende Schüsse das Zeichen zum Salut, welcher von den anderen Schissen sogleich ausgenommen wurde und einen wahrhaft großartigen Eindruck machte. Die an den Seilen der Schleuse ausgestellte Leibcompagnie des ersten GardercgimentS und die Matrosenabtheilung präsentirtcn. Von alle» Schiffen und vom Publikum ertönte laute«, sich immer erneuerndes Hurrah. Der Kaiser dankte von der Kommando brücke nach allen Seiten. Die Dacht „Kaiseradler" passirte erst 1 Uhr 2b Min. die Schleuse. Holtenau, Festplatz, 20. Juni, 12 Uhr4b Min. Nachm. Soeben gleitet die Kaiser-Dacht „Hohcnzollern" majestätisch aus der Schleuse in den Hafen. Der Panzer „Kurfürst Friedrich Wilhelm" eröffnet da« Salutschießen, sämmtliche Schiffe fallen mir 33 Schüssen ein. Unter Kanonendonner erschallen brausende Jubclrufe von Tausenden von Zuschauern. Der Kanal ist damit eröffnet. Da« Wetter ist prachtvoll. Holtenau, 20. Juni, an Bord der „Augusta Viktoria". Die englische Dacht „Osborne" gcricth heute Nachmittag in der Nähe von LcvcnSau fest, wodurch alle nachfolgenden Schiffe längere Zeit ankern mußten. Locale und sächsische Nachrichten. — Dresden, 10. Juni. Aus der neuen Hochanlage des Böhmischen Bahnhofes ereigneten sich gestern leider die ersten Unfälle. Al« Nachmittags gegen Uhr ein ziemlich langer Rangirzug vom Abstcllbahnhosc nach dem Per sonenbahnhöfe geschoben wurde, gerieth derselbe auf ein soge nanntes todtcS Gleis, welches bei der Chemnitzer Straßen brücke endet und mit einem Prellbock abfchließt. Trotzdem rechtzeitig Haltesignale gegeben, die aber vom Lokomotivführer der Länge des Zuges wegen nicht sogleich wahrgenommen wurden, fuhr der erste Wagen mit ziemlicher Gewalt gegen die Brückenwand, dabei den Prellbock zertrümmernd. Die hierdurch an diesem und den nächstfolgenden Wagen entstandenen Beschädigungen sollen ziemlich bedeutend sein. Der zweite Unfall ereignete sich gegen 12 Uhr 'Nachts, al« der von Riesa- Leipzig kommende Personcnzug in die Halle einfuhr. Von demselben entgleisten in einer englischen Weiche 2 Personen wagen, wodurch eine Verkehrsstörung eintrat, die erst nach längerer Zeit beseitigt werden konnte. Glücklicherweise sind bei beiden Unfällen Verletzungen von Personen nicht vor gekommen. — Grimma. In Podelwitz ist in diesen Tagen ein 25 Jahre alte« Mädchen, das -zu einem Balle eingeladen war, während des Tanzes irrsinnig geworden. Nur mit Mühe gelang es, das Mädchen, da« wie rasend um sich schlug, soweit zu beruhigen, daß man es zu den Eltern bringen konnte. Da« bedauernSwerthc Mädchen war ein Jahr lang verlobt gewesen, ihr Bräutigam hat c« aber im Stiche ge lassen und ist nach Amerika verschwunden. Das Mädchen, welche« schon Tag« zuvor Zeichen von Geistesgestörtheit ge zeigt haben soll, ist nunmehr einer Irrenanstalt übergeben worden. — Schneeberg, 19. Juni. In vergangener Nacht ist in Oberschlema ein zu den Granilstcinbrüchen am Gleeß- berge (Besitzer Ingenieur Fraude) gehöriges Haus nebst Scheune vollständig abgebrannt. Das Feuer, das jedenfalls angelegt worden ist, brach in der Scheune aus. Die das Haus bewohnenden zwei Familien (Bruchmeister Heilmann nnd Bruchschmied Pfister) haben mit Mühe und Noth das Leben retten können; sie sind von vorübergehenden Personen, als das Haus schon brannte, erst aus dem Schlafe geweckt worden. Von dem Eigenthum der Bewohner ist sehr wenig geborgen worden. — Kirchberg. ES dürste nicht allgemein bekannt sein, daß die Stätte der Entstehung des bekannten und beliebten Volksliedes „Guter Mond, du gehst so stille" auf dem hiesigen Borberge zu suchen ist. Der Verfasser dieses Liedes ist nicht, wie fälschlicherweise in den Büchern angegeben ist, EnSlin, sondern wie der ehemalige Seminarobcrlchrer Rudolf Kell- Plauen mit Bestimmtheit versicherte, dessen Bruder der frühere Rektor Julius Kell-Kirchberg. Letztgenannter Herr ist 1849 in Dresden gestorben und steht besonder« bei der älteren Lehrerwclt Sachsens als Schriftleiter der Sächs. Schulzcitung und al« eifriger Förderer bez. Mitbegründer des Sächs. Pesta- lozzivereinS noch in hohem Ansehen. — Cölln bei Meißen, 18. Juni. Eine schlichte, aber erhebende Feier wurde gestern früh von 8 Uhr an aus dem für die neue Kirche bestimmten Bauplatze abgehaltcn, die Feier des ersten Spatenstiches zu dem nunmehr begin nenden Kirch en bau. Eingeleitet wurde dieselbe mit voll tönendem Glockengeläute. Nach demselben wurde von der Versammlung ein eigen« für die Feier gedichtetes kurze« Lied gesungen. Hierauf folgte die Verlesung eine« Theile« aus dem Schristwvrt de« 90. Psalm«. Nach einem vom Pastor Hickmann gesprochenen Gebet aus dem „Vater Unser" wurde der erste Spatenstich mit einem mit Rosen geschmückten Grab scheit vollzogen. Hieran bctheiligtcn sich der Maurerpolier, der Bauführer, sowie die Meister der Maurer und Stein metzen. Hieraus wurde über die Versammlung der Segen gesprochen und ein Gesangbuchver» gemeinsam gesungen. Glockengeläute beendete die Feier. — In einem Erlaß an sämmtliche Reichspostanstalten hebt die oberste Postbchörde hervor, daß seit längerer Zeit fortgesetzt falsche ReichSkassenschcine zu 50 Mark und b Mark zum Vorschein kommen, und zwar je drei in ver schiedenen Fälschungsarten, deren Merkmale ganz genau be zeichnet werden. Im Besonderen aber giebt da» Reichspostamt folgenden verläßlichen PrüsungSmodu« der Echtheit unserer ReichSkassenschcine an, welcher auch für den privaten Geld umsatz von großem Interesse ist: Zu sämmtliche« Reichs kassenscheinen wird ein gute«, kräftige« Papier von besonderer Festigkeit verwendet, welches aus einer Seite einen Streifen von blauen, in die Papiermasse eingebetteten stärkeren Fasern trägt. Der Fascrstrcisen zeigt eine blaue Färbung durch die ganze Papiermasse. Die blauen Fasern lassen sich mit einer Nadel aus der Papiermasse auSlöscn, wie durch eine Probe ohne Beeinträchtigung der Giltigkeit de» Scheine« festgcstcllt werden kann. Liegen die Fasern ihrer ganzen Länge nach auf der Oberfläche, so kann man sicher sein, ein Falschstück vor sich zu haben. Der gleiche Verdacht ist gerechtfertigt, wenn die Fasern zwischen zwei Papierschichtcn liegen. Ist die« der Fall, so lassen sich entweder beide Schichten leicht durch Wasser trennen, oder die obere Schicht kann durch Reiben mit einem stumpfen Messer entfernt werden, sodaß die zweite Papicrschicht mit den daraufliegenden Fasern zu Tage tritt. Dar echte Papier muß eine einheitliche feste Schicht mit gut geglätteter, weder glänzend noch wollig aus sehender Oberfläche bilden. — Ncudeck. Nächsten Sonntag, den 23. d. hält der „Erzgebirgs-Verein für Ncudeck und Umgebung" beim „Glo- riett" am Kreuzberge ein großes Wald fest (Sonnenwend feier) ab, bestehend in Turn-, Musik- u. GcsangS-Productionen. Bei einbrcchenrer Dunkelheit brillantes Feuerwerk. Bei un günstiger Witterung findet da« Fest in den SchießhauSsäien zu Ncudeck statt. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 21. Juni. (Nachdruck verboten.) Vor 100 Jahren, am 21. Juni 1795, machten die französischen Emigranten den Versuch, gegen die französische Republik aufzutreten. Von einer englischen Flotte unterstützt und von England mit reichlichem Kriegsmaterial versehen, landete am genannten Tage das erste der Emigrantenheere an der Küste der Bretagne, um im Westen Frankreichs einen allgemeinen Aufstand zu erregen. Bei Quiberon, wo sich das Fort Ponthwvre befindet, welches sogleich von den Emigranten genom- men wurde, stießen zu diesen mehrere lausend Bauern. Trotzdem nahm das ganze Unternehmen schließlich einen ungünstigen Ausgang, weil die thatkräftige Unterstützung Englands fehlte. 22. Juni. Am 22. Juni 1815 unterzeichnete Napoleon, gedrängt und be droht, daß seine zwangsweise Absetzung erfolgen werde, seine Abdankung ru Gunsten seines Sohnes Napoleon II. und übersandte diese Urkunde den Kammern, die ihm dafür den „Dank der Nation" aussprachen. Es war das eine leere Komödie gegenüber der gefallenen Größe, wie mau auch gar nicht daran dachte, zu Gunsten des kaiserlichen Prinzen sich irgendwie anzustrengen. Fouchi theilte den Kammern die Verzichtleistung ohne den auf Napoleon II. bezüglichen Passus mit. 23. Juni. Vor 300 Jahren, am 23. Juni 1595, ist der schwedische Reichs rath und Feldmarschall Johann Banner (Bam-r), einer der tüchtigsten Generale im 30jährigen Kriege, geboren. Er kämpfte in allen Kriegen Gustav Adolfs mit Auszeichnung, wurde 1630 General der Infanterie und 1634 Feldmarschall und Oberbefehlshaber der schwedischen Armee in Deutschland. Trotz überlegener Feinde und oft unzuverlässiger Ver bündeter, erhielt er die Ehre der schwedischen Waffen aufrecht. Seine hervorragendsten Kricgsthaten waren der Sieg bei Wittstock, der Rück zug von Torgau nach Pommern, der Sieg bei Cbemnitz und der Rück zug von der Oberpfalz nach Sachsen, währenddessen er starb. Der Wärchenprinz. Novelle von Hermine Schiebel. <S. Fortsetzung.) Der Wind war jetzt noch schärfer geworden, eine dichte, weiße Decke hatte sich über die erstarrte Erde gelegt, und da rüber spannte sich ein düsterer, grauer Himmel, der mißmuthig hernieder schaute, als hätte er nur ungern und halbgezwungen seine Einwilligung zu einem so frühen Winterschmuck gegeben. Plötzlich blieb die alte Babette wie an die Stelle gebannt stehen; drüben von der anderen Seite der Straße, gerade auf sie zu, kam Freiherr von der Olda; sie hatte ihn zwar nur einmal gesehen, aber sic hättc ihn unter Tausenden herausgekannt. Mit freundlichem Gruß war er zu ihr getreten, aber ehe er nur ein Wort zu sprechen vermocht, war die Empörung bei der Alten zu mächtig geworden, um sich unterdrücken zu lassen. „Ach, Sie kommen wohl, um mich um Verzeihung zu bitten," kreischte sie ihn an, als wäre sie die von ihm lödt- lich Beleidigte, „aber davon kann nicht die Rede sein, die Untersuchung ist bereits eingeleitet, und die Sache geht ihren Gang." Der Freiherr blickte sie betroffen an, während die Alte kirschroth im Gesicht einen Augenblick inne hielt, um den nö- thigen Athem zu schöpfen. „Das ist mir ja eine schöne Geschichte," fuhr sie dann in demselben gellenden Tone fort, „mein armes, gnädige« Fräulein, die keinem Kinde etwa« zu Leide thut, aber sie hat mir nicht glauben wollen, nun wird sie es selbst erleben, o, mein Gott, wenn ich doch Richter wäre, zwei Jahre Festung? zwanzig Jahre sollten Sie haben!" Sie hielt wieder inne, der Schweiß rann ihr jetzt in großen Tropfen von der Stirn, aber sie wußte c« nicht, am liebsten hätte sie laut geschrieen, die Brust war ihr so eng und das Herz gar so schwer. Der Freiherr hatte sie noch immer verständnißlo» an geblickt, nur beim Namen de« Fräulein« war er leicht zusam- mengczuckt, er hatte fragen wollen, aber da« wäre ja nutzlos gewesen, eher könnte er dem Strome gebieten, rückwärts zu fließen, al» diese empörte Frau zur Ruhe zu bringen. Ein Punkt mußte ja doch eintreten, wo ihre wirren Reden erschöpft, dann war für ihn die Zeit gekommen. „Ja, zwanzig Jahre Festung," kreischte die Alte weiter, „wenn die Kugel in da» Herz gedrungen wäre, wenn die unglückliche Mutter den einzigen Sohn verloren, wenn sie ihn in« Grab legen mußte, wer hätte sic getröstet, wer hätte. . ." Die Geduld de» Freiherr« war jetzt völlig erschöpft, mit einem heftigen Ruck hatte er den Arm der alten Frau ergriffen, wie in einer eisernen Klammer hielt er ihn um schlossen. „Wo ist Ihr gnädige« Fräulein?" fragte er gebietend, „ich muß sie sprechen." Babette hatte eine so plötzliche Wendung nicht erwar tet. „Lassen Sie mich los," ächzte sie, „wollen Sie mich auch noch morden? Lassen Sie mich lo«, oder ich schreie um Hilfe." Und dabei öffnete sie ihren Mund so weit, daß man glauben konnte, am jüngsten Tage sollte ihr da» Blasen der großen Posaune übertragen werden, und sie mache hier eine geeignete Vorstudie. Unwillkürlich hatte er ihren Arm lo-gelaffen, während er ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. „Wo ist das gnädige Fräulein?" wiederholte er dringend, „ich will, ich muß sie sprechen." „Für sie paßt da« Affenfell nicht," höhnte die Freige lassene, „und klettern kann sie auch nicht, wenn Sie sich auch eine noch so große Hetzpeitsche bestellen, um besser damit knallen zu können." — Und dabei war sie sortgeeilt, ohne daß er ihr zu folgen vermochte; der Schnee fiel zu dicht, es ivärc ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. „Sie stumm und ihre Pflegerin verrückt," flüsterte er kopfschüttelnd, „und ich ihr gleich weit, gleich fern!" Während die alte Babette an dem Schmerzenslager des jungen OssizierS gesessen und theilnehniend seiner Erzählung gelauscht, wurde in dem Hause ihrer Herrin dasselbe Thema verhandelt. Frau v. Dallhofen war schreckensbleich und fass ungslos in da« Zimmer ihrer Freundin getreten; ohne auch nur ein Wort hcrvorbringen zu können, hatte sie sich in einen Sessel geworfen und da« Gesicht in Las Taschentuch gedrückt. Die Majorin war mehr al« bestürzt; seit jener Kahnfahrt war die Beziehung zwischen den beiden Damen bedeutend ge lockert, Josephine hatte da« Vorgcfallene der Tante gegenüber doch erwähnen müssen, wenn sie auch die Einzelheiten ver schwiegen, um so mehr mußte sie jetzt dieser unerwartete Be such befremden, dessen Anlaß sie sich durchaus nicht zu erklären vermochte. Endlich hatte sich die alte Dame etwa« erholt. „O, mein Gott," rief sie die Hände ringend, „das muß ich an meinem einzigen Kinde, an meinem Sohne erleben! Alle die streng christlichen Eindrücke, die er von Jugend aus im Hause seiner Mutter gehabt, haben nicht zu seinem ver stockten Herzen gesprochen, er ist verloren, hier für ein welt liches, dort für ein himmlisches Leben." Die Majorin vermochte kaum ein Lachen zu unterdrücken, vor wenigen Wochen noch hatte sie andächtig den Lobliedern einer Mutter auf ihren Sohn zuhören müssen, „der jeder Frau eine sichere und dauernde Bürgschaft böte." „Was geschehen ist, meine Theure, fragen Sie mich?" suhr Frau v. Dallhofen in kläglichem Tone fort, „geschossen hat er, auf sich selbst geschossen, o, mein Gott, mein Gott, warum hast Du eine so schwere Prüfung über mich verhängt!" Die Majorin war plötzlich ernst geworden. „Aus sich selbst geschossen?" wiederholte sie langsam „war das Zerwürsniß mit Josephine« die Veranlassung?" „Unsinn," brauste die Angercdcte auf, „Schulden, drei tausend Thaler Schulden." „Ah," rief die Majorin gedehnt, während sic unwill kürlich einige Schritte näher trat. „Ja Schulden," fuhr die unglückliche Mutter halb är gerlich, halb weinend fort, „und was mich am meisten bei der Sache verletzt, ist die Komödie, die er mit mir spielt." Sic war aufgestanden, hastig schritt sie in dem Zimmer aus und ab, während ihre Hand nervös an den Spitzen de» Taschentuches zerrte. „Welche Komödie?" warf die Majorin fragend ein. Die Gefragte trat dicht vor die Sprecherin hin. „Glauben Sie, daß, wenn man da» Herz treffen will, man nach dem Ellbogen de« rechten Arme« zielt?" Die Majorin antwortete nicht, wieder irrte ein feine» Lächeln sekundenlang um ihren Mund: da hatte ver jünge Herr ja mehr Intelligenz entwickelt, als sie ihm zu getraut. „Und das that noch dazu ein Offizier!" fuhr die empörte Mutter hastig fort, „ein Offizier, der mit der Waffe umzu gehen weiß, wie ich mit der Nähnadel, nein, es ist unerhört, ganz unerhört." Und damit warf sie sich in einen Sessel und drückte wieder das Gesicht laut schluchzend in beide Hände. „Und wa« werden Sie thun?" brach die Majorin nach einer peinlichen Pause endlich das Schweigen. „Bezahlen," schrie die Gefragte mehr al« sie sprach, „bezahlen! kann ich es denn zu einem öffentlichen Skandal kommen lassen? Mein liebenswürdiger Herr Sohn hat mir die angenehme Aussicht gestellt, daß nach diesem Anfänge Fortsetzung und Schluß sogleich folgen würden, wenn ich nicht gute Miene zum bösen Spiel machte; wa« habe ich also andere« thun sollen, al« mich verpflichten, seine Schulden zu bezahlen und seinem Oberst die nöthige Meldung von einer leichten Erkrankung zu machen." Die Majorin hatte sich abgcwandt, sie hatte ernstliche Mühe, ein laute« Lachen zu unterdrücken. Leutnant v. Dall hofen hatte sich ja erstaunlich schnell zu einer nie geahnten Höhe entwickelt, o, über da« Veilchen, da« so lange im Ver borgenen geblüht! Die Thür wurde jetzt hastig aufgerissen und da« kirsch- rothe Gesicht der alten Babette in derselben sichtbar. (Schluß folgt.) Vermischte Nachrichten. — Den Gipfel de» Leichtsinns und straswürdiger Unvorsichtigkeit erreichte dieser Tage ein Ibjährige» Kinder mädchen in Merseburg damit, daß sie ein ihr anvertrautc» halbjähriges Töchterchen ihrer Herrschaft au« den Händen fallen und — zu einer steilen Treppe hinabkollern ließ. Wie die« geschehen konnte, davon will da« faselige Ding natürlich nun selbst nicht« mehr wissen und e» ist nur ein Glück, daß da« arme Kind den gefährlichen Sturz anscheinend ohne dauernden Schaden überstanden hat. — Einen Bürgermeister von seltener Groß herzigkeit zu besitzen, darf sich der kleine Ort Witzhcldcn im Kreise Solingen rühmen. Dieser seltene Mann lehnte jüngst eine ihm zugedachte Gehaltserhöhung ab, womit die Gemeindeverordncten ihn erfreuen wollten, und jetzt hat er seiner Gemeinde für den beabsichtigten Neubau eine» Rath hause» den erforderlichen Bauplatz geschenkt. Damit hat aber die Freigebigkeit de» Bürgermeister» noch nicht ihren Abschluß gefunden, denn auch zu den Baukosten hat er einen baaren Zuschuß von 2000 Mk. gespendet! Dieser brave Mann heißt Voßwinkel, ist Junggeselle und jedenfalls da« Musterbild eine uneigennützigen Menschen. — Seltsame Wette. In einer Gastwirthschaft zu Stendal soll, wie da« „Altin. Int.- und Leseblatt" mittheilt, ein Arbeiter um ein Achtel Bier gewettet haben, ein Liter rohe Kartoffeln verzehren zu können. Die Wette wurde zum An«trag gebracht und von dem Arbeiter auch gewonnen. Außer einigen Magenbeschwerden, die den Wettlustigen ein paar Tage an da» Bett fesselten, soll er weiter keine nachtheiligen
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