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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 20.04.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189504209
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18950420
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18950420
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1895
-
Monat
1895-04
- Tag 1895-04-20
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Monat
1895-04
-
Jahr
1895
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sich heute vorzustellen vermag, in welcher Weise Deutschland die ideale» Ziele seiner Einigung und Großmachtstellung, aus anderem Wege Halle erreichen können, als durch die großen, menschenmörderischen Kriege mit Oesterreich und Frankreich, — ebenso Ivar der nun hossentlich beendete Krieg im östlichen Asien nothwcndig, um China zu erschließen und der Kultur zugänglich zu machen. Der bekannte chinesische Staatsmann Marquis Tseng, der sein Reich al« Botschafter in England längere Zeit vertreten hatte, erklärte allerdings vor mehreren Jahren, als man ihn wegen der damals viel erörterten Frage de« Eiscnbahnbauc» in China interpcllirte, daß, wenn sein Land auch von einer großen Mauer umgeben sei, diese Mauer dennoch große Fenster habe, durch welche stete Blicke nach Europa gerichtet würden, um die Kulturentwicklung diese« Weltthcil« zu verfolgen. Die Aufnahme des Eiscnbahnbaue« in größerem Stil sei auch in China nur eine Frage der Zeit, doch müsse man mit der Langsamkeit rechnen, weiche den LebenSgcwohnheiten des chinesischen Volke« anhaftc und die auch dessen StaatSeinrichtungcn durchdringe. Dieser Lang samkeit dürste nunmehr der letzte Krieg, welcher da« große Reich in seinen Grundvesten erschüttert und dessen Regierung wirksam ausgerüttelt hat, ein Ende gemacht haben. Der chinesische Zopf ist abgeschnitten! Krieg und Handel haben in dem Punkt ein gemeinsame« Interesse, daß ihr End ziel die großen Städte sind. So werden auch in China zu nächst die großen Handclsknotcnpunkte mit der Hauptstadt wohl schon in wenigen Jahren durch Eisenbahnlinien ver bunden sein. Man darf freilich nicht verlangen, daß ziffern mäßig angegeben wird, wie viel Meilen Eisenbahnen in China in den nächsten Jahren gebaut werden und wie viel Tonnen Eisenbahnschienen und sonstiges Eiscnbahnmatcrial bei den europäischen und insbesondere auch den deutschen Werken zur Bestellung gelaugt. Auch werden sich die europäischen In genieure noch in Geduld zu fassen haben, sofern sic daraus rechnen, für die Ausarbeitung der diesbezüglichen Baupläne zur Mitwirkung zugezogen zu werden. Darüber aber kann kein Zweifel sein, daß China unverzüglich zur Wiederherstell ung seiner Befestigungen, zur Erneuerung seiner Bewaffnung für die Landarmce und insbesondere zur Errichtung einer neuen großen Kriegsflotte schreiten wird. Zum mindesten wird die chinesische Kriegsmacht zu Wasser und zu Lande auf ihre frühere Stärke gebracht werden müssen und da« allein wird der europäischen Industrie reichliche Beschäftigung zu führen. Aber China muß mehr thun; cS kann der „Schraube ohne Ende" nicht mehr entgehen. Die Japaner haben ihre Kräfte erprobt und wenn China zurllckblcibt, so werden sich die Japaner gänzlich an seine Stelle setzen. Da« wird Li- Hung-Tschang, der chinesische Bicckönig und FricdenSunter- händler, der ein Mann mit offenen Augen und den modernen Kultur-Ideen zugänglich ist, gewiß einschcn und auch seinem jungen, um den Thron besorgten Kaiser diese Ansicht beibringen. Eine sehr wesentliche Kulturaufgabc fällt dabei den christ lichen Missionen zu, die sich von nun ab in China freier werden entfalten können. In Japan hat während der letzten zwei Jahrzehnte das Christcnthum schon große Fortschritte gemacht; in China dagegen waren die Erfolge bisher verhält- nißmäßig gering. Die gebildeten Klassen der Japaner sind überwiegend Anhänger der von ConfuciuS gelehrten Sitten religion ohne Kultus, welche Duldsamkeit für jeden Glauben fordert. In China ist der Buddhismus entstellt durch die Vermischung mit dem Lamaismus und dem durch die Mandschu- Dynastie aus dem Norden eingcsührtcn Schamanenthum, wel che« abscheulichen Aberglauben, Wahrsagern und Zauberei pflegt und den Priestern ungeheure Macht verleiht. Ihrem Interesse entspricht der Fanatismus, die Unduldsamkeit, sie treiben allerlei Gaukeleien, sür die der Chinese natürliche Vor liebe hat, veranstalten Drachcnfeste, stehen als höhere Spiri tisten im Briefwechsel mit den Göttern, fangen für Geld Seelen ein, um ihnen die Wanderung durch unerfreuliche Thierlcibcr zu ersparen u. s. w. So wird der schreckliche Krieg doch auch seine guten Folgen haben, indem er jenes Ricsenreich, in dessen Grenzen mehr al« ein Viertel der Menschheit wohnt, in seinen Grund vesten ausrüttelte und so den Boden vorbereitete für die Samenkörner einer höheren sittlichen Wcltauffassung und einer fortschreitenden Kultur. Tagesgeschichte. — Deutschland. Die Verstärkung de« deutschen Kreuzergeschwaders in den ostasiatischcn Gewäs sern ist angeordnct worden, bevor die deutsche Regierung von dem Abschluß der FricdcnSvcrhandlungen von Shimono- seki Kcnntniß erhalten hat. Diese Maßregel wird, wie die „Post" hört, auch nicht rückgängig gemacht werden, fall« der chinesisch-japanische FricdenSschluß thatsächlich eintritt; sie ist in erster Linie dadurch veranlaßt, daß die Wahrung der deutschen Interessen in Ostasien, namentlich des Handels, bei den zu erwartenden großen Veränderungen der dortigen Ver hältnisse den eventuellen Schutz einer starken deutschen Flotte beansprucht. — Um wenigsten« da« Ucbel zu beseitigen, daß die kleinen Landwirthe ihr Getreide um jeden Preis auf den Markt werfen Müssen, will der preuß. Staat die Bildung von Lager - hauSgenossenschasten fördern, indem er da, wo die Ver hältnisse dazu einlaben, Lagerhäuser baut und sie den Genossen schaften verpachtet. Zunächst soll in Halle ein Anfang mit einem solchen gemacht werden. In diesen Lagerhäusern soll da« Getreide der einzelnen Landwirthe zu einer gleichmäßigen Waare, wie sic dcr Großhandel »erlangt, verarbeitet werben. — Die Anzeichen dafür, daß auch im Schooße der kon servativen Partei starke Bedenken gegen die Umsturz- Vorlage bestehen, mehren sich. Wie au« Nürnberg berichtet wird, hat sich dcr am l6. dort versammelt gewesene Partei tag der Deutsch-Konservativen de» Königreich« Bahern nach einem Referate de« al« Gast anwesenden württcmbergischcn LandtagSabgeordnctcn Schrempf einstimmig, durch Annahme einer bezüglichen Resolution, gegen die Umsturzvorlage au«- gesprochen. — Friedrich-ruh, 17. April. Etwa 4000 Vertreter der deutschen Jnnungsverbände brachten heute Nachmit tag dem Fürsten Bismarck eine Kundgebung dar, welche bei herrlichem Wetter glänzend verlies. Vorher hatte der Fürst eine Abordnung au« Darmstadt empfangen, die eine Mappe mit Ansichten von Darmstadt überreichte, sowie eine Abordnung der Münchener Künstlergenosscnschast, welche eine Figur überreichte. Um l'/, Uhr traf dcr Zug, dcr von Au ¬ mühle nach der Oberförster« marschirt war und sich dort mit den von Berlin eingetroffcnen Theilnchmcrn vereinigt hatte, vor dem Balkon rin. Die Aufstellung dauerte etwa eine halbe Stunde. Sodann hielt der Obermeister der Ber liner Schornslcinfegerinnung, Fasler, eine Ansprache an den Fürsten und überreichte ihm eine Huldigung«adrcssc in pracht voller Mappe. Darauf hielt dcr Altmeister der Berliner Schlächterinnung, Helsort, eine Ansprache an den Fürsten. — Fürst Bismarck erwiderte darauf: In den letzten Wochen seien ihm bereits viele Huldigungen dargebracht worden, die heutige de« deutschen Gewerbe« sei jedoch die zahlreichste und die jenige, welche einen überau« wichtigen Stand vertrete. Auch er selbst gehöre al« Landwirth dem produktiven Gewerbe an und sei der Ansicht, daß sich alle produktiven Stände sammeln müßten gegen die Gegner. In seiner früheren AmtSthätigkcit habe er da« Handwerk vielfach auf gesetzgeberischem Wege zu unterstützen versucht, stet» habe ihm aber der Reichstag Schwie rigkeiten bereitet, auch in der Richtung der Gesetzgebung, welche er da« Klcbegesctz bezeichnen wolle. Er habe nicht den Gedanken gehabt, daß ein siebzehnjähriger Arbeiter bezahlen sollte für die Ergebnisse, die er mit 70 Jahren erwarte; er habe nur die Verantwortung für die Anregung der Idee. Die Gesetzgebung könne Modifikationen schassen, namentlich die Klcberci beseitigen. Die Herbeiführung einer Besserung sei Aufgabe der Associationen. Da« Zusammenhalten dcr Genossenschaften sei e«, worauf er in höherem Grade gerech net habe, nämlich aus die freiwilligen Innungen. ZwangS- innungen könnten heutzutage nicht mehr in Wirklichkeit ge bracht werden, aber die Innungen könnten so auSgcstattet werden, daß sic Anziehung hätten. Er habe früher geglaubt, ein Wahlgesetz sür da« Reich und Preußen auf den BerusS- gciiossenschaflcti gründen zu können, daß jede durch selbstständige Abgeordnete vertreten sei, er habe aber kein Verständniß hier für gefunden. Dcr Fürst erinnerte sodann daran, daß ihm unter dem Regiment Windthorst'S ein Hilfsarbeiter abgelchnt worden sei lediglich deshalb, weil er ihn beantragte und brauchte ; c« sei jetzt wieder dieselbe Mehrheit im Reichstage. Da« Gegenmittel sei nur in der Ermannung der Bevölker ung und dcr Wählerschaft gegeben und dazu seien die Inn ungen und die BerufSgcnossenschaftcn die geeignete Grund lage. Dcr Fürst empfahl schließlich den engen Zusammen schluß der Erwerbenden gegenüber denjenigen, die nicht« thun als Reden halten und abstimmcn. Die praktischen Leute seien die wirklichen Erwerber, deshalb bitte er die Versammelten, cinzustimmen, wenn er sage: Alle erwerbenden Stande leben hoch, der Nährstand in der weitesten Ausdehnung! Locale und sächsische Nachrichten. — Leipzig, lü. April. In einem Anfall von Wahn sinn suchte gestern eine in der Moritzstraße wohnende Wittwe ihre 2l jährige Tochter mit Hammerschlägcn auf den Kopf zu ermorden. Die Wunden sind nicht tödtlich. Durch hinzukommcnde Nachbarn wurde die Frau an ihrem Vorhaben gehindert. Da« .schwer verletzte Mädchen wurde in da« Krankenhaus, die Wittwe in die Jrrenklinik gebracht. — Leipzig, 17. April. Seit gestern ist mit den Au«- sührungSarbciten zur Wetterführung de« Neumarktes über die Promenade begonnen worden. Zunächst haben die Bäume und Sträucher uiedergclegt werden müssen, die der Wcitcrführung im Wege standen. Da« ist freilich recht schmerz lich; denn unter den Bäumen befanden sich Prachtexemplare, die den Anlagen daselbst zur großen Zierde gereichten und deren Wegfall auch da« landschaftliche Bild an jener Stelle in nicht geringem Maße beeinträchtigt hat. Aber der Verkehr bedingte die Nicderlegung der Bäume und so mußte das Opfer im Interesse des Verkehr« auch gebracht werden. — Chemnitz. Einen ungewöhnlichen Erfolg erreichte die am 1. Osterfciertag Nachmittag vom Garten de« Gast hauses „Linde" an» erfolgte erste Auffahrt de« von der „säch sischen Vereinigung zur Förderung der Luftschifffahrt" er bauten Rie'cnballonS. Punkt 4 Uhr erhob sich der Ballon mit majestätischer Ruhe sammt seinen Passagieren, den Herren: Feller, dessen langjährigem Assistent Zicgert, dem Tricotagcn- Fabrikanten Paul Spiegel und einem Herrn vom meteoro logischen Institut, Namen« Seifert. Nach einer Reise von 3 Stunden 10 Minuten landeten die Lustschiffer unter den günstigsten Umständen in dcr Nähe von Kulmbach in Baiern und trafen am Montag Morgen 8 Uhr wieder in Chemnitz ein. Der 1500 Kubiksuß Leuchtgas fassende Ballon erreichte eine Höhe von 4600 Meter. Die Temperaturmessungen er gaben bei 600 Dieter 2 Grad Kälte, zuletzt aber, also 4600 Meter hoch, 7 Grad Kälte, Celsius. Von großem Interesse dürsten die photographischen Ausnahmen von Wolkenbildungen und Ansichten au« der Vogelschau sein, welche unausgesetzt während der Fahrt gemacht wurden. E« sei noch bemerkt, daß die Luftlinie zwischen Kulmbach und Chemnitz 147 Kilo meter beträgt. (Der Ballon wurde in der 5. Nachmittags stunde auch in Eibenstock beobachtet.) — Oel«nitz. Unsere Stadt hat zu ihren zahlreichen Industriezweigen einen neuen erhalten, die Britanniawaaren- und Löffelfabrikation. Da« Fabrikgebäude liegt zwischen den beiden Bahnhofstraßcn; dcr Bau ist mit dem Eintritt milderer Witterung begonnen und jetzt bereits in der Hauptsache voll endet worden. Betrieben wird diese neue Fabrikation von den Herren Gork L Schnauder. — Auf dem nunmehr durch Abschlagen de« Holze« ganz bedeutend vergrößerten Artillerieschießplätze bei Zeit hain wird jetzt emsig gearbeitet, um alle nöthigen Einricht ungen bi« zum Beginn der Schießübungen fertig zu bringen. Eine Abthcilung ArbcitSsoldaten bricht die alten, überflüssig gewordenen BcobachtungSstände ab und errichtet neue bi« an da« Dorf Gohrisch, in dessen allernächster Nähe nunmehr die Ziele zu stehen kommen. Ein Detachement Pioniere arbeitet an verschiedenen anderen Einrichtungen. Da« Dors Goh risch ist seit l. April von den Bewohnern vollständig geräumt und mit einer Militärwache besetzt. Die königl. Oberförsterei ist nach dem neu erbauten stattlichen Gebäude in Haidehäuser verlegt. Jedenfalls nur wenige Jahre wird c« währen und da« Dorf Gohrisch ist vom Erdboden verschwunden. — Neue Personenwagen III. Klasse find seit einigen Tagen in die Personcnzüge der DrcSden-Bodenbachcr Linie eingestellt worden. Dieselben fallen durch ihre große Länge in die Augen, haben 4 Achsen, 8 Abtheilungen und 3 Abortabthcilungcn. Von den Doppclabtheilungen find je 2 durch einen Scitengang verbunden, damit die Aborte von jedem Sitzplatze de« Wagens au« erreicht werden können. Die neuen Wagen haben außer den Thürsenstern auch Seiten fenster, wie solche bisher nur in I. und II. Klaffe zu finden waren und sind überhaupt allen Anforderungen der Neuzeit entsprechend ausgerüstet, namentlich wird durch die amerikanische Drchgestcllcinrichlung ein ruhiger Gang erzielt werden. Die Wagen sind in der Breslauer Waggonfabrik gebaut. Aus vergangener Zeit — für unser« Zeit. 19. April. (Nachdruck verboten.) Vor hundert Jahren, am IS. April 1795, ist der berühmte Natur forscher Chr. G. Ehrenberg geboren, ein Mann, der für die Kenntniß der Mikroorganismen von großer Bedeutung gewesen. Er war Pro- essor der Medizin in Berlin; von seinen vielen wissenschaftlichen Reisen st die bedeutendste und wichtigste die mit Alexander von Humboldt unternommene nach dem Ural und dem asiatischen Sibirien bis zum Altai. Durch seine mikroskopischen Forschungen und Entdeckungen hat Ehrenberg die Kenntniß von dem kleinsten Leben der Erde, dem der Infusorien und ähnlicher Geschöpfe, ungemein erweitert und wenn auch manche der von ihm gezogenen Schlüffe nicht haltbar waren, so bleibt doch das große Verdienst dauernd, diese ganze Richtung mikroskopischer Naturforschung angebahnt zu haben. Seine zahlreichen gelehrten Werke sind noch heute von Bedeutung. 20. April. Wie bereits früher erwähnt, gingen den gewaltigen, von Frankreich vom Zaune gebrochenen Kriege vor 25 Jahren sehr ernste Dinge in Frank reich vorher, Erschütterungen, welche das Kaiserthum bedenklich in's Wanken brachten und schließlich zur neuen Befestigung des Napoleonischen Regimentes zum Kriege drängten. Des von Ollivier eingeführten parla mentarischen Regiments war Kaiser Napoleon mit Recht sehr bald müde geworden; ihm mußte daran liegen, persönlich beständig im Vordergründe zu stehen und zu diesem Zwecke griff er zu dem beliebten und bereits vielfach bewährten Mittel des Plebiszits. Vorbereitet wurde dieser Appell an den Volkswillen durch den Senatsbeschluß vom 20. April 1870, welches, abgesehen von freisinnigen, in allgemeinster Form aus gedrückten Verfassungsänderungen, die alleinige Verantwortung des Kaisers vor der Nation betonte. Die französische Kammer war inzwi schen vertagt worden. 21. April. Vor 25 Jahren, am 21. April 1870, wurde das letzte deutsche Zollparlament eröffnet. Diese, aus direkten Wahlen hervorgegangene parlamentarische Körperschaft hatte sich zwar nur mit der Regulirung von Zollangelegenheiten für Nord- und Süddemschland zu beschäftigen, allein sie erhielt durch die nothwcndig gemeinsame Arbeit nord- und süddeutscher Abgeordneter immerhin politische Bedeutung und hat zur Vorbereitung des Einigungswerkes mit das ihre beigetragen. Dieses Zollparlament hat übrigens nur 3 Jahre bestanden. getrennt und verstoßen. Roman von Ed. Wagner. (40. Fortsetzung.) „Sie ist nun in Ihrem Hause?" „'Nein. Ich ging, um meine Frau zu holen; al« ich zurückkehrte, war sie verschwunden, und ich habe sie seitdem nicht wieder gesehen." Lord Champneh lächelte. „Ah!" sagte er gedehnt. „Und Ihre Silbersachen, Ihr Geld und andere werthvolle Kleinigkeiten waren ebenfalls verschwunden?" „'Nein, Mylord. Da« Mädchen ist offenbar verscheucht worden, oder der junge Squire, ihr anderer Liebhaber, welcher ihr bei der Flucht behülflich gewesen, hat sie abgchol«. Sie ist keine Betrügerin, ich will meinen Kops dafür cinsctzen." „Ihr Vertrauen zu der Menschheit ist wirklich groß," sagte der Lord lächelnd. „Sie brauchen keine Hülse sür da« Mädchen, weil c« verschwunden ist; warum kommen Sic denn mit dcr Geschichte zu mir, mein lieber Sir Graham?" Der Doktor schritt einige Male rasch durch'« Zimmer. „Sie können c« nicht errathen?" fragte er dann. „Nein; c« sei denn," sprach Lord Champneh, durch seinen eigenen Gedanken erschreckt, „daß Sic meinen, ich solle da« Mädchen aufsuchen und, mit Hinweis auf die zufällige Ueber- cinstimmung de« GeburtSmaals, e« Lady Barbara al« unsere eigene Tochter vorstellen mit der Erklärung, daß der Tod der selben ein Jrrthum gewesen sei." Sir Graham blieb plötzlich stehen und sagte: „Da« ist e« gerade, was ich meine." Lord Champneh fuhr zusammen. „Sind Sie toll?" ries er unwillig. „Durchaus nicht," erwiderte Sir Graham lächelnd. „Sehen Sie, wie leicht sich die Sache machen läßt. Da» Mädchen sicht Ihnen und Ihrer Frau ähnlich. Es hat das selbe Maol, welche« Ihr Kind hatte. E« ist nicht die Tochter jener Leute —" „Nicht ihre Tochter?" „Nein. Ich weiß, daß sie e« nicht ist, sic weiß e« auch. Da» Paar hatte vor vielen Jahren eine kleine Farm in Surreh. Die Frau hatte früher im Hause eine» Doktors gedient. Der Doktor empfahl sie au« Mitleid und freundlichem Interesse einer vornehmen Familie al» Amme, und die kleine Ervin wurde ihr übergeben. Dcr Mann fälschte bald darauf —" Jetzt sprang der Lord erregt auf. „Sie meinen also, daß da« Mädchen da» Pflegekind der L.-ute ist?" .S-!" „Die Namen — die Namen diese« Paare«?" „John und Catharina Farr." Der Lord sah den Doktor in völliger Erstarrung an. Nach einer Weile flüsterte er: „Großer Gott! Sie meinen also, daß da» Mädchen meine — wirklich meine eigene Tochter ist?" „Sir Graham nickte ernst, und der Lord wurde wieder sprachlos. Er lehnte sich gegen den Kamin, sein Gesicht war todtenbleich und seine Lippen zitterten. „Habe ich Ihnen die Nachricht nicht schonend genug mit- gctheilt, Mylord?" fragte ängstlich lächelnd der Doktor. „Da ist ein großer Betrug verübt worden. Da« Mädchen, welche« in voriger 'Nacht bei mir war und auf welche« die Farr- Ansprüche machen, ist in Wirklichkeit Ihr so lange al« todt betrauerte« Kind. Ich will mein Leben dafür cinsctzen." „Die« wäre ein zu große« Glück, um c« zu glauben," murmelte der Lord. „Eine Freude, wie diese, ist mir nicht beschieden." „Gott steh' mir bei!" rief Sir Graham ungeduldig. „Sie benehmen sich, wie ein Mensch in Verzückung. Fassen Sic sich. E« ist nunmehr kein Grab zwischen Ihnen und Ihrer Frau." Lord Champneh richtete sich auf. Seine Freude war aber zu groß, um die Wahrheit ganz zu begreifen. „Ich muß sogleich zu Barbara gehen und ihr'« erzählen," sagte er, nach der Thür gehend. „Nicht doch," wendete der Arzt ein, indem er ihm den Weg versperrte. „Lasten Sic un« da» Mädchen erst aufsuchen und e« dann zu Lady Barbara bringen. Warum sie aus regen, ehe da« Kind gefunden ist? Wir dürfen nicht zögern, denn jede Minute ist kostbar. Wir müssen nach der Black Cottage gehen, die Farr« zu einem Gcständniß zwingen und da« Mädchen von ihnen nehmen, wenn e« noch in ihrer Gewalt ist."
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