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Wochenb 1 a t t - ... f ü r" . . , Bischofswerda Stolpen und Umgegend Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich 2 Mal, Mittwochs und Sonnabends, und kostet vierteljährlich 12z «gr. Mittwoch, de« LL. Januar slM Das Friedensgeläute, daS so plötzlich in unsre Ohren klingt, wäre etwas so Herrliches, wenn eS wirklich den geschloffenen Frieden emläutete, daß uns das neue Jahr eine Zukunft eröff nete rosigen Antlitzes, wie ein neuer Tag. Man be denke nur: der Orient dem Handel eröffnet; die Do nau frei von russischen Fesseln; die Gemütber frei von der Furcht vor Rußland; Deutschland frei von der Angst einer englischen Blokade seiner Häfen, die früher oder später bei Preußens Haltung eingetreten wäre; Oesterreich frei von der drückenden Last, eine starke Armee mit unfichcrn Finanzen erhalten zu müssen; dazu für die Sentimentalen kein Blutvergießen mehr, und die Christen in der Türkei unter den Schutz sämwt- licher christlicher Mächte gestellt, endlich für die, welche den Donaufürstenthümern besonders wohlwollen, die Aussicht auf daS Ende der unerträglichen Stellung dieser Länder — kurz, es wäre etwas Herrliches um diesen Frieden, — wenn er nur schon wirklich da wäre! — Bis Ende December weigerte sich Rußland die von Esterhazy überbrachten vier Punkte anzunehmen; Esterhazy wurde in Petersburg sehr kalt empfangen, Gortschakoff besuchte den Hofball in Wien zu dem er nebst allen daselbst anwesenden Diplomaten eingeladen worden, nicht, und der Kaiser von Oesterreich zeigte sich auffallend freundlich gegen den französischen Ge sandten. Und nun mit einem Male diese Nachgiebigkeit von Seilen Rußlands. Man erzählt von einem be- sondern Eindruck, den die Anwesenheit des sächsischen Gesandten v. Seebach in Petersburg gemacht; eine andere Nachricht spricht von einem geheimen Vertrage, nach welchemOestcrreich, Frankreich undEngland üder- eingekommrn wären,zuerstPreußen zurTheilnahme auf zufordern und dann Rußland zur Annahme der vier Punkte zu zwingen. Kurz etwas Besonderes hat diese Plötzliche Sinnesänderung R ußlandS zuWege gebrach t, was eS gewesen, daS entzieht sich vor der Hand der öffentlichen Wahrnehmung noch gänzlich. ES ist aber dieser Frieden noch keineswegs vollkom men fertig. Wie eS heißt, haben die Westmächte einen fünften Punkt parat, angeblich bloS die Verhinderung des Wiederaufbaues von Bomarsund betreffend, er soll aber so lauten, daß diese Mächte außer den vier Punkten (Neutralität des schwarzen MeenS, Stellung Elster Jahrgang. der Christen in der Türkei unter den Schutz de» christ lichen Europas, Abänderung der Stellung der Donau« fürstcnthümer und Abtretung eines Landstriche» in Bessarabien zur Befreiung der Donaumündungen) sich noch andere Punkte aufzustellen, vordehielten. — Ferner ist die sogenannte orientalische Frage nicht ge löst, nur aufgeschoben Wer wäre so leichtgläubig, anzunehmen, daß die Leiden de» kranken Manne» durch diesen Krieg gehoben seien! Und wird diese Unterstellung der Christen in der Türkei unter fremden Schutz zur Kräftigung des siechen Körper» des türkischen Staates beitragen? Wir nun, wenn diese Christen, die in der europäischen Türkei die große Mehrzahl bilden, durch die immermchr hervortretend« Ohnmacht des großherrlichen Thrones aufgereizt, an fangen, ihrem ungläubigen Oberhaupte Verlegenheiten zu bereiten? Doch genug hiervon! Wer aber, fragen wir noch, hat denn eigentlich, wie man sich auSzu« drücken pflegt, gewonnen? Rußland nicht, denn e» muß, seit Jahrhunderten zum erstenmale Gebietsab tretungen machen, etwas was die stolze allrussische Partei in Petersburg sehr übel vermerken wird. Frank reich nicht, denn eS erhält keinen Zuwachs an Gebiet, nicht einmal von Kriegskostenentschädigung ist die Rede. England nicht, denn eS will ja ganz ohne Eigennutz nichts, als die Türkei vor ihrem Nachbar beschützen. Also treten die Krieg führenden Mächte vom Schauplatz ab, ohne etwas anders erlangt zu baben, als eine Vermehrung ihrer Schuldenlast und Hinopserung so vieler Tausende. Ein Schluß, wie ihn kaum ein anderer Krieg gehabt hat, und, wir ge stehen, kaum glaubli ch. Dergleichen allseitig ungenü gende Friedensschlüsse, die, was nicht zu vergessen, keineswegs durch Erschöpfung des einen oder andern, oder aller Theile herbeigeführt sind, werden zwar nach dem Wortlaut auf Ewigkeit geschloffen, währen aber nach dem Zeugniß der Geschichte kaum einige Zahre. Von Herzen hoffen wir, daß die Gesinnungen der Friede schließenden Mächte aufrichtig find, aber wir können nicht verbergen, daß unsere Befürchtungen größer sind, als unsere Hoffnungen. Nächst dieser unsrer unmaßgeblichen Anschauung sagt auch die „Ostd. Post", daß bis zum Friedens schluß noch manche Schwierigkeiten zu überwältig«, find. „Ein sichtbarer Abschnitt der Weltgeschichte—