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Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich 2 Mal, Mittwoch« und Gonnabends, und kostet vierteljährlich 12j Sigr. M«r sächsische W>r;Mr, W o ch e n b latt f ü l / , Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Zm gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stünde. Sonnabeud, de« 12. Januar s18S6- Z e i t b e tr a ch t u n g. DaS verflossene Jahr hat ein bedeutendes Stück Weltgeschichte gemacht und die erheblichsten Aenderun- gen auf dem Schachbrett« Europa- hervorgebracht, welche nun wieder al» neue Ursachen zu kommenden Ereig nissen wirken. Rußland ging vor 2 Jahren auS, um dem kranken Manne noch bei Lebzeiten sein Erbe wegzunehmen, eS glaubte, die Zeit sei gekommen, zu erobern. Jetzt ist e» nicht nur zurückgedrängt, sondern auch in seinem eignen Lande zurückgeschlagen worden. Seine wichtigste Seeveste und seine Pontusflotte eristiren nicht mehr. Sein Nimbus, der allen Nachbarn Furcht und Schra ken einflößte, ist geschwunden. Die Bevölkerung diese» Lande- ist in ziemliche Bedrängniß gerathen und die Regierung hat eingesehen, daß fle sich in täuschenden Hoffnungen gewiegt. Der ehemals unwiderstehliche Einfluß Rußlands im Auslande ist vernichtet. Seine Nachbarn suchen ein Bündniß mit seinen Gegnern oder hüten fich, in ein offene» Bündniß mit Rußland zu treten. An seinen Küsten ist e» soweit beschädigt, daß Jahrzehnte vergehen werden, bevor eS sich auf seinen früher» Stand erheben kann; eS muß seine frühern EroberungSpläne vertagen und würde gezwungen sein, die demüthigenden Friedensbedingungen der Westmächte mzunehmen, wenn eS nicht auf glückliche Zufälligkeiten rechnete, wie Lockerung de» englisch-franzöfischen Bünd nisse-, Unruhe in Frankreich re. Rußland denkt jetzt, Zeit gewonnen, viel gewonnen und darum wird e» auf alle FrirdenSverhandlungen, auf Waffenstillstände emzehen, die man ihm anbietet, e» wird durch seine geheimen Freunde Friedensverhandlungen durch zweite Hand auf- Tapet bringen lassen. ES gewinnt dabei Zeit und die Aussicht, daß bei solchen Verhandlungen seine Gegner uneinig werdrn, daß sie den Krieg mit «er Länge der Zeit satt bekomme». Die militärischen Anstrengungen der Weflmächte haben aber auch im hohen Grade die Kräfte ihrer Nation in Anspruch genommen. Während Napoleon l. »en Krieg auf Kosten d«S Auslandes führte, müßte Krankreich seit zwei Jahren die furchtbarsten finanzielle» Anstrengungen mache», um den Krieg auf fernen Küste» führen zu können. Bevor Rußland Nicht seine Grobe- rung»pläne völlig aufgiebt und fich vollständig unter Elfter Jahrgang. die Interessen Europa» unterordnet, ist jeder Friede, der geschloffen wird, nur ein Waffenstillstand auf ein« Reihe von Jahren, den jener halbafiatische Staat bei erster günstiger Gelegenheit wieder bricht. Ein Friede, der Europa unter den Waffen hält, der keine Bürgschaft giebt, daß Rußland seine EroberungSpläne fallen läßt, ist ein fauler Friede, der nicht die Ungeheuern Opfer an Menschen und Capital lohnt, welche er gekostet, der nicht den Schaden aufwiegt, den er dem Handel und der Industrie gebracht, der keinen Bestand hat. Im vorigen Frühjahre war der Abschluß eine» solchen jammervollen faulen Frieden» nahe. Hätte Ruß land fich gefügt und daS Zugeständniß gemacht, seine damals noch bestehende Poniusflott« zu vermindern, so würde ein Friede unterzeichnet worden sein, der alle Hauptfragen ungelößt gelassen hätte, der dieSachen wieder auf die lange Bank schob und der e» dahin brachte, daß in einer Reihe von Jahren die Fackel b«S Kriege» wie der geschwungen wurde. Wie sehr die Lage der Dinge damal« für einen solchen Frieden sprach, geht zur Gnüge au- dem Rücktritt zweier Diplomaten hervor. Drouin de kHuiS und Russell hielten den unzuverlässigsten Frieden für besser, al» einen Krieg, der ihnen al» Minister schwere Sorge machte. Dieser faule Friede kam aber zum Glück für die künftige Generation nicht zu Stande, weil Rußland auch in di« kleinsten Beschränkungen sei ner Pläne für die Zukunft nicht willigen wollte und weil die englische und französische Regierung nach den Ungeheuern Opfern nicht mit einem so leeren Geirinne vor die Nation treten wollte. Die großen gehabten Opfer waren hauptsächlich da- Hindrrniß eine» nichts sagenden Friedensschluss«-. War die« schon im vorigen Jahr« der Fall, so fin det dies im gegenwärtigen noch «eit mehr statt. Mn Friede, wie ihn jetzt manche Zeitungen gerüchtweise schildern, in welchem einzig und allein Oesterreich durch sein schlaue» Zögern und NichtSthun den Gewinn hätte, gehört zu den Unwahrscheinlichkeiten. Oesterreich macht FriedenSvorfchläge, weil ihm der nahe Krieg durch Rüstungen viel Geld kostet^ »eil sie ihm die schöne Rolle de« Friedensstifters geben und well e» durch einen länger» Krieg keine größrrn Dortheike erringen, kann, als e» ohne Schwertstreich in de» Donaufürsten» thümern bereit» erlangt hat.