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Monaten. Diese Thatsache hat aber doch den günstigen Er folg, daß die Preisschleuderci und Preisdrückerei in Tüllspitzen, über die schon so ost geklagt wurde, aufhören muß. ES ist übrigen« auch Hoffnung vorhanden, daß die jüngst erfolgte Anregung zur Gründung einer Tüllsabrik im Vogtland« Erfolg hat; denn der Plan verspricht unserer Spitzen- und Stickereiindustrie ihren Einfluß zu erhalten und zu erhöhe». — Die diesjährigen Uebungen der Mannschaften de« Beurlaubtenstandc» der Fußartillerie werden in der Zeit vom 2. bi« mit 13. April aus dem Truppenübungsplätze bei Jüterbog abgehalten, wo zu diesem Zwecke ein au« vier Com pagnien bestehende« Uebung»bataillon sormirt wird. Zwei Compagnien diese« Bataillon« werden durch Mannschaften der Reservesußartillerie, die den Jahrgängen 1888 und 1889 angehören, zwei durch Mannschaften der Landwehrfnßartillerie der Jahrgänge 1883, 1884 und 1885, gebildet. Die Chargen werden dem Aktivstande de« König!. Sächsischen Fußartillerie- Regiment« Nr. 12 entnommen. Die Einberufung zu dieser Uebung erfolgt durch Gestellungsbefehle. Aus vergangener Zeit — für unser« Zeit. 27. Februar. (Nachdruck verboten.) In der Zeit der schweren Reaktion fand am 27. Februar 1850 eine Konvention zwischen den Regierungen von Bayern. Sachsen, Würt temberg statt, worin die Grundsätze zu einer Revision der deutschen Verfassung festgesetzt wurden. Dieser Entwurf bildete den Gegensatz zu den preußischen Unionsbestrebungen, gegen welche die süddeutschen Re gierungen sich erklärten. Da sich auch Hannover den genannten Staaten anschloß, nannte man diesen Zusammenschluß das VierkönigSbündniß, das jedoch nur von kurzer Dauer war. Getrennt und verstoßen. Roman von Ed. Wagner. (St. Fortsetzung.) Ei» Blick auf die Unterschrift bestätigte seine Vermuth- ung. Er setzte sich auf die Bank und la«: .Mein lieber Albert! Ich erhielt Dein reizende« Bouquet und den darin enthaltenen Brief; aber Beide« wäre beinahe mein Ruin gewesen, denn e« wurde mir von Lord Champney überreicht, und ich mußte meine ganze BcrsteUungSkrast aufbieten, um seine» Verdacht, welchen er von der Wahrheit hat, mit Entrüstung zurückzuweiscn." .Ah!" unterbrach sich der Lord zähneknirschend, und fuhr dann fort: .Die Gefahr ist jedoch vorüber. Seine Lordschaft weiß nicht, wa« er denken soll, aber mein Unwille über seine Verdächtigungen und mein entschiedene« Leugnen haben großen Eindruck auf ihn gemacht. In der That, er ist vollständig geblendet." „Diese» betrügeriscke, hinterlistige Geschöpf! Aber e« ist nicht mehr, al« ich veruinthete," sagte der Lord, sich vor die Stirn schlagend. Der Brief zitterte in seiner Hand, als er fortsuhr: „Ich erwarte Deine Vorschläge, lieber Albert, mein Liebling, empfange meine herzlichsten Grüße. Deine Barbara." „Himmel! Dieses Weib habe ich angebetet," flüsterte er mit hohler Stimme. „Jedesmal, wenn ich ihren Augen begegnete oder in-ihr Gesicht sah, stiegen Zweifel an ihrer Schuld in mir auf. O, könnte ich sie doch hassen! Ein« ist gewiß: sie will mich zur Ehescheidung zwingen; e« soll ihr aber niemals die Gelegenheit gegeben werden, Effingham zu heirathen — nie!" Sechzehntes Kapitel. Warner s Vorschlag. Als Felix Warner'« AuSrnf durch da« kleine Zimmer drang, richteten sich die Blicke der beiden Farr'«, gleich dein Dora'«, auf den neuen Ankömmling. Da« jnngc Mädchen fühlte bitter den Contrast zwischen ihrem eleganten, aristokratischen Geliebten und diesen unwissen den, verworfenen Personen, welche ihre Eltern zu sein Vor gabe», und sic war stumm vor Scham und Schrecken. Mr«. Farr jedoch war schnell resolvirt; Dora'« Erreg ung, oder auch ein gewisser Instinkt sagte ihr, wer er war. „Sie sind Mr. Warner, nicht wahr?" fragte sie in familiärem Ton. „Ich bin Mr. Warner," erwiderte dieser. „Und wer, wenn ich fragen darf, sind Sie?" „Mein Name ist Farr — Catharina Farr," sagte die Frau. „Ich bin Dora'« Mutter!" „Wirklich!" „Und der da ist ihr Vater. Jack, komm, sprich für Dich selbst." Farr taumelte auf ihn zu. „Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen." Er streckte seine Hand au«, welche Mr. Warner hoch- müthig betrachtete, al« ob e« eine unangenehme Naturselten heit wäre. „Wollen Sic mir nicht die Hand reichen?" fragte Farr mit gezwungenem Lachen. „Ist ebenso recht. Aber wenn Sie zur Familie gehören, Mr. Warner, leide ich solche vornehme Ziererei nicht. Merken Sie sich da«. Wer Miß Dora hei rathet, muß un« auch mitnehmen, oder in anderer Weise für un« sorgen. Da« ist so die Berechnung in den siebzehn Jahren, nicht wahr, Kat?" „Du schwatzest dumme« Zeug, wie Du e« immer thust, wenn Du betrunken bist," sagte Mr«. Farr. „Doch Mr. Warner versteht un« nun. Ohne Zweifel liebt er Dora genug, um uns eine Entschädigungssumme zu zahlen, daß wir nach der Hochzeit un« au« dem Staube machen können. Ich habe keine Lust, in feine Gesellschaften zu gehen." „Meine guten Leute," sagte Mr. Warner endlich, seine Verachtung der Gemeinheit dieser Beiden unterdrückend, „ich kam hierher, um Miß Chessom zu sprechen. Bitte, lassen Sie mich eine Weile allein mit ihr." „Nicht eher, bevor wir in'« Reine gekommen sind," er klärte Mr«. Farr. Es ist Gebrauch bei den vornehmen Leuten, die Besucher ihrer Töchter nach deren Absicht zu fragen, und ich beanspruche dasselbe Recht. Ich möchte wissen, welche Ab sichten Sic aus meine Tochter haben." Warner strich sich verlegen den Bart. „Ich will e« Ihnen sagen," entgegnete er nach kurzer Pause. „Lassen Sie mich eine halbe Stunde allein mit Miß — Miß Chessom, und dann will ich Ihnen meine Absichten mittheilen." „Verstehst Du, Kat?" flüsterte Farr, seine Frau in die Seite stoßend. „Er will da« Mädchen erst fragen. Ein ver nünftiger Bursche. Wa« nützt c«, wenn er etwa« verspricht, ohne zu wissen, wa» Miß Dora sagt. Oh, er ist ein Schlauer." „E« ist gut," stimmte Mr«. Farr bei. „Wir wollen auf eine halbe Stunde hinauSgchen. Wir werden uns so lange aus die Treppe setzen und pünktlich zurück sein. Komm', Jack!" Farr blinzelte mit den Augen Warner zu und sagte: „Es wird schon Alle« gut gehen, denke ich. Miß Dora wird nicht hart gegen Sie sein, nicht ivahr. Miß Dora? Wünsche viel Glück, zukünftiger Schwiegersohn. Nun geh' zu. Alte, und gieb den Verliebten Gelegenheit, sich au-zusprechen." Die Farr« entfernten sich geräuschvoll und warfen die Thür hinter sich zu. Warner und Dora waren allein. Da« junge Mädchen stand da, bleich und kalt, wie eine Marmorstatue. Warner näherte sich ihr und streckte ihr seine Hand entgegen. „Dora!" sagte er sanft. „-Nun?" erwiderte diese kalt. „Empfängst Du mich so, mein Liebling? Hat sich Dein Herz von mir abgcwendet in den wenigen Tagen, seitdem ich Dir in dem alten Familienzimmer im Meierhof Chessom meine Liebe gestand und Du mir, erröthend und lächelnd, sagtest, daß Du die Meine werden wolltest?" „'Nein, mein Herz hat sich nicht verändert," antwortete Dora ernst. „Ich liebe Dich noch ebenso wie früher; aber alle« Andere hat sich verändert. Ich bin keine reiche Erbin mehr. Ich bin heimathlos, arm, und Du hast selbst Die jenigen gesehen, welche meine Eltern zu sein vorgeben." „Aber ich habe mich nicht verändert, Dora", sagte War ner innig. „Ich liebe Dich unwandelbar." De« Mädchen« Gesicht klärte sich auf. „O, Felix!" rief sie, „ist da« wahr?" „Es ist wahr!" „Und die Armuth und die Verwandten schrecken Dich nicht zurück?" fragte Dora. „Ich fürchtete, daß Du mich nicht mehr lieben würdest, obgleich ich unschuldig an meiner Erniederung bin." „Gewiß bist Du da«", stimmte Warner bei. „Es macht mich unglücklich, mit diesen Menschen zu leben. Ich habe stet« mir gebildeten Leuten Umgang gehabt und kann mich nicht an diese rohen, trunksüchtigen Menschen gewöhnen; ich kann sic nicht leiden, Felix, wenn sie auch meine Eltern sind. Ich zweifle aber daran, sondern glaube vielmehr, daß sie mich für ihr eigene« Kind, welches starb, behalten haben." „Eine romantische Idee", versetzte Warner lächelnd; „es ist nur schade, daß sie zu unwahrscheinlich ist. Du bist in anderen Verhältnissen aufgezogen, Dora, deshalb kannst Du Dich in die gegenwärtigen nicht finden." „Papa pflegte zu sagen: Da« Blut wird zeugen." „Es mag manchmal zutrcfsen," sagte Warner. „Ich empfing Deinen Brief zur rechten Zeit, Dora, und habe die erste Gelegenheit benutzt, um zu Dir zu eilen. Wie gefällig siehst Du aus in Deinen Trauerkleidern!" „O, sprich nicht so, Felix!" sagte Dora, und ihre Augen füllten sich mit Thränen. „Ich kann eine Anspielung auf meine Trauer nicht vertragen. Armer Papa —" „Weine nicht, Dora!" unterbrach sie Warner hastig. „Ich kann Frauen nicht weinen sehen; übrigen« war der Squire nicht Dein Vater, warum willst Du Dir die Augen seinetwegen verderben?" „Felix!" „Du weißt, ich spreche mit gesunder Vernunft, Dora. Ich würde um einen Mann, welcher, wie er, versäumte, für mich zu sorgen, nicht eine Thräne vergießen! Komm', Dora, setze Dich und laß' uns zusammen plaudern!" Dora bemerkte, daß eine Veränderung mit Felix seit ihrem letzten Zusammensein vorgegangcn war: er war weniger zärtlich und ehrerbietig, vielmehr familiär und leichtfertig. Diese Veränderung berührte sie unangenehm. „Wie reizend Du bist, Dora!" sagte er, als ob sie ein Bild oder eine Statue gewesen wäre. „Ich kann nicht be greifen, wie eine solche Knospe solchem Stamme entsprießen konnte." Diese« Compliment verletzte Dora; die Zeit schien ihr für solch leere« Geschwätz zu kostbar. „Du hast meinen Brief erhalten," sagte sie unmuthig, „und weißt, daß ich bereit bin. Dir Dein Wort zurückzugeben. Ich dringe darauf, daß Du es annimmst, Felix. Wohin ich auch gehe, diese Leute werden mir folgen. Wir können sie nicht fern halten. Ueberlasse mich ihnen und meinem Schicksal." (Fortsetzung folgt.) Vermischte Machrichlen. - Bremen. Da« Wrack der „Elbe" soll nun doch durch Taucher ausgesucht werden. Acht Taucher sind vom Norddeutschen Lloyd in Dienst genommen worden, drei Eng länder, zwei Franzose» und drei Deutsche. Es handelt sich dabei vorwiegend nicht um die Bergung von Leichen, sondern um die Auffindung von Postwerthsachen, die aus 360,000 Mk. Werth geschätzt werden. Für die Taucharbeit sind acht Tage in Aussicht genommen. Jeder Taucher hat vertragsmäßig täglich neunmal in die MeercSticfc hinabzusteigen und erhält für jede Fahrt 20 Mk., also pro Tag 180 Mk. Aus die Auffindung de« Gelder ist eine Gcsammtprämie von 10,000 Mk. gesetzt. — Karlsruhe. Eine außerordentlich erfreuliche Für sorge für die ledigen Töchter der Gemeindebürger entfaltet der Gemeinderath von Teutschneureut. Er hat in seiner letzten Sitzung mit großer Mehrheit beschlossen, jeder junge Mann müsse mit 2b Jahren verheirathet sein, wenn er in den rechtmäßigen Genuß seiner bürgerlichen Rechte treten will. Ob dieser geniale Beschluß freilich gesetzliche Sanktion erhält, ist doch etwa« zweifelhaft. — Für die Berliner Sammlung zum Besten der Verunglückten de» Dampfer» „Elbe" sind der „B. B. Z." au« Pari« hundert Franc« zugegangen mit den folgenden liebenswürdigen, den Schreiber und seine Gesinnungen ehren den Zeilen: „Ich beehre mich. Ihnen 100 Franc« für die Wittwen und Waisen der Seeleute de« Dampfer« „Elbe" zu übersenden. Ein Franzose, welcher wünscht, zur Annäherung der beiden Nationen bcizutragen — Unglückliche, wo sie zu sehen sind, zu unterstützen, scheint mir ein gute« Mittel hierzu zu sein. A. M." — Eine ergreifende Episode zum Untergang der „Elbe" wird noch gemeldet: Mit den, Schnelldampfer „EmS" kam am 21. d. in Nordenham ein Herr an, der beim Unter gang der „Elbe" seine Ehefrau und drei Kinder verloren hat. Au der Unglücksstätte ließ der Kapitän den Dampfer langwm fahren und der seiner Familie Beraubte versenkte einen große» mit Blei beschwerten Kranz in die See. — Die Bezeichnung Muster ohne Werth stellt unter Umständen eine Beleidigung dar, so hat da« Berliner Schöffengericht in der Privatktage eine« Fräulein M. gegen den Kaufmann K. erkannt. Der junge Mann war seit Weih nachten 1893 bi« vor Kurzem mit der Dame verlobt — ge wesen. Nach erfolgtem Bruche stellte man sich gegenseitig die Geschenke wieder zu. Eine Photographie de« jungen Mädchen« packle der frühere Bräutigam in einen Brief, frankirte diesen mit einer Zehnpfcnnig-Marke, versah aber da« Couvert mit der Bemerkung Muster ohne Werth und schickte derart da« Bild an Fräulein M. Die Empfängerin bezog die Bemerkung in der Adresse auf sich und klagte, und der Richter fand, daß die Absicht einer Beleidigung vorge legen habe, umsomehr, al« der Absender wissen mußte, daß geschlossene Briefe keine Mustersendungen seien; es sei zweifel los, daß der Beklagte die Person de« Fräulein M. habe treffen wollen. Aus diesem Grunde wurde H. K. zu 10 M. Geldstrafe und Tragung der Kosten verurtheilt. - Von den Fastnachtsbräuchen bei den Wen den giebt Herr Ewald Müller, einer der besten Kenner der Spreewaldsitt'e», eine längere Schilderung, der die „Tägl. Runbsch." da« Folgende entnimmt. Der Zug der Geselligkeit, welcher dem wendischen Volke inuewohnt, tritt in keiner Zeit so voll zur Geltung, al« in den Wintermona- ten, wo die Arbeiten in Feld, Wald und Wiese beendet sind, die letzte Frucht geborgen und der Feuerungsstoff für die kalte Jahreszeit herbeigeschafft ist. Besondere LcbenSfreudig- kcit aber zeichnet die FastnachtSzeit au«. Ueberall werden um fangrciche Vorbereitungen für die Feier getrosten. In ein zelnen Wirthschaften sind Franc» und Mädchen mit dem Backen von Brot und Kuchen beschäftigt; Schweine und Käl ber werden geschlachtet und da« Federvieh muß bluten. Spei sen und Getränke sind um diese Zeit in den Haushaltungen im Ucberfluß vorhanden. Soll doch auch der Fremde, der in diesen Tage» bei dem Landbewohner Einkehr hält, erfahren, daß noch heute die ehemals viclgerllhmte Gastfreundlichkeit de« slawischen Bolksstamme« kein leerer Schall ist. Vor mehreren Jahren nahm die FastnachtSfeicr in den meisten Orten eine ganze Woche in Anspruch. Al« bedeutendster Tag erscheint der zweite FastnachtStag, an welchem da« Zempcrn vor sich geht. Hieran betheiligen sich vor allen Dingen die Mitglieder der Spinngcsellschaftcn, Burschen und Mädchen. Zur Erlangung von Eßwaaren und Geld ziehen sie mit einer meist nur aus vier Personen bestehenden Musikkapelle unter allerlei Mummenschanz die Dorfstraße entlang und sammeln in Körbe und Kober, Iva« sic mir immer erlangen können. Die männliche Jugend bindet gewöhnlich die erhaltenen Würste, Speck u. dergl. an Weidenknüttel, von denen spiralförmig riemenartige Streifen der Rinde abgelöst sind. Während de« Umzuges spricht mau der Flasche fleißig zu und bietet Jeder mann davon an, natürlich, um eine Gabe zu erlangen. Die Burschen treten in verschiedenen Verkleidungen auf: als Sol daten, Polizisten, Slavonier und so weiter, oder sic stellen den Schimmelreiter und den Erbsbär dar. Der Bär wird gebildet durch einen vollständig mit Erbsenstroh umwickelten Mann, welcher, an einer Kette gefesselt, tanzend und brummend seinem Führer folgt. Mit einem Kuchenbleche, einer Gieß kanne und einer verstimmten Geige wird für den Tänzer die Bärcnmusik hergcstell«, mit welcher ei» kläffender Hund, den man beständig auf den Bären hetzt, seine Stimme vereint. Bei dieseni lärmenden Unizuge öffnen sich Thor und Thür der Hütten und Alt und Jung erscheint, um sich theilweise der seltsamen Schaar anzuschlicßc». Dann bcgiebt man sich zum Tanz in die Schenke. Dort spricht man zunächst dem Freibier fleißig zu, das der Jugend von den im verflossenen Jahre verhciratheten Wirthcn gespendet wird, und schwingt darauf das Tanzbein unermüdlich. Selten wird bei den Wenden so viel getanzt, wie zu Fastnacht. Selbst die alten Frauen dürfen keinen Tanz abfchlageu. Und wie ausgelassen wird dabei getanzt! Gilt doch allenthalben der Glaube, je höher man beim Tanzen springe, desto besser gerathe der Flachs. Freilich sind es heute nur moderne Tänze, welche die Wenden aussührcn. Die Zeit des ursprünglichen wendischen Tanzes uerdnlcu i ns», welcher der Polonaise und dem Menuett ähnelte und vor etwa fünfzig Jahren noch allgemein üblich war, ist heute vorüber. Auch die seither gebräuchlichen na tionalen Musikinstrumente, der Dudelsack, die dreisaitige wen dische Geige und die Tarakawa, finden sich in der Nicdcrlausitz nirgends mehr vor. Aber an seinen malerischen Reizen hat der Tanz der Wenden nicht da« geringste cingebüßt. — Ein Wunderdoktor. Kurz nach dem Austauchen des WundcrschäfcrS Ast in Radbruch ließ sich in Hamburg ein „Wunderdoktor" mit fremdländischem Namen nieder, der vielen Zulauf hatte. Die Zulassung zu seinen Sprechstunden war auf alle mögliche Weise erschwert; tiefe« Geheimniß umhüllte den Wunderdoktor, seine Diener verriethen nicht«; die Folge davon war, daß da« Wartezimmer vom Morgen bis zum Abend belagert war. Allein, die Polizei sandte einen Kommissar ab, welcher von dem Wunderdoktor die Vorlegung seine« Diploms verlangte. Da — statt der erwarteten Be stürzung zeigte der Doktor sein — wohlausgcfertigte«, richtige» Diplom und echte Fakultätszeugnisse vor. „Aber," bat der Doktor den Kommissar, „wenn Sie sich vollständig überzeugt haben, bitte, vcrrathcn Sie nichts! Denn wenn meine Patien ten erfahren, daß ich ein richtiger Doktor der Berliner Fakultät bin, dann wollen sic sicher nicht« mehr von mir wissen!" — Eine eigenthümlichc Korrespondenz, so schreibt man den „M. N. N." au« Holstein, führte ein dortiger Gutsbesitzer mit einem „anonymen" Tagelöhner. Beide ver schmähten es, Tinte, Feder und Briefpapier zu benutzen; ein Stück Kreide vielmehr war die Feder und al« Schreibfläche diente das Scheunenthor. Da aus dem Gut die Arbeit zwar schwer, die Kos! aber sehr leicht war, so wunderten sich Knechte und Tagelöhner nicht allzusehr, al« sie eine« Morgen« mit Riefenschrift den Satz au« Thor geschrieben fanden: „Iuer- beer »n Zchinunelbrot; De Diiwel shla den Grafen dod!" Ob dieses freundlichen Wunsche« war der Gutsbesitzer na türlich mehr ergrimm«, al« erbaut. Zornig ichrieb er darunter: „Wenn Du 'n ihriicher Kicrl büst, denn meld' Di'!" Indessen er hatte der „OuvnIIeri» rnntieunu" zuviel zugekraut; der Tagelöhner meldet sich zwar, aber doch nur wieder anonym am Scheunenthor: „Dat ick'n 'Narr wier!" stand am anderen Morgen in steifen Buchstaben unter de« Grasen Schriftzügen.