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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. 103.1 Verantwortlicher Redakteur: Friedrich May. Sonnabend den AO. December f18S4. Diese Zeitschrift erfcheintwöchentlich 2 Mal, Mittwochs und Sonnabends, und kostet vierteljährlich 12z Rgr.— Beftellungcn nehmen alle Postaastalten Sachsen« an.— Annoncen werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 6 Pf. berechnet und für die nächste Nummer bis Tag« vorher Vormittag« S Uhr angenommen.— Sine Annonce unter 4 Zeilen kostet 2 Ngr. S Pf. Zum Jahresschluß 1854. Der Wechsel eines ZahreS bat für jeden Denkenden etwas Ernstes. Ein Jahr von 365 Tagen mit seinen ernsten Ereignissen, mit seinen Freuden liegt hinter uns. Wie ernst mag das entschwundene Jahr in manche Fa milie eingegriffen haben, wie manche bittere Erfahrun gen sind gemacht worden, welche Verluste mag das verflossene Jahr in seinem Gefolge gehabt haben. Und doch müssen wir bekennen, wenn uns auch die ewige Weis heit auf rauhen Wegen führte, so segnete sie uns an unserm sittlichen Theile nicht minder, als wenn sie u»S auf Blumenpfaden leitete. Mag nun daS entschwundene Jahr für jeden Einzelnen ein mehr freudenreiches oder ein thräneuvolles gewesen sein: wir preisen Alle heute mit gerührten Herzen den Ewigen, dessen Huld und Treue doch jeden Morgen über uns neu war und sa gen dankvoll mit jenem Richter Israels, der dem Herrn einen Denkstein setzte: „Bis hierher hat der Herr ge holfen! Sein heiliger Name sei gelobt und gepriesen «in Ewigkeit. Das entschwundene Jahr ist für Tausende und aber Tausende ein gar ernstes gewesen, welches Leiden man- nichfacher An in seinem Gefolge hatte. Seit nun zwei Jahren lastet eine tiefeinschneidende Theuerung in Eu- - ropa, und mancher Familienvater hebt den sorgenvollen Blick auf zum Himmel, um den um Erhaltung der - Gtinigen anzurufen, der die Vögel »ährt und die Li lien kleidet. Der allgemeine Erwerb stand geradezu in umgekehrten Verhältnissen zur anhaltenden Theuerung; der Handel ging in Folge der Kriegsfurcht immer flauer und di« Leipziger Ostermesse brachte für die Gewerb- treibenven trabe Aussichten in die Zukunft. Zwar tra ten Hannover und Oldenburg dem deutschen Zollvereine bei, auch Oesterreich trat in eine Handelsverbindung mit Deutschland; allein unter den Kriegsausfichten der »ergangenen Monate konnte eine Erweiterung des HandelSgebiets in solchen Gegenden wenig nützen, die «Le unter dem gleichen Druck der Verhältnisse schmach teten. Von der herrschenden Theuerung wurden di«-«; mal nicht nur die ärmsten Elasten der Bevölkerung, Neunter Jahrgang. sondern auch der Mittelstand und alle die ergriffen, welche einen festen, nicht steigenden — Gehalt beziehen. Der Mittelstand litt namentlich auch deshalb, weil .jeder in der allgemeinen Zeit der Noth sich einzUjchräuken. suchte, wodurch einer dem andern immer weniger z». verdienen gab. Das Geld wanderte im verflossenem Jahre aaS den Städten in die Taschen der größer» Grundbesitzer während die kleinen Landwirthe nicht nur keinen Ge winn von den erhöhten Preisen, hatten, sondern gegen frühere reichere Jahre geradezu im Nachtheile standen. Die Theuerung ist dieses Jahr für die ärmere Claffe um so mehr empfindlich, da die Kartoffeln im vergan gene» Jahre total mißrathen find. . Das verwichene Jahr war reich an verwüsteodeu Elementarereigniffen. Das Frühjahr begann mit fast täglichen äußerst starken Regengüssen, welche sich bis zum 9. Juli fast ohne Unterbrechung fortsetzten. Der . 9. Juli war der einhundert und dritte Regentag. Der sonst so wonnige Mai bestand fast nur auS schneehasten Regentagen. Am 8. Juli drohte es von frühen Mor gen an mit Regen; schwarze, dichte Wolkenmaffen tvälz- ten sich am Himmel hin; die Lust war schwül, ohne Windzug. AbendS gegen 8 Uhr begann ein Gewitter regen, der sich um 9 Uhr in einem wahren Wolken bruch verwandelte und den andern Tag bis früh 5 Uhr andauerte. Jeder Hohlweg wurde zu einem Bache, die Bäche zu brausenden Strömen, weiche auS ihren Ufern traten, Brücken, sogar Häuser und Scheunen umstürzteu. Alle sächsischen Flüsse richteten bedeutende Verwüstungen an. Das üppig stehende Getreide der Felder lag wie gewalzt da, ui» der 9. Juli, ein Sonntag bot einen düstern, traurigen Anblick. Noch weit furchtbarer wa ren die Regengüsse in Schlesien im August. Die Oder überfluthete Meilenweit ihre Ufer und Dämm«; ganze Ortschaften standen in einem fluchenden See; die,Erde der Felder, die noch auf den Fluren stehende Erndte, wurde mit fortgerissen, zahllose Scheunen und Häuser mit weggeschwemmt. Der Gesammtschaden wurde auf 6 Millionen Hhaler »manschlagt und di« Noch der ohne hin bedrängten Bevölkerung stieg aufs Höchste. Als der