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Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Verantwortlicher Redakteur: Friedrich May. ^s.j Mittwoch, den 1. Februar s18S4 Liese Zeitschrift erfcheintwöchentlich 2 Mal, Mittwochs und Sonnabends, und kostet vierteljährlich 12jRgr.— Bestellung» nehmen alle Postanstaltcn Sachsens an.— Annoncen «erden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 6 Pf. berechnet und für di« nächste Rümmer bis Lags vorher Bormittags S Uhr angenommen.— Eine Annonce unter 4 Zeilen kostet 2 Ngr. 5 Pf. Wöchentliche Rundschau. „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich", sagt ein altes Sprüchwort, und wenn dies auch in Ange legenheiten der hohen Politik immer angewendet wor den ist, so ist eine Neutralität, wie sie Preußen in der orientalischen Frage beobachtet, nicht auf die Länge möglich. Aber auch nicht dienlich; denn nur wenn alle civilisirten Mächte gemeinsame Sache machen und dem Eroberungsgange des russischen Czaaren entgegentreten, wird ein baldiger Friede zu erzielen sein. Rußland hat wiederholt Schlappen er halten, mit seinen Finanzen sieht es auch schlau aus, da selbst die Bankfonds eingezogen werden. Oester reich könnte nur auf die Gefahr hin, Italien zu ver lieren, allein auf Rußlands Seite treten. Preußen hat ein volles Recht, gleich den andern Großmächten England und Frankreich, zu verlangen, daß die Do- naufürstenthümer, die ohne und gegen alles Recht occupirt worden sind, geräumt werden und daß Ruß land die Souverainetät des türkischen Kaisers respec- tirt. Wenn Rußland mit dem Kreuze des heiligen Andreas auf den Fahnen die Donaufürstenthümcr oc cupirt hat, so ist sein Unrecht dadurch ebenso wenig gerechtfertigt, als wenn die „Kreuzzeitung" gegen die Türken zu Felde zieht, weil der christlich-germanische Standpunkt die Verfolgung des Halbmonds erfordere. Man beruft sich auch gcm darauf, daß die Türkei ein Asyl für allerhand Demagogen geworden sei, daß polnische, ungarische, italienische Flüchtlinge unter dem Halbmonde fechten. Im Kriege giebt eS ein anderes Sprüchwort: „meines Feindes Feind ist mein Freund." — Das Kreuz allein thut eS wahrhaftig nicht; ja wer möchte nicht lieber unter dem Halbmond fechten, wenn er sein gutes Recht vertheidigt, alS un ter dem Andreaskreuze, wenn eS mit dem Schwerte Ungerechtigkeit und Gewaltsamkeit verübt. Ist eine Armee, deren Rekruten bei Nacht aus ihren Betten herauSgerissen werden, gleichwie der Wolf die Schafe aus dem Stalle raubt, in gleiche Linie zu stellen mit den Truppen civiltsirter Staaten? Knaben von 16 Neunter Jahrgang. Jahren sind so erst neuerdings wieder „ausgehoben" und „eingestellt" worden. Was ist der Mensch, was ist Menschenrecht in einem Staate, wo man so Han delt? Der Muth einer russischen Armee ist die stumpf sinnige Ausdauer und Gleichgültigkeit selbst gegen Schmerz und Tod. Der kurze Kampf in Ungarn hat dies deutlich bewiesen, und wäre nur ein wirklich mo ralischer Gehalt in der ungarischen Sache gewesen, Rußland hätte in Ungarn eine schlimme Erfahrung gemacht! ES gilt jetzt nur, den alten Wahn, als sei Rußland unbezwingbar, in einigen eklatanten Fällen zu zerstreuen, und Rußland wird, wie eS früher mit den Türken auch gewesen, in den verdienten Hinter grund gestellt werden. — Ucber die Kriegsoperation ist nicht viel Neues zu berichten. Rußland hat jetzt geantwortet. Die „Oeft. Corresp." meldet, daß der Kaiser von Rußland das Einlaufen der Flotten der Westmächte ins schwarze Meer nicht als einen un mittelbaren Kriegsfall betrachtet, sondern über die Be deutung eine genaue schriftliche Erklärung wünscht. Damit übereinstimmend sagt das „PcterSb. Journal" vom 20. Jan.: DaS Publikum ist bereits durch die auswärtigen Zeitungen davon unterrichtet, daß von Seiten Englands und Frankreichs an ihre vereinigten Flotten der Befehl erging, in daS schwarze Meer ein- zulaufen. Da dieser Befehl hier nur auf mündlichem Wege zur Kenntniß des kaiserlichen Cabinets gebracht worben ist, so hat dasselbe vor Allem für nöthjg ge halten, sowohl in Paris als London kategorische Er klärungen zu verlangen in Betreff des ChgracterS und der Ausdehnung der Maßregeln, welche die zwei Re gierungen damit verknüpfen. Seine fernere Haltung wird von dem Ergebniß dieser Erklärungen abhängen. — Diese Erklärung ist eben so ausweichend, als uner- wartet. — Wie eS jetzt schrillt, entscheidet dieAntworr aus Petersburg weder über den Krieg noch den Frie den. ES sollen erst noch mehrere schriftliche Erklär ungen folgen. Wünschen wir, diese Unbestimmtheit und Zurückhaltung friedlich deuten zu dürfen.— Trotzdem aber deuten noch alle Anzeichen auf Ktieg. So wird dem „Lloyd" auS Kalisch vom 22. Januar