- 2 - In einem literarischen Satz,wie es mir im Verlauf der Zeit be wußt wurde,verbirgt sich die Wahl zwischen Leben und Tod. Kur, was lebendig ist, existiert immer und überall. Regloses, Un lebendiges sind tot und «erm der Satz tot ist, sinkt der Text rasch in die Vergessenheit. So war es zum Beispiel für mich ein Wagnis gewesen, einen Stuhl im Satz als einen Stuhl zu be zeichnen, weil ich wußte, daß das Wort "Stuhl”, als ein begriffs mäßiges Hilfsmittel für die Wescnsgleichheit von Sitzgegenstän den, überhaupt nicht in der Lage ist, die Eigentümlichkeit mei nes Stuhles zum Ausdruck zu bringen. Ich war genötigt, den Stuhl zu meinem Stuhl zu verwandeln, d. h. ich mußte zuerst meinen Stuhl entdecken, um ihn, als den meinen, sehen zu kön nen. Ich stellte fest, daß es nicht ausreicht, Beobachtetes zu beschreiben, da Beobachten nicht gleich Sehen war. Mir ging auf, daß ich nicht das sehe, was ich sehe, sondern immer das, was ich bin. Ich konnte erst etwas sehen, wern ich gleichzei tig ein Gefühl für den beobachteten Gegenstand bekam, dieses Gefühl in dem Gegenstand als bedeutend empfand, indem es mir fantastisch wurde, in der Fantasie einen Vergleich ermöglich te und dadurch mir sichtbar wurde. Der Stuhl wurde ein inniger Teil von mir selbst. Anstelle den Stuhl zu beobachten, erlebte ich ihn in der Beobachtung. Ich hatte unvermittelt einen leben digen Kontakt zu dem Stuhl. Je intensiver der Kontakt zu einem - 3 -