ebenso gültig - ja sie kann sogar besser sein. Es kann vielmehr in einem Gedicht liegen, als dem Verfasser bewusst war. Die verschiedenen Deutungen können lauter Teilformulierungen desselben Sach verhaltes sein; Die Sinnverschiedenheiten können auf der Tatsache beruhen, dass das Gedicht mehr und nicht weniger bedeutet, als sich in gewöhnlicher Sprache mitteilen lässt." (62) Es geht, hart und brutal, um die Selbständigkeit des Gedichtes. Das Gedicht soll, darf keinen anderen Wert haben als den, der durch das Gedicht selbst entsteht. Wis senschaftler wie Dichter arbeiten daran, diese These zu stützen. Es soll nichts an der Gesellschaft verändert werden, und es darf nichts verändert werden, und durch das Gedicht schon gar nicht. Ich muss wieder zitieren, aber die Tatsache ist so ungeheuerlich, dass man sie, die The oretiker dieser Auffassung, an ihren eigenen Worten erken nen soll. Emil Staiger zum Beispiel: "Denn ein unerklärliches Wunder ist jeder echte lyrische Vers, der sich durch Jahrhunderte erhält. Alles Gemeinschaftbildende, wohlbegründete Wahrheit, überredende Kraft oder Evidenz geht ihm ab. Er ist das Privateste, Allerbesonderste, was sich auf Erden finden lässt." (63) "Der lyrisch Gestimmte bezieht nicht Stellung. Er gleitet mit im Strom des Daseins. Das Momentane ge winnt für ihn eine ausschliessliche Mächtigkeit - jetzt diese® Ton, jetzt wieder ein anderer. Jeder Vers erfüllt ihn so, dass er nicht angeben kann wie das Spätere sich zum Früheren verhält..." (64) "öfter fanden wir uns genötigt, vom "Wunder" der lyri schen Sprache zu reden. Sie ist unbegreiflich und