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Hagesgeschtchte. — Deutschland. Ueber die deutsch-rus sischen Zollverhandlungen läßt sich in dem gegenwärtigen Stadium, wo e« daraus ankommt, sich gegenseitig über die gestellten Forderungen au«zu- sprechen, neue Angebote zur Kenntniß zu nehmen und in Eiwägung zu ziehen, selbstverständlich noch gar kein Ueberblick über die weitere Entwickelung der Dinge gewinnen. Die von Rußland entsandten Ver treter zeichnen sich, wie man der .Pol. Korresp." au« Berlin schreibt, durch große Sachkunde au» und wissen den russischen Standpunkt in vornehmer Weise wahr zunehmen. — Berlin. Die Vorschläge de« HandelSministcr« betreffend eine Organisation de» Handwerks stoßen in den Kreisen der Interessenten fast allent halben auf gewichtige Bedenken. Auch der Gewerbe kammertag in Eisenach hat sich im großen Ganzen der ministeriellen Vorlage gegenüber ablehnend ver halten. Neuerding« hat denn auch hier in Berlin der JnnungSverband deutscher Baugewerkmeisler eine Versammlung abgehalten, aus der für eine noch auS- zuarbeitcnde Gegcnvorlage folgende Punkte als Grund lage aufgestellt wurden: .Durch die Berlepsch',che Vorlage werden die Innungen vernichtet. Da« Lchr- lingSwesen wird nicht gehoben. Die Innungen düisen den Handwerkerkammern nicht untergeordnet werden; sic stehen gleichberechtigt neben den Fachgcnosscnschaflen. Ihre Mitglieder gehören letzteren nicht an. An die Stelle der Handwerkerkammern treten für die Inn ungen JnnungSverbände mit den Rechten und Pflich ten und Einrichtungen der Handwerkerkammern. Die Ausbildung von Lehrlingen ist ausgeschlossen für alle Gewerbetreibenden, die nicht ordnungsmäßig gelernt und eine Meisterprüfung nicht bestanden haben und Fabrikbetriebe leiten. Von der Mitgliedschaft einer Fachgenossenschaft und dem dafür ausschlaggebenden selbstständigen Gewerbebetriebe sind die auSzuschließen, die sich ihren Verpflichtungen gegen die Fachgenossen- schast fraudulös entzogen oder den Offenbarungseid geleistet haben. Für das Baugewerbe wird der Be fähigungsnachweis verlangt." — Der preußische Minister des Innern hat den Provinzialbehördcn neuerdings dringend empfohlen, bei NaturalisationSanträgen, namentlich Seitens Gewerbetreibender und Arbeiter mit ganz beson derer Vorsicht zu verfahren und bei obwaltenden Zweifeln bezüglich der Räthlichkeit der Aufnahme sich eher für die Ablehnung als die Bewilligung der Gesuche zu entscheiden. Um Täuschungen zu bc- begegnen, sind die Regierungen anzuweisen, einer jeden Naturalisation eine protokollarische Vernehmung des Antragstellers über die persönlichen Verhältniss.-, den Nachweis der gesetzlichen Bedingungen der Natura lisation u. s. w. vorangehen zu lassen, wobei dem Antragsteller ausdrücklich zu Protokoll zu eröffnen ist, daß, falls er unrichtige Angaben machen sollte, seine Naturalisation für unrichtig erklärt und die ihm ertheilte NaturalisationSurkunde als erschlichen wieder eingezogen werden würde. — Da« Reichsversicherungsamt hat entschieden, daß, wenn die Invalidenrente geringer ausfällt als die Altersrente, der Rentenberechtigte den Anspruch erheben kann auf AuSzahlnng der Altersrente. ES sei zwar eine Lücke im Gesetz; aber dieselbe müsse im Geiste de« Gesetzgebers ausgefüllt werden, welcher Denjenigen, der bereits die Altersrente beziehe, durch die Zubilligung der Invalidenrente nicht schlechter gestellt wissen wollte. — Frankreich. Am 17. Oktober, Vormittag 10 Uhr ist Marschall Mac Mahon auf Schloß La Foret gestorben. Die Pariser Blätter widmen dem Verstorbenen warme Nachrufe. Die öffentliche Meinung habe ihm ihre Hochachtung bis zum letzten Augenblicke bewahrt. Sie ehrte in ihm stets den ritterlichen Soldaten und maß ihm weder die Schuld an den Niederlagen von 1870 noch an der Politik bei, die er später al« Präsident vertrat. Sein Tod bedeute eine herbe Trübung der gegenwärtigen Fest tage. — Ueber den LebenSgang Mac Mahon« mögen folgende Angaben in Erinnerung gebracht werden: Marschall Mac Mahon, Herzog von Magenta, wurde am 13. Juli 1808 auf Schloß Sullh bei Autun ge boren. Im Jahre 1855 zeichnete er sich im Krim kriege bei der Erstürmung de« Malakow au«, ent schied 1859 an der Spitze de« 2. Korp« die Schlacht bei Magenta, war aber 1870 bei Wörth unglücklich und wurde dann bei Sedan verwundet. Im Mai 1871 unterdrückte er den Pariser Kommuneaufstand und wurde 1873 an Thier'« Stelle Präsident der französischen Republik, dankte aber 1879 ab. Seitdem ist er nicht wieder in die Oeffentlichkeit getreten. — Italien. Ein Attentatsversuch gegen CriSpt wird auS Rom gemeldet. Al» CriSpi sich am Dienstag in Begleitung von Freunden nach der Galerie Mazzini in Genua begab, wo ihm ein Fest gegeben werden sollte, stürzte sich ein Individuum aus den Exminister und versuchte ihn niederzuschlagen. Ein zufällig anwesender französischer Journalist, Namen« Juvent, deckte EriSpi mit dem eigenen Leibe und streckte den Attentäter mit einem Faustschlag nieder; da» Handgemenge dauerte, da auch noch andere Individuen eingriffen, etwa zwanzig Minuten; dabei wurde ein Garibaldianer verwundet wegzetragcn. CriSpi blieb unverletzt. Local« und sächsische Nachricht«». — Schönheide, 19. Oktober. Ein wunder schöne» Panorama bietet sich dem Auge in Wilzsch- hau« dar: Von einer Anhöhe vom linken Mulden ufer au« sieht man im Vordergründe die neue eiserne Eisenbahnbrücke, die in einer Länge von über 150 m da« ganze Muldenthal überspannt; den Mittelgrund bildet eine im Schweizerstil erbaute Holzschleiferei und Papierfabrik mit dem mächtige Holzvorräthe ent haltenden Lagerraum; im Hintergründe stehen die in Rohbau ausgcführten neuen Bahnhof«anlagcn; da« Ganze ist auf beiden Seiten und, da sich daS Thal beinahe in einem rechten Winkel nach recht« wendet, auch im Hintergründe von hohen meist mit prächtigem Hochwalde bedeckten Bergen umschlossen. Von diesem reizenden Bilde hat der hiesige Photograph eine Auf nahme hergestcllt, die al« eine sehr wohlgelungene bezeichnet zu werden verdient. — Dresden. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, au« Anlaß Allerhöchstdessen 50- jäbrigen Dienstjubiläums den Truppenthcilen de» ArmcccorpS, sowie dem Kadettcncorps eine große Anzahl von Bildern früherer sächsischer Generale zu verleihen. Unter diesen befindet sich eine ansehn liche Reihe von Generalen, deren Leven und Wirken bedeutungsvoll für die Leistungen und die Entwickel ung des sächsischen Heere« waren. Indem durch den vorstehend erwähnten Allerhöchsten Gnadenakt die Bilder weiteren Kreisen der Armee zugänglich gemacht wurden, ist daher erneut Gelegenheit und Veranlass ung geboten, den Thaken jener Männer und damit der Geschichte de» Sächsischen Heere« nachznforschen und deren Kenntniß zu fördern. — Dresden. Se. Majestät der Kaiser Wilhelm und die anderen fürstlichen Gäste, die zum Armee jubiläum unsere« König« hierher kommen, werden am Montag Vormittag unter hoher Führung die Albert stadt mit ihren militärischen Etablissement«, einschließ lich de« Mausoleums, besichtigen. Nach Schluß der Besichtigung wird daS Offizierkorps beS Garvereiter- regiment« dem Kaiser ein Frühstück in dem Kasino anbieten. Die von dem Kaiser und seinem Gefolge in der Albertstadt zurückzulegende Wegstrecke wurde gestern von dem Stadtkommandanten Generalmajor v. Zeschau abgeritten. Am Abend de« Montags finden für den Kaiser und die fürstlichen Personen Familien diner» bei Sr. Majestät dem Könige und dem Prinzen Georg, König!. Hoheit, für da» militärische Gefolge da» Diner im Europäischen Hof statt. — Dresden. Von Herrn Generalstaatsanwalt Held hat das „Dresdner Journal" folgende Zu schrifterhalten: Mehrere Zeitungen (Vossische, Deutsche Wacht, Dresdner Nachrichten u. a.) berichten über einen angeblich in Sachsen vorgekommenen Fall der Verurtheilung eines Unschuldigen. Ein Kassirer soll vor >2 Jahren wegen Unterschlagung von amtlich ihm anvcrkrauten Geldern trotz seiner UnschuldSbelheuerungcn bestraft worden sein und jetzt soll seine Schuldlosigkeit sich herauSgestellt haben. Ich habe sofort Erörterungen cingeleitet, kann aber nach Prüfung der Akten schon jetzt bemerken, daß die Verurtheilung aus Grund eine« umfassenden, sich mit dem Revisionsbefunde deckenden Geständnisses erfolgt ist, mit dem der Angeklagte zugleich genaue Rechen schaft über die Verwendung der unterschlagenen Gelder gegeben hat. — Leipzig. Seit dem 11. Oktober liegt im hiesigen Krankenhause ein älterer Mann, dessen Per sönlichkeit noch nicht hat festgestellt werben können. Der Betreffende ist am 11. Oktober besinnungslos auf dem AugustuSplatze aufgesundcn worden und hat bi« jetzt die Besinnung nicht wiedererlangt. Als be sondere« Merkmal seiner äußeren Erscheinung ist eine schwarzlcdcrne Umhängetasche zu erwähnen. — Bautzen. Am 16. dS. Ml«. Abends in der 11. Stunde ist in der Rämschschen Scheune an der Goschwitz Feuer ausgebrochen, durch welche« die Scheune vollständig und da» angrenzende Holland sche RestaurationSgcbäude ihcilweise eingeäschert worden sind. Von den Bewohnern hat die ArbeitcrSfamilie Schwarz, deren Wohnung unmittelbar an die Scheune grenzte, fast ihre gesammte Habe verloren. Leider aber sind drei Menschenleben zu beklagen, indem drei Kinder der genannten Familie Schwarz, Mädchen im 9., 5. und 3. Lebensjahre, den Erstickungstod ge funden haben. Der Vater der Kinder befindet sich in der Gegend von Dresden aus Arbeit, die Mutter der Kinder hat noch am Tische gesessen. Durch Rufe von unten ist sie auf da» Feuer aufmerksam geworden, in demselben Momente hat sie jedoch auch gleichzeitig wahrgenommen, daß ein dichter Rauch in ihre Wohn ung dringt. Sie hat sofort ihre Kinder geweckt und einen Korb, in welchem sich ihr Pflegekind befunden, genommen und ist mit diesem, nachdem sie angeblich bemerkt, daß ihre Kinder ihr gefolgt, herunter geeilt und hat da» Kind in Sicherheit gebracht. Während dem hat sich aber ein so dichter Rauch entwickelt, daß sie nicht mehr zu sehen und kaum vorwärt« zu kom men vermocht hat. Sogleich nachdem sie da» Pflege kind in Sicherheit gebracht, hat sie versucht, nochmals in ihre Wohnung zu dringen, wa« ihr aber de» dichten Rauche» wegen unmöglich gewesen ist. Leiber hat sich ihre Vermuthung, daß ihre drei Kinder ihr folg ten, nicht bestätigt, sie sind später von der freiwilligen Feuerwehr Bautzen lobt in ihren Betten aufgefunden worden. Sofort angestellte Wiederbelebungsversuche sind erfolglos geblieben. Die unglückliche Mutter hat erst vor kurzer Zeit ihren Vater durch den Tod verloren. — Meißen. In große Aufregung gerieth dieser Tage eine hier wohnhafte Frau, die sich auf einige Minuten au« der Stube entfernt hatte und bei ihrer Zurückkunft ihr zehn Monate alte« Kind ver mißte. Trotzdem dasselbe noch nicht laufen sondern nur auf „allen Vieren" weiterkriechen konnte, war dasselbe doch spurlo« verschwunden. Die Frau suchte zunächst in fieberhafter Eile in der Wohnung, aber ohne Erfolg, dann machte sie die sämmtlichen Mitbe wohner de« Hause« auf ihren Verlust aufmerksam und Alle halfen mit — nicht suchen, sondern die Frau und da« arme Kind bedauern, bi« endlich die resolute HauSwirthin die weinenden und nach polizeilicher Hilfe rufenden Weiber in ziemlich barschem Tone an donnerte: „Na, wenn Ihr Euch hier Herstellen wollt und lamentiren, da findet Ihr da« Kind im ganzen Leben nicht. Außerdem," fügte sie noch hinzu, „kann da« Kind nicht die Treppe herunterkriechen, e« muß also noch in der Stube sein." Und richtig, kaum war der Trupp Weiber in die Stube getreten, al« in der anstoßenden Kammer da« Kind zu schreien an fing. Dasselbe war in einen umgestürzten Tragkorb gekrochen und darin cingeschlafen. In den Tragkorb hatte aber die Mutter in ihrer Hast nicht hineinge sehen. — OelSnitz i. Vogtl. Eine Benzin-Explo sion richtete am Dienstag in der 7. Abendstunde in einem Hause am GorbcrSdache arge Verwüstungen an. Im Parterre de« Hauses befindet sich eine Fär berei und Kleiderreinigungsanstalt und dort sind so wohl die Verbindungswände eingestürzt, al« auch die Decke durchschlagen und Thüren und Fenster zertrüm mert worden. DaS ganze Gebäude Hal derartig ge litten, daß e« wahrscheinlich abgetragen werden muß. Ein Färbermeister erlitt bei dem Unfälle erhebliche Verbrennungen an den Armen und im Gesicht; ein hinter der eingestürzten Wand in seinem Bettchen ruhende« Kind wurde wie durch ein Wunder vor sicherem Tode bewahrt, indem ein daneben stehender Schrank die niederstürzenden Steinmassen aufhielt. — Kirchberg, 16. Oktbr. Eines Falles, der, wenn nicht einzig in seiner Art, wenigstens bisher, wohl höchst selten vorkommen dürfte, sei auch an dieser Stelle gedacht, nämlich, daß bei einem 50jähr- igen Fahnenjubiläum der erste Fahnenträger noch in voller Rüstigkeit mit am Leben ist. Am 6. August d. I. hielt der vogtländische Turngau sein Gauturn fest in der Stadl Auerbach ab und mit diesem Feste verband der dortige Turnverein gleichzeitig sein 50jähr- igc« Fahnenjubiläum. An den hiesigen Turnverein erging, obgleich nicht zu diesem Gau gehörig, eben falls eine Einladung zur Theilnahme und zwar des halb, weil er den Mann, der 1843 bei der Weihe der Auerbacher Turnersahne die Fahne zuerst trug, zu seinen Mitgliedern zählte. Dieses Mitglied ist der hiesige, sich allgemeiner Achtung erfreuende Brand direktor Herr I. Baumgärtel, Ritter pp. An den selben war noch besondere Einladung ergangen und derselben Folge gebend, überreichte er am Festtage, begleitet von einer Schaar hiesiger Turner, den Auerbacher Turnern eigenhändig für ihre Jubiläums fahne eine kostbare Schleife mit Widmung. Gestern nun sand sich beim Turnverein hier eine Abtheilung Turner au« Auerbach ein, um Herrn Baumgärtel seine Ernennung zu ihrem Ehrenmitgliede anzuzeigen. Einige Mitglieder dieser beiden Vereine holten Nach mittag« den Herrn Branddirektor au« seiner Wohn ung zu der im Saale de« neuen Ballhauses zur Wiener Spitze erfolgenden Uebergabe der betreffenden Urkunde. Diesem einfachen aber erhebenden Akte, bestehend in Rede, Gesang und Gegenrede, schloß sich ein mehrstündiger äußerst lebhafter Commers an. Für die den Turnerkreisen Fernstehenden sei betreffs dieser Auerbacher Fahne noch bemerkt, daß sie beim 3. deutschen Turnfest in Leipzig, damals al« älteste sächsische Turncrfahnc bekannt, dem Festzuge zusam men mit der umflorten Fahne der SchleSwig-Holsteiner vorangetragen wurde. — Riesa. Hier hat sich folgender schreckliche Vorfall ereignet: Bet dem Regenwelter, welche« am Sonntag Nachmittag da« Spielen der Kinder im Freien nicht ermöglichte, verfügten sich der l2 Jahre alte Knabe Höhme und der 7'/, Jahre alte Franz Petzsch in da« im Hose gelegene Kontor Höhme'« (Maschinenhalle). In einem unverschlossenen Pulte befand sich ein angeblich nicht geladen gewesener Re volver, welchen der kleine Höhme entdeckte, damit spielte und mehrmal« erfolglos abdrückte, bi« schließlich ein Schuß krachte, dessen Ladung dem kleinen Petzsch in da« Gehirn drang, sodaß der Tod augenblicklich ein trat. In voller Angst ergriff der Thäter die Flucht in die Wohnung seiner Eltern. Da« Gewissen scheint ihm jedoch keine Ruhe gelassen zu haben, denn nach einer Stunde begab sich nach seiner Angabe der Knabe wieder nach dem Kontor und schleppte den