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- 7 - "Brigitte, ich liebe sie." Zu schmucklos, stellte er fest, das klingt wie 'Herr Ober, ein Bier,' aber vielleicht wirkt das gerade, neben ihr durch den Abend gehen und ein bewährtes Feuerwerk abbrennen und mittendrin ganz nebenbei: Ich liebe sie. Er probierte den Satz nochmal mit etwas mehr Zärt lichkeit, wie Minnesang mit Leierzupfen und einem unirdischen Blick. Das fand er dann doch zu gotisch, und er rückte näher an den Spiegel, zog mit Schwarz auf die Stirn dämonische Brauen und verlängerte Nasenwurzel und Mundwinkel. "Ich liebe sie!" Ja, eventuell so, mit festem Gesicht und fordernd, jedes Ausweichen wird von vornherein sinnlos. Geht nicht, die Rolle liegt dir am wenigsten. Besser so ein Lord, der ihr mit Salonlöwenlächeln seine Karte reicht, nachdem er den Nebenbuhler galant mit Degengefecht vor ihren Augen niedergestreckt hat: "Pardon, aber ich liebe sie." Rößler überprüfte flüchtig die Maske, sprang auf, focht mit seinem Gegner, txieb ihn in die Ecke, kitzelte ihn mit der Klinge am Bauch, flankte über den Schminktisch, Triumphmarsch und Siegessalute: "Ich liebe sie!" Dann zog er auf der Bühne seine Radfahrer-Schau ab, gab sich mitten in der Nummer unzufrieden, begann von vorn und erfand ein paar neue Details, mit denen er selbst Renel zum Lachen brachte. Aber das war ihm nicht wichtig. Wichtig war allein der begeisterte Blick aus ihren Augen, als er atemlos und durchschwitzt in die Garderobe zurückging. Er wusch sich schnell, es gefiel ihm, laufend in andere Rollen zu steigen. Ein Song, mit seiner Stimme, die kehlig war und zugleich weich, und dann ein kurzer Black, in dem er und Brigitte ein Liebes paar parodierten. Sie beherrschte auch diesen Text exakt, und Renel hätte aufatmen können, gäbe sich nicht dieser Rößler derart echt