- 6 - machte ihr Renel eine Szene: Es sei ekelhaft, wie sie das Publikum animiere, ein ganzer Saal voller Männer sehne sich nun, mit ihr zu schlafen, und nichts anderes habe sie erreichen wollen. Renel, der umsichtige Regisseur, fand schnell Ersatz: Brigitte, di4 neue Kollegin. Die stand nun neben Rößler hinter der Bühne, auf ihr Stichwort wartend, xmal schon geprobt der Sketsch, in dem sie als alte Frau einen Eimer über die Bühne tragen und den Satz spre chen mußte: Wo soll ich ihn hinstellen? Sie trat in die Szene ohne sichtliche Aufregung, und Rößler hörte durch die Vorhänge Renels Stimme: "Was soll denn dieser Eimer? Der ist doch seit einer halben Stunde gestrichen!" "Ist da mein Satz auch gestrichen?" "Wollen sie fragen, wo der Eimer hinsoll, wenn sie gar keinen ha ben?" "Da fällt also mein Auftritt ganz weg?" "Sie sind verblüffend logisch!" "Geb ja auch Mathe," konterte sie mit einem Selbstbewußtsein, das Renel bei Frauen nicht mochte. Sie kam hinter die Bühne, stellte den Eimer ab und zog eine Kinderschnute. Sie ist herrlich, dachte Rößler und sagte: "Sie sind unmöglich. Ihre Alte ist zu natürlich. Im Kabarett können sie überziehen, das ist ja das schöne." Er formte sein Gesicht knochig und zahnlos, rückte seinen Körper 1 krumm und zitterte ein paar Schritte. Ihr Lachen machte sie zu seinem liebenswertesten Publikum, und er beschloß, sie heut noch zu küssen. Renel rief Brigitte aus den Kulissen, und Rößler ging in die Garderobe. Er begann, für die Pantomimennummer sein Gesicht weiß zu schminken und sagte in den Spiegel hinein: